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Beim Nachgraben in seinem Garten entdeckte der Gastwirt Georg Erb z. Hecht in Rottenacker einen merkwürdigen Fund-in einer Tiefe von einem halben Meter fand sich 15 Meter vom Wohngebäude entfernt ein Menschenschädel, dessen oberer Teil noch ziemlich gut erhalten ist. Die angestellten Nachforschungen werden wohl bald Licht in die mysteriöse Sache bringen. Die Oberschwäbischen Zementwerke in Ehingen, Allmendingen und Blaubeuren entwickeln dieses 'Frühjahr eine rege Thätigkeit und zieht besonders die große Fabrik in Ehingen sehr viele Arbeiter in ihren Geschäftsbetrieb. Die elektrische Beleuchtung bewährt sich glänzend und wird daS prächtige Wetk stark besucht und von auswärtigen Gästen besichtigt. Wie man hört, gehen der Bestellungen sehr viele ein.
Hall, 14. April. Durch Urteil der Strafkammer des Landgerichts hier vom heutigen Tage ist gegen die Zigeunerin Rosalie Reinhardt von Durlangen OA. Gmünd, welche im Jahre 1889 zu Hinterlinthal OA. Gaildorf der Ehefrau eines dortigen Wirts unter den Vorspiegelungen, sie könne bewirken, daß das Kind der Wrrtin, dem von bösen Leuten die Sprache geraubt sei, solche erhalte, daß sie in der Lotterie einen großen Gewinn und eine große Erbschaft machen werde u. dergl., als „Opfergeld" mindestens 200 nach und nach abgeschwindelt hatte, wegen Betrugs eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verhängt worden. Der Betrogenen, die lange Zeit die Sache vertuscht hatte, sind nach ihrer Angabe auf die bezeichnet« Art von der Angeklagten 455 die sie größtenteils zuvor hatte entlehnen müssen, herausgelockt worden. Wegen eines ganz ähnlichen Schwindels ist die Angeklagte schon einmal erheblich vorbestraft.
— Das „Frkf. I." schreibt zum Uebertritt der Prinzessin Sophie, zur griech. Kirche, welche Nachricht nach der „Post" Bestätigung findet: „Es bleibt immerhin bedauerlich, daß deutsche Prinzessinnen, wenn sie Fürstlichkeiten, die der griechischen Kirche angehören, heiraten, fast nie ihren Glauben bewahren. Wenn auch direkte Einwirkungen auf die Prinzessin nicht versucht sein mögen, so ist doch eine Beeinflussung auf indirektem Wege nicht ausgeschlossen. Daß eine persönliche Neigung zum Uebertritt zur griechisch-katholischen Kirche entstehen konnte, erscheint bei der Erziehung, welche die Prinzessin genossen hat, sehr wenig wahrscheinlich."
Geestemünde, 16. April. Die Reichstagsmahl aus 74 Bezirken ist bekannt. Fürst Bismarck 6050, Adloff 2096, v. Plate 2589, Schmalfeld 3602 Stimmen. 17 Bezirke fehlen noch. Also Stichwahl zwischen Fürst Bismarck und dem Sozialdemokraten.
Jever, 13. April. Heute ist die Sendung von 101 Kibitzeiern an den Fürsten Bismarck abgegangen. Die Widmung lautet:
Wi blivt de Ollen, ümmer trö,
Willi to Di Hollen lat un früh;
Legst Du dat Stüer ok ut de Hand,
Blivst ewig düer dem Vaterland.
- Die Getreuen.
Helgoland, 13. April. Das „Helgol. Wochenbl." veröffentlicht in seinem amtlichen Teile
nachstehende Bekanntmachung: Es wird hierdurch zur Kenntnis der Bevölkerung gebracht, daß an dem heutigen Tage die Verwaltung der Insel Helgoland nebst Zubeyör seitens des Deutschen Reiches, vertreten durch den bisherigen Reichskommissar, kaiserlichen Regierungsrat Dr. Kelch, an die königlich preußische Staatsregierung, vertreten durch den Unterzeichneten Kommissar, übergeben worden ist. Die Insel Helgoland untersteht von heute an, als Teil des Kreises Süderdtih- marschen, der Verwaltung des königlichen Landrates Jürgensen in Meldorf, Regierungsbezirk Schleswig; als Hilfsbeamter des königlichen Landrates hat der königliche Oberst z. D., Leo, mit dem heutigen Tage die Lokalverwaltung übernommen. Helgoland, den 1. April 1891. Der königlich preußische Kommissarius. v. Bischoffshausen, Ober-Regierungsrat.
Paris, 13. April. Die Meldung, vaß der Kaiser von Rußland gestattet hat, verschiedene Kunstwerke der Eremitage zur Ausstellung der schönen Künste nach Berlin zu senden, hat in Paris einigermaßen verblüffend gewirkt. „Wenn man bedenkt-" schreibt das „Evenement", „daß die von Herrn Derou- lede und Frau de Neuville (geb. Marechal) gegen die Berliner Ausstellung geführte lächerliche Campagne den Zweck gehabt hat, der Empfindlichkeit des russischen Hofes Genüge zu leisten, so kann man sich nicht enthalten — zu lächeln . . ." „Wir werden nach Moskau und nicht nach Berlin gehen," sagte vor einiger Zeit der Unterpräfekt von Bergerac — der, so viel wir wissen, noch immer nicht abberufen wurde — zu dem ziemlich zweideutigen Bemow (ehemaliger Chef Padlewski's). Der Zar ist nicht so zartfühlend. Er ist zwar nicht nach Paris gekommen, dafür geht er aber nach Berlin.
Newyork, 13. April. Die, Influenza greift in Newyork und Brooklyn immer weiter um sich. In Brooklyn wurden gestern 200 Personen begraben, und es sind in der letzten Woche dort 630 Leute gestorben. Es ist dieses die höchste Ziffer, die jemals in der Stadt vorgekommen ist. Newyork hat kaum weniger von der Seuche zu leiden. Es gibt nicht Leichenwagen genug und viele Leichen werden auf gewöhnlichen Wagen nach dem Friedhofe gebracht.
Kermischtes.
— Dr. Parke, der ärztliche Begleiter Stan- ley's auf dessen letzter Expedition, hielt dieser Tage vor der Londoner Pharmaceutischen Gesellschaft einen fesselnden Vortrag über das Pfeilgift, welches die Zwerge des zentralafrikanischen Waldes mit so verhängnisvollem Erfolge bei ihren Scharmützeln mit Stanley's Gefolge zur Anwendung brachten. Von den Männern, welche in dem Kampf von Avu Sheba durch vergiftete Pfeile verwundet wurden, starken alle mit Ausnahme Lieutenants Stair, aus dessen Wunde Parke selbst das tötliche Gift herauszog. Die Man- buttu-Frau, welche sich der Expedition angeschlossen hatte, ließ sich nach vielem Zureden dazu herbei, Parke die Ingredienzen des Giftes mitzuteilen. Dieselben sind eine Zusammensetzung aus der Rinde von Erythrophtaeum Guineense, den Blättern von Palisota Barteri, dem Stamm einer unbekannten Combretum- Gattung, dem Stamm von Strychnos Jcaja und dem
Samen von Tephosia Vögeln. Die Zwerge wenden ein aus Holzasche und den Blättern dreier unbekannten Pflanzen zusammengesetztes Gegengift an, doch ist nicht ausgeschlossen, wie der Redner hofft, daß sich noch ein stärkeres Gegenmittel finden lassen möge.
— Die französische Ausstellung in Moskau findet bisweilen nicht die ungeteilte Billigung aller Russen, welche sich die Franzosen hatten träumen lassen, sie hat vielmehr die Mißgunst der geschäftlichen Kreise von Moskau erregt. Ein Artikel des Grasch- danin giebt dieser Stimmung Ausdruck. Es sei schwer, versichert das Blatt, sich etwas weniger Russisches vorzustellen, als diese Ausstellung der Franzosen m Rußland. Dieselbe sei keine Sympathie-Kundgebung, sondern eine für Rußland unvorteilhafte Selbsterniedrigung vor den französischen Schwätzern. Sie bringe den Kaufleuten Schaden; sie sei nur arrangiert worden, um die Taschen der Franzosen mit russischem Gelde zu füllen. „Unsere phänomenale Dummheit," schließt der Graschdanin, „unser Mangel an nationaler: Würde und der ewige Knechtssinn — das sind die Quellen, aus denen in hohem Bogen russisches Geld in die französischen Taschen hineinschießen wird."
— Einen sehr kurzen Abriß der Weltgeschichteveröffentlicht die „Kreuzzeitung":
Chaos — Wüste — Schöpfung — Licht — Menschen böse — Strafgericht! —
Hellas Blüte — Persernot —
Bruderkämpfe — Hellas Tod! —
Stolze Roma — Glanz und Pracht —
Durch Germanen — Wird's verkracht! — Mittelalter — Finster ach! —
Gutenberg — Columbus — Krach! —
Neuzeit! Riesig aufgeklärt! —
Schiller — Göethe — Leyer — Schwert! — Neunzehntes Jahrhundert ah!
Pleite — Krach — Amerika!
4.
April.
5.
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5.
10.
„
11.
»
16.
Standesamt ßakw.
Gestorbene:
Friedrich Rothfuß, 4('s Jahre alt, Sohn des Friedrich Rothfuß, Bäckermeisters.
Heinrich Hutten, Zigarrenfabrikant, 67 Jahre alt-
Christian Linkenheil, Metzgermeister, 81 Jahre alt.
Dorothea, geb. Ratsch, Ehefrau des Friedrich Bäuerle, Taglöhners, 62(- I. a.
Emil Friedrich Gerl ach, Jacquardweber,, 19 Jahre alt, Sohn des Michael Gerl ach, Tuchmachers.
Karl Christian Moros, 6 Wochen alt, Sohn des Karl Moros, Kutschers.
Gottesdienst
am Sonntag, den 19. April.
Vom Turm: 246.
('»9 Uhr Beichte in der Sakristei. Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heil. Abendmahls mit den Neukonfirmierten. 2 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Helfer Eytel.
Montag, den 20. April.
Vorm. 8 Uhr im Vereinshaus: Predigt zum Anfang des neuen Schuljahrs: Herr Helfer Eytel.
daß die Nihilisten meine Berichte früher in die Hände bekamen, als der Chef der Polizei, an den sie gerichtet waren.
Wäre ich meiner ersten Eingebung gefolgt, so wäre ich in das Nebenzimmer geeilt, um den Verräter zu entlarven, den ich gerade jetzt damit beschäftigen mußte, einen Bericht über einige Nummern der nihilistischen Zeitung „Land und Freiheit" abzuschreiben, die vor einigen Tagen in meine Hände gekommen waren. Aber schon im nächsten Augenblicke hatte ich mich eines Besseren besonnen. Mir mußte alles daran gelegen sein, den Brief Vera's zurückzuerhalten, den er — davon konnte ich fest überzeugt sein — aus meinem Schreibtische entwendet hatte. Wahrscheinlich war dieser Brief schon längst im Besitze des Exekutivkomitees, aber mein Schreiber kannte sicher den Inhalt und von ihm allein konnte ich das Geheimnis erfahren, das Vera Timanoff mit ins Grab genommen hatte.
In ihrem Tagebuche war von einer Verschwörung die Rede, deren Entdeckung denjenigen ins Verderben stürzen mußte, der an der Spitze derselben stand. Die Entdeckung dieser verbrecherischen Umtriebe war in dem Briefe enthalten, den sie mir unter so eigentümlichen Umständen übergeben hatte. Und nun konnte ich weiter kombinieren: mein Schreiber hatte auf irgend eine Weise Kenntnis von diesem Briefe erhalten, er hatte ihn aus meinem Schreibtische entwendet und dem Exekutivkomitee übergeben und hierauf hatte man das Todesurteil über die „Spionin" gefällt. Wie wichtig mußte das Geheimnis sein, das sie verraten hatte, wenn dieser Verrat auf eine so schreckliche Weise bestraft wurde!
Wer in aller Wett war aber der „Er", der sie durch Denunciation der Verschwörung ins Verderben stürzen wollte? Ein Mann, den sie haßte, folglich ein Mann — und ihre Worte besagten das ja ausdrücklich — den sie einmal geliebt hatte. Denn so leidenschaftlich haßt ein Weib nur denjenigen, der ihr Herz tätlich verwundet hat. Ich blätterte nochmals in ihrem Tagebuche; gerade vor der Mitteilung ihres Entschlusses, den Verräter ins Verderben zu stürzen, befand sich eine größere Lücke, und so war es mir unmöglich, Klarheit über die Motive ihrer That zu gewinnen. Ich durfte annehmen, daß Eifersucht dabei im Spiele war; und nun
siel mir eine Stelle auf, die ich anfangs nicht beachtet hatte. Unter dem Datum des 24. Februar waren folgende Zeilen eingetragen:
„Ein leeres Blatt; ein leerer Tag! Ich habe ihn gestern vergeblich erwartet. Er ist sicher wieder bei der Französin gewesen."
Unmittelbar darunter fand ich folgende Notiz: „Da komme est imbseils pur uutnro" — sagt die George Sand. Das ist nicht wahr. Wir sind es nur, wenn wir lieben. Soll ich es ihm verargen, wenn er sich mit einer Kokette amüsiert, die nichts für ihn ist, als eine Karte in dem Spiel, mit dem er sich über ein par langweilige Stunden hinweghilft? Aber bin ich ihm denn mehr?
Blitzartig fuhr es durch meinen grübelnden Kopf. Diese Französin war Niemand anders, als Mademoiselle Camille Dupre! Und nun fiel mir die Aussage der Zofe ein, die den Fürsten G. mit der Käuferin des Armbandes im Korridor in lebhafter Unterhaltung angetroffen hatte. Dieser „Er", von dem in dem Tagebuchs der Nihilistin so oft die Rede war, dieser „Er", den sie geliebt und der sie verraten hatte, dieser „Er", an dem sie eine so schreckliche Rache nehmen wollte, indem sie der Polizei seinen Anteil an einer Verschwörung denuncierte, dieser „Er" war der Fürst Alexander G.
Wenn mir auch Manches noch nicht ganz klar erschien, — ich konnte mir zum Beispiel nicht erklären, wie es meinem Sekretär möglich gewesen wäre, Vera's Brief aus meinem stets verschlossenen Schreibtische zu entwenden — so hatte ich doch durch das Tagebuch der jungen Nihilistin Aufschlüsse erhalten, die für mich von der größten Wichtigkeit waren. Es handelte sich für mich darum, die Spur zu verfolgen, die ich gefunden hatte, und ich zögerte keinen Augenblick, die nötigen Schritte zu thun. Ich schloß das Tagebuch Vera's in meinem Schreibtische ein und suchte zunächst meinen Chef auf, mit dem ich eine längere Unterredung hatte. Eine Stunde später — es war gegen 6 Uhr Abends und ich hatte mir kaum Zeit genommen, in einem Restaurant, an dem mein Weg mich vorbeiführte, ein kleines Souper einzunehmen — hielt mein Wagen vor dem Hause meiner Freundin Anna Sergejewna Karameloff.
(Fortsetzung folgt.)