90

sich ausgesprochen hat man weiß eS nicht. Ob der preuß. Ministerrat wirklich mit derselben Ange­legenheit sich befaßt und Gegenmaßregeln beschlossen hat man weiß es nicht. Um so bequemer können sich diejenigen, die am lautesten über jene Bismarck- 'sche Gepflogenheit jammern es sind hauptsächlich Ultramontane und Demokraten unter Führ­ung der Germania und der Freis. Ztg, darauf berufen: sehet, auch der Kaiser und die preußischen Minister teilen unsere Anschauung. Wenn aber auch wirklich der Kaiser sich, wie sein persönliches Recht ist, vielleicht bedauernd ausgesprochen hat und die Minister etwa sachgemäß beschlossen haben. Unrichtiges künftig zu berichtigen, so folgt daraus doch nicht, daß jene sagen mir kurz Bismarck'schen Preß- erzeugnisse so entsetzlich frevelhaft sind, wie die nörgelnden Parteien es darstellen. Vor allem: wer will, außer diesen Parteien, ernstlich dem Fürsten Bismark niedrige versöhnliche Beweggründe unterlegen? Gekränktes Selbstgefühl wegen der Entlassung soll es sein? Das mutet man dem Manne zu, der hundert­mal die Bürde des Amtes gerne weggeworfen hätte, dann aber um der großen Sache willen, der er diente, und in rührender Verehrung gegen seinen Herrn, Kaiser Wilhelm I., mit einem Pflichtbewußtsein ohne gleichen sich jedesmal wieder entschloß, die Last weiter zu tragen. Weiter zu tragen gegen eine Welt von Schwierigkeiten, die ihm entgegenstand vom ersten bis zum letzten Augenblicke seiner Amtsführung. Die künftige Geschichtschreibung wird ohne Zweifel darthun, daß Bismarck selbst den Kaiser Wilhelm I. zuweilen nur mit großer Mühe überredet hat, die Wege zu wandeln, die ihm sein Kanzler vorschlug. Es ehrt den alten Kaiser, daß er sich selbst überwand, und der Erfolg hat es ihm gelohnt. Milde Seelen, die beileibe nicht so schlimm urteilen möchten wie die ver­bissenen Parteileute, jammern wenigstens ein wenig über das Temperament Bismarcks, der keine Ruhe geben wolle, meinen sänftlich, er könnte sich doch ein bischen be­zähmen. Ja, man nehme nur bas Temperament, die Seele, aus diesem Bismarck heraus; was bleibt dann von ihm übrig? Womit hat er denn seine Großthaten, die einen Einschnitt in die Weltgeschichte gemacht haben, vollführt? Doch wohl mit demselben Tem­perament, mit dem er jetzt das Zensoramt führt. Er kannte nur einen Richtpunkt: des Vaterlands Größe. Auf diesen Punkt drang er vor mit dem ganzen Un­gestüm seiner Natur, und damit, mit diesem Ungestüm, das alles niederwarf, mit dem in ihm verkörperten kuror teutonieus, der in ihm wieder erwachte, als die deutsche Nation halb eingeschlafen war, damit und mit Hilfe der höchsten Mächte, die die Menschen­geschicke leiten, hat er erreicht, was ihm und uns durch ihn zu Teil geworden ist. Also nur nicht zu kritisch! Die Aufsätze der Hamb. Nachr. nur nicht zu tragisch genommen! Es standen schon merkwürdig gute und treffende Sachen darin. Vielleicht dankt man es dem Manne mit dem unruhigen Temperament noch einmal, daß er nicht nur spazieren ging im Sachsenwalde!

Sozialdemokratisches. Ein bedenkliches Licht auf die Verwendung der sozialdemo­kratischen Unterstützungsgelder wirft die Ab­rechnung derjenigen Beiträge, welche im Sommer 1889 zum Ausstand der Schneidergesellen in Ham­

burg gesteuert wurden. Nach einem Hamburger Ar­tikel des BerlinerVorwärts* sind eingegangen an Unterstützungsgeldern 19653 20 Ausbezahlt

waren am 14. Juli 1889, an welchem Tage die Streik-Kommission öffentlich Rechnung ablegte: zur Unterstützung von Streikenden 10079 zur

Besoldung d er K omm iss ion sm it g lie­ber 3639 ^ 55 für Druckkosten und Porto 344 15 --Z, bar in der Kasse 4259 55

zusammen 18372 25 -rZ. Es fehlen also an der

eingegangenen Summe 1280 ^ 95 A, ganz abge­sehen davon, daß kein Nachweis über die 4259 35 -rH, welche bar in der Kasse bleiben, geliefert werden kann. Es wurden also 20 000 einge­nommen und nur 10000 ^ für die Streikenden verausgabt; die Verwaltung jener 20000 kostete 3640 H, den sechsten Teil der gesamten Spenden. Die Kommission, welche den Streikfonds verwaltete, bestand aus 15 Mitgliedern, welche also je 240 ^ für ihre Mühewaltung bekamen, die 100 streikenden Schneidergesellen haben nur je 100 erhalten das nennt man im sozialdemokratischen Zukunfts­staategleichen Anteil am Arbeitsertrag."

TageS'Ueuiakeitrn.

Nagold, 7. Febr. In letzter Woche wurde unsere im vergangenen Sommer neu erstellte Wasser­versorgung nach eingehender Prüfung durch den Staatstechniker des Wasserversorgungsmesens in Ge­meindeeigentum und Betrieb übernommen, nachdem diese wohlthätige Einrichtung seit fast einem halben Jahr in ungestörtem Betrieb ist. Die Beteiligung der Hausbesitzer an der neuen Anlage wurde wider Erwarten eine außerordentlich große, so daß die meisten Wohngebäude jetzt mit Wasserleitungen versehen sind. Mancher frühere Gegner ließ sich noch in letzter Stunde herbei, eine Leitung einrichten zu lassen, um von dem Entgegenkommen der bürgerl. Kollegien noch Gebrauch zu machen, daß ihm die Abzweigung seiner Leitung bis ans Haus auf Kosten der Wasserleitungs­kasse eingerichtet wurde. Dadurch entstanden freilich für letztere bedeutende Mehrkosten gegenüber der ur­sprünglichen Voranschlagssumme, allein durch die ver­mehrte Zahl der Abonnenten wird auch das Erträg­nis der Wasserzinse ein weit besseres und mit der Zeit dürfte die Wasserleitung für unsere Stadt eine schöne jährliche Rente abwerfen. Die gehegte Be­fürchtung, die Quellen im Kreuzerthal könnten dem Bedarf der Stadt nicht genügen, hat der ungewöhn­lich trockene Winter gründlich widerlegt, denn nicht nur war nirgends ein Wassermangel zu verspüren, selbst die früher laufenden Brunnen wurden reichlich gespeist, sondern auch das ca. 5000 Hektl. fassende Sammelbecken war stets gefüllt uud floß bei Tag und Nacht über. Nach Schluß des amtlichen Ueber- gabeaktes war gesellige Vereinigung im Hirsch, um der Freude über das gelungene Werk Ausdruck zu geben, insbesondere aber auch dem aufrichtigen Dank allen denen, die zum Gelingen desselben beigetragen haben, so namentlich dem Erbauer, Baurat Ehmann, wie den Kollegien und an deren Spitze dem Stadt­vorstand. Schw. M.

Stuttgart, 17. Febr. Influenza und kein Ende. Ueberall hört man wieder über die leidige Influenza klagen. Auch das Tivolitheater wurde

gestern abend durch dieselbe in Mitleidenschaft gezogen, indem mit Mühe nur die Vorstellung bewerkstelligt werden konnte.

L Heilbronner R-indeirnrarkt. Inder am Montag den 16. Febr. stattgehabten Rindenver­steigerung zu Heilbronn wurden aus württb. Staats­und Gemeinde-Waldungen circa 35,000 Ztr. Eichen» rinden zum Verkauf gebracht. Der Verlauf der Versteigerung war ein flauer; trotz der großen Zahl anwesender Lederfabrikanten und Gerber entwickelte sich doch kein lebhaftes Geschäft. Die folgenden Preise wurden erzielt:

Für Glanzrinde, prima 1418jährig

5.505.95 pr. Ztr^

dto. II. Sorte 20jähr. 5.5.30

Raitel-Rinde 3.804.50

Grob-Rinde 2.502.80

Die Gebote waren teilweise so nieder, daß

seitens der Verkäufer in vielen Fällen ein Zuschlag in der Versteigerung nicht erfolgte, was allerdings nicht ausschloß, daß nach Beendigung des Marktes, noch manches Loos in privater Abmachung verkauft, wurde. Die traurige Lage der Gerberei teure Rohwaren und billige Lederpreise läßt keine hohen Rindcnkourse aufkommen.

Göpprngen, 17. Febr. Am letzten Sonn­tag hielt lt.S. M." der homöopathische Arzt Dr. Donner aus Heilbronn im Dreikönigssaale hier einen Vortrag über Impfzwang und Impfwesen. Nach einer Einleitung, betreffend den Vorwurf, die Homöo­pathie sei nicht wissenschaftlich begründet, ging er zu dem Jmpfgesetz über, von dem er behauptete, daß es von falschen Voraussetzungen ausgehe. Zum Schluffe des Vortrags wurde eine Eingabe an den Reichstag um Aufhebung des Impfzwanges vorge­lesen und auch fast von allen Anwesenden, deren es etwa 120 sein mochten, unterschrieben.

Standesamt Eakw.

Gestorbene:

14. Febr. Marie Katharine geb. Sieb, Witwe des

Johannes Koch, Schneiders, 70 I. alt.

15. Gottlieb Kremser, ledig, 62 Jahre alt.

16. Jakob Reichert, Bierbrauereibesitzer,

42 Jahre alt.

17. Christiane Luise, geb. Na sch old, Witwe des

ff Ludwig Baither, Armenpflegers, 75 I. a.

Gottesdienst

am Sonntag, den 22. Februar.

Vom Turm: 1S1.

Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 5 Uhr Vortrag im Vereinshaus: Luthers letzte Tage: Herr Helfer Eytel.

Dienstag, den 24. Februar.

Feiertag Matthias.

stsio Uhr Predigt: Herr Helfer Eytel.

Keongensum.

Oeffentlichcr Vortrag

von Herrn Professor vr. Lamport aus Stutt­gart über

die niedere Tierwelt unserer Gewässer.

Montag den 23. Febr. abends 8 Uhr.

Werivaltungsrat des Georgenäums.

Schweige, Weib ich verbitte mir derartige Anspielungen," schrie der Zwerg giftig.

Ja, das glaube ich wohl dergleichen hört Niemand gern, aber"

Ein heftiger Windstoß, welcher das ganze Zelt zu entführen drohte, ließ Frau Jenkins verstummen und scheu nach allen Seiten blickend, klammerte sie sich an einen der Pfosten, welche das leichte Gebäude stützten. Der Zwerg bemühte sich, die flatternden Zipfel des Segeltuches, welches das Dach der Bude bildete, zu er­haschen, ein neuer heftiger Windstoß indeß riß ihm das Tuch aus den Händen und im nächsten Augenblick flog der Schaubudenbesitzer hoch in die Lust und das Tuch wie die Pfosten wurden gleichfalls vom Sturm erfaßt und in die Luft gewirbelt, während Frau Jenkins neben dem Pfosten, an den sie sich geklammert zu Boden sank.-

Als ob sich mit dieser Kraftprobe die Wucht des Sturmes erschöpft hatte, ließ das Unwetter jetzt nach und nur schwere Regengüsse rauschten unablässig nieder und verwandelten die engen Dorfgaffen bald in einen schlammigen Sumpf.

Jenkins war vom Sturme gegen einen Prellstein geschleudert worden; der Sturz hatte ihn betäubt und erst nach einer ziemlichen Weile kam er wieder zu sich und blickte verwirrt umher. Er fühlte einen heftigen Schmerz an der Stirn und entdeckte durch Betasten eine handgroße Beule über dem rechten Auge, wunderbarer­weise schien er weiter keinen Schaden genommen zu haben, dagegen bemühte er sich vergeblich, seine Glieder aus den schweren Falten des triefenden Zelttuches zu be­freien und ziemlich kläglich begann er nach seiner Ehehälfte zu schreien.

Glücklicherweise befand sich Frau Sarah ziemlich in der Nähe; sie vernahm den Hilferuf des Gatten und eckte mit dem Freudengeschrei auf ihn zu:

Gott Lob, daß Du noch lebst", rief sie zwischen Lachen und Weinen;ich glaubte schon, der jüngste Tag sei angebrochen."

ES fehlte auch wohl nicht viel daran," meinte Jenkins, indem er sich mit Unterstützung seiner Gattin erhob, und dann machten sich Beide daran, zu unter- uchen, welchen Schaden der Sturm an ihren Habseligketten angerichtet.

Die Erhebungen waren nicht eben tröstlicher Art; mehrere Pfosten waren zerbrochen das Segeltuch zeigte zahlreiche Risse und auch das sonstige Inventar wies bedenkliche Beschädigungen auf.

Suchen wir vor allen Dingen ins Trockene zu kommen, Sarah," meint» Jenkins,ich bin bis auf die Haut durchnäßt, und ich stiere wie ein Schneider."

Mir gehts nicht besser," klagte Frau Jenkins, während Beide dem Wirts­haus zugingen;ich denke, ich bestelle uns einen steifen Grog, der wird uns wärmen."

Das ist ein guter Einfall," nickte Jenkins und bald war das Wirtshaus er­reicht. Der Wirt stieß einen Schrei aus, als er das geschwollepe Gesicht des Zwerges bemerkte, Frau Jenkins indeß schnitt seine bedauernden Reden kurz ab, indem sie ihn ersuchte, ihr ein Waschbecken mit kaltem Wasser nebst Leinwand zu Kompressen zu schaffen und dann für einen steifen Grog zu sorgen.

Wirklich erwies sich der Grog als höchst stärkend für die Lebensgeister deS Ehepaares und nachdem Jenkins ein großes Glas des belebenden Trankes geschlürft, ward er sehr heiter und sagte lebhaft:

Weißt Du was, Sarah? Wir wollen die Schaubude aufgeben es kommt- doch nichts mehr dabei heraus."

Na, höre Henry ich glaube, bei Dir rappelts im Kopf," versetzte die Gattin, den Zwerg besorgt anblickend,wovon wollen wir denn leben?"

Von der Dummheit unserer lieben Mitmenschen," erwiederte Jenkins prompt, nein, Sarah ich rede ernsthaft wir wollen uns aufs Wahrsagen und Ge­dankenlesen verlegen. Das Gewerbe bringt ein hübsches Geld ein, wenn man's anzugreifen weiß, und da wir Beide nicht auf den Kopf gefallen sind und die Welt kennen gelernt haben, wird's uns nicht fehlen. Zu diesem Geschäft bedürfen wir keines teuren Inventars und wenn wir die dressierten Mauleser verkaufen, nehmen wir auch noch ein hübsches Stück Geld ein. Nun, was meinst Du dazu, Sarah?"

Dein Vorschlag ist gar nicht so übel, Henry", nickte Frau Jenkins,und je eher wir unser fressendes Kapital, will sagen die sieben Maulesel und deren Wärter, loswerden, um so bester wird's für uns sein." (Forts, folgt.)