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sich in Anspruch genommen hat. Wir dürfen vielmehr nach Veröffentlichungen von Interviewern aus dem vorigen Jahre annehmen, daß der frühere Kanzler ausdrücklich gesagt hat, er würde, wenn er noch im Amte gewesen wäre, zu dem Abschlüsse über Zanzibar nicht geraten haben. Er legt, wie auch aus dem Inhalt seiner von seinem Nachfolger veröffentlichten vertraulichen Marginalien (Randbemerkungen) hervor- aeht, hohen Wert auf die Uebereinstimmung mit England, generell sowohl als auch in Ostafrika, wir vermuten aber, daß er an volle Gegenseitigkeit dieser Wertschätzung bei Lord Salisbury stets geglaubt hat, aber nicht an das Bedürfnis und noch weniger an die Notwendigkeit, die Fortdauer der englischen Freund­schaft durch das fragliche Abkommen zu sichern; er hatte an der Festigkeit dieser Freundschaft, so lange Salisbury im Amte ist, aus allgemeinen politischen Gründen überhaupt keinen Zweifel.

Tages Neuigkeiten.

Calw. (Kapitän Bade). Wir machen wiederholt auf den am Donnerstag, 12. d. M., abends 8 Uhr im Georgenäum stattfindenden Vor­trag des kühnen Nordpolfahrers aufmerksam. Daß dieser Vortrag außerordentlich großes Interesse für das Publikum bietet, geht aus allen Berichten über diese Vorträge, namentlich aber aus dem Umstand hervor, daß derselbe in Stuttgart zum sechsten Mal wiederholt wurde.

Stuttgart, 8. Febr. Arbeiterwohn­ungen. Zu dem über 21 Morgen großen Baugrund zwischen den Vororten Berg, Gaisburg und Gablen- verg hat sich neuerdings das Konnte zur Erbauung von Arbeiterwohnungen auch im Westen der Stadt, nämlich bei Bothnang, ein 12 Morgen großes Terrain gesichert, welches für 100 kleine Zweifamilienhäuser reichlichen Bauplatz bietet. Im Ganzen steht also dem Comitö bis jetzt ein für mehr als 250 Häuser ausreichendes Bauterrain zur Verfügung. Ob auf beiden Seiten schon im April oder Mai mit den Bauten begonnen werden kann, scheint insofern frag­lich, als die Feststellung der Straßenanlagen in den beiden Kolonien immerhin langwierige Verhandlungen mit den Behörden beansprucht. Sollten die vorbe­reitenden Schritte bis dahin noch nicht zum Endziel geführt haben, so soll erst im Herbst begonnen und die Wohnungen auf Georgii 1892 beziehbar gemacht werden. Sobald die Straßennivellierungen festgestellt sind, veranstaltet das Comits eine Konkurrenz, mit welcher eine Prämierung der besten eingehenden Pläne für die Anlage der Kolonien verbunden ist. Die Zeichnungen für die Zprocent. Obligationen haben jetzt die Summe von 300,000 ^ überschritten.

Stuttgart, 9. Febr. Die Liederkranz­red oute war von mehr als 4000 Personen besucht. Glänzende Maskenkostüme waren zu sehen. Der Liederkranz hatte originelle und malerische Auffüh­rungen vorbereitet: Die Niederfahrt des Karneval- Prinzenpaares im Luftballon, der Engländer auf der Reise um die Welt, Buffallo Bill, einen Indianer­häuptling skalpierend und von diesem wieder skalpiert; endlich dasZukunftsvolksbad" ein Jungbrunnen eigener Art, boten der Lachlust reichen Stoff. Beim Narrenabend am Sonntag ini Festsaal der Liederhalle

waren trotz der doppelt erhöhten Eintrittspreise Saal und Galerien überfüllt. Die Prem'sche Kapelle brachte ein aus leichten gefälligen Musikstücken und komischen Szenen zusammengestelltes Programm zur Aufführung.

Stuttgart, 9. Febr. DasHotel Textor" ist um den Kaufpreis von 600,000 ^ in den Besitz von Hofbäcker Ansel übergegangen. Die aus Speise­saal und Restauration bestehenden Parterreräume des linken Flügels sollen an ein Münchener Kurzwaren­geschäft kn xro8 L en 4e.t3.il vermietet, der Laden, worin sich das Geschäft von Oskar Friehmelt befindet, sowie die übrigen Parterräume nebst Garten zu Wirtschafts­zwecken eingerichtet werden. Der Hotelbetrieb selbst wird voni 1. Apr(l ab unter der FirmaHotel Textor" von Hofbäcker Ansel unverändert weitergeführt.

Brackenheim, 9. Febr. Am gestrigen Sonn­tag fand hier im Postsaal eine stark besuchte Ver­sammlung der deutschen Partei statt, um einen Vortrag des Prof. Zeman aus Stuttgartüber die politische Lage' des deutschen Reiches" anzuhören. Der gewandte Redner schilderte die Lage nach außen und im Innern. Die deutsche Partei, die Gesinnung der breiten Mittelschicht des Volkes vertretend, wende sich sowohl gegen die Rückwärtsbestrebungen von rechts, wie die Umsturzplane von links. Sie sei eine auf­richtige Vertreterin der berechtigten Forderungen des Arbeiterprogramms, eine Verteidigerin der Staats­rechte gegen ultramontane Uebergriffe. Die mehr als einstündige Rede fand lebhaften Beifall. Hierauf sprach noch Rechtsanwalt Mögling aus Heilbronn über die Notwendigkeit gegen die Herrschaft des Zent­rums im Reichstag jetzt schon Vorbereitungen zu treffen zu einer Aenderung zum Besseren.

Dauchingen, 6. Febr. Ein Zwerg seltener Art ist hier bei Waldhüter Hugo Meßmer zu sehen. Derselbe ist nämlich im Besitze zweier drei Tag alten Zwillingskälbchen, wovon das kleine sage mit Worten gerade zwanzig Pfund wiegt und stehend 50 Ctm. hoch ist, also die Größe eines Feldhasen hat. Die kleine Bewunderung ist vollkommen aus­gebildet, munter und lustig, schlägt nach hinten und vorn aus und frißt schon Heu.

Horkheim, 8. Febr. Heute Mittag wollte ein neunjähriges Mädchen von hier unterhalb des Nordheimer Stationsgebäudes den Neckar überschreiten, brach aber ein und ertrank. Da das bedauernswerte Kind augenblicklich unter dem Eise verschwand, so konnte nicht die mindeste Hilfe geleistet werden; auch der Leichnam konnte nicht gelandet werden, da der Neckar noch weithin vollständig zugefroren ist. Die betroffenen Eltern werden allgemem bedauert. Möge dieser Unglücksfall eine bedeutsame Warnung für Alle sein, welche sich noch in den letzten Tagen fo zuversichtlich dem Neckareise anvertrauten.

Laupheim, 8. Febr. Unter Zulauf von Alt und Jung wurde des wiederholtenmalen der jugend­liche Brandstifter Baur von Brandstätte zu Brandstätte, geschlossen und unter polizeilicher Be­wachung, geführt, um im Beisein des Untersuchungs­richters den Thatbestand seiner Verbrechen anzugeben. Keck durchwandelte Baur die Straßen, ohne jede sicht­bare Spur von Reue. An Geistesstörung, schreibt dieNeckar-Zeitung", ist bei ihm nicht zu glauben, da er nach dem Urteil seiner Freunde stets hell und

klar war. Wohl aber ist er sehr beschränkten Geistes, so daß auf diese Rechnung vieles zu schreiben ist. Auch soll er in angeheitertem Zustande sehr aufgeregt sein und nach eigenem Geständnis sämtliche Verbrechen im Rausch verübt haben.

Friedrichshafen, 7. Febr. Von Jmmen- staader Fischern wurde heute in der Nähe Fischbachs ein in unfern Gewässern seltener Fisch, ein Rheinlachs, im Gewicht von 11 Pfund gefangen; diese Art Fisch ist bei uns nicht heimisch. Vor langen Jahren wurde versuchsweise in die Bregenzer Aach eine Brut davon eingesetzt, ohne daß bis jetzt ein ersichtliches Resultat damit erzielt wurde.

Mainz, 9. Febr. Der heutige zweite Fast­nachtstag brachte Mittags die kostümierte Kappenfahrt mit Zugsgruppen. In allen Straßen, durch welche der Umzug sich bewegte, stand die Menge Kopf an Kopf gedrängt. Auch aus den Nachbarstädten waren sehr zahlreiche Teilnehmer herübergekommen. Zwischen den Teilnehmern an der Fahrt und den Zuschauern aus den Häusern und auf der Straße herrschte die lebhafteste Unterhaltung, die sich namentlich in einem Bombardement mit Bonbons und Sträußchen aus­drückte. Der Zug bestand aus Vorreitern, Standarten­trägern zu Pferde, einem berittenen kostümierten Musikkorps, dann folgten die Komitewagen und der Wagen der Zugsordner. Diesen schloß sich die Jocus- garde an und jetzt folgten in bunter Reihe die Wagen der Narrhallelfen, untermischt mit launigen Gruppen, Musikwagen, Wagen der Klappergarde u. s. w. Am Abend fand der erste große Maskenball in der Stadthalle statt, welcher von etwa 4000 Personen besucht war. Es war ein Gewoge in dem weiten Raume, daß zeitweise kaum durchzukommen war. In gründlichster Weise wurde dieWahrheit" gesagt und es herrschte überhaupt das lustigste Maskentreiben, das sich gegen Morgen in den verschiedeneü Wirt­schaften sortsetzte.

Frankfurt, 9. Febr. Die Angelegenheit der gefälschten Zehnpfennigmarken beschäf­tigt hier noch immer Presse und Behörden in hohem Grade, aber die Voruntersuchung ist jetzt in der Hauptsache abgeschlossen, und die Sache wird wohl schon im Monat März vor die Strafkammer des hiesigen Landgerichts zur Aburteilung kommen. Die Anklage lautet auf Urkundenfälschung und Betrug und richtet sich gegen folgende 5 Personen: die Litho­grafen Georg und Valentin Bauer in Höchst, den Kaufmann Flock in Montabaur, den Althändler Kramig. und den Schuhmacher Heinrich Koch in Frankfurt. Die Briefmarken wurden in Höchst angefertigt und dann nach Frankfurt gebracht, wo Koch für den weiteren Vertrieb sorgte. Um die Fälschungen ausführen zu können, hatten sich die Gebrüder Baur aus Leipzig eine Perforiermaschine kommen lassen; die Herstellung der falschen Marken scheint bis in den August des vor. Js. zurückzureichen. Der Vertrieb war so stark, daß sich auf den hiesigen Postämtern em Rückgang im Absätze der lO-H-Marken bemerkbar machte. Denn die Betrüger benützten jede Gelegenheit, um die Marken an den Mann zu bringen. Nicht allein, daß sie bei kleineren Einkäufen mit 10-^-Marken zahlten; sie machten auch zahlreiche Bestellungen bei auswärtigen

12. Kapitel.

Taubert war sich klar darüber gewesen, daß es sich um einen verwickelten Fall handeln müsse, als er das Telegramm, welches ihn nach Richmond berief, er­halten hatte; nach seiner Unterredung mit Herrn Varley begriff er indeß, daß der Fall noch viel dunkler und aussichtsloser sei, als er es anfänglich angenommen. Mutlosigkeit war jedoch keine von Taubert's Charaktereigenschaften; im Gegenteil, seine Energie wuchs mit den sich ihm entgegenstellenden Schwierigkeiten, und so hatte sich der Detektiv bald seinen Plan zurecht gelegt. Es stand bei ihm fest, daß Katharina Rockwald in Richmond irgend eine ergebene Seele besaß, welche sie, Falls sie überhaupt noch lebte, von Allem, was für oder gegen sie unternommen wurde, pünktlich unterrichtete, und warum sollte nicht Matthias diese Persönlichkeit sein? Wie Herr Varley ihm erzählt, hatte Matthias das schöne Mädchen seiner Zeit ver­ehrt; die Leidenschaftlichkeit, mit welcher der sonst so stille Mensch, derNiemand", wie man ihn im Hause spottend nannte, die Partei der Verschollenen ergriffen, war Taubert gleich höchst auffällig erschienen, und so beschloß er, Matthias genau zu überwachen. So installierte er sich denn nicht nur in Rockwalde, sondern er mietete auch in dem von Varley und Wapping bewohnten Hause ein Dachkämmer­chen und war so glücklich, gerade dasjenige Zimmer, welches an das von Matthias eingenommene stieß, zu erhalten.

Damit mußte Taubert aber auch einstweilen zufrieden sein; jedem Annäher­ungsversuch wußte Matthias äußerst geschickt auszuweichen, und nach Verlauf von acht Tagen begriff der Detektiv, daß er es anders anfangen müsse, um das Ver­trauen des Unzugänglichen zu erringen. Wenn Matthias seine heftigen Hustenan­fälle hatte, war Taubert sicherlich immer sofort zur Stelle, um ihm seine Hand' reichungen anzubicten und ihm Trost zuzusprechen, aber diese Teilnahm? verfing eben so wenig, wie Taubert's nicht mißzuverstehende Andeutungen, daß es doch töricht sei, wenn Jeder allein auf seiner Kammer sitze; Matthias war und blieb schroff und ablehnend, und so änderte der Detektiv seine Taktik. Anstatt ihm in dem gemeinschaftlichen Korridor entgegenzutreten, wie er es bisher gethan, wußte Taubert

denNiemand" in seinem bescheidenen Speisehause sowohl, wie auf der Straße zu treffen; er setzte sich bei Tisch neben ihn, erzählte ihm dies und jenes aus dem reichen Schatz seiner Erfahrungen und hoffte so nach und nach auch Einiges aus Matthias Vergangenheit zu erfahren, aber mit nicht besserem Erfolg. Matthias trat niemals aus seiner kühlen Zurückhaltung heraus, er hörte die Erzählungen Taubert's höflich an, ließ aber nicht undeutlich merken, daß die Gesellschaft des Detektivs ihm gleichgültig sei, und selbst bei den tollsten Scherzen Taubert's blieb er trübe und einsilbig.

Und ich komme doch noch hinter sein Geheimnis," murmelte Taubert eines Tages ergrimmt vor sich hin;verweigert er mir sein Vertrauen, so muß ich suchen, mir auf andere Weise zu helfen."

Diesem Vorsatz entsprechend nahm der Detektiv eines Tages einen Wachsab­druck von dem Schlüsselloch am Zimmer seines Nachbars und befand sich bald dar­auf im Besitz eines Nachschlüssels zu dem genannten Raum. Freilich geschah es jetzt anscheinend dem Detektiv zum Trotz, daß Matthias sein Zimmer etliche Tage hütete und somit kein Versuch gemacht werden konnte, den Nachschlüssel zu benutzen, aber endlich ging derNiemand" wieder einmal ins Speisehaus und schnell war Taubert zur Stelle.

Aber auch diese Gewaltsmaßrcgel ergab kein Resultat; das Zimmer war kahl und leer, und es fand sich weder ein Brief, noch ein gefälliges Tagebuch, wel­ches dem Detektiv enthüllt hätte, was er so eifrigst suchte.

Nachdem Taubert auch den äußerst spärlich gefüllten Kleiderschrank und das armselige Bett durchsucht hatte, ohne irgend Etwas zu entdecken, schloß er das Zimmer wieder ab und begab sich mißmutig in sein eigenes Gemach.

Das ist ein schlauer Vogel," murmelte er ärgerlich vor sich hin,aber ge­rade die Sorgfalt, mit welcher er sich umgiebt, läßt mich vermuten, daß er etwas zu verbergen hat. Nur Geduld, mein sauberer Herr Matthias ich sehe Dir doch- noch in die Karten."

(Fortsetzung folgt.)