M 8. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Iilhrglmz.
Erscheint Di en s ta g , Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung 3 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Samstag, den 17. Januar 1891.
AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt »n Pfg. vud ro Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst ia ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
Königl. Amtsgericht Calw.
An die Vorstände der Gemeindkgkrllhtk.
Dieselben werden, soweit sie noch im Rückstände sind mit der Anzeige
1) in wie vielen Fällen wegen als unbestritten eingeklagter Geldforverungen das Schuldklagverfahren vor dem Vorstande des Gemeindegerichts in dem abgelaufenen Jahre stattgefunden hat,
2) wie viele bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in dem abgelaufenen Jahre bei dem Gemeindegericht angefallen sind und wie viele derselben durch Entscheidung, wie viele in anderer Weise erledigt worden sind,
an deren alsbaldige Einsendung erinnert.
Calw, den 14. Januar 1891.
Oberamtsrichter Deckinger.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 14. Jan. (Abgeordnetenkamme r.) Abstimmung die Frage Lebensläng- lichkeit der Ortsvorsteher betr. Der Antrag des Abg. Haußmann (Wahl auf bestimmte Zeiträume) wird mit 63 gegen 21 Stimmen abgelehnt.
Ja: Ebner, Härle, Probst, Haigold, Egger, Beutel, Bueble, Storz, Holzherr, Winter, Rapp, Rath, Gabler, Nußbaumer, Wagner, Maurer, Schnaidt, Stockmayer, Brodbek, Haußmann von Balingen, Haußmann von Gerabronn.
Nein: Frhr. Edmund v. Ow, Stälin, v. Schad, v. Wolfs, Frhr. Wilh. König, v. Abel, Frhr. v. Gemmingen, Landauer, Frhr. v. Ellrichshausen, Frhr. v. Herman, Frhr. v. Gültlingen, Dentler, Frhr. v.
Bautz, Frhr. v. Wöllwarth, Frhr. Hans v. Ow, Ehninger, Frhr. v. Seckendorfs, Rathgeb, Graf v. Adelmann, v. Hofacker, Prälat v. Merz, v. Luz, Prälat v. Lechler, Dr. Frhr. v. Mittnacht, Wittich, Prälat v. Sandberger, Prälat v. Walcker, Spieß, Prälat Dr. v. Wittich, Bühler, Domkapitular v. Rieß, Distel, Dekan Kollmann, Eggmann, Haug, Gock, Zipperlen, Weishaar, Vogler, Kälber, Auer, Schaffer, v. Schmid, Bayha, Ege, v. Bockshammer, Sayer, Betz, Haffner, Bantleon, Leemann, v. Leibbrand, Aldinger, Meyder, Untersee, Sachs, Braitinger, Dr. v. Göz, Hartranft, Klaus, Nast, Wendler, Essich.
Abwesend: Frhr. Rich. König, Baur, Prälat v. Ege, Kanzler Dr. v. Weizsäcker, Schürer, Bleyer, Gröber.
Art. 1 (Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher) wird ebenfalls in namentlicher Abstimmung mit 62 gegen 22 Stimmen (obige und v. Wöllwarth) angenommen.
Der Antrag Ebner, wornach in Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern der Ortsvorsteher auf bestimmte Zeiträume, 6—12 Jahre, gewählt werden soll, wird mit 60 gegen 24 Stimmen abgelehnt. Ja: Obige, dazu Stälin, v. Schad, v. Wöllwarth; mit Nein stimmt Rapp.
Der Antrag Haußmann wird mit großer Majorität abgelehnt.
Der Antrag der Kommission bezüglich des Rechts der Beschwerde gegen Versagung der Bestätigung wird mit ganz großer Mehrheit angenommen.
Deutscher Reichstag. Erste Beratung der Anträge Auer und Richter auf Aufhebung beziehungsweise Herabminderung der Lebensmittelzölle, v. Caprivi teilt mit, das die verbündeten Regierungen in die Debatte nur eintreten werden, wenn bedenkliche Jrrtümer über tatsächliche Verhältnisse klar
zustellen wären. Zur Begründung für diese Haltung weist er auf die schwebenden Verhandlungen mit Oesterreich hin, denen solche mit anderen Staaten Nachfolgen werden. Die Regierungen haben ebenso die Erleichterung der Volksernährung als die Entwicklung derjenigen wirtschaftlichen Erwerbszweige im Auge, die für Erhaltung des Staats in erster Linie von Bedeutung sind, z. B. die Landwirtschaft. Schumacher (Soz.) freut sich über diese Erklärung, anerkennt, daß auf dem Bauernstand das ganze Staatswesen beruhe, bestreitet aber, daß die Getreidezölle für den eigentlich notleidenden Bauer ins Leben gerufen worden seien, denn dieser habe keinen Nutzen davon. Nutzen haben nur die Großgrundbesitzer. Es sei nicht wahr, daß der Getreidezoll vom Auslände getragen werde. Unsere Zollpolitik habe uns das Ausland verschlossen, wodurch besonders die kleinen Fabrikanten, welche, keine Fabriken jenseits der Grenze anlegen konnten, getroffen seien. Richter (deutschfreisinnig): Der Antrag der Freisinnigen fasse ihr letztes Programm zusammen. Die Zahl der Freihändler sei im Steigen begriffen. Der Vorwurf, daß der Antrag nur auf Beseitigung der Agrarzölle gehe, sei unbegründet. Erst müsse die einseitige Erhöhung der Agrarzölle wieder abgeschafft werden, ehe man an die Jndustriezölle gehen könne. Die Verhandlungen mit Oesterreich seien hoffnungserweckend, dagegen wären Differentialzölle zu bekämpfen. Kritisiert die seitherige Steuer- und Zollpolitik unter Ausfällen auf den Fürsten Bismarck. Lutz (kons.) erklärt, daß die konservative Partei gegen die Anträge sei und aus allgemeinem vaterländischem Interesse an den Kornzöllen festhalte, welche der gesamten Landwirtschaft nützen. Den Einnahmeausfall infolge der Aufhebung der Zölle könnte auch der kleine Bauer nicht ertragen. Warum finde denn in dem reicheren Frankreich keine Agitation gegen die Getreidezölle statt?
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WerfeHmL.
Nach amerikanischem Motiv frei bearbeitet von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
„Ich höre, gnädiger Herr!"
„Bringe mehr Lichter — es wird immer dunkler — mehr Lichter, Martin!"
Der Advokat hatte in immer steigendem Entsetzen den Reden deS Kranken gelauscht — er wußte nicht, sollte er dieselben für Wahrheit oder für Wahngebilde halten. Jetzt legte er die Feder, die der Hand des Kranken entfallen war. wieder in die kalten, erstarrten Finger und sagte eindringlich:
„Rockwald — willst Du nicht unterzeichnen?"
Der Kranke nickte und schloß die Finger fester um die Feder, aber er vermochte dieselbe nicht mehr zu regieren. In diesem Augenblick kam ein furchtbarer Windstoß; hochauf prasselten die Flammen des Kamins und zugleich stieß der Sterbende einen lauten Angstschrei aus.
„Dort — dort," stöhnte er matt; dann fuhr er mit der Hand, der die Feder entfallen war, nach dem Herzen und gab keinen Laut mehr von sich — er war tot.
Entsetzt beugte sich der Advokat über den Freund und fühlte nach dem Pulse desselben.
„Es ist vorbei," sagte er dann leise, indem er die weit offenstehenden Augen deS Toten schloß.
Martin sank neben dem Bett auf die Kniee und schluchzte wie ein Kind.
„Mein Herr — mein alter Herr," murmelte er leise, „hättest Du mich doch Mitgenommen!"
3. Kapitel.
Herr Varley beeilte sich, nach der Stadt zurückzukehren; er war der ältere
Teilhaber der Fvma „Varley und Wapping", Rechtsanwälte, welche eines bedeutenden Rufes genoffen und seit vollen 30 Jahren die Interessen der Familie Rockwald in gewissenhafter Weise wahrgenommxn hatten.
Alles in Allem wurde dem Herrn von Rockwalde nicht nachgetrauert, er war zu stolz und zu anmaßend gewesen, um sich wahre Freunde zu gewinnen. Sei^ vier Generationen hatte die Erbfolge in Rockwalde stets nur auf zwei Augen gestanden. Wie alle seine Vorgänger, hatte auch der jetzt verstorbene Besitzer des stolzen Schlosses ftüh geheiratet und ebenfalls gleich seinen Vorgängern seine Gattin nach nur kurzer Ehe begraben. In der Schloßkapelle zu Rockwalde, wo alle Rockwalds ruhten, sollte jetzt auch der alte Sproß der alten Familie seine Ruhestätte finden und während Varley nach Hause fuhr, gedachte er der Vergänglichkeit alles Irdischen und daß Rockwald gestorben, ohne seinen letzten Willen zu unterzeichnen, so daß der reiche Besitz nun herrenlos war.
Freilich gab es ein Wesen auf der Welt, welches Rockwalde als sein Eigentum beanspruchen konnte, und dies Wesen war vor nunmehr 20 Jahren im Gefängnis zu Wansmore als Tochter einer zum Tode verurteilten Mörderin geboren worden. Der Advokat Varley hätte viel darum gegeben, wenn er diese längst in Verlust geratene Erbin von Rockwalde hätte entdecken können, der Himmel hatte die Rachgier des alten, unversöhnlichen Mannes gestraft und ihn in dem Augenblick, in welchem er durch einen Federstrich seine Erbin ihre» guten Rechts hatte berauben wollen, abgerufen. Wie hatte er gestrebt und gerungen, um die Tochter jener Katharina, die er so unbarmherzig verfolgt, um ihr Erbe zu bringen, und nun war er Staub und Asche und Katharina, Rockwald's Schwiegertochter, hätte das Erbe antreten können, wenn sie überhaupt zu erreichen gewesen wäre. Ader noch war ja Aussicht vorhanden, die Erbin zu finden, das Gericht würde sicher -alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zu ermitteln und Rockwalde, war es schon wett, ein UebrigeS zu thun. „Angesichts dieses Todesfalles hat man wobl das Recht, von dem Walten der Vorsehung zu sprechen", murmelte Varley bitter vor sich hin, „Rockwald war so stolz, er haßte Katharina Dane so bitter und nun, da ihm der Tod die Augen geschloffen, bevor er seinen Namen unter das Testament setzen konnte.