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Jemsprecher 26 .

M 201

81 . Jahrgang.

Mittwoch, den 29. August

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1917.

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3« Müder

Der englisch-französische Angriff am 31. Juli 1917.

Au« dem großen Hauptquartier wird uns geschrieben:

Nachdem es dm Engländern gelungen war, am 7. Juni den die Orte Wylschaete und Meesen westlich um- spannenden deutschen Slellu rgsbogen in ihre Hand zu bringen, halten sie eine ziemlich gerade Front vom Lys- Knie bei Waasten bis Gegend Hoogr (östlich Ieperen) ge­wonnen, aus der heraus in Verbindung mit der nördlich anschließenden Front bis Gegend Steenstraat starke An­griffe jederzeit zu erwarten waren.

Da» planmäßige feindliche Zerstörungsseuer steigerte sich von Tag zu Tag und verwandelte auf dem ganzen Abschnitt vom Südende des Ueberschwemmungsgebietes bei Nordschote bis Wussten auch unsere durch den Angriff am 7. Juni noch nicht berührten gut ausgebauten Infan- tsrieftellungen nördlich vor? Hooge zu Trichterfeldern. Mit gewaltigen Mumtionsmengen wurden unser Tatteriegelände und auch unsere Unterkunstsräume und die Verkehrsadern bis zu 20 Kilometer im Hintergekände belegt. Die recht­zeitig erkannten feindlichen Vorbereitungen aller Art ließen nicht verkennen, daß ein Angriff größten Stils bsvorstand. Bestätigt wurde dieser Eindruck durch eine aufgssundene Instruktion für den bevorstehenden Angriff und durch mehr­fache Aussagen von Gefangenen, die teilweise bis ins Einzelne gehende Klärung brachten.

Am 31. Juli früh brach nach fast einstiindigsm stärk­stem Trommelfeuer die feindliche Infanterie auf der ganzen Angriffsfront von Steenflrsaie bis Waasten, unterstützt von vielen Tanks, zum Simm vor. Der Hauptdruck des An­griffs richtete sich gegen unsere Stellungen von Bikschoote dis zum Knie des Kanals KörnenIeperen bei Hollebeke. Auf diesem Teil der Angriffssront wurden allein 1 fran­zösische und 10. englische frische Divisionen als erste An­griffswelle vorgesührt, 8 bis 9 weiiere Infanterie-, sowie mehrere Kavallerie-Divisionen standen zur weiteren Durch- sührrmg des Angriffs unmittelbar dahinter bereit. Auf dem Rest der Angriffssront bis zur Lys nahmen vier weiiere englische Divisionen am Angriff teil, die jedoch zum Teil bei der Erstürmung des WtjtschatS'Bogens eingesetzt gewe­sen waren, und hierdurch an Angriffs Kraft eingebüßt hatten.

englische Angriffe zOmengebrnchen.

Hier blieb der Angriff auch fast ohne jeden Erfolg und Geländegewinn. Die englische Führung Halts an diesrr Stelle vermutlich mit leichtem Spiel gerechnet und dement- sprechend den Kräftesinsatz an Menge und Güte geringer bemessen als an der Hauptangriffsfront. Tands beteiligten sich hier nicht am Sturm, als Reserve waren wenige Dioi- sionsn bereitgestsllt. Das Ziel des Angriffs war aber auch an dieser Front ebensoweit gesteckt wie bei der Hauplan- griffssrsni. Es scheint sich hier um Einnahme und Hal­ten des Höhenrückens von Zandvsorde und der deutschen dritten Stellung gehandelt zu haben.

An der Hauptangriffsscont war der Angriff der Divi­sionen in folgender Form gegliedert: .

Voraus oder zwischen den Wellen im Divisions-Ab­schnitt mindestens 8 Tanks.

Zwei Brigaden in vorderster Linie angreifend mit je zwei Bataillonen als erste Welle, mit je zwei Bataillonen als zweite Welle.

Die dritte Brigade als dritte Welle aus ganzer Dioi- stonssront folgend.

Ziel der ersten Welle war die vorderste deutsche Stel­lung, von den Engländern als blaue Linie bezeichnet.

Ziel der zweiten Welle die zweite Stellung (schwarze Linie.)

Ziel der dritten Wells und der Tanks die dritte Stellung (grüne Linie.)

An Kaoallrrle waren jeder Division 6 Schwadronen zugeteilt, die nach erreichtem dritten Ziel mii Patrouillen zusammen mit einer Infanterie-Postenkette vorsühlen und die zu hallende Linie sichern sollten.

Es ist anzunehmen, daß die unmittelbar hinter der Front vor dem Angriff bereitgestellken Divisionen die Er­folgs des ersten Tages vervollständigen und den Angriff weikrführen sollten, um einen Durchbruch zu erzwingen und dann die deutsche Stellung hinter dem Überschwem­mungsgebiet von Süden umfassend anzugreifen u. aufzurollen.

An Artillerie verfügte jede Division über die eigene Feldartillerie, sowie über die der hinter ihr bereitgestellten Division, einzelne Dioisionen über zugrteilte Batterien von dritten Divisionen oder Teilen von ihr.

Dazu kam die sehr starke schwere Artillerie, die als Korpsiruppe eingesetzt war.

Ein dichter Artillerie-Sperrseuer-Schleier ging der

stürmenden Infanterie voraus, er wurde mit der festgesetzten Zeit, zu der die einzelnen Ziele erreicht sein sollten, voroer- legt. Mehrfach sollen durch dieses schematische Vorwärts- legen erhebliche Verluste der Angreifer durch die eigene Artillerie enstündev sein.

Das Tagesziel des ersten Angriffstages ist nur oor- üi ergehend str einer Breite von 6 Kilometern zwischen Langhemarck und Zonnebeke erreicht worden. Frischer Gegenstoß deutscher Divisionen hat aber den eingedrunge­nen Gegner erfolgreich und unter schweren blutigen und Gefangenenverlusten heraus- und bis hinter die zweite Stellung zurückgeworfen, über die an dem Rest der An- gr ffssront der englische Stoß nicht hinausgekommen war. Nach Gefangenenaussagen haben englische Divisionen ver­sagt; durch ihr geringes Borwättr kommen sind dis Noch­bardivisionen am weiteren Dorstürmen ausgehalten und verhindert worden.

Das Angriffsziel ist also nicht erreicht worden; trotz aller technischen Anstrengungen, trotz des gewaltigen Muni- tionseinsatzes, trotz des Heranführens der Massen Infanterie zum Angriff und als Reserve hat der Gegner nur gerin­gen Gekändegewi-m errungen, sich aber dabei schwere M.rischen- und Materialoerluste geholt und dem Verteidi­ger über 600 Gefangene, viele Maschinengewehre und an­dere Beutestücks überlasten wüsten. Ueber 20 Tanks lie­gen zerschossen vor und in unseren jetzigen festgehaltenen Stellungen.

Dis Verluste des Angreifers waren nach vielen Ge- sangencnaussagen schon bei der viertägigen Artillerieschlacht vor d m Angriff wie beim Angriff selbst sehr schwer, einige der Gefangenen bezeichnen sie als vernichtend. Bon be­sonderer Wirkung sind unsere plötzlich austauchenden, vor- einzelt ausgestellten Maschinengewehre gewesen, die glünd- lichst unter der stürmenden Infanterie aufgeräumt haben.

Die Stimmung der Gefangenen der englischen Divi­sionen nordöstlich Ieperen und östlich Ieperen war ver­trauensvoll und froh infolge des Geländegewinns und der enormen artilleristischen Vorbereitungen, deren Zeuge sie § gewesen waren, bei denen der englisch?» Dioisionen südlich Ieperen hingegen, die zum Teil schon den Sturm auf Wylscharte und Mersen mitgemacht hatten, keineswegs hoffnungsvoll. Sie sehen den Angriff als gescheitert und ein weiteres Stürmen sür zwecklos an und waren zum

Dunkle pfacie.

Roman von Reinhold Ortmann.

Bl

(Nachdruck verboten.)

Sie gingen zusammen hinaus, und der Kassierer kehrte, wie er gekommen war, auf dem Umwege über den Hof m das Hauptkontor zurück. Dort wandte er sich an den ältesten Buchhalter Suterland mit dem Ersuchen, ihm beim Offnen des Geldschrankes und bei der Feststellung seines Inhalts als Zmge zu dienen.

Ich will hier nichts mehr auf meine alleinige Ver- i antwortung hin tun", erklärte er.Sie müssen mir später bestätigen können, wieviel Geld vorhanden war, als ich die Vertretung unseres verstorbenen Chefs übernahm."

!Dann möchte ich Vorschlägen, der größeren Sicherheit ! halber auch noch Herrn Heinitz zuzuziehen", meinte der Aon bejahrte Buchhalter, dessen Wesen immer etwas gedrücktes und Ängstliches hatte.Wenn irgend etwas .Nicht in Ordnung sein sollte, sind wir wenigstens sicher tvor dem Verdacht, daß wir unter einer Decke gesteckt ! hatten."

, geschah es, daß der Geldschrank des Hauses > Rüthling heute mit größerer Feierlichkeit geöffnet wurde i nls je zuvor. Unter den Augen der beiden Buchhalter, ! dw jede seiner Hantierungen mit der größten Aufmerksam- Et verfolgten, überzählte der Kassierer langsam und be- roachtig den ziemlich bedeutenden Barbestand des Tresors. Hetzer der beiden Zeugen notierte sich die einzelnen «ummen, und als die dreifache Addition eine vollkommene Übereinstimmung ergeben hatte, Unterzeichneten sie das von Paul Francke entworfene kurze Schriftstück, in welchem der des Geldschrankes angegeben war.

. Es mochte die beiden Buchhalter ein wenig in Er- uaunen setzen, daß der Prokurist, nachdem die umständliche Prozedur beendet war, ohne weiter ein Wort zu sagen, Geldschrank wieder verschloß und seinen Kollegen «Merland bat, alle Kunden, die etwa jetzt noch eine ^rnstung verlangen sollten, auf die Kassenstunüen des

nächsten Tages zu verweisen, da er in dringender An­gelegenheit mit Fräulein Rüthling konferieren müsse.

Er begab sich denn auch wirklich geradeswegs aber­mals in die Prioatwohnung des verstorbenen Bankiers und ließ durch das Mädchen sagen, daß er das gnädige Fräulein angelegentlich um eine kurze persönliche Unter­redung ersuche. Er mußte ziemlich lange auf Edithas Antwort warten; aber sie lautete denn doch nicht, wie er gefürchtet haben mochte, abschlägig, sondern das Mädchen führte ihn in das Wohnzimmer, wo die Tochter des so jäh aus dem Leben Gerissenen seiner bereits harrte.

Sie trug ein schlichtes, schwarzes Kleid, das ihre schlanke Gestalt noch feingliederiger und ätherischer machte. Fast unheimlich groß leuchteten die dunkel umschatteten Äugen aus dem weißen Gesicht. Aber ihre Haltung war gefaßt, und ihre Züge hatten den Ausdruck einer starren Ruhe.

Mit einem freundlichen Kopfnicken beantwortete sie den unterwürfig höflichen Gruß des Prokuristen.

Sie haben gewünscht, mich selbst zu sprechen, Herr Francke", sagte sie.Wenn es etwas Geschäftliches ist, wäre es mir allerdings lieber gewesen, Sie hätten sich an meine Tante, die Frau Stadträtin, gewendet."

Ich weiß, Fräulein Rüthling, wie lästig Ihnen mein Erscheinen sein muß. Aber ich glaube nicht, daß diese Angelegenheit für eine Besprechung mit der Frau Stadt­rätin geeignet gewesen wäre. Wenn ich trotzdem ungeschickt verfahren bin, so hoffe ich, Sie werden es mir verzeihen."

Mit einladender Handbewegung deutete Edith« auf einen Stuhl. Und der Prokurist setzte sich wirklich, als säbe er voraus, daß das Gespräch von längerer Dauer sein würde.

Es dürste Ihnen bekannt sein, Fräulein Rüthling", fuhr er fort,daß mir erst vor einer halben Stunde die Schlüssel zum Geldschrank ausgehändigt werden konnten. Ich habe den Tresor in Gegenwart zweier Zeugen ge­öffnet und mit ihrem Beistände seinen Inhalt festgestellt. Dabei habe ich zu meiner Überraschung die Wahrnehmung

gemacht, daß sich der darin enthaltene Barbestand seit gestern Abend um zwanzigtausend Mark verringert hat. Diese Summe muß ihm also noch in später Abendstunde oder im Laufe der Nacht entnommen worden sein."

Ediths hatte ihm aufmerksam zugehört, aber sie wußte offenbar noch nicht recht, was sie aus seiner Mitteilung machen sollte.

Es gibt dafür doch wohl eine Erklärung?" fragte sie. Sie denken nicht etwa an einen Diebstahl?"

Wenn es sich um einen Diebstahl handelte, müßte er jedenfalls von jemandem verübt worden sein, der sich im Besitz der richtigen Schlüssel befand. Denn die Schlösser waren in bester Ordnung, und bei ihrer komplizierten Be­schaffenheit erscheint auch die Möglichkeit, daß Nachschlüssel oder andere Instrumente zur Anwendung gekommen seien, völlig ausgeschlossen."

Und wie deuten Sie sich das Verschwinden des Geldes?"

Das Nächstliegende wäre ja die Vermutung, daß Herr Rüthling selbst es nach meinem Weggange dem Tresor entnommen hat. Aber es gibt verschiedene Umstände, die gegen eine solche Erklärung sprechen. Für geschäftliche Zwecke bedurfte Ihr Herr Vater des Geldes am gestrigen Abend jedenfalls nicht mehr. Das Kontor war geschloffen, und als ich mich von ihm verabschiedete, stand Ihr Herr Vater im Begriff, sich in seine Prioatwohnung zu begeben. Daß er trotzdem noch eine so erhebliche Zahlung geleistet haben sollte, ist auch schon deshalb höchst unwahrscheinlich, weil er dann sicherlich irgendeine Aus­zeichnung darüber gemacht hätte. So oft er in meiner Abwesenheit für private oder geschäftliche Zwecke dem Tresor einen Betrag entnahm, legte er einen Zettel mit entsprechender Notiz in das Geheimfach des Schrankes. B«i seiner fast pedantischen Ordnungsliebe in allen ge­schäftlichen Dingen würde er das auch diesmal nicht unter­lassen haben."

(Fortsetzung folgt.)

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