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einen Anspruch auf Invaliden- oder Altersrente haben, ohne daß sie die gesetzlich vorgeschriebene Gegen­leistung m Versicherungsbeiträgen geleistet haben.

Es ist dies, wie auf der Hand liegt, für die Beteiligten ein besonders wichtiger Abschnitt des Ge­setzes, und es ist geboten, gerade über diesen Punkt Belehrung zu verbreiten, weil es den Beteilig­ten obliegt, sich jenen Vorteil schon jetzt durch Beschaffung von Nachweisen (Zeug­nissen u. s. w.) zu sichern. Denn nur, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Nachweise erbracht werden, kann ein Anspruch auf Invaliden- oder Altersrente vor Ablauf der Wartezeit von 5 resp. 30 Beitrags­jahren erhoben werden.

(Fortsetzung folgt.)

TageS'Neuiykeiten.

^Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Durch Fleiß und Leistungen in der Winterabendschule 1890/91 hat sich u. a. Lehrern ausgezeichnet und wurde hiefür vom Ev. Konsistorium mit einer Prämie bedacht: Schullehrer Hahnin Zwerenberg, Bez. Calw.

Calw, 10. Nov. Am Samstag abend hielt im I. Dreiß'schen Saale hier, Hr. Dr. Fränkel aus Weimar, eingeladen vom hies. Handels- und Ge­werbeverein, einen Vortrag überDie Gewinn­ung des Orients für die deutsche Volks­wirschaft". Ausgehend von der kolonialpolitischen Bewegung in Deutschland erinnert der Redner zunächst an die Kolonisationsbestrebungen in Deutschland, wel­che schon aus dem Mittelalter datieren, und an die Handelskolonien der Hanseaten, wie auch die Handels- kompagnieen in größeren deutschen Städten. Die ältesten Kolonisatoren über weite Ländergebiete waren die Spanier und die Portugiesen, welche sich anfänglich mit der Hoffnung getragen haben, allein koloniale Eroberungspolitik treiben zu dürfen. Papst Sixtus V., welcher von ihnen in einer Frage um seinen Schiedsspruch ersucht wurde, fällte damals sein Urteil, in der Weise, daß er mit der Kreide durch einen Strich den Globus genau in zwei Hälften teilte und, auf die westliche Erdhälfte (Amerika) weisend, diese großmütig an Spanien, die westlicheseinen lieben Brüdern von Portugal" schenkte. Aber der Papst sowohl wie diese hatten sich verrechnet, ihnen folgten bald Frankreich, England und Holland. Alle diese hätten übrigens das Kolonisieren nicht verstanden, indem ihre dortige Thätigkeit zunächst mit Erober­ung und Unterdrückung der bereits seßhaften Bevöl­kerung, ja oft mit deren vollständiger Ausrottung be­gonnen habe. Allmählich lösen sich nun diese Kultur­gebiete, nachdem sie dem Mutterlands gegenüber immer selbständiger geworden, von demselben los. Redner führt noch die verschiedenen Länder an, welche bereits ihre Selbständigkeit erlangt und dies hauptsächlich da­durch erreicht hätten, daß das Mutterland vielfach in egoistischer, rücksichtsloser Weise Handelspolitik getrieben und das System der Zwangskultur aufrecht erhalten hätten. Nachdem Deutschland nun wieder ein fest­gefügtes Reich sei, sei es Zeit, auch in die Reihe der Kolonialmächte einzutreten, womit in Ostafrika der Anfang gemacht sei. Dieses Land könne übrigens nur für Privatgesellschaften durch Plantagenbau unter Verwendung der ansässigen Bevölkerung nutzbringend

sein, dagegen dürfe des ungesunden Klimas wegen der Strom unserer Auswanderer, wie neuerdings, wieder Versuche gemacht wurden, nicht dorthin gelenkt werden. Wo wollen wir hin? Wo der Boden frucht­bar, ist das Klima ungesund und wo die klimatischem Verhältnisse besser, da ist der Boden schlecht. Der Redner weist nun auf die Balkanländer, auf die unge­heuren unbebauten Länderstrecken in Ungarn und Ru­mänien, sowie auf die Türkei hin, welche dicht davor­stehe, abgewirtschaftet zu haben, dann wäre die Zeit ge­kommen, die von den Deutschen seiner Zeit ja nur unter­brochene Kulturarbeit fortzusetzen. Die in jenen Län­dern bereits ansäßigen Deutschen, welche durch ihre In­telligenz, Fleiß und Sparsamkeit sich vielfach zu dem Meistbesitzenden aufgeschwungen hätten, seien bei diesem Werk unsere Vorposten. Hr. Handelsschuldir. Späh- rer sprach am Schluffe dem außerordentlich gewandten Redner für seine» lehrreichen Vortrag den Dank der Versammelten aus. Noch soll nicht unerwähnt bleiben, daß der Vortragende bezüglich der um uns sich auftürmenden Zollmauern dahin äußerte, daß er die Zeit bald gekommen erachte, in welcher dieselben aufgehoben werden dürften. Wie der Schreiner Schreiner und der Schuhmacher Schuhmacher sei, so werde auch jedem Land seine Eigenart der Produktion verbleiben.

* Calw, 10. Nov. Als Beweis, daß Ehrlich­keit noch nicht aus der Welt entschwunden ist, mag dienen, daß vor einigen Tagen eine hiesige Frau vor dem Stadtschultheißenamt erschien und 2 Obligationen im Werte von je 1000 ^ überbrachte mit dem Be­merken, sie habe ein altes Kleidungsstück erhalten und in diesem eingenäht die Wertpapiere gefunden. Da das Geld nicht ihr Eigentum sei, wolle sie es hiemit zur Ermittlung deS Eigentümers übergeben. Dieser wurde denn auch gefunden und wird der Be­trag den Erben der einstigen Besitzerin des Kleidungs­stückes zuteil.

Vom Heuberg, 5. Nov. Ein kräftiger Appetit ist ja Jedem zu gönkien, wenns aber einer übertreibt und gar noch mit seinerEßkunst" sich groß macht und Wetten eingeht, das ist nicht nur nicht schön, sondern kann nach Umständen große Gefahr für Gesundheit und Leben bringen. Solche Leute mit umfangreichen Mägen gedeihen scheints auch aus unserem Heuberg; wenigstens hat ein junger Mensch in Sch. in einer halben Stunde 15 Stück Würste mit Brod gegessen und dieses Quantum in der gleichen Zeit mit 5 Liter Bier angefeuchtet. Die Wette war gewonnen und soll dieses Experiment dem Helden auch keinen Schaden gebracht haben.

Heidenheim, 7. Nov. Auf dem hiesigen Güterbahnhof kam man einem Weindiebstahl auf die Spur. Ein Unterbediensteter machte sich das Ver­gnügen, aus den mit Weinmost «»kommenden Fässern solchen mittelst eines Schlauches abzuzapfen und zwar nicht nur zum augenblicklichen Genuß, er wollte sich auch Vorräte für den Winter sammeln. In seinem Hause zu Schnaitheim fanden sich Quantitäten roten und weißen Weines vor. Der Betreffende wurde durch den Stationskommandanten zur Haft gebracht.

Heidenheim, 7. Nov. Ein recht bedauer­licher Fall von Blutvergiftung kam hier vor. Maure? Heinrich Lindel ritzte sich letzten Freitag an eine^ Dachrinne, wodurch er hinter dem Handgelenk ein§

Dauer militärischer Dienstleistungen, in welchen beiden Fällen keine Beiträge zu entrich­ten sind, wird auf die 47 Beitragswochen einge­rechnet.

Ein Beispiel wird das Gesagte klar machen:

Angenommen, das Gesetz tritt am 1. Januar 1891 in Kraft. Ein danach versicherter Arbeiter erwirbt den Anspruch auf Invalidenrente, wenn während 5 Beitragsjahren, d. h. während 5 mal 47 gleich 235 Blochen Versicherungsbeiträge für ihn gezahlt sind.

Wenn die Beiträge ohne Unterbrechung vom 1. Jan.

1891 an gezahlt sind, hat er also im Falle jein- tretender Erwerbsunfähigkeit den Anspruch auf Invalidenrente schon nach 235 Wochen, d. h. nach ungefähr 4 '/- Kalenderjahren, also etwa am 1. Juli 1895. Dies ist der früheste Zeitpunkt. Wenn in der Beitragszahlung Unterbrechungen eintreten, z. B. es werden vom 1. Januar bis 1. Juli 1891 also für 26 Wochen Beiträge gezahlt, der Arbeiter wandert darauf nach Amerika aus, kehrt aber nach drei Jahren am 1. August 1894 zurück und zahlt von da ab wieder Beiträge bis Ende 1894 für 21 Wochen, so hat er, da die ersten 26 und die letzten 21 Wochen innerhalb vier Kalenderjahren liegen, am 31. Dezember 1894 das erste Beitragsjahr vollen­det und muß dann noch vier Beitragsjahre (4 mal 47 Wochen), wobei ebenfalls wieder die angegebenen Unterbrechungen zulässig sind, Beiträge zahlen, um den Anspruch auf Invalidenrente zu erwerben.

Ebenso ist es bei der Altersrente, d. h. der betreffende Arbeiter u. s. w., welcher das 70. Lebens­jahr vollendet und auf Altersrente Anspruch erhebt, muß Nachweisen, daß für ihn während 30 Beitrags­jahren. d. h. 30 mal 47 gleich 1410 Wochen Bei­träge gezahlt sind.

Aus dem bisher Gesagten würde folgen, daß in den ersten fünf Jahren nach dem Inkraft­treten des Gesetzes Niemand Invalidenrente und in den ersten 30 Jahren Niemand Alters­rente erhalten kann, weil ech nach Ablauf dieser Zeiträume die vorgeschriebenen Wartezeiten vollendet sein würden.

Um jedoch die Wohlthaten des Ge­setzes auch denjenigen Personen zuzuwen­den, welche in den ersten fünfJahren nach seinem Inkrafttreten erwerbsunfähig werden (Invalidenrente), oder welche in den ersten 30 Jahren nach seinem Inkraft­treten 70 Jahre alt werden (Altersrente), sind Uebergangsbestimmungen getroffen, durch welche für diese Personen die Warte­zeit abgekürzt wird; mit anderen Worten: das Gesetz hat in gewisser Beziehung rückwirkende Knast, indem es unter gewissen Voraussetzungen diejenigen Personen, welche vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in einer Beschäftigung gestanden haben (als. Arbeiter u. s. w. vgl. oben unter II. 1 bis 4), in welcher sie Beiträge hätten entrichten müssen, wenn das Gesetz schon gegolten hätte, ebenso behandelt, als ob sie diese Beiträge wirklich gezahlt hätten.

V.

Der große Vorteil für die beim Inkraft­treten des Gesetzes Versicherungspflichtigen Personen

besteht nach dem zuletzt Gesagten darin, daß dieselben

von einer Webeleine, welches ich sogleich in meiner Koje ve.barg. Als die Nacht kam, besistigte ich das eine Ende davon an den Thürhaken, zog das andere Ende, durch die Schließklappe und schnürte es alsdann fest um mein Handgelenk, so daß, da die Thür sich nach außen öffnete. Niemand eintreten konnte, ohne mich so heftig am Arme zu zerren, daß ich darüber sicherlich aufwachen mußte.

Es war unmöglich, daran zu zweifeln, daß jeder Mann in diesem Schiff, vom Ersten bis zum Letzten, des Glaubens lebte, diesmal ginge ei nun sicher heim­wärts. Eine Art Munterkeit hatte sich ihrer bemächtigt, wie ich sie vorher niemals an ihnen wahrgenommen. Manchmal standen sie minutenlang still und ließen ihre Blicke scharf und durchdringend über den Bug seewärts schweifen. Jedesmal, wenn das Log eingezogen wurde, beobachtete ich, wie der Eine oder der Andere sich bei denjenigen seiner Kameraden, die damit beschäftigt gewesen, nach der Geschwindig­keit des Schiffes erkundigte. Ihre Pfeifen ließen sie niemals ausgehen und qualmten mit Mienen stumpfer, stiller Befriedigung wie heißhungrig darauf los.

Schon währte dieser Zustand drei Tage lang. Eine mächtige Strömung flutet in diesem Teile de« Ozeans westwärts und trug als wichtiger Faktor nicht wenig zu unserem Vorwärtskommen bei, so daß wir nach meiner ungefähren Schätz­ung in diesen zweiundsiebzig Stunden nicht weniger als hundertunddreiunddreißig Meilen zurücklegten. Und mit dem Fortschritt der Zeit nahm auch mein Staunen zu, denn in Anbetracht meiner gänzlichen Unwissenheit über den Grad, unter dem wir uns befanden, und meiner Zurückhaltung, Vanderdecken darüber zu fragen, konnte ich mir, sogar wenn ich den Ort in Betracht zog. von wo aus wir auf dem Saracen das Totenschiff zuerst in Sicht bekommen, nicht denken, daß wir während meines Aufenthalte» an Bord de» Totenschiffes so unendlich weit abgetrieben worden, und es war daher nur natürlich, daß ich meinte, es bedürfe nur einiger Taae der­artig flotten Segelns, um uns um das Kap zu bringen. Kein Wunder, daß sich mein Staunen von Tag zu Tag steigerte.

Ich pflegte zu Jmogene zu sagen:Die Brise hält an, sieh nur, wie rein

der südliche Horizont ist! Ist es nicht möglich, daß dieser Wind uns doch vielleicht um duS verhängnisvolle Kap trägt?"

Ihre Antwort blieb immer gleich:Rein, die Aendsrung muß und wird kommen. Ach, Geoffroy, sie wird sicherlich eintreten und wenn nur noch eine Schiffs­länge zwilchen ihm und der Grenze läge, die, wie Du meinst, der Fluch für dieses Fahrzeug auf diesen Gewässern gezogen hat."

Wohl mußte ich ihr dann beistimmen. Aber wenn ich hierauf Nachmittags oder am nächsten Morgen auf das Deck stieg und das Totenschiff immer noch mit nach Nordwest gerichtetem Schnabel und strotzend gefüllten Segeln vorwärtstreiben sah und das prismatische Flimmern der silberwellig bewegten, lachenden See, sowie den hinter ihm drein ziehenden langen, glatten Wafferstreifen betrachtete, so regten sich von Neuem Staunen und Zweifel und mancherlei wunderliche Ideen stiegen in mir auf.

Während der Nacht des dritten Tages blieb die Brise beständig und unver­ändert. Ich verließ das Deck kurz vor Mitternacht, nachdem ich einige Abendstunden in der Gesellschaft meiner Geliebten verbracht hatte. Um diese Zeit blähte ein vorteilhafter Wind die gewaltigen Segel; wie ein ungeheurer Schatten glitt das Fahrzeug sanft über die ruhige See dahin, glänzend und hell schimmerten die Ge­stirne am wolkenlosen Himmelszelt. Doch als ich am nächsten Morgen aus meiner Koje trat, gewahrte ich voller Ueberraschung, daß sich der Wind gelegt hatte: Das Schiff schaukelte auf einer Schwellung, die mit nicht unbedeutender Kraft aus dem Westen herbeiströmte, und die schlaffhängende Segelgewandung schlug träge und monoton gegen die Masten.

Die Wandlung, der Witterungswechsel, war endlich eingctreten! Diese brandende Strömung war voller Vorbedeutung und Anzeichen. Es wurde so, wie ich trotz allen zweifelnden Staunens und trotz aller Erfindungen meiner Phantasie klar vor­hergesehen; dessenungeachtet schmerzte mich die Enttäuschung, die mir diese Wind­stille bereitete, bis in die tiefste Seele.

Großer Gott im Himmel!" rief es unwillkürlich in miß //oll denn dieser: