M 131. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.

Erscheint Di-» r ta g , Donneritaz und E»m«t»g. Di- Einriiikimgsg-bühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Psg. di- Zeile, sonst iS Psg.

Samstag, den 8. November 1890.

SH P ganz

Lbsnnement-pret- vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. und s. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst tu Lürttemberg Mk. 1. 85.

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Ortsvorsteher

werden mit Bezugnahme auf den oberamtlichen Erlaß vom 15. Okt. d. I. betreffend die Vorbereitung der Volkszählung in Nr. 121 des Calwer Wochenblatts aufgefordert, binnen einer Woche Bescheinigung über den richtigen Empfang der Formularien L. 0. u. 1?. mit Bericht darüber vorzulegen, daß gemäß H 13 der Minist.-Verf. vom 26. August 1890 Reg.-Bl. S. 222 die Zählungskommission konstituirt ist, und daß gemäß Z 9 der citirten Ministerialverfügung die Eintheilung in Zählbezirke, sowie die Aufstellung der Zähler statt­gefunden hat.

Als Zähler sind nur wirklich zuverlässige und möglichst ortskundige Personen zu wählen. Es .empfiehlt sich, daß namentlich auch die Mitglieder der Zählungskommission an dem Zählgeschäft als frei­willige Zähler sich beteiligen.

Calw, den 5. November 1890.

K. Oberamt.

Amtm. Bertsch.

Bekanntmachung des Borstauds -er Württ. Jnvaliditiits- u. Altersversicherungsaustalt, betreffend die Beitragsperioden und Fällig­keitstermine für die Beiträge zur Jnvali- ditäts- und Altersversicherung.

Auf Grund des Z. 46 Abs. 1 lüt. b. der Ver­fügung des K. Ministeriums des Innern vom 24. Oktober 1890, betreffend den Vollzug des Reichsge­setzes vom 22. Juni 1889 über die Jnvaliditäts- und Altersversicherung, wird bezüglich des Einzugs der Beiträge zu der Jnvaliditäts- und Altersversicherung von denjenigen Personen, welche einer Orts-, (Bezirks-), Betriebs- (Fabrik-), einer Bau- und Innungkranken­kasse, einer Gemeindekrankenversicherung, oder Kranken­pflegeversicherung, oder einer Knappschaftskaffe nicht .angehören, bestimmt, daß der Einzug alle vier

Wochen und zwar je am Samstag der abae- laufenen vierten Kalenderwoche zu erfol­gen hat.

Fälligkeitstermin für den erstmaligen Einzug im Jahre 1891 ist Samstag der 24. Januar, da die am 1. Januar bereits begonnene Woche sowohl be­züglich der Renten als der Beiträge als eine volle Woche zu berechnen ist.

Sämtlichen Krankenkassen wird unter Bezug­nahme auf die HZ. 42 Ziff. 1, 44 Olt. a. und 47 der angeführten Ministerialverfügung mit Rücksicht darauf, daß die Beiträge für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung von den Mitgliedern der Kranken­kassen durch die Organe der letzteren einzuziehen sind, empfohlen, die Fälligkeitstermine und Beitragsperioden für den Einzug der Krankenversicherungsbeiträge so­fort in Uebereinstimmung mit den oben bezeichnet«» Terminen und Perioden zu bringen.

Stuttgart, den 1. November 1890.

Bockshammer.

Die Jnvaliditäts- und Altkrsverßchkrnng.

INachdruck verboten.)

(Fortsetzung.) d) Altersrente

erhält, ohne daß es des Nachweises der Erwerbsunfähigkeit bedarf, derjenige Versicherte, welcher das 70te Lebensjahr vollendet hat. Die Altersrente ist also ein Zuschuß zu demjenigen Arbeitsverdienst, welchen ein über 70 Jahre alter Versicherter noch zu erwerben im Stande ist. Ange­nommen: ein Hirte auf dem Lande vollendet das 70. Lebensjahr. Derselbe ist noch durchaus fähig, seinen Hirtendienst zu versehen und bezieht dafür seinen Lohn; gleichwohl erhält er die Alters­rente. Derselbe wird darauf 73 Jahre alt und blind, kann also den Hirtendienst nicht mehr versehen und ist erwerbsunfähig; die Folge ist, daß er vom Tage der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr die Altersrente, sondern die in der Regel höhere Invalidenrente bezieht. Aus dem Gesagten geht

hervor, daß die bei Beratung des Gesetzes vielfach gehörten höhnischen Bemerkungen über die Gering­fügigkeit der Altersrente nicht gerechtfertigt waren, denn, wie gesagt: Die Altersrente erhält der noch er­werbsfähige Greis als Zuschuß zu seinem Er­werb; der nicht erwerbsfähige Greis erhält die in der Regel höhere Invalidenrente.

Die Invaliden- und Altersrente bildet gewissermaßen den Schlußstein in der gesetzlichen Für­sorge für den hilfsbedürftigen Arbeiter, welche, um es kurz zusammenzufassen, in folgender Weise auf­gebaut ist:

Bei einer vorübergehenden Schmälerung der Erwerbsfähigkeit durch Krankheit hilft die Krankenversicherung.

Bei einer länger währenden oder dauernden, teilweisen oder vollständigen Erwerbsunfähigkeit in Folge eines Betriebs-Unfalles hilft die Unfallversicherung.

Bei einer dauernden Erwerbsunfähig­keit, gleichviel wodurch dieselbe verursacht ist, Hilst, sofern nicht die Unfallversiche.ung einzutreten hat, die Jnvaliditätsversicherung, insbeson­dere also bei Erwerbsunfähigkeit in Folge von Ge­brechlichkeit, Alter, Abnutzung der Kräfte, Unfällen außerhalb des Betriebes u. s. w.

Ueber 70 Jahre alte Arbeiter erhalten bei ihrer naturgemäß verringerten Erwerbsfähigkeit auf Grund der Altersversicherung einen Zuschuß in Ge­stalt der Altersrente, so lange sie noch erwerbs­fähig sind; sobald sie dauernd erwerbsun­fähig werden, hilft auch ihnen die Invaliditäts - Versicherung.

II.

Umfang der Versicherung.

An der Spitze des Gesetzes steht der Grundsatz des Versicherungszwanges. Es werden vom vollendeten 16. Lebensjahre versichert:

1. Personen, welche gegen Lohn oder Ge­halt beschäftigt werden als: a) Arbeiter,

Jeuilleton.

Das Gotenfchiff. -

Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenemDer fliegende Holländer" genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar

von W. tzlark Wusselk.

(Fortsetzung.)

Infolge einer morschen Angel war meine Kabinenthür nicht ganz verschließ­bar, sondern stand in einer ungefähr fingerlangen Spalte offen. Außen dicht vor ihr h.ng die Lampe und sandte mir durch den Zwischenraum genügend Licht in mein Schlafgemach.

Um Mitternacht wurde diese Lampe jedesmal entfernt, und zwar von Prius, dessen letztes Tageswerk vor dem Zubettgehen in eben dieser Verrichtung bestand. Es was dies ein regelmäßiger Gebrauch, und sobald ich einmal bis nach Mitternacht aus dem Verdeck verweilte, mußte ich mich dann, so gut es eben ging, durch die Dunkelheit zu meinem Nachtlager tasten. Doch dunkel konnte ich auch Nachts meine Koje nicht nennen, es war vielmehr einedurchsichtige Dunkelheit", wie es Milton bezeichnet, denn obgleich das krabbelnde Geflimmer keinen Schein verbreitete, so ließ Es doch einzelne Gegenstände, von denen eS unterbrochen wurde, wie zum Beispiel «inen am Bretterverschlag aufgehängten Rock, durch seine wie in Tinte deutlich skizzierten Umriffe hervortreten.

Die Ereignisse des Abends warm aufregend genug gewesm, um mein Ge­hirn fortarbriten zu lassen und meine Augen offen und wach zu halten. Und so lag

ich denn für ungefähr eine halbe Stunde grübelnd und meine Blicke auf den un­natürlichen Schein gerichtet, als ich plötzlich aufmerksam und mir bewußt wurde, daß Jemand vor meiner Kabinenthür stand und, wie es schien, daselbst lauschte.

Eigentümliche, regelmäßige Atemzüge, die der rhythmischen Respiration eines friedlich schlummernden Menschen glichen, ließen mich aufhorcben. Noch einen Augen­blick und ich vernahm, wie die Thür ganz leise in den Angelp knarrte; doch Alles ging so ruhig von statten, daß mir das Geräusch unter dem Stampfen und Schnauben des Schiffes sicherlich ganz entgangen wäre, hätte nicht das tiefe, starke Atmen, das den Lärm im Kiel übertönte, meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Ich sprang von meinem Lager auf und huschte in memen Sockensttümpsen geräuschlos zur Seite. Von dem grünlichen Geflimmer hob sich die Gestalt eines Mannes ab, der in der Oeffnung der Thür, die er ftsthsilt, in einer Stellung scharfen Lauschens festgewurzelt schien. Mein Atem ging heftig und kurz; der Schrecken und die Angst, welche ich in dieser Situation empfand, spotteten jeder Schilderung. Ich war mir bewußt, daß ich mich in keinem natürlichen Schiffe befand, wo der mitter­nächtliche Eindringling, wer immer er sein mochte, wenigstens eine sterbliche Kehle besessen haben würde, um meinen Fingern einen Angriffspunkt zu bieten. Doch diese unbestimmten Formen, die ich jetzt vor mir sah, gehörten zum Totenschiff Schrecklich war der Anblick dieser tiefschwarzen Umrisse einer Gestalt, die lauschend wie ein Raubtier auf der Lauer stand und von den feurigen, hüpfenden Phosphor- flämmchen umtanzt wurde; gräßlich war das Bewußtsein, daß die tiefen, hohlen Atemzüge von einem Wesen ausgingen, in dem alles Leben nur ein widernatür­liches Scheinbild war und daß, wie den Toten die Drohungen eines Lebenden nicht mehr schrecken, ihm selbst ein Herkules, ein Goliath nicht« mehr anhaben konnte.

Mit angehaltenem Atem erwartete ich, was da kommen würde. Da ich die Gestalt so deutlich sah, war ei zweifellos, daß auch die meinige sichtbar sein mußte.