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denselben gehoben, waren durch das Fenster in den. Ladenraum gestiegen und hatten sich hier einen Posten fertiger Kleidungsstücke zusammengepackt. Nachdem sie noch gemütlich Rast auf dem Sopha gehalten, stieg der Eine wieder durchs Fenster auf die Straße, worauf der andere ihm den Warenballen hinausreichte und dann selbst hinauszusteigen versuchte. Plötzlich siel aber der Rollladen herunter und klemmte den Diebsgesellen fest, daß er weder vorwärts noch rückwärts konnte und froh war, daß ihn endlich hinzugekommene Passanten aus der Klemme befreiten, während sein Genosse unter Zurücklassung der gestohlenen Sachen, die Flucht ergriffen hatte, ohne sich um den Gefangenen weiter zu kümmern. Der in der Falle Gefangene wurde sofort verhaftet.
Vermischtes.
Ein interessanter Reisepaß. Im Nachlasse einer zu Newyork verstorbenen alten Frau Barbara Schneider, die einen Theil ihres Vermögens wohlthätigen Anstalten zuwandte, fand sich ein altes vergilbtes Papier, das die Aufmerksamkeit des Coroners nicht wenig fesselte; es war nämlich ein Reisepaß, welchen der Oberamtmann von Aalen im Jahre 1849 der damals noch jungen Barbara Schneider, geb. Steck, aus Pfannenstiel, Oberamt Aalen, ausgestellt hatte. In dem Signalement heißt es nach Angabe von Name, Stand und Heimatsberechtigung unter anderem: Größe: 5 Fuß 8 Zoll. Gesicht: hübsch. Haare: blond. Wuchs: schlank, und — Beine: gerade. Die „Newyorker Staatszeitung" bemerkt zu dieser Mitteilung: „Die rührende Genauigkeit, mit der im denkwürdigen Jahre des Heils 1849 ein königlicher Oberamtmann in Schwaben das Signalement eines auf Reisen gehenden Landeskindes aufnahm, erscheint als kulturgeschichtliches Moment zu bedeutsam, als daß dasselbe verschwiegen werden dürfte. Wie das ein schwäbischer Oberamtmann in der vormärzlichen Zeit wohl angestellt hat, um zu konstatieren, ob die auswandernden Landeskinder weiblichen Geschlechts gerade oder krumme Beine hatten! Die Welt hat sich seitdem ein paarmale umgedreht. In Schwaben wie im übrigen Deutschland brauchen die Leute keinen Paß mehr, und wenn auch die Schwabenmädchen, wie man sich auf jedem hiesigen Schwabenfeste überzeugen kann, noch eben so dralle und gerade Beine haben wie im Jahre 1849, so wird dieser Umstand, dank der fortgeschrittenen Kultur, doch nicht mehr von einer hohen Obrigkeit konstatiert und im Passe vermerkt." Frkf. I.
Ein interessantes Polizeistückchen wird in türkischen Blättern erzählt. In Adrianopel trieb seit Langem eine Diebsgesellschaft ihr Wesen, an deren Spitze eine Frau, die Witwe eines osman- ischen Krämers, stand. Man wußte recht wohl, daß diese Dame mit ihren weiblichen und männlichen Gehilfen schon viele Diebesthaten vollführt hatte, doch war es sehr schwer, dieselbe bei einem ihrer schlau angelegten Pläne zu überraschen. Da entschloß sich denn ein türkischer Geheimpolizist, der Dame einen Heiratsantrag zu stellen, auf welchen diese auch einging. Sie verlebte mit ihrem neuen Gemahl zwei frohe Wochen, die für diesen gerade hinreichten, um die Schlupfwinkel der Gesellschaft und die von ihr geraubten Schätze kennen zu lernen. Er stattete da
rauf seiner Behörde Bericht ab, und es wurde verabredet, die ganze Bande bei einer paffenden Gelegenheit aufzuheben. Als aber der Tag herankam, war der Detektiv mit seiner Gemahlin verschwunden, und zwar unter Mitnahme der Kasse und deren Wertsachen, die man auf mehrere tausend türkische Pfund schätzt. In dem Kampfe zwischen der Liebe und seinen Dienstpflichten hatte erstere den Sieg davongetragen.
— Ein poetisches Dienstzeugnis wurde in Heldrungen in Thüringen von einem dortigen Bauerngutsbesitzer einem abgehenden Knechte in folgender Form ausgestellt:
„Inhaber dessen war ehrlich und treu.
Und nicht zu vergessen auch ruhig dabei, Moralisch, gebildet, tugendhaft.
Ein Feind von Branntwein, musterhaft;
Fort ist er gegangen aus eigenem Willen, Mehr Lohn zu empfangen, den Beutel zu füllen."
Landwirtschaftliche Mmtrrschnle Rentlingen.
Die landwirtschaftlichen Winterschulen in Württemberg haben die Aufgabe, der Schule entwachsene junge Leute, welche später Landwirtschaft treiben wollen, teils in den Kenntnissen, welche sie in der Schule erworben haben, zu befestigen und weiter zu führen, teils durch geeigneten Unterricht in der Landwirtschaft und ihren Hilfsfächern soweit auszubilden, daß sie die wichtigsten Vorgänge beim Betriebe der Landwirtschaft verstehen und insbesondere die in einer bäuerlichen Wirtschaft vorkommenden Verhältnisse richtig beurteilen lernen.
Diese Aufgabe soll in zwei Winterkursen mit der Dauer von etwa fünf Monaten — Anfang November bis Ende März — gelöst werden.
Nach dem Lehrplan gewährt zwar auch der Besuch eines einzigen Kursus einen bestimmt abgeschlossenen Unterricht, doch wird der gesamte Unterrichtsstoff erst durch den für einen zweiten Kurs vorgesehenen, in bestimmten einzelnen Fächern weiter führenden Unterricht erschöpft.
Die Unterrichtsgegenstände sind natürlich mit Rücksicht auf die verhältnismäßig kurze Unterrichtszeit und das dem Zweck der Schule angepaßte Lehrziel ausgewählt; auch werden sämtliche Fächer mit steter Bezugnahme auf die unmittelbare Anwendung in der landwirtschaftlichen Praxis und nur in dein Umfange gelehrt, daß dieselben von den Schülern nach ihrer Vorbildung verstanden und verarbeitet werden können. Als Unterlage für den Unterricht sollen gedrängt gehaltene Leitfäden benützt oder kurze Diktate gegeben werden, während höher gehaltene Vorträge und ausführliche Diktate grundsätzlich ausgeschlossen sind. Wo es irgend möglich ist, soll der Unterricht stets durch praktische Demonstrationen ergänzt werden.
Näheres über die einzelnen Unter^ichtsgegen- stände und das Ziel derselben enthält der Lehrplan, aus welchem hier im Auszug mitgeteilt wird: 1) Deutsche Sprache, wöchentlich 6 Stunden; 2) Schönschreiben, wöchentlich 2 Stunden: 3) Rechnen, 6 Stdn. wöchentl. (Prozent-, Zins-, Rabatt-, Gewinn- und Verlust-; Teilungs-, Gesellschafts- und Mischungsrechnungen) aus dem Gebiete der Landwirtschaft;
4) Geometrie und Feldmessen, 4 Stdn. wöchentlich;
5) Zeichnen, 3 Stdn. wöchentl.; 6) Physik, 3 Stdn.
wöchentl., über Aggregatzustände, Eigenschaft der Körper, Kohäsion und Expansion, Adhäsion, die Schwerkraft, die'Bewegung und ihre Hindernisse, Mechanik und Wärmelehre; 7) Tierkunde und Tierheilkunde, 3 Stdn. wöchentl., Anatomie und Physiologie, Hufbcschlag, Demonstrationen am lebenden und toten Tiere, Geburtshilfe, Behandlung von erkrankten landw. Haustieren, Gewährsmängel rc.; 8) Landwirtschaft, wöchentl. 19 Stdn., Acker- und Pflanzenbau, einschließlich Chemie und Gesteinskunde, die Entstehung, Zusammensetzung und Eigenschaften des Bodens; die einzelnen Bodenarten und charakteristischen Merkmale derselben; die Bewässerung, Entwässerung und Bearbeitung des Bodens; die Gerätekunde; die Formbestandteile und Organe der Pflanzen; die Ernährung und Fortpflanzung derselben; die Düngung; die Saat; die Pflege der Pflanzen einschließlich einer Besprechung der landwirtschaftlich nützlichen und schädlichen Tiere, sowie der wichtigsten Pflanzenkrankheiten; die Ernte, Obstbau, Tierzucht, Betriebslehre und Buchführung.
Die tägliche Unterrichtszeit beschränkt sich in der Regel auf die Stunden von 8—12 Uhr vormittags und 2—4 Uhr nachmittags. Am Abend eines jeden Werktages haben die Schüler in zwei Arbeitsstunden unter der Aufsicht und manchmal auch mit der Unterstützung eines Lehrers ihre schriftlichen Aufgaben anzufertigen und für den Unterricht sich vorzubereiten. Nach Bedürfnis können auch einzelne Unterrichtsstunden in die Zeit der Arbeitsstunden verlegt werden.
Die aufzunehmenden Schüler müssen das 15. Lebensjahr zurückgelegt haben, gut prädiziert sein und die für das Verständnis des Unterrichts notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen.
Die Anmeldung zur Aufnahme in die landwirtschaftliche Winterschule Reutlingen hat bei dem Unterzeichneten Schulvorstand zu geschehen. Mit der Anmeldung sind die Schulzeugnisse, ein Geburtsschein und die Einwilligung des Vaters, beziehungsweise Pflegers, zum Besuch der Schule vorzulegen.
Die Ausgenommenen haben in der Regel in den ersten Kursus einzutreten. Ausnahmsweise können junge Leute mit besserer Vorbildung auch sofort in den zweiten Kursus zugelassen werden.
Für Kost und Wohnung haben die Schüler selbst zu sorgen; doch ist vielfach Gelegenheit vorhanden, dieselben gegen eine Vergütung von 150 bis 200 ^ in guten Familien unterzubringen, worüber der Schulvorstand Landwirtschaftsinspektor Dr. Wie- dersheim auf Wunsch nähere Auskunft erteilt.
An Schulgeld hat jeder Schüler für den einzelnen Kursus bei Beginn eines solchen den Betrag von 20—30 ^ zu entrichten, welcher übrigens von verschiedenen landwirtschaftlichen Bezirksvereinen oder von Amtskörperschaften den aus den betreffenden Oberämtern stammenden Schülern wieder ersetzt wird.
Die Ausgaben für Bücher, Reißzeug, Zeichenbrett, Schreibmaterialien u. s. w. belaufen sich ebenfalls ungefähr auf 20—30
Der Gesamtaufwand für einen Kursus berechnet sich demnach einschließlich Wohnung und Verpflegung rund auf 200—250 Es ist dies gewiß em
verhältnismäßig kleiner Aufwand im Vergleich zu der Ausbildung, zu deren Erwerbung jedem strebsamen Schüler in der landwirtschaftlichen Winterschule Gelegenheit geboten ist.
„Aus der bloßen harmlosen Neugier eines Matrosen," erwiederte ich.
Er wollte eben von Neuem sprechen, als ich meine Hand erhob, um mir für das, was ich noch hinzuzufügen beabsichtigte, Schweigen und geneigtes Gehör auszubitten, doch er, meine Geste als eine Drohung auffafsend, fuhr ängstlich von seinem Sitz empor und stellte sich auf diese Weise als ein furchtsamer, feiger Bursche dar, der vielleicht eben deswegen umso mehr zu fürchten war. „Kapitän Vanderdecken," fuhr ich fort, „wobei ich meine Hand in der erhobenen Stellung ließ, damit er und sein Maat sich überzeugen möchten, daß ich keine Drohung im Sinn habe, „ich weiß nicht, auf was für niedrige und entehrende Anklagen Herr Van Nogelaar anspielen wollte. Ich bin ein Mann von Ehre, und ein Mann, der Ihnen sein Leben schuldet- Nun, ich hoffe, daß Ihre Sympathie für Britannien Ihr Ohr für dis von Ihrem ersten Maat gegen meine Ehre als englischer Matrose gemachten unverantwortlichen Andeutungen taub machen wird."
Vanderdecken erwiederte auf diese Anrede nicht ein Wort, ja ich hätte nicht schwören mögen, daß er eine einzige Silbe davon vernommen. Van Vogelaar fiel auf seinen Sitz in die alte Stellung zurück, aus der er durch meine sich erhebende Hand auigeschreckt worden, und aß gemächlich weiter. Jmogene verließ bald darauf den Tisch und ging in ihre Kabine, während ich, der unfreundlichen, unangenehmen Gesellschaft des Maats und des geisterhaften Schweigens und der brennenden Blicke Vanderdeckens überdrüssig, mck einer Verbeugung gegen den Kapitän aufstand und aus das Deck stieg.
Ich schritt an dem Steuermann vorbei, ganz an das Hintere Ende des Schiffes und lugte mit leidenschaftlicher Sehnsucht gedankenvoll nach dem fremden Segel aus. Es war während unsere« Verweilen« unter Deck nicht viel größer geworden, doch markierte sich seine Zunahme immerhin genügend, um mir Gewißheit zu geben, daß es uns mit rötlichster Sicherheit einholen würde, und ich rechnete aus, daß es, wenn der Wind günstig blieb, Nachmittags gegen drei oder vier Uhr bis auf Kanonrn-
schußweite nahe gekommen sein müßte. Ich holte Vanderdeckens Glas noch einmal und rekognoszierte von Neuem.
Ich setzte das Instrument ab, nachdem ich mich vergewissert hatte, daß wir es augenscheinlich mit einem großen Sch ff, dessen Bram- und Oberbramsegel ich deutlich unterschied, zu thun hatten. Die in mir bei dem Anblick des fremden Fahrzeuges wach gewordene Sehnsucht hörte auf, als ich an Jmogene dachte. Wenn sich vielleicht dieses Schiff gar als das Werkzeug zu unserer Trennung ausweisen sollte! Ich hatte, um sie zu trösten, geprahlt, nichts von Vanderdecken zu befürchten, außer wenn er mich an dem ersten besten Ufer aussetze oder über Bord werfe denn ich verließ mich darauf, daß ein Schiff wie alle, sobald sie in diesem alten Gefährt den „Fliegenden Holländer" erkannten, mich anzunehmen verweigern würden. Aber wenn mich Vanderdecken nun vielleicht schon bei der bloßen Annäherung an ein Schiff über Bord stieß, es der Besatzung desselben überlaffend, ob sie mich auf- sischen wollten oder nicht?
Gedankenverloren starrte ich in die Weite, bis ich mir der Gegenwart einer dicht an meiner Seite stehenden Person bewußt wurde. Es war Jmogene. Auf der Wetterseite befand sich Van Vogelaar, der mit gekreuzten Armen und gesenktem Haupt augenscheinlich das näherkommende Segel überwachte.
„Wo ist der Kapitän?" fragte ich.
„Er raucht in der Kajüte seine Pfeife," antwortete Jmogene.
„Jener Schurke dort ist zweifellos mein Feind," sagte ich.
„O, Alles wird noch gut werden, wenn Sie nur Ihre Wißbegier bemeistern wollen," erwiederte sie sanft. „Mein Glaube geht dahin, daß der Maat erbost ist, weil er meint, Sie seien über die Schätze des Schiffes unterrichtet, und daß er nur auf eine Gelegenheit wartet, sich Ihrer zu entledigen, damit Sie ja nicht etwas ersinnen möchten, sich derselben zu bemächtigen."
(Fortsetzung folgt.)