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bührende Anerkennung fanden. Die Festrede betonte das gute Recht und die Pflicht, den nationalen Ge­denktag immer wieder in gehobener Stimmung zu begehen, trotz so manchem, was in der Gegenwart trüb und entmutigend dem Vaterlandsfreund entgegen­tritt. Auf dem Grunde dessen, was die Helden des Jahres 1870 u. 71 uns erstritten, muß die nationale Gesinnung sich immer wieder erbauen. Von einem andern Redner wurde des greisen Generalfeldmarschalls Grafen v. Moltke gedacht, der noch immer am Leben, dessen Geist aber auch immer sortleben möge in unserem deutschen Volk, besonders in den Kriegervereinen: der Geist der Tüchtigkeit und unermüdlichen Arbeitsamkeit, der Geist gewissenhafter Pflichterfüllung und edler Vaterlandsliebe, der Geist der Gottesfurcht und der Treue gegen Kaiser und König.Deutsche Treue" wurde von einem hervorragenden Patrioten noch ganz besonders verherrlicht.

r. Gechingen, 4. Aug. Der Sedanstag wurde dieses Jahr hier gefeiert wie im Jahr 1880. Nachdem vormittags eine Feier in Kirche und Schule stattgefunden hatte, bewegte sich nachmittags '/-4 Uhr unter Vorantritt der hiesigen Musikkapelle ern Fest­zug auf die Höhe beimBleicherhäusle". Hier wurde gemeinsam mit Musikbegleitung gesungen:Ein' feste Burg ist unser Gott". Auf die Festrede folgten noch zahlreiche weitere Vorträge von Erwachsenen und Schülern (meistens Gedichte aus der Zeit des großen Kriegs), ebenso Gesänge und Musikstücke. Um der Jugend ein Bild des Lagerlebens zu geben, wurde vom Veteranenvereinfeldmäßig abgekocht" und dann jedermann unentgeltlich mit Suppe und Fleisch be­wirtet. Die Veteranen zeigten sich dabei auch als gute Köche. Nachdem es dunkel geworden war, wurde unter dem Jubel der Kinder auf dem Festplatz ein großes Freudenfeuer angezündet. Aus dem Heim­marsch wurde von alt und jung einmütig dieWacht am Rhein" gesungen. Heute begrub man hier einen braven und fleißigen, 65 Jahre alten Bürger (Kraußhaar), der am letzten Montag auf dem Pferde­markt in Pforzheiür von einem Pferde auf die Brust geschlagen wurde und dann auf dem Heimweg im Eisenbahnwagen starb.

Möhringen a. F-, 1- Sept. Die Gemeinde­kollegien haben heute den noch am Leben befindlichen Kriegern, welche den Feldzug in Frankreich mit­gemacht haben, zur Erinnerung an den 20. Jahres­tag der Schlacht von Sedan ein Geschenk von 100 aus der Gemeindekasse verwilligt.

Tübingen, 3. Sept. Die hiesige Sadt- garde erhielt gestern den Besuch des Stuttgarter Stadtreiterkorps. Dieses war mittags 2 Uhr von Stuttgart aufgebrochen. In Bebenhausen wurde es von seinem lanjährigen Kommandanten Univ.-Stall- meister Fritz und den hiesigen Kameraden begrüßt. Am Abend fand im Gasthof z. Traube ein gemein­schaftliches Esten beider Korps statt. Heute nach­mittag reiten die Stuttgarter wieder durch den Schön­buch nach der Residenz; von den Tübinger Kameraden wird ihnen bis Dettenhausen das Geleite gegeben.

Freudenstadt, 31. Aug. Einer von dem Reichstagsabgeordneten Frhrn. v. Münch ergangenen Einladung zufolge, wonach derselbe über die Reichs­tagssession Bericht erstatten und Rechenschaft über die Ausübung seines Mandats ablegen werde, fand sich heute nachmittag halb 3 Uhr eine außerordentlich

große Anzahl von Freunden nnd Gegnern des Herrn v. Münch in der Turnhalle hier ein. Nachdem Red­ner für das zahlreiche Erscheinen gedankt und dabei betont hatte, daß er sich trotz dem Abraten seiner Vertrauensmänner von hier (welche in der Versamm­lung nicht erschienen waren) verpflichtet gefühlt habe, hier zuerst zu seinen Wählern zu sprechen, da die gegen ihn erlassene Wahlanfechtung auch von hier aus ergangen sei, widerlegte der Redner in längerer Rede die ihm zur Last gelegten Beschuldigungen, ebenso kam er auf seine Verurteilung wegen Be­leidigung zu sprechen, hiebei widersprach er den Be­hauptungen des Reallehrers Bauder hier, Oekonomie- rats Schofler in Sulz und Oberamtmanns Schwend in Oberndorf in ziemlich derben Ausdrücken. Seine weiteren Ausführungen waren: Schon bei seiner An­kunft in Berlin habe die Thronrede keinen ange­nehmen Eindruck auf ihn gemacht, worauf er über die Vorlagen des Reichstags und seinen bereits ge­nügend bekannten Standpunkt zu denselben sprach, namentlich: die Gewerbe-Gerichte, Kolonien, die Offi­ziersgehälter, Sonntagsruhe, Schutz der jugendlichen Arbeiter, den Bergwerksbetrieb, Führung der Lohn­bücher, Lohnauszahlung, Erhöhung der Militärlasten, Herabsetzung der Präsenzzeit, sowie den einzig von ihm ausgegangenen Antrag zur Errichtung einer frei­willigen Staatssparkasse für jugendliche, Arbeiter, mit 25prozentiger Verzinsung der Einlagen, wodurch die, Uebermacht des Großkapitals gebrochen und den Ar­beitern für ihr Alter eine dauernde Versorgung ge­schaffen werde. Ferner besprach Redner seine verun­glückte Jungfernrede im Reichstag, wobei er gehörig ausgelacht worden sei und welche auch zu seinem großen Bedauern zur Folge gehabt habe, daß ihm sofort nach derselben der Abgeordnete Härle im Namen der Volkspartei erklärt habe, er seie von der Volks­partei ausgeschlossen, mithin sei er aus dieser Partei nicht freiwillig ausgetreten, sondern hinausgejagt worden. Dem Vorgehen der Volkspartei und der ihm zu Teil gewordenen Behandlung, namentlich von Seiten des Abgeordneten Payer, müsse er Mangel an Billigkeit zumessen, zumal da er ja (mit Aus­nahme seines Antrags der 2jährigen Präsenzzeit) stets Hand in Hand mit der Volkspartei gegangen sei. Beim Wiederzusammentritt des Reichstags werde er einen Antrag auf Verwilligung von Diäten (15 pr. Tag) an die Abgeordneten einbringen und sobald die Diäten verwilligt seien, werde er sein Mandat niederlegen, wodurch es dann ja jedem Wahlberech­tigten möglich sei, ein Mandat anzunehmen. Zum Schluffe bedauerte Redner noch, daß er sich das Uebel- wollen verschiedener Freunde durch seine ja nur ge­ringen Bierspenden zugezogen habe und besser wäre es allerdings gewesen, dies unterlassen zu haben. Der von der Versammlung von dieser 1 'Mündigen Rede gewonnene Eindruck war ein sehr geteilter, daher auch das vom Buchdruckereibesitzer Zeeb beantragte 3fache Hoch auf Frhrn. v. Münch keine große Begeisterung fand. Albbote.

Ulm, 2. Sept. Der K. bayer. Generalmajor L In suite der Armee, Graf v. Zeech, Kommandant der Festung Ulm, ist durch allerhöchste Kabinettsordre Sr. Maj. des Kaisers von dieser Stellung entbunden und der K. bayer. Oberst Cella L In suite des 3. bayer. Jnf.-Regts. Prinz Karl von Bayern zum Kom­mandanten der Festung Ulm ernannt worden, welche Veränderungen mit dem 1. Oktober in Kraft treten.

Heidenheim, 31.Mg. Ein lljähr. Mäd­chen in Heuchlingen brachte Ihre Hand in die Futterschneidmaschims und verlor 4 Finger.

Vom Bottwarthal, 2. Septbr. Durch wiederholtes Regenwetter leider unterbrochen ist irr unserer Gegend die Haber- und Oehmdernte nn allgemeinen vollendet. Rach Fülle und Güte liefern diese Frucht- und Futtergattungen überaus günstige Erträge, wie es auch die noch übrigen Kraut- und Rübengewächse versprechen. Die Kartoffeln zeigen in­folge der häufigen Gewitterregen ziemlich viele schwarz­faule Knollen. Der Hopfen giebt kaum eine mittel­mäßige Ernte je nach der Lage, da die Kulturen häufig durch Blattkrankheiten heimgesucht worden sind. Bezüglich des Weinstocks muß berichtet werden, daß die reichlich vorhandenen Trauben in den letzten reg­nerisch-kalten Wochen wenig Fortschritte machten. Außerdem macht sich in manchen Geländen die Blatt­krankheit bemerkbar, vornehmlich in den Weinbergen, wo eine Bespritzung mit der Kupfervitriol-Kalklösung als überflüssig betrachtet wurde. Der letzte Sturm hat vielen Weinstöcken ihre Pfahlstützen umgeriffen, wodurch viele Stöcke an den Tragzweigen verletzt wurden, worauf ein teilweises Welken hindeutet. Die Hoffnuugen auf einenGuten" schwinden bei der Fortdauer des naßkalten Wetters zusehends. Immer­hin könnte ein andauernd warmer September und Oktober die Aussichten noch günstig wenden.

Mannheim, 4. Sept. Seit gestern ist der Rhein um 23, der Neckar um 98 Zentimeter ge­stiegen. Das Neckarvorland steht völlig unter Wasser. Ein weiteres Steigen ist zu erwarten.

Konstanz, 3. Sept. Seit gestern abend regnet es nicht mehr oder wenigstens nicht merklich. Der See ist während der Nacht noch um 6 om ge­stiegen. Die Kalamität ist jetzt eine recht große; der ganze Hafendamm bis über den Revisionssaal herauf steht unter Wasser, ebenso der Stadtgarten und die reizende Seestraße mit ihren schattigen Baumalleen, in welchen jetzt von den Kurgästen des vr. Fischer Gondelsahrten unternommen werden; viele Straßen und Plätze sind ganz oder teilweise überschwemmt, und der Personenverkehr findet über Notstege statt, während die Pferde der Fuhrwerke bis über das Knie das Wasser durchwaten. Einige Parterre-Wirtschafts­lokale mußten geräumt werden, da das Wasser fast 1 Fuß hoch darin steht. Zur Erinnerung an diese Wasserhöhe wurde gestern ein kleiner Weingeist- Schraubendampfer (Kinderspielzeug) in einem dieser Lokale flott schwimmen gelassen. Gebe Gott, daß die allgemeine Hoffnung auf baldiges Fallen des Sees sich verwirkliche; der Schaden, welcher durch Störung, des Verkehrs erwächst, ist ein ganz bedeutender, der­jenige aber, welcher durch Zerstörungen an Gebäuden, auf Wiesen und Feldern, insbesondere auf den Ge­müseäckern unseresParadieses" im Tägermoos nach dem Zurücktreten des Wassers sich ergeben wird, dürfte ein nach vielen Tausenden von Mark sich berechnender sein. Ein äußerst empfindlicher Schaden würde ent­stehen, wenn ein Oststurm einträte, welcher den Hafen­anlagen, den städtischen Badanstalten, dem Stadt­garten, der Seestraße, dem Jnselhotel, den Holzplätzen und vielen anderen Orten geradezu verhängnisvoll werden könnte.

München, 4. Sept. Das Hochwasser

Kirche vordeigmge, ia der eine Orgel gespielt winde.Bei den Gebeinen meines Vaters, in dieser Richtung darf es nicht weitergehen! Hurtig, an die Brassen, Leute! Schafft sie an den Kabestan! Und wenn die Masten und Raaen springen sollten, so darf und soll es auf seiner Fahrt jetzt nicht mehr östlich abweichen!"

Es lag eine derartige ungestüme Heftigkeit in seinen Worten, daß sie wie eine unterdrückte Verwünschung klangen. Arents ging nach vorn und ließ einige Rufe erschallen. Ich konnte die Gestalt Vanderdecksns deutlich unterscheiden, wie sie sich dunkel gegen die Sterne abhob und sich mit dem Heben und Senken des Schiffes auf und ab bewegte. Wie festgebannt stand er in der Nähe des Kompaßhäuschens und ich konnte mir wohl vorstellen, wie es in seiner breiten, mächtigen Brust, über die er seine Arme kreuzte, stürmen und toben mochte.

Die Wache kam nach hinten an die Brassen und zog sie scharf an. Es war eine düstere Scene: Keines der Seemannslieder, keiner der Chorgesänge ertönte, mit denen die Matrosen beim Ziehen und Halen Takt zu halten und sich zur Arbeits­freudigkeit aufzumuntern pflegen. Der Bootsmann Jans hatte die Aufsicht auf dem Vorderkastell, während Arents auf dem Halbverdeck stand. Gelegentlich schmet­terte der Eine oder der Andere einen Befehl, den die Höhlungen der Schiffsge­wandung über uns im Echo zurückwarfen, als wenn da droben Geister hausten, welche all dieser Anstrengungen spotteten. Man sah den bleichen, geheimnisvollen Schein um die Füße der Matrosen zucken und ein stärkeres Auffunkeln des Holz- werkes, wo immer es der Reibung eines Taues ausgesetzt war. Nachdem sie die Segel nach dem Winde gestellt und sich eben an den Kabestan machen wollten, rief ArentS dem Käpitän etwas zu, der als Antwort zurückgab, daß sich das Schiff etwas gewendet habe und diese Stellung genüg« werde. Hierauf schlichen sich die Leute außer Sicht in die Dunkelheit nach vorn und verschwanden in der finstern Nacht wie Visionen eines Schlummernden in die Leere eines tiefen, traumlosen Schlafes. Arents kam wieder auf das Hinterdeck und gesellte sich zu dem Kapitän, der mit

jener starren Unbeweglichkeit, wie ich sie bereits an ihm gewöhnt war, an seinen Platz festgewurzelt schien. Doch hingen seine Augen zweifellos an der Kompaßnadel, und wenn ich mich an ihn herangewagt hätte, würde ich in ihnen sicherlich ein inten­siveres, grelleres Feuer geschaut haben als das war, welches das Kompaßhäuschen erhellte.

Man würde ihn leicht als Einen, der nicht von dieser Welt ist, erkennen," wandte ich mich an Jmogene,sogar, wenn man ihm unter einer großen Menschen­menge begegnen sollte."

Sie antwortete nur mit einem Seufzer, und nach einem längerem Schweigen begann ich von neuem :

Vorhin fragte Sie Vanderdecken, ob Sie es für möglich hielten, Ihre Muttersprache in einigen Monaten verlernen zu können. Das zeigt doch klar und deutlich, daß er des Glaubens lebt, Sie auf seiner Rückreise von Batavia das heißt, seiner letzten Reise an Bord genommen zu haben. Nun sind aber seit diesem Auffinden schon nahe an fünf Jahre verflossen, und Sie andererseits versichern mir, daß sich sein Gedächtnis nur auf die jüngsten Ereignisse aus den letztverlebten erstreckte, wie ist es dann erklärlich, daß er sich Ihrer Lebens- und Unglücksgeschichte noch erinnert und das ist doch zweifellos der Fall, da er mich fragte, ob Sie eS mir erzählt hätten?"

Wahrscheinlich," entgegnet« sie,weil er beständig darauf anspielt, wenn er mit mir von dem Empfang, den mir sein Weib und seine Töchter bereiten werden, spricht. Ferner wird es ihm eingeprägt durch meine Gegenwart, durch meine häufigen Bitten, mich einem heimwärts segelnden Schiffe zu übergeben, und so weiter, so daß dies als etwas beständig Geschehenes, unaufhörlich Neues seinem Geist gegen­wärtig gehalten wird."

(Fortsetzung folgt.)