^»2 97. Amis- und Anzeigeblalt für den Bezirk Lalw. 63. Jahrgang.
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Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag, Die EinrückuugSgebii'hr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 18. Aug. Der Großherzog traf gestern in Wein heim zur Teilnahme am Abgeordnetentage des badischen Militärvereinsverbandes sin und wurde am Bahnhof von den Spitzen der Behörden festlich empfangen. Der Großherzog nahm i an den Verhandlungen Teil. Bei der Enthül- lungsfeier des Kriegerdenkmals hielt der ! Großherzog eine Ansprache an die Krieger; er ermahnte dieselben mit Treue an Kaiser und Reich festzuhalten. Man dürfe die Vergangenheit nicht vergessen, um für die Zukunft stark zu sein. „Wir ( müssen auf Vorposten sein", schloß der Großherzog ^ seine Ansprache. Die-Krieger stimmten dem Großherzog jubelnd zu. Am Abend verließ der Großherzog unter brausenden Hochruf?» des Publikums Weinheim.
— Die „Kaiserdelegierten" Bunte und Schröder werden jetzt auch von den Sozial- >. o emo kr aten fallen gelassen. Die sozialdemokratische ' „Volksstimme, Organ für das werkthätige Volk in Rheinland und Westfalen", rechnet mit den beiden I Herren gehörig ab, und zwar, um mit Rücksicht auf den demnächstigen Wegfall des Sozialistengesetzes die Bewegung nicht verwässern zu lassen, „damit nicht Personen einen maßgebenden Einfluß gewinnen, die ' weder berufen noch fähig sind, in der Oeffentlichkert mit Energie und Takt anfzutreten." Am Schlüsse . seiner Strafpredigt erwähnt das Blatt, daß Bunte ! aus der Liste des Bergarbeiter-Verbandes gestrichen sei, weil er seine Beiträge nicht bezahlt habe. Siegel wird geschont, er scheint also ein „zielbewußter"
! Sozialdemokrat zu sein.
Kissingen, 18. Aug. Gestern mittag stattete ! Fürst Bismarck dem Herzog von Edinburg einen Besuch ab. Am Abend wurde dem Fürsten ein Fackelzug dargebracht; Bürgermeister Fuchs hielt eine l Ansprache, in welcher er wünschte, daß es dem Fürsten vergönnt sein möge, noch oft hierher zu kommen, und
Donnerstag, den 21. August 1890.
schloß mit einem Hoch auf den Fürsten. Fürst Bismarck dankte und betonte die herzliche Aufnahme, welche er seit nun 16 Jahren hier gefunden, denn „alte Liebe rostet nicht", und schloß mit einem Hoch auf Kissingens Wohl. Die Menge sang alsdann die „Wacht am Rhein," wobei Fürst Bismarck mehrmals am Fenster erschien.
Ein Franzose über Rußland. Man schreibt dem „Frkf. I." aus Paris. Mehrere Blätter haben Herrn de Keratry, welcher nach St. Petersburg gegangen war, um Unterhandlungen über die Erneuerung des französisch-russischen Vertrags, betreffend den Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigentums, anzuknüpfen, nach seiner Rückkehr aus der russischen Hauptstadt aufgesucht, und von ihm erfahren, daß er die günstigsten Zusicherungen von der russischen Regierung erhalten hat. Herr de Keratry, welcher Rußland seit vierzig Jahren wieder zum ersten Male sah, ist höchst erstaunt über die so weit vorgeschrittene Civilisation, die sich auf Beamte und Bevölkerung erstreckt. Von den Nihilisten vermochte der französische Delegierte nicht die geringste Spur zu entdecken und er findet, seine Landsleute besäßen eine große Portion von Einfalt, sie wären zu große Gimpel („AOAvs"), wenn sie die Depeschen der Berliner Agenturen über den Terrorismus in Rußland, welche die französischen Blätter Nachdrucken, ernst nähmen. Es sei hohe Zeit, daß die Franzosen sich zur Entdeckung Rußlands entschließen, das sie ganz und gar nicht kennen. Der Kaiser und die Kaiserin würden von der Bevölkerung angebetet und er selbst war Zeuge einer Rundfahrt, welche Ihre Majestäten am Geburtstage der Kaiserin in einem offenen Wagen mitten durch eine Menge von 75 000 Personen ohne jede Escorte machten. Die Attentate Einzelner könne die Polizei nicht verhindern; aber der Nihilismus ist und bleibt nur ein Mythus. Rußland hat in Bezug auf seinen Handel und seinen Ackerbau, die Wiederaufrichtung seines Credits und seines Finanzsystems ivahre Wunder von Fortschritten geinacht. Eine Ausnahme macht Herr
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de Keratry für die übertriebene Hausse des Rubels, die notgedrungen ihrem Ende nahe ist.
Ausland.
Narwa, 18. Aug. K ai ser W i lh e lm, Prinz Heinrich, Reichskanzler v. Caprivi uud Gefolge sind gestern abend 8'/- Uhr hier eingetroffen und wurden am Bahnhof von dem Zaren, dem Thronfolger, den Großfürsten und großem Gefolge begrüßt. Hierauf erfolgte die Fahrt nach der Polewzew'schen Villa, wo die Kaiserin von Rußland den Gast begrüßte. Sodann fand das Diner und hierauf Feueriverk am Wasserfall statt. Ueberall war großartiger jubelnder Empfang.
Narwa, 19. Aug. Die Majestäten sind um neun Uhr morgens nach Jamburg zum Manöverterrain gefahren und bestiegen dort die Pferde. Die Avantgarde des Westcorps von Kobiliaky ist heute früh gegen Jamburg, welches das Ostcorps besetzt hielt, vorgegangen. Das Gros des Westcorps folgte von Narwa aus. Das Ostcorps wird sich hinter den Fluß Luga zurückziehen und das Westcorps morgen den Uebergang bei Jamburg forcieren.
Bern, 19. Aug. Das Militärdepartement forderte nrit Rücksicht auf die Neutralität der Schweiz die Kantonsregierungen namens des Bundesrates auf, das Aufflisgenla'sen von Brieftauben seitens ausländischer Vertreter oder Gesellschaften von der Schweiz aus durch ihre Polizeiorgane zu untersagen und entgegengesetzte Versuche vereiteln zu lassen. Die Bahnverwaltungen wurden ersucht, die Ausführung der bezüglichen Anordnungen möglichst zu unterstützen.
Tages-Reuigkeiten.
— Am 1. September d. I. wird in Alt- bürg eine Posthilfstelle errichtet.
ui. Hirsau, 20. Aug. Wie schon seit einer Ne'he von Jahren, so ward auch ain gestrigen Abend ein ungemein zahlreich besuchtes Armenkonzert im Gasthof zum „Rößle" abgehalten, veranstaltet von
1 Jeuilleton.
Das Totenschiff.
> Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen
! Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. ßlark Wusse kl.
^ , (Fortsetzung.)
, Nein! Aber was mich betrübt und beunruhigt, ist das Gefühl, daß ich in'
England — vorausgesetzt, daß es Gott gefallen wöge, mich meinen Fuß noch einmal auf seinen geliebten Boden setzen zu lassen — keine Freunds mehr habe, an die ich mich wenden könnte." Ich wollte sie unterbrechen, aber sie fuhr fort und ihre
! Augen füllten sich von Neuem: „Es ist selten, daß sich ein junges Mädchen in
> einer Lage befindet wie die meinige ist: Mein Vater und meine Mutter waren fast moch Kinder und Beide Waisen, als sie heirateten. Meine Mutter lebte, als sie mein Vater zum ersten Male traf, bei einem Geistlichen und seiner Frau in Rotherhithe als Gouvernante der Kinder. Der Geistliche und sein Weib sind längst tot, aber auch wenn sie noch lebten, würden sie nicht die geeigneten Personen sein, an die ich mich um Hilfe und Rat wenden könnte, da meine Mutter sie oft als unfreundliche, niedrig gesinnte Leute schilderte. Die paar Verwandten mütterlicherseits sind alle
! gestorben, väterlicherseits hatte ich — oder vielleicht habe ich auch noch — einen Onkel, der nach Virginien auswanderte und in ziemlich guten Umständen lebte. Aber ich würde nach jenem Lande reisen müssen, um schließlich zu erfahren, daß er -auch tot sei. Hieraus werden Sie sehen, Herr Fenton, wie verlassen und einsam ich bin!"
„Sie sind nicht dazu geschaffen, in dieser Welt verlassen zu bleiben," ent- gegnete ich mit Wärme, denn wer wird eS unnatürlich finden, daß eines Jünglings
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Herz schneller pulsiert, wenn ihm eine Schönheit, wie Jmogene Dudley war, in's Gesicht gesagt, daß sie ohne Freunde ist? „Ich flehe Sie an," setzte ich hinzu, „sich nicht durch derartige Reflektionen traurig machen oder wohl gar von dem Entschluß, diesem Fahrzeug den Rücken zu kehren, abbringen zu lassen —"
„Nein, nein!" unterbrach sie mich, „das wird nicht geschehen. Eher auf den grünen Fluren der Heimat Hungers sterben, als — o!" und laut aufweinend ließ sie dem nicht mehr haltbaren Thränenstrom freien Lauf, „o, wie wird mich der Anblick von Blumen, vaterländischen Bäumen und von Geisblatt und wilden Rosen umblühter Hecken glücklich machen! — Dieses gräßliche Leben!" verzweifelt rang sie die Hände und leidenschaftlich richteten sich ihre Augen empor, „diele dumpfbrausende Brandung, das unaufhörliche Heulen deS Windes, der seinen Ton höchstens zu einem traurigen Wehklagen herabstimmt, die Gesellschaft geisterhafter Männer, das grauenhafte Bewußtsein, sich auf einem, Schiffe zu befinden, auf dem der Zorn Gottes ruht! — o, fürwahr! fürwahr, es muß enden!" und ihr Gesicht in die Hände vergrabend, schluchzte sie bitterlich und herzerreißend.
„Was muß enden, Mynheer? Und warum weinst Du, Jmogene?" tönte plötzlich die tiefe, vibrierende Stimme Vanderdeckens durch die Kajüte.
Erschrocken fuhr ich herum und gewahrte seine hohe, aufrechte Gestalt hinter mir, wobei mir nicht entging, daß ein gewisser scharfer, forschender Ausdruck auf seinem Gesicht lag und in seinen Augen noch ein gut Teil jenes unheimlichen FeuerS glühte, das mir schon in seinem bereits näher beschriebenen Erstarrungszustande so sehr ausgefallen war. Ich antwortete ihm, so schnell es mir meine Kenntnis der holländischen Sprache nur immer erlauben wollte: „Fräulein Dudley weint, Herr, weil dieser Sturm gleich den früheren die Rückkehr JhresWchiffes nach Amsterdam abermals verzögert. Und es ist ganz natürlich und in Üebereinstimmung mit de» Wünschen aller an Bord der Braave Befindlichen, daß sie diesem Unwetter, der ihre schönsten Hoffnungen vereitelt, ein baldiges Ende wünscht."