Nro. 73 82. Jahrgang.
eilage zum Gesellschafter.
Nagold
Samstag, 28 . März 1914-
Der Wetterwart.
politisch« Nmfchs«.
x In unserer Zweiten Kammer ist dem sozialdemokratischen Antrag aus Einführung der Verhältniswahlen für die Gesamtvesetzung der Zweiten Kammer sowie Festsetzung des Wahltermins auf einen Sonntag ein erstklassiges Begräbnis bereitet worden, und die Grabreden, die diesem parlamentarischem Novum gehalten wurden, lassen darauf schließen, daß es wohl nicht so bald wieder aus der Versenkung austauchen wird. Es ist ja nicht zu verkennen, daß der Proporz seine guten Seiten hat, aber seine auf dte reinen Parteiverhältnisse zugeschnittene Einseitigkeit würde einen großen Teil der Wählerschaft sicherlich abstoßen und so das politische Gesamtbild unseres Landes zweifellos stark verzerren. Die Bezirkswahlen bringen gewiß vielerlei Unannehmlichkeiten mit sich, tragen ihr gut Teil Schuld an der sogen. Kirchturmspolitik, aber schließlich ist unsere Landespolitik eben doch zu sehr gerade auf die Berücksichtigung der vielen Einzelinteressen zuge- schnitten, daß eine verallgemeinernde Parteipolitik ihnen zu wenig dienlich wäre und darum auch beim Volke nur wenig Verständnis und Gegenliebe finden dürfte.
Mit dem anfangs dieser Woche in der Zweiten Kammer behandelten Anträge auf Erhöhung der Mehlsracht und Einführung einer progressiven Mühlenumsatzsteuer ist eine wirtschaftliche Frage angeschnitten worden, die eigentlich in das Ressort des Reichstags gehört und von diesem auch schon wiederholt behandelt worden ist. Der Zweck des Antrags ist, die kleinen Mühlenbetriebe, die für unsere Landwirtschaft einen großen Faktor spielen, vor der immer weiterschreitenden Aussaugung durch die Grüßmühlen, die hauptsächlich die Versorgung mit ausländischer Brotfrucht betreiben, nach Möglichkeit zu schützen und sie darum in erster Linie dadurch lebensfähig zu erhalten, daß diese Großmühlen mit einer ihrem Umsatz entsprechenden Steuerquote belastet werden sollen. Dem Antrag und seiner Tendenz kann die innere Berechtigung nicht abgesp ochen werden, denn die Entwicklung, wie sie in den letzien Jahren eingesetzt hat, ist zweifellos eine ungesunde, und es besteht tatsächlich die Gefahr, daß eine Anzahl Riesenbetriebe die ganze Produktion an sich reißen und alle kleineren und mittleren Konkurrenten vernichten. Wir kommen damit zu einer Monopolisierung und Vertrustung. deren schädliche Folgen leider gewöhnlich erst dann eingesehen werden, wenn es zu spät ist. Es wäre deshalb zum mindesten angezeigt, daß die Frage in ernstliche Behandlung genommen wird und daß die Regierung aus der Stellungnahme der Volksvertretung sich die Direktiven für ihr evtl. Votum im Bundesrat holt.
Durch denBesuchunseres Königspaares in München sind die freundschaftlichen Beziehungen, die nicht nur zwischen den beiden Herrscherhäusern, sondern auch zwischen der beiderseitigen Bevölkerung bestehen, aufs neue bestätigt und gekrästigt worden, und der warmherzige Ton, der in den Trinksprüchen der beiden Könige zum Ausdruck kam, hat darum auch im Volke seinen Widerhall gesunden.
Auch bei dem Besuche, den Kaiser Wilhelm aus seiner Reise nach Korfu dem Kaiser von Oesterreich und dem König von Italien abgestallel hat, weiß man, daß er über den Charakter rein höfischer Beziehungen hinausreicht, daß er eine neue Bekräftigung für den Dreibund, ein Zeichen dafür ist. daß die Mächte der mitteleuropäischen Allianz auf ihrem Posten sind. Daß selbst nicht deutschfreundliche Blätter anläßlich dieses Besuches sich zu dem Geständnis herbeigelassen haben, daß der Dreibund als ein Hort des europäischen Friedens anzusehen sek, spricht allein genügend für dessen Wert.
Das Interesse an dem neuen französischen Panama wird wachgehalten durch die Tätigkeit des sogenannten Rochelte-Ausschusses, einer aus Mitgliedern der Deputiertenkammer zusammengesetzten Kommission, der die löbliche Aufgabe zufällt, herouszubekommen, ob und inwieweit die gewesenen Minister Caillau; und Monis, die - durch das Attentat der Frau Catllaux zur Strecke gebracht worden sind, mit den großartigen Schwindeleien des ehemaligen Advokaten Röchelte zu tun hatten, wie dies ihre Gegner behaupten. Die gegenseitigen Aussagen sind bisher noch so voller Widersprüche, daß sich noch keinerlei klares Bild gewinnen läßt, aber soviel steht heute unter allen Umständen schon fest, daß von den regierenden Persönlichkeiten zum Teil recht zweifelhafte Praktiken beliebt worden sind.
Weit in den Hintergrund aber wird die Aufmerksamkeit an diesen Dingen durch eine Frage gedrängt, die gegenwärtig England beschäftigt und b reits von einem Bürgerkrieg in England reden ließ, durch dis sog. Ulstersrage. Was ist das Drum und Dran dieser Frage? Die Antwort hieraus kann uns allein das Verständnis für die ganzen Vorgänge eröffnen. Seit Jahrzehnten schon strebt Las Großbritannien ungegliederte Irland üach der Selbstverwaltung, und in den inneren Kämpfen bei Regierungen und Parteien hat diese Frage von jeher eine große Rolle gespielt. Unter großen Schwierigkeiten hat es das liberale Kabinett, das gegenwärtig am Ruder ist, schließlich
fertig gebracht, der „Homerule", d. h. eben der Gewährung des Selbstverwaltungsrechts für Irland, im Parlament zum Siege zu verhelfen. In Irland sselber^ aber ist nun eine Provinz Ulster, deren Einwohnerschaft zum größten Teil protestantisch ist, während das übrigeJIrland'Z überwiegend katholische Bevölkerung ausweist. Die Bewohner von Ulster befürchten nun, daß sie bei Einführung der Selbstverwaltung im Parlament und auch sonst von der katholischen Mehr- heit vergewaltigt werden. Die Ulsterleute wehren sich darum mit Händen und Füßen gegen Homsrule, das Selbstoer- waltungsrecht für Irland, und drohen nicht nur für den Fall, daß das vom Parlament bereits angenommene Gesetz durchgeführt wird, mit offener Rebellion, sondern haben tatsächlich bereits eine bewaffnete Macht organisiert, die zur Durchführung des Ausstandes bereit ist. Die Regierung ist nun natürlich in einer bösen Klemme und sucht nach allen möglichen Mitteln und Wegen, aus der unangenehmen Situation zu kommen. Für alle Fälle hat sie auch bereits militärische Maßnahmen getroffen, aber hiebei die besonders schmerzliche Erfahrung machen müssen, daß ein Teil der Offiziere offen den Gehorsam verweigert und erklärt, nicht gegen die Bewohner von Ulster zu ziehen. Verwickelt wird die Lage weiter noch dadurch, daß für den Fall, daß die vom Parlament beschlossene Homerule für Irland nicht durchgeführt wird, andererseits wieder die katholische Bevölkerung von Irland mit Rebellion droht. Ein Dilemma, das wirklich schwer zu lösen ist. Seinem Verständnis allein sollte auch nur die vorstehende Skizzierung dienen, die weitere Entwicklung muß man füglich abwarten.
Verschiedenes.
Mehr Kalk zur Nahrung, ^bo. Während Milch, Eier und Blattgemüse genügend Kalk enthalten, sind gerade unseEHauptnahrungsmittel wie Brot, Fleisch und Kartoffeln kalkarm. Aber der menschliche Organismus bedarf zur Erhaltung der GesundheitZerheblicherZMengen Kalk, besonders für Leber, Niere, Speicheldrüse, Hirnrinde und Lunge. Wo ungenügende KalkzufuhrMngere?'Zeit besteht, entwickeln sich schwereZKrankheiten. Anderseits ist es gelungen, durch erhöhte Beigabe von Kalk die Herztätigkeit zu verbessern und schwere Erkrankungen erfolgreich zu behandeln, wie Basedowsche Krankheit, Brustfellentzündung mit Wassererguß. Entzündungen der Bindehaut der Augen, Heufieber, kruppöse Lungenentzündung.USo ist bekannt, daß Arbeiter in Gipssabriken sehr seiten an Schwindsucht erkranken. Diesen Erfahrungen trägt man jetzt Rechnung, indem man dem Brote Kalk in Form von Chlorkalzium beifügt, so daß ein Kilo ungefähr 5 x enthält. Dieses von Emmerich und Loew der Münchener Bäckerinnung zur Herstellung empfohlene „Kalziumbrot" wird besonders seine heilsame Wirkung an Kindern und schwangeren Frauen zeigen, da jene bei ihrem raschen Wachstum und diese zum Aufbau des Knochengerüstes der Ungeborenen das größte Kalkbedürfnis haben.
kos. Katastrophen der Borzeit. Einen Blick in die graue Bergonyenheit der Erde zu tun, ist immer interessant. Die Möglichkeit dazu bietet uns die Geologie mit ihrer Lehre von den Versteinerungen. Diese „Runentafeln der Bocweit", wie sie Dr. Lanick im neuesten Heft des „Kosmos-Ha-dweisers" (Stuttgart), nennt, sind oft Zeugen von Katastrophen, die sich vor vielen Millionen von Jahren abgespielt haben. Bei Bernissart in Belgien z. B. stieß man beim Graben nach Kohle auf einen Haufen von einigen zwanzig gewaltigen Dinosauriern, deren Reste völlig durcheinondergewürfelt waren. Es sind die später so berühmt gewordenen Iguanodonten, Reptilien von 7*/s ui Länge und ungefähr 4^/z m Höhe. Diese Ungeheuer lebten in Rudeln und eine solche Schar wurde bei einem Beutezug an dieser Stelle von einem plötzlich anschwellenden Gewässer, vielleicht einem infolge von Wolkenbrüchen zum rasenden Strome angewachsenen Rinnsal überrascht und in eine Schlucht hlnabgespült. Dort unten blieben sie dann mit zerschmetterten Gliedern liegen und wurden von den nachstürzenden tonigen Schlammassen begraben.
Eine Hauptstadt, in der es keine TinteZgibt.
Besser als durch langatmige Beschreibungen wird Durazzo, dte ^Hauptstadt de« jungen Fürstentums Albanien, durch folgende, sicher verbürgte Geschichte gekenn»
zeichnet, die eine Bukarester Zeitung milteilt. Ihr albanischer Korrespondent schickte aus Durazzo seinen ersten Bericht, und zu diesem Berichte schrieb er dem Herausgeber einen höflichen Brief, indem er um Entschuldigung dafür bat, daß der Bericht mit Bleistift geschrieben sei. „Ich muß mit Bleistift schreiben", so lautet die Erklärung hierfür, „weil ich in dem Hotel, wo ich wohne und täglich 24 Mark bezahle, keine Tinte bekommen kann. Der Wirt, der augenscheinlich auf den guten Ruf seines Hotels sehr bedacht ist, versichert, er habe wohl eine Flasche Tinte gehabt, diese sei aber ausgelaufen und es sei ihm nicht möglich gewesen, in Durazzo neue Tinte aufzutreiben." Man ist fast versucht, das alte Wort Liebigs, nach dem die Seife der beste Gradmesser der Kultur ist, dahin abzuwandeln, daß man die Tinte als solchen anspricht K
Amerikas sprechender Hund.
Einen Vorsprung, den die alte Welt vor der neuen hat, haben die Amerikaner nun nach vieler Mühe eingeholt; sie haben jetzt auch einen sprechenden Hund. Es ist ein Bullterrier namens Snoozer. Eigentum einer Frau Richards, die jn Chicago wohnt. Er spricht bereits sechs Worte, was für sein Alter von I V 2 Jahren eine ganz anerkennenswerte Leistung ist. Diese Worte sind nach einer Mitteilung des „Corriere": Nsmma, mz- wamma, morning Emma, stowe, Ismon und I äon't koorv, wobei das letzte eigentlich kein Wort, sondern ein ganzer, in sich geschlossener Satz ist. Diese sechs Worte oder Redewendungen gibt Snoozer nun von sich, wenn man paffende Fragen stellt, etwa: wen hast du lieb? Ein paar amerikanische Zeitungsleute haben sich davon neulich überzeugt, als sie Frau Richards nach ihren Absichten mit dem Wunderhunde fragten. Frau Richards will aber den Hund nicht öffentlich zur Schau stellen, sondern sich zunächst seiner weiteren Ausbildung widmen.
Entbehrlich. Dienstmädchen (das eine kostbare antike Vase zerbrochen hat und deshalb von der Hausfrau ausgescholten wird): „Gott, gnä Frau, beruhigen Eie sich doch bloß, — Se habe ja doch nie bei Sträutz' neigetan!
Der Unterschied. „Das ist eine Zigarre, die Sie jedem Freund anbieten können." — „Hm, hm, aber ich möchte gern eine Zigarre, die ich selbst rauchen kann."
Literarisches. .
Der Frühling steht vor der Tür und bald wird die Natur zur Frende aller wieder sich schmücken. Und so wird auch die Frauenwelt erinnert, daß es jetzt Zeit ist, sich für die kommende Saison zu schmücken und sich neue Garderobe anzuschaffen. Praktischere und schönere Moden und bessere Unterhaltungs-Lektüre dürste dte Frauenwelt wohl nicht finden als in dem so bei ebten, alle 14 Tage erscheinenden Moden- und Familienblatt „Mode «nd Hans", welches für nur ^ 1,— pro Quartal ca 240 Seiten reich illustrierten Text bietet. Die soeben erschienene, prachtvoll ausgestattcte, mit zahlreichen Illustrationen versehene neue Quartalsnummer des über die ganze Erde verbreiteten Moden- und Famillen-Iournals „Mode und Haus" liegt uns vor. Was finden wir nicht alles in solcher Nummer! Es ist ffft unglaublich! Wundervolle Moden - Genrebilder für Erwachsene wie für Kinder, dazu ein großer Gratis- Schimtbogen, Haus-, Gesellschafts- und Straßenkostllme, sowie Wäsche und Naturgröße Handarbeiten: eine äußerst reichhaltige Belletristik, spannende Romane, Ratschläge über Kinüererziehung, ärztliche und juristisch- Ratschläge, Humor, Musik, Aktuelle Bilder aus der Zeit wie aus dem Leben der Frau. «Mode und Haus" kostet trotz seines reichen Inhalts pro Quartal nur ^ l,—, wofür 8 Nummern geliefert werden. Gratis-Probenummern von „Mode und Haus" sowie Abonnements bei t». LkUsse-, Buchhandlung,
Mt rotbackigen Äpfeln
Vergleicht man gern die Wangen der Kinder. Die Mutter ist beglückt, wenn ihr Sprößling srisch und blühend auSsteht. Fehlt es daran, so greife man getrost
«rotts
Emulsion
zu Scotts Emulsion — Lebertran mit Kalk- und Phosphor-Salzen —, und bald Wird daS Kind frischer werden und rote Bäckchen bekommen.
Sehalt,ca,: Lebertran 150,0, Glyzerin so,», unterphosphorigs. Kall 4,3, unterPhoS- phorigf. Station 2,0, Tragant 3,0, arab. Summt 2 ,v, Wäger 12 «,o, Alkohol IIP. Zimt-Mandel-«. Gaultheriavl 1e 2 Tropfen
mit Lrnt vernioktet radikal koldgelsl. 5V. 2. 75198. Larb-n. gerned- 1o,.. Leimst d. Loxkkaut v. Lckuxnen n. Sckinaen, dskürct d. Laarwuoks, verkittet Lrankkeit <1. Lopkkaut, Nasraustall u. 2uaug neuer karasiten. Vi'ickUA t. Sckuikioäer. lausende v. Lnerksnnung. Lodt nur in Lartvns L1.00 u.0.5051,, niemals oSen ausgewogen. In Lxotkeken ».Drogerien, van weise Haokakmungen nurltek, die n. 2weoke der LLusokung viei- knod Ldniied klingende Hamen tragen, und aokre genau auk die 1'irma d. alleinig. Lakrik. ^setbmsekvn st Oo», Ltsgtrung, und d. Harnen
volrLsskt!
Für die Redaktion verantwortlich: Karl Paur. — Druck u. Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchdruckerri (Karl Zaster), Nagold.