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Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
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und 10 Lw.-Verkehr 1.40 im übrigen
Württemberg 1.50 Monats-Abonnements nach Verhältnis.
Der GeselWster.
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Fernsprecher Nr. 29.
88. Jahrgang.
Postscheckkonto Nr. 5113 Stuttgart
U 127
Donnerstag, dm 4. Juni
Anzeigen-Gebühr für die etnspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 /H, bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Beilagen: Plauderstllbchen,
* Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1914
Wichtiges vom Tage.
Die bürgerlichenKoilegien begannen gestern mit der Beratung des Haushsltetats für das Rechnungsjahr 1914. Dabei wurde die Höchstgrenze des Tagesloh n-es für städtische Wald- und Stadttag löhne r festgesetzt.
Wie gemeldet wird, soll der Reichstag im Herbst aufgelöst werden.
Dem deutschen Botschafter, Fürst Lichnowsky, in London wurde von der Universität Oxford der Titel eines Ehrendoktors verliehen.
Admiral von Capelle ist zum Unterstaatssekretär des Reichsmarineamts ernannt worden.
In Stuttgart tagt der deutsche Verein für Schul- gesundheirspslege.
Der elsässische Zeichner „Hans i" wurde gegen Stellung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung von Uuter- richtsknrseu in Obst- und Gemüseverwertnng für Fronen und Mädchen an der K. Weinbauschule in Weinsberg und im Pomologischen Institut in Reutlingen.
An der K. Weinbauschule in Weinsberg und im Pomologischen Institut in Reutlingen werden im Laufe dieses Sommers Ktägige Unterrichtskurse, in welchen über Ernten, Sorrieren, Verpacken und Dörren von Obst und Gemüse, über Herstellung von Marmeladen, Gelees, Pasten, Obst- Wen. Konserven usw. praktische und theoretische Unterweisung erteilt wird, adgehalten werden.
Die Kurse finden statt
n) in Weinsberg in den Wochen vom 13. bis 18. Juli, vom 20. bis 2b. Juli, vom 17. bis 22. August, vom
24. bis 29. August und vom 31. August bis 5. September.
k) in Reutlingen vom 13. bis 18. Juli, vom 20. bis
25. Juli, vom 24. bis 29. August und vom 31. August dis 5. September.
Die Teilnehmerinnen müssen das 16. Lebensjahr zu- rückgelegt haben. Für Wohnung und Kost während der Dauer des Kurses haben sie selbst zu sorgen. Die Kursgebühr von 4 ^ ist vor Eröffnung des betreffenden Kurses an das Kaffenamt der K. Weinbauschule in Weinsberg bezw an Herrn Oekonomierat Lucas in Reutlingen zu entrichten. Bedürftigen Teilnehmerinnen kann die Kursgebühr nachgelassen werden.
Gesuche um Zulassung zu diesen Kursen sind bis spätestens 26. Juni ds. Is. einzussnden:
re) für Weinsberg an die K. Weinbauschule daselbst,
d) für Reutlingen an den Direktor des Pomologischen Instituts, Herrn Oekonomierat Lucas in Reutlingen.
Stuttgart, den 19. Mai 1914. Sting.
Gin Irühkingstraum.
Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne.
4) (Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)
Während Wolf von Wolfsburg selbst von den Frauen vergöttert wurde, machte er sich gar nichts aus denselben und stand ihnen mit absoluter Gleichgültigkeit gegenüber — keiner konnte ihm ein galantes Abenteuer nachssgen, so sehr ihn die Kameraden auch beobachteten. Doch drohten sie ihm wohl, daß auch ihn einmal das Verhängnis ereilen und Gott Amor sich für diese Geringschätzung rächen würde. Er aber verlachte die Warner und meinte, er wäre absolut > gefeit! —
Doch das Verhängnis ereilte ihn — die Liebe kam über ihn, eine große gewaltige Macht, gegen die er kämpfte ' mit aller Energie, die ihm eigen war — doch vergebens — er unterlag!
j Es war in der Kirche. Schräg vor ihm saß ein junges ! Mädchen. Sie trug ein einfaches, schwarzes Kleid und hatte einen englischen Strohhut auf dem blonden, lockigen I Haar. Halb aus Neugier, halb aus Langeweile beobachtete er. wie ihr Auge voller Andacht an dem Geistlichen hing. In ihrer Erscheinung prägte sich eine kindliche Unschuld und eine Vornehmheit in der Haltung aus, die ihn frappierten. Leider konnte er ihr Gesicht nicht ganz sehen; dafür entschädigte er sich reichlich durch den Anblick ihres Profils, das wunderbar rein und edel war — ein feines,
K. Hberrcrrnt Wcrgokd. Bekanntmachung
betreffend die staatliche Bezirksrindviehscha«.
Nach Maßgabe der im Amtsblatt des K. Ministeriums des Innern Nr. 7 vom 19. April 1908 und Nr. 23 vom 31. Dezember 1910 oder im Wochenblatt für die Landwirtschaft Nr. 19 vom 8. Mai 1908 und Nr. 2 vom 14. Mai 1911 veröffentlichten Grundbestimmungen für die staatlichen Bezirksrindoiehschauen findet in Altensteig auf den vqn der Äadtgemrinde zur Verfügung gestellten Platz vor dem nntere» Schnlhans
am Donnerstag, de« 18. Jnni 1S14 vormittags 8 Uhr eine staatliche Bezirksrindoiehschau statt.
Zngelaffen werden zu der Schau Zuchttiere des Fleckviehs, nämlich
a. ) Farren, sprungfähig mit 2—6 Schaufeln,
b. ) Kühe, erkennbar tragend oder in Milch mit
höchstens 4 Kälbern.
Preise können bei der Schau in nachfolgenden Abstufungen zuerkannt werden:
n.) für Farren zu 120, 100, 80, 60
b.) „ Kühe „ 100, 80. 60. 40 -6. Znschlagspreise von 20 >4 zu den ersten und zweiten und „ 10 „ „ übrigen Preisen
werden für solche Tiere erteilt, welche sich im Besitze von Mitgliedern einer von der K. Zentralstelle anerkannten Znchtgenoffeuschaft befinden, im Lande gezüchtet und in das Herdbuch der Zuchtgenossenschast eingetragen sind, sowie deren Abstammung bei der Schau durch beglaubigten Herdbuchauszug nachgewiesen wird.
Die Herdbuchauszüge sind bei Zuchtgenofsenschaften, die einem Verband angehören, durch den Berbandsgeschäfts- sührer, bei den Einzelgenoffenschaften durch deren Herdbuch- sührer zu beglaubigen.
Sowohl die Höhe als auch die Zahl der zu vergebenden Preise wird erst bei der Schau selbst unter Berücksichtigung der Beschaffenheit der vorgeführten Tiere endgiltig festgesetzt werden.
Diejenigen, welche sich «m Preise bewerben wollen, haben ihre Tiere mindestens 1« Tage vor der Sch an bei dem Oberamt «uter Benützung der im Jahre ISIS ne« herausgegedeuen, beim Oberamt erhältliche» Anmeldeformulare auzumelden «nd spätestens bis zu der oben genannten Zeit auf dem Musterungsplatz anfznstelle«. Farren müssen mit Nafenring versehen sei« «nd am Leitstock vorgesührt werden.
Besonders wird darauf hingewiesen, daß verspätet angemeldete Tiere zur Teilnahme an dem Preisbewerb nicht berechtigt sind, und daß Farren ohne Nasenring zurückgewiesen werde».
Die Anmeldescheine sind vom Oberamt zu beziehen; alte, von früheren Jahren her vorrätige Anmeldescheine können nicht mehr benützt werden.
gerades Näschen, ein süßer Mund und ein sanft gerundetes Kinn. Er nahm sich vor, dar Mädchen nicht aus den Augen zu lassen. Nach Schluß des Gottesdienstes beeilte er sich, den Ausgang zu erreich«:, und an der Kirchentür wartete er auf seine Unbekannte. Schon von weitem sah er sie kommen, und er war überrascht von dem Liebreiz ihrer Erscheinung — ein entzückendes, nur etwas bleiches Gesichtchen, das von einem Paar wunderbarer Augen beseelt wurde. Er trat ihr m den Weg: unwillkürlich blickte sie zu ihm auf — groß und voll ruhten da seine Augen auf ihr, daß eins dunkle Röte das lilienweise Gesicht überflutete; gleich daraus war sie im Gedränge verschwunden, und so sehr er sich auch bemühte, er sah sie nicht mehr. Mißmutig darüber, setzte er seinen Weg fort, darüber nachsinnend, ob er sie wohl Wiedersehen würde. — Nachmittags ging er mit einem Kameraden spazieren. Das schöne Wetter hatte die meisten Leute hinausgelockt, und große Scharen von Spaziergängern strömten ins Freie. Er mutzte noch immer an da« Mädchen denken — ihr Gesicht und der Blick ihrer Augen wollten ihm nicht aus dem Sinn Wer mochte sie sein?
„So schweigsam, lieber Wolfsburg?" fragte da sein Begleiter in sein Grübeln hinein. „Sie denken wohl wieder über eine strategische Frage nach?"
„Nein. Strachwitz, nein! — Woran ich denke, das können Sie nie erraten," lächelte der Angeredete.
„Na — wenn es Hartleben wäre, würde ich mit Bestimmtheit behaupten, daß mal wieder ein Weib in feinem
Die Herren Ortsvorsteher wollen Vorstehendes in ihren Gemeinden bekannt machen.
Den 17. Februar 1914. Kommerell.
Wird der Reichstag aufgelöst?
Wie dem „Neuen Tagblatt" aus Berlin von gut- unterrichteter Sette gemeldet wird, plant die Reichsregierung zum Herbst die Auslösung des Reichstags. Den Grund dazu will sie in der törichten Demonstration der Sozialdemokraten beim Schluß de» Reichstag« gegen den Kaiser finden. Es sprechen verschiedene Anzeichen dafür, daß diese Nachricht richtig ist; wiederholt ist darauf hingewiesen, daß die Regierung das Sitzenbleiben der „Genossen" beim Kaiseihoch zu einer Waffe gegen die Bolksvertretung selber umwandeln möchte, um den Reichstag nach Hause zu schicken und an das Volk um eine Vertretung zu appellieren.
Unter den „Genossen" selbst herrscht bezüglich der Richtigkeit dieser Demonstration keineswegs Einigkeit; es erheben sich vielmehr Stimmen, die darin einen Grundfehler der Politik der Sozialdemokratie erblicken. In der neuesten Nummer der Sozialistischen Monatshefte beschäftigt sich der Reichstagsabg. Wolsgang Heine mit der Demonstration seiner Fraktion am Sessionsschluß des Reichstags. Wie er feststellt, ist der Beschluß der Fraktion, beim Kaiserhoch sitzen zu bleiben, statt wie früher hinuuszugehen, nur mit einer relativen Mehrheit gefaßt worden. Dem Fraktions- deschluß hätten sich dann auch solche Abgeordnete gefügt, welche persönlich anderer Meinung gewesen wären. Heine erklärt, daß die Fraktion „zur Zeit kaum etwas Verkehrteres und Schädlicheres hätte tun können und daß damit lediglich die Geschäfte der Gegner jeder freiheitlichen Entwicklung und eines kräftigen Parlaments besorgt werden". Heine führt dann weiter aus, solange man sich an der Arbeit im Reichstag beteilige, müsse man schon aus staatsrechtlichen Gründen die Identifizierung von Regierung und Person des Monarchen ablehr.en. Dann fährt er wörtlich fort: „Der Schlachtruf für oder gegen den Kaiser bedeutet eine Verschärfung und Verschleierung der politischen Probleme und ist von reaktionärer Seile noch immer gegen uns angewendet worden und zwar mit großem Erfolg. Unsere Aufgabe ist also vielmehr, die Person des Monarchen in dem Kampf um politische Fragen auszuscheiden. In dem neulichen Verhalten hat die Fraktion sie ohne Not hrreingezogen und damit den Gegnern das Recht gegeben, das gleiche zu tun". Im wetteren Verfolg des Artikels beruft sich Heine auf Bebel, welcher diese Art von Kund- gebung sicher nicht mttgemacht hätte. Schon die Berücksichtigung auf den Reichstag hätte es erfordert, daß man eine derartige Kundgebung vermieden hätte. Man müsse Gefühlswerte auch bei. anderen Personen achten. Man wünsche schon im Interesse der positiven Arbeit, welche nur durch planmäßige Wahlbündnisse mit Nachbarparteien möglich wäre, daß die Wiederholung derartiger Kundgebungen unterbleibe.
Kopfe spuke — aber Sie Cato — eher glaubte ich an den Untergang der Welt!"
„Wenn es aber nun doch so wäre?" gab Wolf lächelnd zurück.
„Wie - höre ich recht — Sie, Mölschen — ?"
„Ja, ja. ich habe heute morgen in der Kirche ein Mädchen von so berückendem Liebreiz gesehen, wie noch kein andere«! Der Gesellschaft scheint sie aber nicht anzu- gehören, sonst würde ich sie kennen." Und er beschrieb ihr Aeußere« so anschaulich, daß Strachwitz einen leisen Pfiff ausstieß und sagte: „Ich glaube, die kenne ich und habe sie öfters gesehen."
„Ah! Und wo, wenn man fragen darf?"
Doch Strachwitz antwortete nicht, sondern sah aufmerksam gerade aus; plötzlich bemerkte er, auf zwei jung? Mädchen deutend, die ihnen gerade entgegenkamen — „Ist es vielleicht die links?"
„Ja. beim Himmel, sie ist es," beftätigie Wolf erregt, „haben Sie schon je etwas so Süßes gesehen?"
Das Mädchen erkannte sofort den Offizier vom Bormittag wieder und schlug vor seinem beredten Blick errötend die Augen nieder. Dem Sonntcg zu Ehren hatte sie ein weißes Battstkleid angelegt, in dem sie wie die verkörperte Unschuld und Reinheit aüssah. Als sie vorüber wer, fragte Strachwitz:
„Sie möchten also wissen, wer die Kleine ist? — Sie heißt Mary Winters und ist Putzmacherin."
„Putzmacherin?" Es klang sehr enttäuscht und fast ungläubig, wie Woifsburg das wiederholte.