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Deißlmgen ist in einem hiesigen Lokalblatte zu lesen. „Er" macht bekannt, daß er für Schulden, die seine Frau ohne sein Wissen mache, nicht mehr aufkvmme. „Sie" setzt auf diese Liebenswürdigkeiten folgenden recht zärtlichen Erguß: „Auf die veröffentlichte Warnung erwidere ich, daß ich noch nie Schulden gemacht ohne Wissen meines Mannes, was ich holen mußte, war Bier und Branntwein, um die erhitzte Leber des Musikers K. B. (d. h. des Mannes) etwas zu kühlen, davon giebt seine blühende Nase den besten Beweis. A. B., geb. B. Da hängt sicher der Ehehimmel nicht voller Baßgeigen.
Tübingen, 9. Mai. Nach genauen Erhebungen war der Vorgang der Streitigkeiten bei Altensteig, welche mit dem Tode von zwei Männern endigten, folgender: Letzten Donnerstag nachm, zwischen 4—5 Uhr machten sich die Brüder David und Lorenz Lörcher, Bauern, elfterer in Neuweiler, der letztere in Breitenberg, OA. Calw, ansässig, mit ihrem Neffen Joh. Schaible und dem Bauern Jak. Flaig von Breitenberg vom Altenstaiger Markt zurückkehrend, von Berneck aus auf den Heimweg. Schaible hatte ein Gefährt bei sich, das in Berneck wegen des bergigen Terrains nicht bestiegen wurde. Auf der Höhe der Staige angekommen, überholten Flaig und David Lörcher, die bis dahin hinter dem Wagen gegangen waren, den Lorenz Lörcher und Schaible, welche vorausgegangen waren und die nun aufsteigen wollten. Hiebei erhielt elfterer von dem 35jährigen verheirateten Metzger Gottlieb Frank von Calmbach OA. Neueubürg, der mit dem 22jährigen ledigen Metzger Karl Seifried von Calmbach gleichfalls vom Markte heimkehrte und mit seinem Begleiter dicht hinter den Breitenbergern ging, einen Stoß, so daß er in den Wagen hineinfiel. Nun entspann sich eine übrigens nicht erhebliche Schlägerei zwischen Lorenz Lörcher und Frank, nachher gingen Frank und Seifried ihres Weges weiter. Nun eilte Lorenz Lörcher mit seinem Bruder, der von Schaible zu Hilfe gerufen worden war, hinter den beiden drein und die vier Männer schlugen mit Stöcken auf einander. Plötzlich zog Frank sein Messer und versetzte den beiden Lörchern je einen Stich in den Hals und die rechte Brustseite, wo lebenswichtige Blutgefäße getroffen wurden, so daß der sofortige Tod der beiden Brüder eintrat. Noch am Tage der That wurden Frank und Seisried festgenommen. Bei letzterem handelt es sich blos um Körperverletzung. Frank ist reumütig seiner That geständig. Die gerichtliche Sektion sowie das Verhör wurde im Walde selbst am That- orte vorgenommen. Schw. M.
— Das Gewitter vom 8. brachte der „Tüb. Chron." zufolge in der Steinlach H a g e l s ch l a g.
Wolpertshausen, 9. Mai. Gestern abend zog über die Jlshofer Ebene ein schweres Gewitter. Der Blitz schlug in den Kirchturm von Haß- felden, ohne zu zünden. Der Turm und das Kirchendach wurden stark beschädigt; ca. 2—3000 Dachplatten sind zertrümmert.
Schorndorf, 7. Mai. Großes Aufsehen erregt ein Japaner, der in Begleitung eines von Tübingen an die Realschule Schorndorf versetzten Professoratskandidaten hieherkam. Derselbe, in der Nähe von Tokio zu Hause, ist der Sohn eines ehe
maligen japanischen Offiziers und will mehrere Jahre in Deutschland bleiben, um Geschichte und verwandte Fächer zu studieren zum Zweck des Eintritts in japanischen Staats- und diplomatischen Dienst. Obwohl Gohro Soöda erst 4 Monate in Deutschland ist, radebrecht er schon ganz nett Deutsch. Allerdings macht ihm die Aussprache des Deutschen manche Schwierigkeiten: so spricht er z. B. statt „sch" stets blos „s" und verwechselt die Laute „r" und „l". Letztere Verwechslung ist eine bei Japanern allgemeine Erscheinung. Zur Zeit weilen ziemlich viele Japaner in Deutschland, so z. B. in Berlin etwa 70, in Tübingen 12, in Hohenheim 5, am Politechnikum in Stuttgart 2 u. s. f. Kürzlich hat auch ein Japaner in Tübingen den medizinischen Doktor gemacht.
Schorndorf, 9. Mai. Ein gewiß zeitgemäßes Unternehmen hat Metzgermeister Eßlinger zur Ausführung gebracht. Am Montag wird nämlich in dessen Wohnhaus eine Volks-Küche eröffnet und kann eine Portion Suppe um 12 Pfg., eine Portion Suppe mit Fleisch und Gemüse um 40 Pfg., Suppe und Fleisch per Portion um 25 Pfg., in einem sehr geräumigen Lokale genossen werden. Bei Wochen-Speise- karten mit 6 Tages-Portionen kostet der Mittagstisch statt 40 Pfg. nur 35 Pfg. Wenn ein Abonnent an einem Tage verhindert ist, so wird ihnr, wenn er sein Essen vor 9 Uhr abbestellt, die Tagesportion mit 35 Pfg. zurückvergütet.
Giengen a. B. Ergebnis des Viehmarkts am 6. Mai. Zu Markt wurden gebracht 539 Stück, verkauft 207. Es beträgt der Erlös von 1 Paar Ochsen: höchster Preis 885 -FH mittlerer Preis 780 -FH niederster Preis 640 -F6, 1 Paar Stiere 448 -^, 400 -FH 365, -FH 1 Kuh 357 271 -FH 142 -^,
4 Kalbel 417 -FH 255 -FH 193 -FH 1 Stück Jungvieh 175 -FH 130 -FH 74 Gesamtumsatz 47,194 -FH Nach den angestellten Wägungen kostet der Ztr. Lebendgewicht non 1 Paar Ochsen, welche 2720 Psd. wogen und um 855 -F^ verkauft wurden, 31 43 --Z,
1 Paar Stieren, welche 1400 Pfd. wogen, und um 448 -Fö verkauft wurden, 32 -F5 — -rZ, 1 fetten Kuh, welche 1050 Pfund wog und um 271 verkauft wurde, 25 80 1 fetten Kalbel, welche
890 Pfund wog und um 272 verkauft wurde, 30 -F^ 56 xZ. Der Zutrieb war gegenüber dem letzten Markt bedeutend stärker, auch waren viele Händler am Platze; der Handel ging langsam bei festen Preisen. In Fettvieh und trächtigen Kalbeln wurde viel ge- gehandelt. Mit der Bahn wurden 12 Wagen mit 140 Stück ausgeführt. Nächster Viehmarkt am Diens- tag 3. Juni.
Vom untern Brenzthal, 8. Mai. Die Mäuse treten dieses Frühjahr bei uns in erschreckender Mehrzahl auf. Jetzt schon fordern manche Ortsvorsteher die Bürgerschaft zum gemeinsamen Vorgehen in Vertilgung dieser schädlichen Nager auf.
Ellwangen, 8. Mai. Landjäger Rehmer von Fachsenfeld hat den Sittlichkeitsverbrecher Christ. Reinhardt gestern und heute verfolgt und ist desselben bei der Pfeffermühle (Ellwangen) ansichtig geworden, worauf sich Reinhardt in den Wald Braunhardt gegen Hohenberg-Jagstzell geflüchtet hat. Der Verbrecher hat eine graue und eine dunkle Juppe, welche er wechselt und bindet er die eine der Juppen wahr
scheinlich in sein bisheriges Halstuch. Er lauft barfuß in Schlappschuhen.
Ulm, 9. Mai. Die Firma Henner-Scherer hier hat zur Erinnerung an die Vollendung des Ulmer Münsters und des Münsterfestes Festmünzen, Ulmer Thaler, Ulmer Gulden und Ulmer Dukaten prägen lassen. Die eine Seite der Festmünze zeigt das vollendete Münster und trägt die Umschrift: begonnen von Münsterbaumeister H. Ensinger 1377; vollendet von Münsterbaumeister Beyer 1890. Auf der anderen Seite findet sich das Ulmer und deutsche Wappen und der Wahrspruch: es währte lang, doch es gelang, sowie die Umschrift: zum Andenken an die Vollendung des Münsters zu Ulm. Die Ulmer Thaler tragen die Jahreszahl 1546, die Ulmer Gulden die Zahl 1704 und die Ulmer Dukaten die Jahreszahl 1635. Die Prägung sämtlicher Münzen ist vorzüglich gelungen.
Leutkirch, 6. Mai. In Nied, Gemeinde Mooshausen, hatte sich ein „frecher Dachs" unter einem Haufen Hagstecken in der Nähe des Ortes eine Lagerstäte ausgesucht und durch sein allzu lautes Schnarchen einem Jagdfreund seine Anwesenheit verraten. Diesem gelang es nun, mit anderweiter Unterstützung, das Tier an einem Fuß zu fesseln, worauf die fette Jagdbeute unter großem Zusammenlauf von Alt und Jung in sicheren Gewahrsam transportiert wurde. '
— Die Altertümersammlung vom Schloß Lichten st ein. Wie der „St.-Ä." vernimmt, hat die Herzogin von Urach, Gräfin von. Württemberg, den Entschluß gefaßt, ihre auf Schloß Lichtenstein befindliche umfangreiche und höchst wertvolle Altertümcrsammlung aus vor- uud frühgeschichtlicher Zeit unter Vorbehalt des Eigentumsrechts in den Lokalen der königlichen Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmale in Stuttgart aufstellen zu lassen. Die Aufstellung in den Räumen der Staatssammlung wird voraussichtlich nn Monat August dieses Jahres erfolgen.
— Nach Oberammergau gehtam31. Mai früh 10 Uhr 15 Minuten von Neuulm ein Extrazug. Es ist ein sogenannter Kurierzug und hält auf keiner weiteren Station, daher sämtliche Teilnehmer in Neu- ulm einsteigen. In Augsburg eine halbe Stunde Aufenthalt. Anschluß zum Extrazug haben die Frühzüge aus Bayern und Württemberg. Der Zug ist nur aus der Hinfahrt ein Sonderzug. Zurück nach Belieben, da die Billete 10 Tage giltig sind und zur Rückfahrt auf jedem Personenzug berechtigen. Ein solches Billet, giltig für Hin- und Rückfahrt, kostet ab Neuulm in 3. Wagenklasse 10 -FH 50 und ist der Betrag nur an die K. Billetkasse Neuulm einzuzahlen, was von jetzt ab geschehen kann. Von da aus werden die Billete samt Abzeichen den Teilnehmern rechtzeitig zugeschickt werden. Eintrittskarten zum Passionsspiel sind in Oberammergau für diesen Zug. reserviert und ist auch für Quartiere Vorsorge getroffen. Ferner gehen am 24. Juni, 22. Juli und- 2. September ab Mengen Extrazüge über Saulgau, Aulendorf, Leutkirch und Memmingen nach Oberammergau. Die Extrazugsbillets haben 8 Tage Giltigkeit..
waren, erwachten beim Anblick der Verhaßten in verstäktem Maße und mit scharfen Augen beobachtete sie dieselbe jetzt. Aber sie konnte Nichts entdecken, was ihren Verdacht, daß eS zwischen Herbert und Helene zu einem Einverständnis gekommen sei, bestätigte. Der Baron war schweigsam und mißmutig und schien das junge Mädchen gar nicht zu beachten, und Helene schien seine Nähe förmlich zu fürchten.
Gegen Assessor Hagen, der einige Tage nach der Abreise des jungen Ehepaares wieder in Wallheim erschien, war vie junge Witwe äußerst ungnädig. Sie wich nicht aus dem Zimmer, wenn Helene bei seinem Besuch zufällig auch zugegen war; ja, wenn es möglich war, schickte sie, sobald sie ihn kommen sah, das junge Mädchen unter einem nichtigen Vorwand fort. Es bereitete ihr ein hämisches Vergnügen, die umherspähenden Blicke Hagen's zu beobachten und auf seine anspielenden Fragen ausweichend zu antworten.
<Äwa acht Tage nach der Abreise des Baldern'schen Ehepaares saß Helme eines Nachmittags auf einer Bank im Park und schaute träumerisch vor sich hin, als Jda, einen Brief schwenkend, auf sie zugesprungen kam.
„Fräulein Helene! Fräulein Helene!" rief sie schon von Weitem. „Sehen Sie, was ich Ihnen hier bringe?"
Helene blickte ihr lächelnd mtgegrn, doch kaum gewahrte sie den Brief in der Hand der Kleinen, als sie wie elektrisiert aufsprang.
„Ein Brief für mich, Jda?" fragte sie.
„Ja, für Sie, Fräulein Helme, und zwar der erste Brief, den Sie hier bekommen," rief Jda fröhlich. „Ich habe eS gehört, wie Mama eS zu der Großmama sagte!"
Ein sonderbares Bebm flog über Helme'S Züge, während sie unverwandt auf die Adresse des Briefkouvrrti blickte.
„Fräulein Helme." schmeichelte die Kleine, „darf ich nun «in wenig an dm Teich gehen, nur so lange, bis Sie dm Brief gelrsm haben?"
Helene nickte stumm und jubelnd flog Jda über den Kie-weg dabin. Das junge Mädchen aber sank wieder auf die Bank nieder, fort und fort auf die Adresse deS Briefes blickend.
„Das hast Du geschrieben, meine Mutter!" hauchte sie endlich erschüttert.
Mit bebenden Händen öffnete sie das Kouvert und faltete den eng beschriebenen Briefbogen aus einander.
Und wie sie die Zeilen, welche derselbe trug, las, da wurde ihr Gesicht immer strahlender, immer leuchtender und ein Jauchzen brach sich von ihren Lippen.
„Vergeben, vergessen! Ich soll wieder zu Dir kommen, meine Mutter, meine geliebte, teure Mutter!" Mit unbeschreiblicher Innigkeit sprach sie den Namen, während Freudenthränen ihren Augen entstürzten und auf das Papier niederperlten- „Du rufst mich zurück! Ich komme, o, ich komme! Ach, könnte ich gleich zu Dir eilen; wäre ich frei wie der Vogel in der Luft, Nichts, Nichts sollte mich eine Minute nur länger von Dir fern halten!"
Sie preßte unzählige Küsse auf das Papier und betrachtete es immer wieder voll Glückseligkeit.
Plötzlich — wie blitzgetroffen zuckte sie zusammen, — instinktiv erhob sie den Blick und im selben Moment erstarrte der Ausdruck ihrer Züge wie zu Stein, als sie unfern von sich Baron Herbert mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt stehen sah, die Augen unverwandt auf sie gerichtet.
Die Wandlung in ihrem Antlitz wahrnehmend, flog ein bitteres Lächeln über Hrrbert'S Züge und mit einem seltsam fremden Klang seiner Stimm« fragte er r.
„Der Brief ist wohl von einer Ihnen sehr lieben Person?"
Seine Worte gabm ihr die Fassung zurück; mit strahlenden Augen schaute sie auf das Schreiben nieder und antwortete innig:
„Ja, von einer mir sehr, sehr lieben Person!"
„Der Absender," er betonte das Wort scharf, „ist Ihrem Herzen sehr teuer?*
Helene nickte, ohne den sonderbaren Ausdruck, der in seiner Frage lag, verstanden zu haben.
„Ja, sehr teuer!" entgegnete sie.
(Fortsetzung folgt.)