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Schömberg, 5. Mai. Einen Schatz im Acker bat dieser Tage Kürschner und Kappenmacher Lambert Riedlinger und Geschwister hier, beim Kartoffelstecken gefunden; 39 größere Silbermünzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert haben sie zu ihrer Ueberraschung auf einem Grundstück in den sogenannten „Mühlwiesen" im Schliechemthäle gegen Dautmergen, zum Vorschein gebracht. Dieselben sind größtenteils alte, österreichische Reichsmünzen mit Doppeladler vom hl. römischen Reich, doch auch andere, für uns im schnellen Ileberblick nicht kennbar, auf einzelnen sind die Jahreszahlen 1580, 1620 u. s. f. Die Münzen sehen sehr gut erhalten aus, sie sind wahrscheinlich einst in Kriegszeiten vergraben worden.
Vom Rothenberg, 2. Mai. Zu dem prächtigen Blükenschmuck der Birnbäume kommen nun auch die roten Blütenköpfchen der Früh-Apfelsorten; die Linken, die besonders gerne gepflanzt und als Mostäpfel sehr geschätzt werden, sind noch mehr zurück. Auch die Weinberge stehen schön; sehr erwünscht ist dem Weingärtner der wohlthätige Regen, da die Trockenheit sehr hinderlich für das Einbringen der Pfähle war.
Freudenstadt, 5. Mai. Heute wurde unser vom Staat erbautes Mädchenschulhaus feierlich eingeweiht. Das Gebäude umfaßt 8 Lehrzimmer, einen Zeichen- und einen Jndustriesaal und im Erdgeschoß eine Dienerwohnung. Die Uebergabe geschah im Aufträge der Kgl. Finanzverwaltung durch Kam.-Verw. Völter. Er erstattete zuerst der Kgl. Regierung, dem Baumeister und den Bauleuten, sowie auch dem obersten Baumeister, unter dessen Schutz der ganze Bau ohne Unfall zu stände kam, den gebührenden Dank und übergab das Haus sodann mit Segenswünschen dem Stadtvorstand zur gedeihlichen Verwendung. Stadtschultheiß Hartranft dankte im Namen der Stadt insbesondere dem Hrn. Staatsminister vr. v. Renner, Oberbaurat Saut er und Bauinspektor Gekeler von Calw. Zur besonderen Freude für die Mädchen waren von der Stadt für jedes derselben eine Brezel und etwas Geld bewilligt. Nachmittags 1 Uhr war ein Festessen im Gasthof z. Post. Bei demselben gab Stadtschultheiß Hartranft in äußerst launiger und treffender Weise die Geschichte des Schulhausbaues preis, indem er dieselbe in drei drastisch markierten Aufzügen schilderte und toastierte zum Schluß auf Se. Maj. König Karl. Dekan Herrlinger betonte die Bemühungen des Konsistorialreferenten Bockshammer und des Oberbaurats Sauter und brachte diesen beiden nicht anwesenden Herren ein Hoch. Helfer Maier toastierte auf die ausführenden Baumeister Kaufmann und Schäfer und die Handwerksleute. An die Abwesenden gingen entsprechende Telegramme ab. Nun gedachte Dekan Herrlinger auch der im neuen Hause wirkenden Lehrer und des Schulinspektors, und Schullehrer Nestel brachte ein Hoch aus auf Ihre Majestät Königin Olga. Nachher folgte noch eine fröhliche Nachfeier im Rappen mit Reden, Musik und Gesang.
Oberndorf, 1. Mai. Ein Hauseinsturz ereignete sich dieser Tage in Böchingen. Der Besitzer des wohl ältesten Hauses im Orte wollte dasselbe
renovieren lassen. Zu diesem Zwecke wurde das Mauerwerk eingerissen und vom Holzwerk die beschädigten Stellen herausgenommen, ohne daß die Handwerksleute das also in seinem Halt beeinträchtigte Haus stützten. Als nun vollends der obere Scheuerraum mit den vom Dach abgehobenen 6000 Platten belastet wurde, schob diese einseitige Last das ganze Haus aus seinem Gefüge und dasselbe stürzte mit donnerähnlichem Krachen vollständig in sich zusammen. Man darf noch von Glück sagen, daß niemand unter den Trümmern begraben worden ist. Dj» Arbeiter waren zur Zeit der Katastrophe gerade -außerhalb des Hauses beschäftigt. Schwer geschädigt ist der Hausbesitzer, weil er jetzt auf höhere Anordnung die Trümmer vollends ganz beseitigen und das Haus nach einem neuen Bauplan errichten lassen muß.
Reutlingen, 4. Mai. Gestern starb hier ein 18jähriger junger Mensch, Sohn eines Tuchmachers, infolge Genusses von Rattengift, das er sich aus der Apotheke gegen vorschriftsmäßige Hinterlassung seiner Unterschrift unter dem Vorwände, Ratten töten zu wollen, verschafft hatte. Der Vergiftete war geistig unzurechnungsfähig, wurde häufig, von epileptischen Anfällen heimgesucht und hat schon mehreremale den Versuch gemacht, sich durch Ertrinken und Oeffnen > der Pulsader das Leben zu nehmen.
Gomaringen, 1. Mai. Ueber die hier verhaftete Zigeunerbande erfährt man folgendes: Während des Zechens in der „Krone" in Hinterweiler trieben die Männer und Weiher der Bande allerlei Unfug und fingen schließlich zu tanzen an. Dem Wirt, welcher sie mehrfach zur Ordnung wies, wurde keine Folge gegeben, weshalb er sie aufforderte, die Wirtschaft zu verlassen. Hierauf fielen die Zigeuner über die anderen in der Wirtschaft anwesenden Personen her und es gab eine allgemeine Schlägerei. Dabei erhielt Wirt Gastier einen gefährlichen Stich in den Hals, der Vater des Wirts vier Stiche in die Seite und der Bauer Gottfried Junger von Hinterweiler gefährliche Schlagwunden an dem Hinterkopf; auch die Zigeuner erhielten Schläge, wenn auch keine Verletzungen. Mit Gewehr, Revolver und Säbel in den Händen entfernte sich nun die Bande und drohte damit jedem, der sich ihnen näherte. Außerhalb des Ortes machten sie Halt und wollten wieder ins Dorf zurückkehren. Der Sohn des schwerverwundeten Junger holte nun, um dies zu verhindern, das geladene Gewehr seines Vaters, worauf einer der Zigeuner sein ebenfalls geladenes Gewehr auf die Verfolgenden anlegte. Junger feuerte aber zuvor zweimal nach einander und jagte einem der Zigeuner eine volle Schrotladung in die Füße, so daß dieser schwerverwundet wurde. Die Zigeuner schossen nun auch, trafen aber niemand. Bald darauf wurde die ganze Bande in Gomaringen und Bronnweiler dingfest gemacht.
Neufra, 2. Mai. In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai morgens gegen 3 Uhr hatten wir in diesem Jahre das erste Gewitter zu bestehen. Schauerlich schön zuckten die Blitze am Horizonte und furchtbare Donnerschläge erweckten den tiefsten Schläfer. Am morgen wurde man gewahr, daß der Blitz in eine Telegraphenstange auf dem Wege nach Gausel
fingen geschlagen hatte, welche Stange im Stürzen: auch mehrere nach sich riß.
Geislingen, 4. Mai. Auf der Bienenzüchter Versammlung, welche gestern im Gasthaus zum Kreuz hier tagte, stellte der Vorstand einen Vergleich des verflossenen Jahrzehnts an und hielt dann einen Vortrag über die Arbeiten des Bienenzüchters im Mai. Bienenzüchter Siehler von Kleineislingen, der in Norddeutschland theoretisch und praktisch den Bienenzuchtbetrieb lernte, warnte in einem Vortrag vor Ankauf fremder Bienenrassen namentlich durch Anfänger, denn die Bienenhündler liefern vielfach für teures Geld zweifelhafte Ware. Zur Besichtigung seines elektrischen Schwarmmelders lud er die Anwesenden ein. Allerlei aus Honig bereitete Getränke wurden zum Schluß zum Versuchen herumgereicht.
Ulm, 5. Mai. Im Donauholz unterhalb Pfuhl wurde gestern früh von den Jagdbesitzern ein Fuchsaraben vorgenommen. Zwei Bäue waren augenblicklich leer, im dritten wurde die Füchsin geschossen und 5 vierwöchige Junge ausgehoben. Welchen Schaden die Füchse der Jagd zufügen, konnte man aus den zahlreichen Hasen- und Geflügel-Ueberresten j entnehmen, die sich in den Röhren vorfanden.
Ulm, 6. Mai. Gestern vormittag ereignete sich beim Exerzieren der Feldartillerie auf der Friedrichsau ein eigentümlicher Unglücksfall. Die Batterie avancierte im Galopp, als plötzlich das Pferd des vorausreitenden Trompeters kehrt machte und auf die Proze des nächsten Geschüzes losstürmte. Roß und Reiter stürzten und wurden überfahren. Das Pferd mußte getötet werden, der Trompeter kam mit leichten Verletzungen davon, nicht so ein auf der Proze sitzender Kanonier, der von dem Pferde auf der einen Seite übel zugerichtet worden ist.
Lauffen a. N., 4. Mai. Zur Feier der Inbetriebsetzung seiner Rmgöfen hatte das Württem- bergische Portlandcementwerk seine Beamten, Meister, Handwerker und Arbeiter auf 1. Mai zu einem gemeinschaftlichen Abendessen eingeladen. Es mögen laut Bericht des „Schw. M." gegen 300 Personen gewesen sein, welche den geräumigen Saal der Fabrikmenage füllten. Nachdem der Direktor des Werkes die Gäste willkommen geheißen hatte, gedachten mehrere Redner der glücklichen Vollendung der großartigen Bauten, des ersprießlichen Zusammenarbeiten^ aller hiezu berufenen Faktoren und der Verdienste, die sich insbesondere einer der ersten Industriellen Deutschlands um das Zustandekommen des Werks erworben hat. Die Feier nahm den schönsten und gemütlichsten Verlauf, wozu die fröhlichen Gesänge der Arbeiter und sonstiger Gäste nicht wenig beitrugen.
Heilbronn, 5. Mai. Ein merkwürdiger Fund wurde hier dieser Tage in einem im Abbruch begriffenen Hause der Sülmerftraße gemacht. Man fand nämlich im Dachraum zwischen einem Kamin und einem Dachsparren eingeklemmt mehrere Päckchen Pulver und scharfe Patronen, alles in einen Schw. Merkur vom Jahr 1848 eingewickelt. Die Patronen hatten die vor ca. 40 Jahren gebräuchliche Form mit kugelförmigem Bleigeschoß, das in ein Stückchen Tuch
in ihr Haus ausgenommen und ihr seit dem ersten Tage die wärmste Zuneigung > geschenkt hat, sollte dazu beigetragen haben. Dich zu veranlassen, Dein Mißtraum wenigstens nicht laut zu äußern und das Fräulein nicht fortwährend mit Beleidigungen zu überhäufen. Wenn es Dir jedoch unmöglich ist. mit der Gesellschafterin meiner Mutter zusammen zu sein, so mußt Du nicht vergessen, daß Du auf Deinm eigenen Wunsch nach Wallheim gekommen bist und es ganz allein von Dir abhängt, zu jeder Zeit dies Zusammensein mit Fräulein Schwarz abzuändern."
Und ohne ihre Antwort abzuwartm, verließ er mit dröhnenden Schritten den
Raum.
Elfriede schaute ihm groß nach.
„Also eine Ausweisung in der deutlichsten Form um dieses fremden Mädchens wegen!" rief sie aus, um dann in ein übermütiges Lachen auSzubrechen, daß die alle Baronin sie befremdet anblickte. „O, das ist ja eine ganz allerliebste Entdeckung, die ich da soebm mache!"
„Eine Entdeckung? Was meinst Du damit, Elfriede?" fragte die alle Dame verwundert.
Elfriede sah sie mit einem sonderbarm Blick an.
.Nun", antwortete sie „ich meine die köstliche Entdeckung» daß der unverwund- » liche Baron Herbert von Wallheim bis über die Ohrm verliebt ist und zwar in diese junge Dame, welche er eben so warm verteidigt hat. DaS ist eine Entdeckung, die Dich sehr angmehm überrascht, nicht wahr, liebe Mama?"
Die alte Baronin hörte kaum den spöttischen Hohn, der in diesm Worten lag. Sie starrte die Sprecherin mit weit geöffneten Augen an.
„Herbert verliebt in Fräulein Schwarz?" wiederholte sie ungläubig. „Träumst Du. «friede?"
Die junge Dame verneinte lebhaft.
Hch wollte, daß ich es thät«, beste Mama, aber der arme Herbert ist vollständig in da» Netz dieser Abenteurerin verstrickt. O, ja, Herrin in Wallheim zu werden, da» «scheint dem hochfahrmdrn Fräulein wohl begehrenswert!" Sie lachte spöttisch
auf. „Erkennst Du nun, welchem ränkeoollen Geschöpf Du Deine Zuneigung geschenkt hast,'Mama?"
Die alte Baronin schüttelte energisch den Kopf.
„Was kann denn Fräulein Schwarz dazu, wenn Herbert sie liebt?" fragte sie unwillig. „Sie hat sich nicht die geringste Mühe gegeben, ihm zu gefallen. Wenn Deine Mutmaßung richtig ist, so bin ich auch sicher, daß Herbert die vollkommene Ueberzeugung davon hat, daß sie seiner wert und ihre unbekannte Vergangenheft über jedem Zweifel erhaben ist. Zwar wäre es mir lieber gewesen, wenn er sich eine ebenbürtige Gemahlin erwählt hätte, jedoch auch Helene Schwarz soll mir als Tochter willkommen sein. Noch aber ist es sehr fraglich, ob sie seine Gefühle er- wiedert. Wenn sie auch die Bewerbung des Assessors Hagen mit nur zu sichtbarem Widerwillen zurückweist, so hat Herbert doch kaum eine gnädigere Aufnahme zu erwarten."
Jetzt war es Elfriede, die aufs Höchste erstaunt war.
„Die Bewerbung des Assessors Hagen?" wiederholte sie mechanisch.
Die alte Dame lächelte malftiös.
„Wie ich sehe, ist das eine neue Entdeckung für Dich, und doch hat Hagen seine Gefühle für Fräulein Schwarz nur schlecht verborgen."
Elfriede's Antlitz verzerrte sich vor Wut und die sonst so unschuldig blickenden Augen funkelten, wie die eines Raubtieres.
„O, diese Heuchlerin, die sich in alle Herzen einzuschleichen weiß!" rief sie aus, „Aber wenn Ihr denn alle blind seid, so will ich für Euch handeln und der Betrügerin die Maske aus dem Gesicht reißen."
Empört «hob die Baronin sich.
„Elfriede," «mahnte sie, „Du gehst zu weit! Herbert wird allein für sich zu handeln wissen. Er wird es Dir schlecht danken, wenn Du Dich um Sachen bekümmerst, in welche man Deine Einmischung nicht verlangt hat."
In tiefer Erbitterung entfernte sich die alle Dame. Ein tückisch« Blitz au».- dm Augen d« jungm Wüwe folgte ihr.
(Fortsetzung folgt.)