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zurückkehrte, forschte ich in den Sammlungen nach Angaben über diese Zwerge. Ich erfuhr, daß vor vielen Jahrhunderten ein König von Aegypten von Meroe aus nach den östlichen Bergen gezogen war, und daß wo die kleinen Menschen, auch die Quellen des Nils zu finden seien."

Tages-Neuigkeiten.

Cannstatt, 28. April. Heute nachmittag 1'f- Uhr explodierte in der Zöppritzschen Brauerei beim Faßpichen ein 18 Eimer haltendes Bierfaß. Der obere Boden wurde in Stücke gerissen und bis in die Weinberge, das am Faß angebrachte Kamin auf ein Dach geschleudert. Ein dabei beschäftigter Bierbrauer wurde im Gesicht leicht verbrannt.

Rottenburg, 28. April. Dieser Tage er­teilte Bischof v. Hefele dem Schulinspektor Wied­mann von Vierlingen und den übrigen Rompilgern den bischöflichen Segen zur Reise und beauftragte zugleich den ersteren, dem heil. Vater als Peters­pfennig aus der Diözese Rottenburg die Summe von 11,000 zu überreichen.

Tübingen, 30. April. Der engl. Fysiker Finn hat schon an 2 Abenden sehr besuchte Vor­träge über den elekrischen Strom und über Polari­sation des Lichts gehalten und dieselben durch zahl­reiche Demonstrationen beleuchtet. Wenn die Vor­träge auch nicht erschöpfend sind, so werden dagegen die Experimente mit einer unfehlbaren Sicherheit und bewunderungswürdigen Eleganz ausgeführt, so daß sie Laien wie Sachverständigen ebenso Unterhaltung wie reiche Belehrung gewähren und eine hohe Meinung von der Vollkommenheit der jetzigen fysikalischen Apparate erregen.

Göppingen, 30. April. Die Inhaber der hiesigen mechanischen Webereien haben sich schon vor einigen Wochen über Lohnerhöhung mit ihren Arbeitern geeinigt; nur von Seiten der Firma A. Gutmann und Comp, ist dies bis jetzt noch nicht geschehen. Da diese Firma sich weigerte, mit der von den Arbeitern gewählten Kommission über die Forderungen seitens der Arbeiter zn verhandeln, so haben 200 der letzteren vorgestern die Arbeit einge­stellt. Die Streikenden verhalten sich ruhig, und es ist auch kein Anzeichen vorhanden, woraus geschlossen werden könnte, daß Ruhestörungen zu befürchten wären. Morgen ist hier Jahrmarkt, und es ist an diesem Tage seither meist nur vormittags in den Fabriken gearbeitet worden; dies wird auch morgen der Fall sein. Auf den Nachmittag ist eine Arbeiter­versammlung in den Dreikönig ausgeschrieben, in welcher Schriftsteller Stern aus Stuttgart über die internationale Arbeiterschutzgesetzgebung sprechen wird.

Altenstadt, 28. April. In Göppingen ent­wich gestern ein Mann, welcher in die Heilanstalt für Geisteskranke von Länderer verbracht werden sollte. Derselbe ging Geislingen zu. Die gestern von Göppingen nachgesandten Wärter ergriffen ihn hier in der Eybacher- straße. Durch gute Worte brachten sie ihn soweit, daß er mit ihnen in den Adler ging. Nach einem Gaigelspiel luden sie ihn zum Spazierenfahren ein und fuhren dann Göppingen zu. Bei dem hiesigen Ziegler explodierte vor mehreren Tagen der Dampf­kessel und verbrühte den danebenstehenden Ziegeleibe­sitzer dermaßen, daß, als man ihm die Kleider aus­zog, die Haut stellenweise an denselben hängen blieb.

Stahlbad Jmnau. Jmnau, 29. April. In der gestern stattgehabten außerordentl. Hauptvers.

waren etwa 176 Aktionäre vertreten. Der Austritt von Hrn. M. Frey als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats wurde einstimmig genehmigt und ihm bis 28. d. M. Entlastung erteilt. Als neue Mitglieder in den Aufsichtsrat wurden gewählt: Privatier Leander Scharfnagel aus Cannstatt und Gemeinderat Valentin Edelmann in Jmnau. Beide nahmen die auf sie gefallene Wahl an. Zum Vor­sitzenden des Aufsichtsrats wurde L. Scharfnagel ge­wählt. M. Frey, der langjährige Badeigentümer, wurde zum Direktor ernannt; derselbe hat diese Stelle angenommen.

Ulm, 28. April. Aus Angst vor einer ihnen durch das Rektorat in Aussicht stehenden Bestrafung entfernten sich am letzten Donnerstag früh zwei hier in Pension befindliche Schüler der 9. Klasse des Realgymnasiums. Nach einem heute bei den besorg­ten Angehörigen der Ausreißer eingelaufenen Briefe befinden sie sich in Les Verrieres im Kanton Neuen­burg in der Schweiz. Ein Angehöriger der hiesigen Polizei ist zur Abholung der beiden heute nachmittag dorthin abgegangen. Die Spitze der Pyramide des Hauptturmes des Münsters wird von einer 11 Meter und 60 Centimeter langen und 9'/, Centimer starken eisernen Stange durchzogen, auf welcher sodann der Blitzableiter aufgeschraubt wird. Solche war heute in der Münsterbauhütte zu sehen.

Friedrichshafen, 29. April. Auf der Fahrt von Lindau nach Romanshorn sprang heute nach dem Seebl. von dem DampferPrinz-Regent" eine Frau durch das Fenster des Abrittes in den See. Die Lebensmüde, welche auf dem Schiff 2 Kinder zurückließ, konnte nicht mehr gerettet werden.

Wolfach, 30. April. Der Fürst von Fürsten­berg hat dem Brautpaar Josef Schoch und Sofie Müller von Nippoldsau eine Ausstattungsgabe von 600.,// be­willigt. Derartige Gaben werden alljährlich an Braut­paare verliehen, die im Fürstentum geboren sind und einen guten Leumund besitzen und unbemittelt sind.

M.-Gladbach, 28. April. Ein schlimmes Ende nahm gestern nachmittag hier eine von Kapitän Wolfs aus Köln unternommene Fahrt mit seinem LuftballonStellwerk". Wolfs, der demnächst in der Kriegskunst-Ausstellung in Köln mehrere Ballon­fahrten ausführen sollte, stieg im Kaisergarten auf. Der Ballon, von Wolfs selbst erbaut, hatte einen In­halt von 900 Kubikmetern. An der Fahrt, die zu einem wissenschaftlichen Zweck stattfand, beteiligten sich außer Wolfs ein Herr und eine Dame von hier. Nach der Füllung des Ballons, die mehrere Stunden in Anspruch genommen hatte und glatt von statten gegangen war, begann um 5 Uhr der Aufstieg. Mit einem Ballast von drei Zentnern stieg der Ballon bis zu einer Höhe von ungefähr 2350 Meter, von emem leichten Wind nach Südwest getrieben. Die Tem­peratur sank bis drei Grad unter Null, und der Ballon wurde von zahllosen Schneeflocken umweht. Plötzlich befand er sich inmitten eines heftigen Ge­witters, und um einer Sturmfahrt vorzubeugen, wurde der*sofortigs Abstieg vorbereitet. Alles gelang auf das vorzüglichste; die Landung ging ohne jeden Auf­schlag von statten. Schon glaubte man, auf ebener Erde wieder angelangt, jeder Gefahr entronnen zu sein, da strömte, durch das Schauspiel angelockt, eine Menschenmenge der Landungsstelle zu, qualmende Pfeifen und brennende Zigarren im Munde. Ver­gebens rief Wolfs den Leuten zu, zurückzubleiben oder wenigstens den brennenden Tabak wegzuthun; aber

er vermochte nicht, den Menschenschwarm zurückzuhak- ten. Ein junger, besonders übermütiger Bursche zündete sich ganz in der Nähe des Ballons seine Pfeife an, der Wind wehte das dem Ballon entströmende Gas gerade ihm zu, und mit donnerndem Knall ex­plodierte das Gas, den Ballon in Brand setzend. Nun stob alles auseinander, und einer fiel über den andern. Viele Personen trugen Brandwunden davon und namentlich die, welche den Gelandeten helfen wollten.

Ein tragikomischer Vorfall ereig­nete sich in diesen Tagen in Leipzig auf dem Mag­deburger Bahnhofe. Daselb.st war ein mehrere Jahre alter amerikanischer grauer Bär, welcher in einem Käfige an einer Kette befestigt war, eingetroffen und auf dem Eilgutboden ausgeladen worden, um später weiter nach Chemnitz befördert zu werden. Plötzlich bemerkten die auf dem Güterboden Anwesenden, daß. der Bär eine Wand des Käfigs herausgedrückt hatte, und den Käfig an der Kette nach sich schleppend, auf dem Güterboden herumlief. Dabei nun spürte er einen Hühnerkorb auf, drückte denselben ein und tötete drei Stück Hühner. Endlich gelang es den vereinten Anstrengungen mehrerer Beamten, den Bären wieder in seinen Käfig zu drängen, worauf er verladen und auf der Dresdener Bahn weiter befördert wurde.

Kitteru risches.

Der neue Reichstag" von Joseph Kürschner. Das schon länger angekündigte und durch einen Probeauszug bereits bekannte Büchlein, welches allseitig mit größter Spannung erwartet wurde^. ist jetzt erschienen und von derDeutschen Verlags­anstalt vorm. Ed. Hallberger Stuttgart" zu be­ziehen. Dieses kleine Buchzwerg'chen enthält nahezu: alle Porträts der Reichstagsmitglieder, ein Verzeich­nis der Wahlkreise, Bemerkung der Fraktionsange­hörigkeit, Geschäftsordnung des Reichstags und vieles, andere mehr. Seine praktische Form und Ausstat­tung, sowie der überaus billige Preis (40 werden dasselbe in den nächsten 5 Jahren sicherlich' viele Auf­lagen erleben lassen.

Ksongsnsium.

Weues in der Aibliothek.

Ein halbes Jahrhundert. Erinnerungen, und Aufzeichnungen. In 3 Bänden von Adolf Friedrich Graf von Schack.

Standesamt Kakrv.

Geborene:

21. April. Karl Friedrich, Sohn des Friedrich Acker­mann, Fahrknechts.

28. . Karl Wilhelm, Sohn des Martin Dittus-

Fabrikarbeiters.

Getraute:

27. April. Johann Michael Göckeler, Maurer hier^ und Christiane Oesterle.

Gestorbene:

25. April. Karl August Sitz! er, 2 Monate alt, Sohn des Ernst Sitzler, Bahnhoftaglöhners-

27. Rudolf Heinrich Lorch, Zimmermeister,.

48 Jahre alt.

Gottesdienst

am Sonntag, den 4. Mai.

Vom Turme: Nro. 36. Vormittags-Predigt r Herr Helfer Eytel. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen- 2 Uhr Nachmittags-Predigt in der Kirche: Herr Helfer-: Eytel.

War es das Bewußtsein, daß sie hier nur die Stellung einer höheren Die­nerin einnahm, was ihrem Gesicht diesen Leidenszug verlieh?

Affeflor Hagen, welcher seit ihrem Eintritt kein Auge von ihr abgewandt hatte, machte eine Bewegung, ihr an das Fenster zu folgen, als er zu seinem nicht geringen Verdruß von Baron Herbert in ein Gespräch verwickelt wurde, welches er nicht sogleich wieder abbrechen konnte. Auch die Damen befanden sich bereits wieder in lebhafter Unterhaltung und besonders Franziska schien sich ganz in einem ihr zu­sagenden Element zu fühlen. Was sie nicht in Worten auszudrücken vermochte, gab sie im lebhaften Mienenspiel zu erkennen.

Auf die Frage Elfriede's, ob sie sich der Musik noch mit demselben Eifer wie früher widme, bejahte sie eifrig und folgte der ausgesprochenen Bitte, Etwas vorzu­tragen, ohne Einwände zu erheben.

Es war die Ouvertüre einer modernen Oper, welche Franziska mit tadelloser Genauigkeit absolvierte. Dian merkte ihrem Spiel an, daß sie während ihrer Unter­richtszeit eine fleißige und aufmerksame Schülerin gewesen war; aber das tiefe, innige Verständnis, welches die Musik eist zum wahren Genuß werden läßt, fehlte ihrem Vortrag. Sie spielte mit bewunderungswürdiger Fingerfertigkeit, aber ohne Herz. Es war kein Aussichheraustreten der innersten Gefühle, was Helene's Spiel so unendlich anziehend machte, sondern einzig die Errungenschaft langer, mühevoller Studien, von dem Bestreben geleitet, Lob zu ernten.

Und dieses Lob wurde ihr auch jetzt nach beendigtem Spiel in vollem Matze zu Teil und Franziska nahm den kund gegebenen Beifall mit selbstzufriedener Miene entgegen.

Noch während sie vor dem Flügel satz, trat Baron Herbert an sie heran und

fragte:

Singen Sie auch, Fräulein Hagen?"

Mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit wandte sie sich ihm zu.

Nein, wenigstens nicht in Gegenwart von Zuhörern," entgegnete sie mit ko­kettem Lächeln,aber vielleicht ist Elfriede so gütig, ein Lied vorzutragen."

Ein undesinirbarer Blick auf die Sprecherin war die Antwort der jungen Witwe. **

Welche Ironie von Dir, mich zum Gesang aufzufordern, beste Franziska," versetzte sie dann aber wehmütigen Tones,oder solltest Du wirklich vergessen haben, wie viele unzählige, bittere Thränen ich schon in memer Kindheit über den Verlust meiner Stimme vergossen habe?"

Mein Gott, wie kannst Du mich nur für so boshaft halten, liebste Elfriede? Ich muß mit Beschämung bekennen, diese Thatsache wirklich vergessen zu haben.. Wir werden also ftir heute auf den Gesang verzichten muffen!"

O, nicht doch," entgegnete Elfriede mit sonderbar triumphierendem Lächeln, vielleicht besitzt Fräulein Schwarz zu ihren anderen liebenswürdigen Eigenschaften auch noch die herrliche Gabe des Gesanges. Nicht wahr, liebes Fräulein, Sie werden uns ein Lied vortragen?"

Sie sagte diese Worte mit so auffallend spöttischer Betonung, daß ihre Ab­sicht, sie wolle von dem jungen Mädchen nur das beschämende Geständnis erzwingen, ebenfalls nicht singen zu können, nur zu deutlich zu Tage trat. Aller Augen rich­teten sich erwartungsvoll nach dem Fenster hin, wo Helene saß.

Wider Erwarten erhob die Aufgeforderte sich ohne Zögern und schritt aus: das Klavier zu. Baronin Elfriede verbarg nur schlecht ihren Grimm.

Sie sind wirklich bereit, uns ein Liev zu singen?" sagte sie.

Helene blickte sie fest an.

Lch bin bereit," antwortete sie.

(Fortsetzung folgt.)