308

Tages-Neuigkeiten.

(Amtlich es.) Von der K. Regierung des Neckarkreises wurde unterm 35. d. Mts. der geprüfte Verwaltungskandidat Eduard Bock von Callv, zum Schultheißen der Gemeinde Weil im Dorf, OA. Leonberg, ernannt.

In deni Ctatsjahr 1889/90 sind den nach­genannten Schulgemeinden, welchen die Aufbringung der Gehalte ihrer Schulstellen schwer fällt, die bei­gesetzten jährlichen Beiträge aus der Staatskasse in widerruflicher Weise, regelmäßig mit Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer, verwilligt worden: Schwarzenberg, OA. Neuenbürg 390 Schömberg, OA. Neuenbürg 500 Gaugenwald, OA. Nagold 136 Wildberg, OA. Nagold 600 Beinberg, OA. Neuenbürg 101 Waldrenach OA. Neuen­bürg 134 Jgelsloch, OA. Neuenbürg 350 Feldrennach-Psinzweiler, OA. Neuenbürg 400 Emberg OA. Calw 250 Schwann OA. Neuen­bürg 750 Schmieh, OA. Calw 150 Ober­lengenhardt OA. Neuenbürg 50 Conweiler OA. Neuenbürg 400 Calw, kath. Konfessionsschule 600

Asperg, 35. April. Auf dem hiesigen Friedhof wird, wie die Blätter berichten, die Aus­grabung der Gebeine der in den Jahren 1870/71 auf Hohenasperg verstorbenen und beerdigten franzö- sischenSoldaten vorgenommen. Die Totengebeine die seither in fünfzig Einzelngräbern ruhten, werden in einem von der französischen Regierung gekauften gemeinsamen Grabe Anfnahme finden. Der alte Denkstein wird auch die neue Ruhestätte zieren. Der­selbe trägt in französischer Sprache die Widmung: »Dem Andenken der in den Jahren 1870/71 ge­fallenen französischen Soldaten von ihren Landsleuten gewidmet. 1i. I. k. Hebr. 11, 16." Die Unkosten für die neue Anlage werden wie seither von der französischen Regierung bestritten.

Weinsberg, 24. April. Gestern nachmittag gerieten in dem Gasthaus zur Rose in Waldbach der verheiratete Küfer Seyffer und ein noch lediger junger Mann in Wortwechsel, wobei letzterer dem elfteren einen Messerstich befrachte, infolge dessen der Verletzte heute gestorben ist. Der Thäter, welcher in 14 Tagen Hochzeit zu machen gedgchte, wurde heute verhaftet und hinter Schloß und Riegel gebracht. Der­selbe ist der ledige Bauer Karl Zoller von hier. Der Streit entspann sich wegen Bezahlung einer Flasche Wein. Dreimal warfen sie einander zu Boden; da auf einmal erhielt Seyffer einen Messerstich in die Brust, so daß er sich nicht mehr erheben konnte.

Röhlin gen, Ellw., 20. April. Am 8. Jan. d. I. hat der verheiratete Schuhmacher Alois Jlg da­hier mit eigener Lebensgefahr 2 Mädchen des Müllers Konle aus der Sechta vom Tode des Ertrinkens ge­rettet. Für diese edle That wurde dem Jlg letzter Tage vom Kgl. Finanzministerium eine LebensrettungS- prämie von 50 verliehen und derselbe außerdem in der heutigen Jaastzeitung mit besonderer Ermäch­tigung des Kgl. Ministeriums des Innern vom K. Oberamt Ellwangen öffentlich belobt. Vom Vater der geretteten Kmder ist Jlg gleichfalls mit einem Geldgeschenk bedacht worden.

Crailsheim, 23. April. Daß Pfarrer Kneipp in Wörrishofen auch in unserer Gegend Anhänger gefunden hat, konnte man gestern nachmittag beobach­ten. Zwei feingekleidete Herren, begleitet von einem niedlichen, schwarzen Spitzerhündchen, marschierten strammen Schrittes barfuß der Stadt Dinkelsbühl zu. Dieser Anblick erregte natürlich bei Jung und Alt das größte Erstaunen, wodurch aber die beiden Herren sich nicht im geringsten stören ließen.

Künzelsau. Als gestern nachmittag gegen 3 Uhr die telegraphische, durch ein Extrablatt des Kocher- und Jagstboten rasch verbreitete Nachricht hieher gelangte, daß in der gestrigen Sitzung der Ab­geordnetenkammer die Linie Waldenburg-Künzelsau als Normalspurbahn genehmigt sei, da wurde sofort trotz des Regenwetters geflaggt und Böllerschüsse vom Wartberg gelöst. Die Freude ist allgemein.

Leutkirch, 24. April. Das Amtsblatt: der Allgäuer Bote, ist dieser Tage durch Kauf in den Besitz der Redaktion des seit einigen Jahren gegrün­detenAllgäuer Volksfreundes" übergegangen, welch letzteres Blatt vom 1. Juli an das Amtsblatt des Bezirks Leutkirch wird.

Dresden, 25. April. Die Verbände der Metall- und Holzindustriellen der Kreis­hauptmannschaft Dresden sind übereingekommen, alle Arbeiter, welche am 1. Mai feiern, zu entlassen und vor dem 15. Juni nicht wieder an­zunehmen. Für diejenigen Arbeiter, welche am 1. Mai arbeiten, soll gegen etwaige Terrorisierung derselben der Schutz der Regierung erbeten werden.

Die Wiener Gasarbeiter, an Zahl gegen 3000, begannen heute abends zu streiken. Sie fordern den Achtstundentag und 50 Proz. Lohnerhöhung. Die Gasgesellschaft ging die Nordbahn um Hilfs­kräfte an, wenn diese mcht gewährt wird die Ar­beiter verweigern eine Vertretung der Streikenden so ist morgen Wien ohne Gasbeleuchtung! Die Re­gierung bereitet eine Vermehrung der Sicherheitswache um 600 Mann vor.

London, 24. April. Anläßlich der bevor­stehenden Begegnung des Kaisers Wilhelm und der Königin Viktoria in Darmstadt bemerkt der Standard" es sei überaus erfreulich für die Eng­länder und hoffentlich auch für die Deutschen, daß nicht nur zwischen beiden Herrschern, sondern zwischen beiden Nationen innige, herzliche Beziehungen bestehen. England und Deutschland seien enge Freunde, weil beide den Krieg verabscheuen und das Heil ihrer Völ­ker im Frieden suchen. England setze unbedingtes Vertrauen in die Kaiserworte; die Ansprache an Bord derFulda" bekunde die persönliche Charaktergröße und das Bewußtsein der Machtfülle.

London, 26. April.Times" meldet aus Sansibar vom 24. d. M.: Emin brach mit fünf deutschen Offizieren und einer starken Abteilung nu- bischer Soldaten, somit etwa 600 Lastträgern von Bagamoyo nach dem Innern auf.

Eingesendet.

Der 36. Bericht des Germanischen Na- tional-Museums in Nürnberg über den Jahr­

gang 1889 ist dem Unterzeichneten zugegangen und" er erlaubt sich daraus auch weiteren Kreisen einige Mitteilungen zu machen. Die Sammlung von künst­lerischen und kunstgewerblichen Gegenständen, von Waffen, Gemälden, Glasgemälden, Schnitzwerken, Gipsabgüssen, Kupferstichen, Büchern, Medaillen, Siegeln, Wappen und Hausgeräten aller Art aus Deutschlands großer Vergangenheit hat im abgelaufenen Jahre eine sehr starke und wertvolle Bereicherung erfahren durch den Ankauf der Sulkowskischen. Sammlung. Die für diesen außerordentlich günstigem Gelegenheitskauf nötige Summe konnte jedoch nur beschafft werden durch Aufnahme einer Anleihe von 200,000 zu 4 °/o, welche innerhalb 12 Jahren nach einem bestimmten Tilgungsplane zurückzuerstatten sind. Angesichts solcher Ausgaben ist es eine Ehren­pflicht eines jeden Deutschen, dem die Erhaltung wertvoller und lehrreicher Reliquien aus Deutschlands Vorzeit am Herzen liegt, und der bedenkt, wie viel namentlich der Aufschwung des Kunstgewerbes in un­seren Tagen der eifrigen Versenkung in die Werke unserer Väter und ihren großen und schönen Vorbildern zu verdanken hat, an seinein Teil nach Kräften beizutragen zur Unterstützung dieser wahrhaft volks­tümlichen, rein auf freiwillige Beiträge angewiesenen Anstalt durch Beteiligung an ihren Interessen, sei es mit einem, wenn auch noch so bescheidenen Jahres­beitrag, sei es, was namentlich in diesem Jahre höchst erwünscht wäre, mit einem einmaligen außerordent­lichen Beitrag. Auch die Mitglieder, welche schon bis­her durch treues Aushalten den Dank des National­museums verdient haben, werden freundlichst gebeten^ ihren diesjährigen Beitrag durch eine freiwillige Gabe von beliebigem Betrag zu erhöhen, damit es der Ver­waltung ermöglicht werde, ihrer hohen Aufgabe trotz der hohen Belastung des Jahresetats durch die erwähnte Anleihe in der bisherigen Weise ungestört nachzukommen. Solche außerordentliche Gaben bittet der Unterzeichnete ihm direkt, nicht durch den demnächst herumgehenden Sammler zukommen lassen zu wollen. Er hofft damit keine Fehlbitte zu thun. Empfangsbescheinigung er­folgt imAnzeiger des germanischen Nationalmuseums" welcher von nun an im Lesesaal des Georgenäums aufliegen wird. Auch die von der Direktion heraus­gegebenen Schriften der letzten Jahre können im Georgenäum eingesehen werden, wo sie in einem be­sonderen Schrank verschlossen sinv, zu dem man sich' den Schlüssel vom Hausverwalter geben lassen wolle.

Die Quittung für den Jahresbeitrag berechtigt zum unentgeltlichen Eintritt in die Sammlungen des germanischen Museums in Nürnberg. Aber auch wem es nicht vergönnt ist, diesen Gebrauch davon zu machen, der trägt doch in sich das erhebende Bewußt­sein, an einem vaterländischen Werke mitzuwirken. Mögen diese Worte allenthalben freudigen Widerhall finden in deutschfühlenden Herzen und recht viele zum Beitritt mit einem beliebigen Jahresbeitrag bewegen- Beitrittserklärungen und Beiträge nimmt jederzeit entgegen

der Pfleger

des germanischen Nationalmuseums für das Oberamt Calw Rektor vr. Weizsäcker.

Da bebt das Herz in stummer Andacht,

Als wär's ein Festtag, frisch und licht;

In reinster Liebe, die im Herzen,

Zieht es die Seele himmelwärts;

Der schönste Glauben ist auf Erden Der Glaube an das Mutterherz!

Die Vorlesende ließ das Buch in ihren Schoß sinken. Das Lob, gut vorzu­lesen, rechtfertigte sie heute durchaus nicht; ihre Stimme war bei jeder Strophe schwankender und unsicherer geworden und die letzten Worte entrangen sich ihr bei­nahe unverständlich.

Der Baronin war die Bewegung, welche in dem Mädchen vorging, nicht verborgen geblieben.

Mein liebes Kind, da» Lesen hat Sie furchtbar ergriffen!" sprach sie in liebe­vollem Ton.Wie sehr müssen Sie Ihre Mutter geliebt Haben, daß die Erinnerung Sie so mächtig überwältigt! Nein, nein, suchen Sie mir Ihre Gefühle nicht zu verbergen! Ich ehre die Thrinen kindlicher Trauer, die dem Andenken der ver­storbenen Eltern gellen. Doch gestehen Sie, liebstes Kind, es ist nicht allein der Verlust der Ellern, was Ihnen wehe thut; noch ein anderes Leid bewegt Ihre Seele. Kann ich Ihnen Ihre Mutter auch nicht ersetzen, so habe ich Sie doch, seit Sie bei mir find, lieb gewonnen, als wären Sie meine eigene Tochter. Ihr Schmerz macht auch mich betrübt; schenken Sie mir Vertrauen! Klagen Sie mir Ihr Leid, ich will Sie zu trösten suchen!"

Ein schmerzliches Zucken durchflog Helrne's Gestatt und kaum noch ihrer Sinne mächtig, sank sie zu den Füßen der Baronin nieder.

O, gnädige Frau, wie tief beschämt mich Ihre unendliche Güte, der ich un- wert bin, dir ich nicht verdient habe!" schluchzte sie auf.

Die Baronin zog sie mild zu sich emvor.

Fasten Sie sich, liebe» Kind," sprach sie,glauben Sie nicht, daß ich Ihnen Ihr Geheimnis abdrängen, Ihr Vertrauen erzwingen will. Einzig der Wunsch, Sie einmal Heller zu sehen, ließ mich die Worte aussprechen. Fällt e« Ihnen je­

doch schwer, sich mir anzuvertrauen, so schweigen Sie; aber wenn Sie einmal das Verlangen fühlen, sich auszusprechen, dann denken Sie an mich. Nicht jetzt, nicht mit Uebereilung, überlegen Sie vorerst!"

Sie küßte das junge Mädchen sanft auf die Stirn, nickte ihr noch einmal freundlich zu und verließ dann die Terrasse.

Helene schaute ihr mit trostlosem Ausdruck nach. Wie gern hätte sie sich ihrer gütigen Herrin anvertraut. Besaß sie doch keine Menschenseele, vor der sie ihr Herz ausschütten konnte. Aber die Furcht vor dem Urteil, welches die Baronin über ihre Handlungsweise fällen würde, hielt das ihr schon auf den Lippen schwebende Ge­ständnis zurück.

Von allen Seiten drängten, bösen Geistern gleich, die Gedanken auf sie ein und mit höhnischem Lachen zischten Sie ihr in das Ohr:

.Nichtswürdige. Du täuschest sie. täuschest Deine Umgebung in jeder Stunde l' Sie hält Dich für edel und gut, und doch müßte sie. wenn sie Deine Vergangenhell kennte, Dich verachten. Hast Du, Verblendete, jemals den beseligenden Glaube» an das Mutterherz gefühlt, jemals volles, kindliches Vertrauen zu Deiner Mutter em­pfunden? Nein, niemals! Verschlossen hast Du Dein Herz, wenn Dich der Schmerz, niederdrückte, und jetzt vollzieht sich Dein Verhängnis. Nicht für immer kannst Du verbergen, was Du zu verbergen hast. Jetzt ist eS noch Mitleid, was Deine Be­schützerin für Dich fühlt, bald wird e» Mißtrauen sein und dann wird sie Dich von sich stoßen. Und das wird ein Teil Deiner Strafe sein dafür, daß Deiner Mutter Herz so oft geblutet um Deinetwillen und noch blutet an der unheilbaren Wunde, welche Du ihr geschlagen hast. Gehe in Dich, so lange es noch Zeit ist! Kehre um, kehre um!"

Ein qualvolles Aechzen entrang sich ihrer gepreßten Brust; verzweifelnd streckte sie die Arme aus.

O, Mutter, meine Mutter, fluche mir nicht, habe Erbarmen nut Deinem, unglücklichen Kinde!" stöhnte sie.

(Fortsetzung folgt.)