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Fernsprecher Nr. 29.
V SIS
87. Jahrgang.
Montag, den 34. Kooemöer
Fernsprecher Nr. 29.
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Beilagen:
' Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1813
Amtliches.
K. Hberarnt Wagotö.
Bekanntmachung betr. die Wauderarbcitsftätte in der Stadt Nagold.
Die Erfahrungen mit der Einführung der Wanderarbeitsstätten tu Wii Itemberg sind nachhaltig gute.
Die Stromerplage, die früher die Bevölkerung insbesondere auch der Gemeinden im flachen Lande stark belästigte, ist fast grnz verschwunden. Die eingetretene Abnahme des Bettels wird deshalb auch allenthalben als eine große Wohltat empfunden. Auch bei den Wanderern haben die Einrichtungen Anklang gefunden, soweit sic geordnete Wanderer sind. Dagegen sind die Wündcrarbeitsslätlln im höchst n Grade unbeliebt geworden bei den gewohnheitsmöß gen Stromern; diese gehen einer Einrichtung, in der man von ihnen Arbeit verlangt, aus dem Wege uuÄ meiden das Wandecw beitsstäüengebiet.
Vom 1. Okt. ISIS bis S». März ISIS wurden in der Wanderarbeitsstätte Nagold 2SI6 Gäste ausaenommen. wodurch ein Verpflegungsaufwand von S2SV ^ 7S emstanden ist. Beim Oberamt sind im Zeitraum 1SV8/VS ISS Anzeigen wegen Bettels und Landstreicherei eingekommen, im Zeitraum 1SSS/IS aber nur 2S, ISIV/II nur IS, ISIl/12 auch nur IS und ISI2/1S nur »2.
Es ist angesichts der Finanzlage der Amtskörperschasl Nagold nun nicht möglich, diesen Berpflegungsauswand auf die Amtskörperschaft zu übernehmen.
Es hat daher der Bezirksrat beschlossen, auch Heuer wieder eine Sammlung für die Wanderarbeitsstätte zu veranstalte».
Die Sammlung wird nunmehr in jeder Gemeinde des Oberamtsbezirks vorgenomme» werden.
Dm Bezirksangehövigen werden ersucht, den Sammlern namhafte Beiträge für die gute Sache zu übergeben, da sie durch die Entgegennahme der eine Warnung vor dem Bellll und einen Hinweis aus die Wanderarbeitsstätten enthaltenden Blechtafeln, die an den Wohnungsein- gängen der beitragenden Bezirksangehörigen angebracht werden, der schädlichen, planlosen Almoscngewährung an einzelne Wanderer enthoben sind und statt dessen ihren Wohliätigkeitssinn durch Unterstützung der Veranstaltungen für eine geregelte Wandererfürsorge beiäligrn können. Dadurch ist "der angestrebte Erfolg der Säuberung des Landes von Bettlern und Landstreichern wesentlich mitbedingt.
Den 20. Nov. 1913.
Der Bezirksrat des Oberamtsbezirks Nagold
Vorsitzender: Ob.ramimann Kommerell.
Die Herren Ortsvorsteher
wollen unter Bezugnahme auf vorstehende Bekanntmachung die Ausführung der Sammlung für die Wanderarbeitsstätte veranlassen und die gesammelten Beiträge an die Oderamts
pflege, bei der auch die bekannten Tafeln erhältlich sind, avltesern.
Nagold, den 20. Nov. 1913.
K. Oberamt: Kommerell.
Das Spargut der Masse.
Ir. p. In der „Hilfe" behandelt Naumann das Sparen der Masse nach verschiedenen Gesichtspunkten und kommt zu dem Schluß, daß die Ersparnisse haup sächlich bei den Reichsversicherungen, Gewerkschafteoerstcherungen, Lebensversicherungen und vor allem bet den eigentlichen Sparkassen liegen. Bei den Reichsverstcherungen 2663 Millionen Mark, bei den Gewerkschaften 99 Millionen Mark. Bei diesen Geldern ist es ohne weiteres klar, daß sie den Arbeitern gehören. Nicht ganz so einfach liegt die Sache bet den Lebensversicherungen und Sparkassen. Im ganzen liegen in den deutschen Lebensversicherungen etwa 4 Milliarden Mark. Wieviel davon Voiksversichermig ist, können wir nicht angeben. Die Iahreseinzohlung für Bolksoersicherungen allein wird mit über 100 Millionen Mark angegeben. Auch bei den Sparkassen läßt sich eine Abtrennung der Ersparnisse der Arbeiter von denen der übrigen Volksreile nicht vollziehen; doch ergibt sich ans den sehr großen Ziffern der Sparkassenbücher ganz von selbst, daß die breite Menge die Trägerin dieser Kassen ist. Der Aufstieg der Sparkassen ist höchst ausfällig Das Gesamtguthaben der Einlagen hat sich in 10 Jahren verdoppelt. Es betrug: 1900 8 840 MM. 1903 11090 MM. 1907 13 920 MM. 1911 17 820 MM. Die Zahl der Sparkassenbücher stieg von 14,9 Millionen auf 20,6 Millionen. Es komm» also fast aus jeden dritten Menschen ein Sparkassenbuch. Der Zinsengenuß betrug trotz bekanntlich niedrig gehaltener Zinssätze im Jahre 1911 etwa 840 Milliomn Mark. Dabei machten die Sparkassen selber keine schlechten Geschäfte, denn sie erhielten sich selbst und gaben etwa 43 Millionen für andere (meist städtische) Zwecke ab.
Das alles will heißen, daß im ganzen Volke trotz aller Verteuerungen und Preissteigerungen weitergespart wird. Jeder Sparer hat etwa 870 Mark auf der Sparkasse. Das ist keine gewaltige Summe, aber es ist doch etwas Eigenes, das nicht wartet, dis ein Kassenoorstand seine Bewilligung gibt oder bis der Tod kommt. Damit kann der einzelne machen was er will. Es wird gespart, damit der einzelne im kleinsten Umfange ein freier Mensch blebt. Selbsterhaliung I
Wir beschränken uns hier aus diese Wirklichkeitsangaben und -Ausführungen des Naumannschen Artikels, ohne auf die sozialpolitische Seile der weiteren Darlegung einzugehen. Immerhin möchten wir seine darin aufgeworfene Frage, wie das Volk sein wird, das nach uns kommt, ob es noch mehr rechnen und sparen werde, in bejahendem Sinne beantwortet wünschen.
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Amt
Nagold, 24 November 1913.
* Goldene Hochzeit. Heute begehen in geistiger und Körper! cher Frische die Psohmannschen Eheleute das Fest der goldenen Hochzeit. Der Bräutigam ist am 17. Okt. 1827 in Dietlingen Amt Blaubruren geboren, ist somit 86 Jahre alt; in den Reihen des 3. Reiterregiments hat er an dem bad. Freiheitskrieg teilgenommen, auch wurde er in Anerkennung seiner mil tärischen Dienste zum Unteroffizier befördert. Die Braut ist am 22. Okt. 1839 in Wiesenstetten Amt Horb geboren, ist somit 74 Jahre alt. Don seiner Maj. d. König wurden dieselben durch ein Geldgeschenk erfreut, auch vom Bischof von Rottenburg sind Glückwünsche etngetroffen, welche Herr Stadtpsarrer Stemm- ler überbrachte. Goit gebe den Eheleuten noch einen gesegneten Lebensabend.
* Versammlung. Der Bezirksvolksverein hatte aus gestern nachmittag 4 Uhr im Anschluß an seine General« Versammlung Zu einem Bericht des Herrn Reichstageadge- ordneten Schweickhardt über seine Tätigkeit tm Reichstag jedermann eingeladen. Herr Schweickhardt berichtete vor dichtbefttztem Saale, indem er zunächst die Stadt Nagold beglückwünschte zu der von ihr getroffenen Wahl eines Stadtvorstands in der Person des Herrn Stadtschulihetßen Maier und gab dann einen Rückblick auf die zustandegekommenen und einen Ausblick auf die noch zur Beratung kommenden Gesetze. Er verbreitete sich auf das Petroleummonopol' mit dem Hinweis, daß er kein Freund von Staatsmonopolen auf wirtschaftlichem Gebiete sei. Dies mit der Begründung, daß ein Monopol die anderen bringe. Er sei in der Kommission dafür eingetreten, daß solche wirtschaftlichen Objekte der Geschäftswelt überlaffen bleiben sollten, weil dieser beim Staatemono- pol der Verdienst verringert, dem Konsumenten die Preise verteuert würden. Uebergehend zum Heeresvorlagengesetz schilderte der Redner die politische Lage, welche die Forderung einer Heeresverstärkung notwendig machte. Eine Ablehnung sei der großen Verantwortung wegen nicht angängig gewes n. Nur nach reiflicher Ueberftgung und teil- weisen Versuchen einer Verringerung der Regierungsvorlage habe seine Fraktion für die Annahme gestimmt. Dafür habe sie von der Regierung einige Zugeständnisse erhalten, als Verlegung der Üebungen für Reserve und Landwehr in die Wintermonate, Unterstützung bedürftiger Familien, welche zwei Soldaten im Heer Huben, freie Eisenbah- fahrt für Urlauber und für Angehörigenbesuchc, Erhöhung der Beteranenunterfl.ützung von 120 auf 150 und Aende- rungen des Militärstrafgesetzbuchs, besonders mit Bezugnahme auf das bekannte Erfurter Urllil. Redner spricht den Wunsch aus, daß angesichts der großen Opfer die das deutsche Volk für die Heeresverstärkung bringe, der
Liebe im Urwald.
* Bon Alfred Mayer-Eckhardt.
(Fortsetzung) ' (Nachdr. verb.)
Da es nun absolut keine Zerstreuungen hier gab, Zeitungen nicht erschienen, ich das Lager doch auch nicht alle Tags umräumcn,k nute, der Gemüsegarten schon sowieso im besten Stande war, und ich vernünftigerweise nichts so sehr fürchtete, als den Dämon, dem die nie sten Europäer dort unterliegen, dem Alkohol in die Krallen zu stürzen, blieb mir nur eins, das mich aufrecht hielt: die Jagd. Die Halle zudem den Vorteil, e nen so prachtvoll müde zu machen, daß man samos schii f und gar keine Zeit halte, über seine Verlassenheit nachzudenken. So gewöhnte ich mich denn sch ießlich in kürzerer Zeit an das L«b n auf der Faktorei, als ich gedacht hä te, und wenn j.den dritten Monat der Inspektor aus Brazzaville heraufkam zum Abrechnen und um die Vorräte zu erneuern, fand er mich bei guter Laune und die Hauptsache — gesund und wohl.
Nun hatte mein lieber Freund Monjcwamba mir eines Tages sagen lassen, seine Leute hüt en zwei Meilen oberhalb frische Flußpfeidspu en gesunden, ob ich nicht Lust hätte, den „schwarz-n Teufel" zu erlegen. Natü lich ließ ich es mir nicht zweimal saeen; war mir Großwild bisher doch noch nicht zu Gesicht gekommen. Ich setzte also meine Wmchesterbüchse sorgfältig instand, lud d-m einen meiner Boy; für zwei Tage Proviant und, der Sicherheit halber, noch meinen Drilling auf. und ließ mich noch vor Sonnenaufgang den Udangt hinaufrudern.
No, um's kurz zu machen: von Flußpferden keine Spur! D. h , eine Spur schon, wo eins gewechselt hatte;
aber die war schon mindestens 14 Tage alt. Und die Suche nach der berühmten frischen Spur Halls kein anderes Ergebnis, als daß ich und der Boy uns gründlich tm Urwald verliefen.
Mit vieler Mühe hatte der Boy mit dem Buschmesser einen Pfad durch das Lianen- und Dornengestrüpp zu ei- er Lichtung gebahnt, als ich wütendes Hundeg, bell vernahm und danach — ja — das war ein weiblicher Schrei — da gabs keinen Zweifel!
Ich sprang hinaus in die Waldlichtung und sah zuerst zu meinem nicht geringen Erstaunen ein weißes Kl.id; das weiße Kleid deutete mit dem Arm nach vorwärts, aus eine riesige dänische Dogge, die, olle Haare gesträubt, ein am Bodtir liegendes Etwas anbillte; und dies Etwas stellte sich bei näherer Betrachtung als eine kräftig entwickelte Puffotter heraus, die geblähten Halses bedrohlich züngelte und gerade im Begriff war, loszuspringen. Ich riß dem Boy den Drilling aus der Hand und machte mit einem Schrotschuß der bedenklichen Lage ein Ende.
Jetzt sah ich, daß in dem weißen Kleid ein bildhübsches Mädel steckte, eine Europäerin! So was Nettes hatte ich nun schon ^ Jahre nicht mehr gesehen! Die junge Dame wußte sich kaum genug zu tun in Dankesversicherungen und nötigte mich zur nahen Faktorei ihres Vaters, Mr. Willuns. Daß ich herzlich aus enommen wurde, verstand sich unter den obw, lienden Umständen von selbst, und noch langer Zeit verbrachte ich zum erstenmal wieder einen gemütlichen Abend b.i gebildeten Menschen.
Was soll ich sagen, alle 14 Tage machte ich mich Samstags auf zum Besuch bei der englischen Konkurrenz; und daß zwischen mir und Miß Edith bald ein stillschwei
gendes Einvernehmen herrschte, wird euch wohl glaubl-ch erscheinen. Der clte Mr. Wilk ns sch'err die Sache zudem gar nicht ungein zu sehen. Gesprochen hatte ich aber roch nicht mit ihm darüber, ich wollte warten, bis ich nach Jahr und Tag Inspektor geworden wäre und etwas zu die eu hätte.
Eines Tages nun, als ich wieder hinkam, wurde mir ein dunkelhäutiger, schwarzhaariger Herr vorgestellt. — Senhor Mendoza — der „Nachbar" von d r andern Seite.
Sympathisch war mir der Gentleman nicht. An und für sich nicht, und noch weniger in seiner Art, irr d>r er um Miß Edith herumscharwenzelte. Obgleich ich mir sagte, daß Eifersucht einfach lächerlich wäre, der dunkle Halbnigger und die blonde Engländerin! Aber, wie gesagt, er gefiel mir n cht, und er maß mich auch nicht mit gerade freund- lichen Bücken.
So oft ich seitdem zu Wilkins kam. der verdammte Portugiese mußte auch da sein! Edith behandelte ihn zwar ziemlich herablassend, der alte Wilkins mit g,imssener Höflichkeit, belf cber alles nichts. Der Kerl war zudringlich, wie 'ne Wanze.
„Uosympathischer Kamerad!" brummte eines Abends der alte Herr, als Mendoza sich, anscheinend verstimmt durch Edith» schnödes Verhalten, empfahl. „Dabei habe ich einen Verdacht aus den Mensch n, wissen Sie, Mr. Lührsen, was „Iu-Iu" ist?"
„Nein, Mr. W lkins."
„W- rden's noch erfohren, wrnn Sie länger hier gelebt haben. Will nichts gesagt haben, was ich nicht beweis n kann."
(Schluß folgt.)