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87. Jahrgang.
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1913
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König Ludwig III. von Bayern.
München, 6. Nov.
Am gestrigen Tage ist die Proklamation aus- gcgeben worden, mit der Prinzregent Ludwig die Ueber- nahme der Regierung und Besteigung des Thrones des Königreichs Bayern als König Ludwig III. mizeigt.
Die Proklamation
hat folgenden Wortlaut:
Ludwig III., von Gottes Gnaden König von Bayern, Psalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Franken und in Schwaben usw.
Bayerns Herrscherhaus und Volk empfindet seit mehr als 27 Jahren mit tiefer Betrübnis, daß Seine Majestät König Otto durch schwere Krankheit an der Regierung gehindert sind. Die Art des Leidens, von dem Unser vielgeliebter Herr Vetter seit vielen Jahrzehnten befallen ist, schließt jede Möglichkeit einer Besserung aus.
Die ernste Sorge um das Wohl des Landes hat Uns zu dem schweren Entschlüsse bestimmt, auf Grund der Verfassung die Regentschaft für beendigt und den Thron als erledigt zu erklären. Hiermit ist die Thronfolge eröffnet uns die Krone des Königreichs Bayern Uns als dem Nächstberufenen nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatisch-linealischerr Erbfolge angesallen.
Wir werden daher als König die Regierung des Landes antreten und von den Uns nach Gottes Gnade zu- kommsnden Königlichen Rechten vollen Besitz ergreifen. Den in der Berfassungsurkunde bestimmten Eid werden Wir in Gegenwart der Staatsminister, der Mitglieder des Staalsrates und der Abordnungen der beiden Kammern des Landtages alsbald leisten.
Don dem verfassungsmäßigen Rechte, die während der Reich-verwesung vollzogenen Besetzungen erledigter Aemtcr zu widerrufen, machen Wir keinen Gebrauch, vielmehr verleihen Wir allen Ernennungen von Beamten während der Regentschaft hiermit unsere Königliche Bestätigung. Wir verordnen, daß sämtliche Stellen und Behörden im Königreiche die amtlichen Bescheide von nun an in Unserem Königlichen Nomen ausferiigcn und halten Uns gerne versichert, daß unsere Beamten getreulich wie bisher ihre Aufgaben wahrnehmen werden.
Unserem Heere entbieten Wir unseren Königlichen Gruß in der festen Überzeugung, daß es in unerschütterliche Treue und erprobter Tapferkeit allzeit zu seinem obersten Kriegsherrn stehen wrd.
Zu allen Angehörigen Unserer Erblande vertrauen wir, daß sie Uns in unwandelbarer Treue anhängen und ihre Pflichten gegen Uns als ihrem rechtmäßigen angestammten Landesherrn und von Gott gesetzten König erfüllen, wogegen Wir sie Unserer huidoollen Gesinnung versichern. Das bayerische Volk hat von jeher seinem Königshaus, das mit ihm durch ein geheiligtes Treueverhältnis verbunden ist, hingehende Anhänglichkeit bewiesen. Wir erblicken darin eine sichere Gewähr, daß die Liebe des Volkes, die Wir als ein kostbares Kleinod von unseren Vorfahren übernommen haben, auch fernerhin Unser Wirken geleircn werde, das auf das Wohl des geliebten Vaterlandes, aus sein Blühen und Gebe Herr gerichtet ist.
2n gläubigem Ausblick zu Gott, dessen gnädige Hand Bayern bisher geführt hat, erflehen Wir des' Allmächtigen Segen und Beistand.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt München am 5. Non. 1913.
Die Proklamation irägt die Unterschrift des Königs und sämtlicher Staalsminister.
Die amtliche Bekanntgabe der Proklamation erfolgte durch Anschlag.
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r Berlin, Z. Noo. D e „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt unter der Uedersch'ift „König Lvdrvia HI. von Bayern" u. a.: Das seinem Herrscherhaus in Treue ergebene bayerische Volk wird König Ludwig III. dankbar zujubeln, dessen Persönlichkeit seit vielen Jahren tiefe Volks- tümlichkekt genießt. Ganz Deutschland nimmt an den jüngsten Ereignissen in Bayern herzlichen Anteil, umschlingt doch alle deutschen Stämme unbeschadet ihrer Besonderheiten das Gemeingesühl enger Zusammengehörigkeit, durch dos für Freude und Leid, die einzelnen Teilen widerfahren, im
Volksganzen lebhaften Widerhall geweckt wird. Bei der Thronbesteigung König Ludwigs III. steht unser Volk abermals vor Augen, wie lebhaftes und verständnisvolles Interesse für die Nation ihm am HLrzen liegt, was er von jeher durch Wort und Tat bewiesen hat. Kunst und Wissenschaft, nicht minder aber wirffchnstliche Bestrebungen, die für Bayern und für das Reich vo -. Bedeutung sind, finden in ihm jederzeit einen warmherzigen Förderer. Aus den zahl eichen Kundgebungen des Regenten spricht ein fester deutscher Sinn und ein echt monarchisches Pflichtgefühl, ein unverbrüchliches Festhalten am Reichsgedanken ur.d die Entschlossenheit, an der Entfaltung der nationalen Kräfte in bewährter Treue mitzuwtrken. Das erprobte s eundschaft- liche Verhältnis zwischen Hohrnzollern und Wittelsbachern befindet sich bei König Ludwig III. in sicherer Hut. Schon als Prinzregent hat Se. Majestät inmitten der Dundessürsten eine hochangesehene Stellung eingenommen, in der das Gewicht seiner charaktervollen Persönlichkeit zum Ausdruck gelangte. Zu gleicher Zeit wuchs in weiten Kreisen des deutschen Bockes das Gefühl der Verehrung für diesen Iü sten in dem Maße, in dem ihn seine Eigenart mehr und mehr vertraut machte. Wir sind überzeuat, in ihrem Sinne zu sprechen, indem wir das bayerische Volk zu der Uebemohme der Regierung durch König Ludwig III. von Herzen beglückwünschen.
Beim kranken König Otto.
München, 5. Noo. Die Landtagsabgeordneten Dr. Casselmann und Giehrl haben sich, wie bereits gemeldet, gestern in das Schloß Fürstenried begehen, um sich im Austrage der Abgeordnetenkammer von dem Gesundheitszustand des Königs Otto zu überzeugen. Der Besuch, der etwa 40 Minuten dauerte, wird im „Bay,i chen Kurier" wie folgt geschildert: Die beiden Abgeordneten werden vom Hosmarschall Baron Stengel vor den König geführt. Ein prächtiger Empfangssaal, aber die Wände und Türen gepolstert wie alle Räume, die dem unglücklichen Kranken zum Aufenthalt dienen. An der dunkelsten Sielle des Saales zwischen zwei Fenstern, wohin das Licht nur spärlich dringt, steht an der gepolsterten Mauer ein kräftiger großer Mann, der ohne Unterbrechung drei, vier kleine Schritte hastig vorwärts und dann wieder zurück trippelt, unaufhörlich, ohne Aussetzen an derselben Stelle. Die Hände gestikulieren ständig, sie beschreiben Kreise. Die Finger sind fortwährend in Bewegung. Jetzt sährt sich der Kranke an den Kopf, jetzt streckt er die Hand in die Höhe, dabei spricht er fortwährend abgerissene unverständliche Laute, auch Schimpfworte mischen sich darein. Offenbar hört er ständig Geräusch. er kämpft mit Wahnvorstellungen, ein Bild, erschütternd bis ins Mark. „Majestät, hier sind die Herren Landtageabgeordneten Giehrl und Dr. Caffelmann, welche ihre Aufwartung machen zu dürfen bitten", so stellt der Hosmarschall die beiden Gäste vor. Sie werden keines Blickes gewürdigt. Der Kranke reagiert mit keinem Wort und keiner Bewegung auf die Anrede, sondern fährt fort mit seinem ruhelosen Vorwärts und Rückwärts, das ganz automatisch geschieht und von den Gehbewegungen eines Gesunden sich völlig unterscheidet. Noch zweimal versucht der Begleiter dem bedauernswerten Manne begreiflich zu machen, daß Besuch anwesend sei, vergeblich Nur abgebrochene, heftige schweioeiständlich hervorqestoßene Laute sind die Antwort, „Lu!" und „Bra!". Lu, das ist sein unglücklicher Bruder, König Ludwig, Bra, der seit langem verstorbene Generoladjuiant r>. Pianckh, die beide öfter in seiner Wahnwelt austauchen, anscheinend neben Baron Stengel als einzige Personen, die noch eine Rolle im „Bewußtsein", wenn man das so nennen könnte, spielen. Seit zehn Jahren hat man an dem Kranken nichts mehr beobachten können, was auch nur im entferntesten an einen so- genannten lichten Augenblick gemahnen könnte.
Lange Zeit weilen die Besucher im Empfangssaal, ohne daß das Bild sich ändert. Srunden und halbe Tage lang kann der Kranke nach der Aussage seiner Umgebung an der gleichen Stelle seine engbegrenzien Bewegungen ausführen, ohne sich stören zu lassen, dabei den Blick ständig auf die gepolsterte Mauer richtend. Der König ist lehr gealtert, etwas gebeugt, grau ist der Knebelbart und das noch ziemlich reichliche Haar, eingefallen die Gesichtszüge. erloschen und verschleiert das Auge, das durch seinen Blick schon die geistige Erkrankung verrät. Der König nimmt nur unregelmäßig Nahrung zu sich. Es ist mehr ein Verschlingen als ein Essen. In einem Nebenzimmer steht ein Tisch gedeckt, das Tischtuch mit eisernen Klammem am Tisch befestigt. Trotzdem gelingt es manchmal dem kräftigen Manne es loszureitzen mit allem was darauf steht, um es in eine Ecke zu schleudern. Auch während der Anwesenheit der beiden Abgeordneten schlüpfte der Kranke, als er sich
unbeachtet glaubte, rasch in das Eßzimmer um Tee zu trinken. Plötzlich bemerkt der begleitende Arzt: „Majestät werden unruhig" und ersucht dis Besucher, sich zu entfernen. Bevor sich die beiden umwsnden, schleudert der Kranke das Tablett mit dem daraufstshenden massiven Geschirr, Porzellan usw. begreiflicherweise ausgeschlossen, wuchtig in eine Ecke und unterhält sich dann damit, die rinzelnen Stticke wieder auszulesen unv wieder Hinzuschleudern.
Sind es die unsichtbaren Feinde seiner Phantasiewelt, gegen die er sich wehren will? Nun besichtigen die beiden Besucher noch die übrigen Räumlichkeiten, das Bad. in dem den Kranken oft fünf Diener halten müssen, die Schlaf- räume usw. und überall erhalten sie den Eindruck, daß auf das gewissenhafteste für das Wohl des Bedauernswerten gesorgt ist, wie denn überhaupt sein Krästezuslond nur zu erklären ist durch die ausnehmend sorgfältige Pflege, die ihm zu Teil wird.
Das Gutachten über den Zustand König Ottos.
München, 5. Noo. Das ärztliche Gutachten über'den Geisteszustand des Königs Otio, das den beiden Kammern des Landtags in geheimer Sitzung vorgelegt worden ist, besteht aus zwei von psychiatrischen Autoriiälen erstatteten Berichten von Ende Oktober und 1. November ds. Jahres. Die Irrenärzte kommen auf Grund eingehend geschilderter Beobachtungen zu der Feststellung, daß König Otto an einem geifttgen Echwächezustand mit lebhaften Ei neetäuschungen leide, der offenbar das Endstadium der unheilbaren Geisteskrankheit darstelle, die schon vor 42 Jahren zum Ausdruck gekommen sei und seitdem eine zunehmende Be-schlimmerung erfahren habe. Das Gebiet, in dem sich die Vorstellungen des Königs bewegen, ist allmählich immer enger geworden. Der Kranke spricht nur selten noch zusammenhängende Worte. Lanxarchaltcnde stumpfe Ruhe wechselt mit kurzen zornigen Gcmütsaffckten. Die Nahrungsaufnahme geschieht unregelmäßig ohne Benützung von Tellern und Besteck. Der Sinn für Reinlichkeit ist gänzlich geschwunden und die Vornahme der notwendigen Waschungen ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. Trotz alledem ist das körperliche Allgemeinbefinden des Kranken wenig gestört und seine Widerstandsfähigkeit derart, daß noch mit einer längeren Lebensdauer gerechnet werden muß.
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r München, 6. Nov. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten gaben die einzelnen Fcaktwns- führer und zwar: Lerno im Namen des Zentrums, Dr. Caffelmann namens der Liberalen, Beckh namens der Konservativen und Lutz namens des Bauernbundes Erklärungen dahin ab, daß nach den dem Landtag oorgelegten 3 Gutachten und den Mittelungen der beiden Referenten Dr. Casselmann und Giehrl über ihren Besuch beim König Otto sich ergab, daß die Krankheit des Königs unheilbar sei und, daß sie daher dem Antrag der Staats:egierung, „der Landtag wolle anerkennen, daß am 4. November die oersassungs- mäßigen Voraussetzungen für die Beendigung der Regentschaft bestanden Kaden", zustimrmn. Abg. Segitz (S.) erklärte im Namen der Sozialdenwk aten, daß seine Partei an der Abstimmung über diesen Antrag nicht tetlnehmen werde, da sie die Aktion als verfassungswidrig erkenne, weil der Landtag vor eine vollendete Tatsache gestellt sei. Nachdem Ministerpräsident Dr. Frh. v. Hertling kurz und energisch den Behauptungen des Abg. Segitz, daß die Staatsregierung verfassungswidrig vorgegangen sei, Widerspruch erttgegengestellt hat. wird der Antrag der Slaats- regierung mit großer Mehrheit angenommen und die Sitzung auf Dienstag nachmittag 4 Uhr vertagt.
r München, 6. Noo. Wie Präsident v. Orterer in der heutigen Adendsttzung der Kammer mitieilte, findet die Eidesleistung des Königs am kommenden Sonnabend vormittags um 10 Uhr im Thronsaal der Residenz statt. Die Mitglieder der Kammer sind vom Ministerium des Innern dazu einqeladen.
p Stuttgart, 6. Nov. König Ludwig III. von Bayern hat gestern vormittag telegraphisch zur Kenntnis des Königs gebracht, daß er gemäß den Bestimmungen der Verfassung die Regentschaft in Bayern für beendigt erkläre und als nächster Agnat des bayerischen Königshauses den Th'on bestiegen habe. Der König hat, wie der Siaats- anzeiger mitteilt, darauf den König Ludwiq III. als Herrscher des benachbarten und befreundeten Königreichs telegraphisch begrüßt und ihn zur Thronbesteigung herzlich beglückwünscht.
Aschaffenburg, 5 Noo. König Ludwig III. wird, wie von zuverlässiger Seite gemeldet wird, bereits am 18. November unserer Stadt seinen offiziellen Besuch abstotten. Er wird vorm itags 10 Uhr hier etntreffen und bis nachmittags 4 Uhr verweilen.