168

spektor Wundt-Lisco (Alt) aus Schorndorf sang 3 einzelne Stimmen, welche in den Arien selbständig hcraustreten, darunter das die innigste Teilnahme an den Leiden des Gottessohnes ausdrückende Lied Ach Golgatha, unsel'ges Golgatha!" Die Vio­linenbegleitung lag in den Händen von Hrn. Musikdirektor Speidel und dessen Schülern und die Orgelbegleitung in den Händen des Hrn. Orga­nisten Vintzvn. Sämtliche Solisten und sonstige Mitwirkende, sowie auch der Gesamtchor, lösten ihre zum Teil recht schweren und hohe Anforderungen stell­enden Aufgaben zur größten Zufriedenheit und nnt treuester Hingebung an die ernste und heilige Sache. Es sei ihnen daher auch hier für ihre gütige Unter­stützung und für ihre guten Leistungen der beste Dank gezollt. Der verdiente umsichtige Leiter des Chors aber, Hr. Fr. Gundert, hat sich mit dieser gelun­genen Aufführung, die man sonst nur in großen Städten, wo viele geeignete Kräfte zur Verfügung stehen, zu hören gewohnt ist, aufs neue die wärmste Anerkennung aller Freunde kirchlicher Musik erworben.

Stuttgart, 1. April. In der Sitzung des Gemeinderats und Büraerausschusses, welche heute nachmittag unter dem Vorsitz des Gemeinderats Dr. v. Göz an Stelle des erkrankten Oberbürgermeisters stattfand, wurde dem Vernehmen nach Fürst Bis­marck nach Beschluß des Kollegiums zum Ehren­bürger der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart ernannt. Nach Schluß der Sitzung ging an den Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh ein Telegramm ab, in welchem dem Fürsten die Ernennung zum Ehrenbürger mitgeteilt wird.

Stuttgart. Glück muß der Mensch haben. Ein hiesiger junger Kaufmann, welcher über eine schöne Tenorstimme verfügt, ließ sich *nicht nur im Gesangverein, sondern auch in Concerten mit Erfolg hören. Der Concertsänger und Kaufmann machte auf eine hier lebende junge Amerikanerin Ein­druck, welche sich zuerst in die schöne Tensrstimme, dann aber in den in der That femgebildeten Mann verliebte. Mit echt amerikanischer Ungezwungenheit suchte sie die Bekanntschaft des jungen Mannes zu machen und verlobte sich mit ihm. Demnächst soll die Hochzeit sein. Das Beste an der Sache ist, daß die Amerikanerin ihrem künftigen Gatten ein Ver­mögen von, wie man hört, 3'/- Millionen Mark zu­bringt. Echtes Tenoristenglück! W. Ldztg.

Ludwigs bürg, 1. April. Am Sonntag abend wollte der ins Schießthal bei Poppenweiler kommandierte Soldat Maier der 2. Komp. 3. Jnf.- Reg. einige junge Leute über den Neckar rudern. Als sie das Ufer nahezu erreicht hatten, legte sich der Nachen auf die Seite und die Jnsaßen fielen- ins Wasser. Während nun die andern sich retten konnten, fand der Soldat in den Wellen den Tod. Sein Leichnam soll bis jetzt noch nicht gefunden sein.

Niederstetten, 30. März. In der zur hies. Stadt gehörigen Teilgemeinde Sichertshausen ereignete sich heute ein schrecklicher Unglücksfall. Der Knecht des Bauern K. daselbst fühlte sich un­wohl und konsultierte den hies. Krankenkassenarzt. Dieser verschrieb ihm Tropfen mit der Weisung, alle

2 Stunden 10 Tropfen davon zu nehmen. Sei es nun, daß der Mann die Sache besonders gut machen wollte, oder geschah es im Uebermut und Leichtsinn, kurz der Mann trank die gesamte Mixtur auf einmal aus und ließ sich darauf noch 2 Glas Bier schmecken. Kaum hatte er aber das Bier ausgetrunken da fiel er vom Stuhl und war eine Leiche.

Heilbronn, 1. April. Bei einer Produktion des Wasservelozipedisten Rüb passierte letzten Sams­tag ein Malheur, das zum Glück noch gut ablies. Auf die Maschine, die schon von 2 Herren besetzt war, stellte sich noch ein dritter mit seinem Knaben. Dadurch wurde das Velocipcd zu sehr belastet, stürzte um und alle vier Personen fielen ins Wasser. Einer von den Herren konnte sich durch Schwimmen retten, die drei anderen hielten sich an der schwimmenden Maschine fest, bis sie herausgezogen werden konnten, und so kamen alle mit dem Schrecken davon.

Heidenheim, 31.März. Auf unserer Pump­station sind jetzt schon Reben mit Blättern und 5 Centimeler langen Trieben, daran Blütentrauben zu beobachten sind, zu bewundern. Die Kammerz gehört Fr. Nusser und ist am Kesselhaus aufgezogen. Die Sorte ist weißer Clevner. Gepflanzt wurde die Kammer; vor drei Jahren. Voriges Jahr hatte sie im August 33 Stück reife Trauben. Sie war den Winter über in Stroh eingebunden und hatte beim Aufbinden am 20. März schon Blätter. Gestern kamen die Schwalben.

DieGetreuen von Jever" haben dem Fürsten Bismarck pünktlich die 101 Kibizeier einge- sandt, diesmal mit dem Spruch:

Magst Du Kanzler van uns gaan.

In unse Harten, bliffst Du staan Ns Dütschlands Stolt, an Ehren riek,

Een lüchtend Vörbild alle Tied!

Glückliche Kur beim Pips

Don Z. Laokles in derTierbörse."

Anerkannte Naturforscher verwerfen das Ab­ziehen desPieps" bei Hühnern. Dr. Nuß sagt darüber:Gewarnt sei dringend vor der unverstän­digen Behandlung eines anderen Leidens, welches Pips" genannt wird. Vielfach ist natürlich der un­selige Aberglaube verbreitet, daß derselbe durch Aschneiden oder wohl gar durch Abreißen der trocke­nen lind hart gewordenen Zungenspitze geheilt werden könne. Dieser sog. Pips ist aber keine Krankheitsur­sache, sondern nur -Erscheinung, indem bei dem lei­denden Huhn infolge innerlicher Hitze die Zunge wie vertrocknet aussieht. Jene unnötige Tierquälerei kann also gar nichts nützen, sondern das Huhn wird da­durch nur verstümmelt." Ich war im höchsten Grade erstaunt und überrascht, als ich diese Ansicht über den Pips vor einigen Jahren zuni erstenmal vernahm, da ich meiner Meinung nach seit 20 Jahren unend­lich viele Hühner (auch Puter) durch Abziehen, freilich nicht durch Abschneiden oder gar Abreißen des Pips geheilt und manche vom gewissen Tode errettet habe. Noch im Frühjahr kam ein Nachbar mit seinem todt- kranken Hahn, der den Schnabel schon weit aufsperrte und gar nicht mehr schlucken konnte, zu mir. Nach­

dem ich demselben sorgfältig die Pipshaut mittels Stecknadel unter der Zunge abgemacht, war er am nächsten Tage so gesund, wie je zuvor. Gewöhnlich bekommen alle meine Hühner im Herbst den Pips, wenn es naßkaltes Wetter ist, und ich ziehe dann gleich dem ganzen Volk den Pips ab. Hat ein Huhn Pips, so haben ihn die meisten, da die Krankheit ansteckend ist. In diesem Herbst und Winter war es besonders arg mit dem Pips und bevor ich noch zu der unangenehmen Arbeit des Piepsabziehens ge­kommen war, starb mir ein wundervoller Italiener- Hahn daran. Die Operation wird wie folgt ausge- sührt: Das Huhn wird fest unter den Arm genom­men, mit der linken Hand der Kopf gefaßt und die Zunge mit Daumen und Zeigefinger so fest gehalten, daß das Tier sich nicht rühren kann. Dann ritzt man rechts und links die Haut unter der Zunge mit einer Stecknadel und zieht mit dein rechten Daumen­nagel langsam und vorsichtig und vollständig den Pips ab.

Me Bedeutung eines gesunden Akutes für den menschlichen Körper wird beim Publikum »och ganz ge­waltig unterschätzt. Man begreift nicht, daß eine sehr große Anzahl Leiden durch schlechtes, nicht gehörig zu­sammengesetztes Blut hervorgerufeu werden. Diejenigen, welche über Blutarmut, Blutandrang «Blutwalluugen-, Herzklopfen, Schwiudelanfällc, Fuukeuseheu, Bleichsucht, Hautausschlag re. zu klagen haben, sollten dafür sorgen, durch eine geregelte Verdauung und Ernährung das Blut zu kräftigen. In solchen Fällen leisten bekanntlich die Apotheker Mchard Brandt's Schweizerpillen, welche in den Apotheken ü Schachtel 1 ^ erhältlich sind, sehr schätzbare Dienste und werden besonders auch von den Frauen wegen ihrer angenehmen Wirkung allen anderen Mitteln vorgezogen. Mau verlange aber stets unter be­sonderer Beachtung des Vornamens Apotheker Mchard Brandt's Schweizerpillen. Halte man daran fest, daß jede ächte Schachtel als Etikette ein weißes Kreuz in rotem Feld hat und die Bezeichnung Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen trägt. Alle anders aussehenden Schachteln sind znrückznweisen. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind: Silge, Moschnsgarbe, Aloe, Absynth, Bitterklce, Gentian.

Standesamt ßakw.

Geborene:

28. März. Emil, Sohn des Ulrich Dingler, Fabrik­arbeiters.

Getraute:

28. März. Julius Hermann Weiß, Kaufmann in

Gaggenau und Maria Dlauhp. Gestorbene:

29. März. Karl Ne hm, Sackträger, 71 Jahre alt.

29. Elisabethe, gcb. Kläger, Ehefrau des An­

ton Baumeister, Fabrikarbeiters, 36 Jahre alt.

29. Emil Dingler, Sohn des Ulrich Ding --

l e r, Fabrikarbeiters, 1 Tag alt.

Gottesdienste am hl. Osterfest.

Vom Turme: Nr. 167. Vormittagspredigt: Herr Dekan Braun. Feier des heil. Abendmahls. (Um 9H< Uhr Beichte in der Sakristei.) Nachm. Predigt um 2 Uhr: Herr Helfer Eytcl.

Ostermontag.

Vormittagsprcdigt um '/-10 Uhr: Herr ssclfer E y t e l.

Diese Zuversicht gab ihr einigermaßen die Ruhe wieder. Sie trat an den Schreibtisch, um eine kurze Botschaft auf das Papier zu werfen, welche Frau von Arnheim von ihrer unerwarteten Zurückkunft benachrichtigen sollte; aber die Feder zitterte so sehr in ihrer Hand, daß sie erleichtert aufatmete, als sie die wenigen Worte niedergeschrieben hatte.

6. Kapitel.

Für Frau von Arnheim und Margarethe waren diese zwei Jahre nach dem Tode des Regierungsrates in ungestörter Ruhe verflossen. Die Trauerzeit hatten sie in tiefster Abgeschiedenheit verlebt und diese Abgeschlossenheit war ihnen darin zu Hilfe gekommen, sich nach und nach von dem großen, vornehmen Kreis ihrer ehe­maligen Bekanntschaft zurückzuziehen, wie die veränderten Verhältnisse es erforderten- Nur noch der Geheimrat Brauns und Baron Baldern waren regelmäßige Besucher der Men Häuslichkeit von Mutter und Tochter. An Hagen dachte Marga­rethe nur noch fetten zurück; war das aber der Fall, so geschah es ohne Schmerz, ohne Zorn. Die tiefe, ihr Anfang« unhellbar scheinende Wunde war vernarbt, durch die Zeit und durch eine langsam in ihrem Herzen auskeimende, neue Liebe. Nach dem an ihr durch Hagen so schmälich verübten Verrat hatte sie erst den vollen Wert deS Mannes erkannt, den sie einst um eines Treulosen willen zurückgewiesen. Wie uneigennützig hatte er sich während der Krankheit ihres Vaters bewährt!

Mit dieser Erkenntnis war die Liebe auf leisen, leisen Schwingen gekommen und hatte Besitz genommen von ihrem Herzen und die letzten Gedanken an Hagen daraus verdrängt. Ob aber Erwin von Baldern's Gefühle noch dieselben wie früher waren, das wußte sie nicht; dennoch war ihre Liebe für ihn stetig gewachsen. Ihre Augen leuchteten Heller auf, ihr Herz pochte gewaltsam, wenn sie einen Schritt erkannte. Nichtsdestoweniger war sie ängstlich bemüht, ihre Neigung so tief zu ver­bergen, daß weder ihre Mutter, noch viel weniger Erwin selbst eine Ahnung davon hatten. Nie, weder in Wort, noch in Blick hatte er die früheren Verhältnisse er­wähnt; nur als treuer Freund und Ratgeber der alleinstehenden Frauen kam er und

wurde er von denselben angesehen.-

ES war an demselben Tage, der berufen war, in Helene'» Schicksal ent­scheidend «inzugrrifrn.

Frau von Arnheim hatte zu einem Besuch das Haus verlassen und Margarethe befand sich allein. Mit rastlosen Schritten wanderte sie im Zimmer auf und ab, die Hand gegen das Herz gepreßt, als wähnte sie, damit dessen ungestümen Schlag hemmen zu können. Um diese Stunde pflegte Baldern für gewöhnlich vorzusprechen und sie stand im Kampfe mit sich selbst, ob sie ihn empfangen, oder sich vor ihm verleugnen lassen sollte.

Nein, es muß sein! Ich ertrage eS nicht länger!" murmelte sie endlich vor sich hin. .Ich muß eS ihm sagen!"

Erschöpft auf einen Sessel niedersinkend, versank sie in ein schmerzliches Sinnen. Tief traurig mußten Ihre Gedanken sein; nur zu deutlich wiedeispiegelten ihre Züge ihre Gefühle. Ein Pochen an die Thür ließ sie nervös zusammenschrecken und zitternd erhob sie sich, um im nächsten Moment ihre zitternde Rechte in die auSgestreckte Hand Erwin'S zu legen.

Mit leichter Beklommenheit empfing sie ihn, aber um jeden Preis mußte sie trachten, vor ihm zu verbergen, was in ihrem Innern vorging. So nahm sie sich gewaltsam zusammen, ihm in dem leichten Tone zu antworten, den er gegen sie an­zuschlagen pflegte und mit welchem er ihr schon oft über eine peinliche Verlegenheit unbewußt hinweggeholfen hatte.

Heute aber wollte selbst das allgemeinste Gespräch nicht recht in Fluß ge­langen; vergeblich suchte Margarethe nach Worten, um ihm zu sagen, was ihr so schwer auf dem Herzen lag. Ihm entging ihre Zerstreutheit nicht, aber voll zartem Taktgefühl wagte er e» nicht, eine dahin zielende Frage an sie zu richten. Wenn sie ihn zum Vertrauen einer sie vielleicht aufregenden Angelegenheit machen wollte, so konnte er da» einzig und allein ganz nur ihr überlassen.

Und endlich hielt sie nicht länger an sich. Hastig, sich selbst überstürzend, ohne ihn anzusehen, pretztr sie hervor:

Herr Baron, ich habe eine Bitte an Sie!"

Baldern zuckte unbewußt zusammen. Er sah, wie ihr Antlitz sich in dunkle Glut tauchte, wie sie mühsam nach wetteren Worten rang. Unwillkürlich war eS es ihm, als wenn eine eiskalte Hand nach seinem Herzen griff, und sein Atem stockte.

(Fortsetzung folgt.)