M 38.

Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

63. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag, Die Einriickangsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung s Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.

Dienstag, den 1. April 1890.

SbonnementSpielS vteneljöhrlich in der Stadt ro Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch d e Post bezogen Mk. 1. !b, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

Amtliche Bekanntmachung,

betreffend Maßregeln gegen die Maikäfer.

Mit Bezugnahme auf den Erlaß des K. Mini­steriums des Innern vom 24. März d. I., Minist.- Amtsblatt Seite 86, erhalten die Ortsvorsteher den Auftrag, denjenigen öffentlichen Dienern, welche sich berufshalber im Freien aufzuhalten haben, wie Straßen­wärter, Gemeinde-, Feld- und Waldschützen u. s. w., die Anzeige ihrer Wahrnehmungen über das im laufenden Frühjahr in Aussicht zu nehmende Auf­treten der Maikäfer in bedrohlicher Menge aufzugeben. Alsbald ist hierauf an das Oberamt Bericht zu er­statten unter Angabe der vorläufig verfügten Maß­regeln.

Calw, den 29. März 1890.

K. Oberamt.

Supper.

Die Ortsvorstester

werden auf die Bekanntmachung des K. Ministeriums des Innern, betreffend die den Anforderungen des tz 75 des Krankenversicherungsgesetzes genügenden Hilfskaffen, vom 19. d. M., Min.-Amtsblatt S. 82 zur genauen Nachachtung Hingeiviesen.

Calw, den 51. März 1890.

K. Oberamt.

Supper.

Die Gemeindebehörden

werden daran erinnert, daß bis 7. April d. I., die Nachweisungen, bezw. Fehlanzeigen, sowohl über Regiehochbau-, als auch über Regitiefbauarbeiten, des letzten Quartals an das Oberamt einzusenden sind.

Durch den Beitritt einer Gemeinde zur Tief­bauberufsgenossenschaft sind nur die auf Rechnung

der Gemeindekasse ausgeführten, nicht auch andere, d. h. von Privatpersonen innerhalb des Gemeindebezirks in Regie unternommenen Tiefbauarbeiten von der Nachweisungspflicht befreit.

Calw, den 29. März 1890.

K. Oberamt. Amtmann Bert sch.

Die Ortsvorsteher

werden aufgefordert, auf 31. d. M. die Sportel­verzeichnisse abzuschließen, und alsbald im Auszug, zutreffendenfalls unter Anschluß der Sportelgeloer, an das Oberamt vorzulegen. Wo Fehlurkunden in Betracht kommen, wird darauf hinge»iesen, daß auch die Ausstellung dieser auf Grund des zur Zeit gel­tenden allgemeinen Sportelgesetzes voni 16. Juni 1887 zu erfolgen hat.

Calw, den 29. März 1890.

K. Oberamt.

Amtmann Bertsch, g. Stv.

Amtliche Kekaimtrrmchrmg,

betreffend den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche.

Unter dem Rindviehstand der Johannes Weil Wittwe in Althengstett ist die Maul- und Klauen­seuche ausgebrochen.

An sämmtliche Viehbesitzer, insbesondere auch des Senchenorts selbst, sowie der benachbarten Ort­schaften ergeht die Weisung, ein wachsames Auge auf die Erscheinungen der Maul- und Klauenseuche unter ihrem Rindviehstand zu halten, und jede seuchenver­dächtige Erscheinung alsbald bei Vermeidung der ge­setzlichen Folgen zur Anzeige zu bringen.

Calw, den 31. März 1890.

K. Oberamt.

Amtmann Bertsch.

Deutsches Reich.

Berlin, 27. März. Wie gestern, so fuhr Kaiser auch heute bei seiner Rückkehr aus dem Tiergarten bei dem Grafen Herbert Bismarck vor. Um 12'/. Uhr empfing er im Schloß den Gesandten v. Alvensleben, beriet mit dem Reichskanzler v. Ca- privi, sowie mit dem Botschafter v. Radowitz und hatte später noch eine längere Besprechung mit dem Grafen Herbert Bismarck. DieKöln. Ztg. er­fährt: Nachdem Graf Alvensleben die Berufung als Staatssekretär des Auswärtigen Amts abgelehnt hat, ist jetzt der badische Gesandte am hiesigen Hofe und Bundesratsbevollmächtigter Freiherr v. Marsch all für dieses Anit in Aussicht genommen worden und hat die an ihn ergangene Berufung angenommen.

Berlin, 27. März. Allgemeiner Annahme zufolge wird gleich nach Ostern der Reichstag einbe­rufen werden; über den genauen Termin herrschen indessen noch Meinungsverschiedenheiten. Es wäre wünschenswert, wenn die Einberufungsverordnung jetzt unverzüglich bekannt geinacht würde. Das ge­bietet die Rücksicht auf die Abgeordneten, die ihre Dispositionen treffen müssen und ohnehin durch die doppelte Session dieses Jahres ungewöhnlich in An­spruch genommen werden.

Bochum, 28. März. Die Belegschaft der ZecheAlma" hat sich dem Ausstand angeschlossen. Im Gelsenkirchener Revier streiken 3600 Berg­leute. Auf der ZecheRhein-Elbe" steht ebenfalls der Ausstand bevor.

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 31. März. Einer uns heute zuge­gangenen Richtigstellung des Berichtes über die Ver­sammlung des Verschönerungsvereins gewähren wir hiemit, nach den uns gewordenen Informationen, gerne Aufnahme:

(Eingesandt.) In dem Bericht über die Ver-

Keuilleton.

Nach hartem Ningen.

Roman von L. DoHrmarm.

(Fortsetzung.)

Schon bei ihrem ersten Erscheinen in der Gesellschaft hatte sie allgemeine Be­wunderung erregt und war bald von einem steten Kreis glühender Verehrer um­geben, ohne daß sie sich die geringste Mühe gab, zu gefallen. Sie lächelte spöttisch zu den Huldigungen, mit denen sie überschüttet wurde, und begegnete Allen mit kühler Gleichgültigkett. Keiner konnte sich rühmen, einen mehr als freundlichen Blick sich je aus diesen rätselhaften Augen errungen zu haben.

Sie ist herzlos!" sagten die Damen, erbittert darüber, daß sie oder ihre Töchter von dieser Fremden in den Schatten gestellt, ihretwegen vernachlässigt wur­den. Helene lächelte bitter über diese Bemerkungen, die ihr wieder hinterbracht wurden. Helios! Was würde sie darum gegeben haben, wenn sie es gewesen wäre! Kostete eS sie doch all ihre Ueberwindung, so lange die Augen der Menschen auf sie gerichtet waren und sie mit argwöhnischen Blicken betrachteten, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken.

Sie mußte scherzen und lachen, um sich und alle Menschen zu täuschen, aber nicht immer gelang cs ihr, ihre Schwermut zu besiegen und dann hielt sie Jeden mit abweisender Kälte von sich fern.

Zuerst hatte Frau von Born dies Bmehmen geduldig ertragen; sie setzte das unstäte Wesen des Mädchens auf Rechnung ihres Schmerze- um den Vater. Bei dem unberechenbaren, leidenschaftlichen Charakter Helene's war es nichts Auffallen­des, daß sie den herben Verlust nicht so geduldig und füll ertragen konnte, wie die Mutter und die Schwester. Doch als Wochen und Monate aus diese Weise ver­strichen, kam eine leise Ungeduld über sie. An diesem ihr unerklärlichen, beständigen

Widerspruch in Helene's Wesen drohten alle ihre wohlcrdachten Pläne zu scheitern und der Zeitpunkt der jahrelang herbeigeseh«ten Rache in wette Ferne zu entrücken.

Wie hatte ihr Herz aufgejauchzt, als er, der sie einst so tief beleidigt und ihre Liebe verschmäht hatte, mitten aus dem Vollgenuß feines Glückes hinweggerafft wurde und die Seinen schütz- und hilflos zurückließ. Endlich, endlich war ihre Zeit gekommen!

Unter dem Deckmantel des Wohlwollens nahte sie sich der einstigen Freundin, um zu rekognoscieren, auf welche Weise sie das Werk der Rache am empfindlichsten vollbringen könne. Sie sah Helene und in derselben das getreue Ebenbild des einst so heißgeliebten und deshalb jetzt doppelt gehaßten Mannes.

Wenige Tage genügten, um ihren scharfen, spähenden Blick den eigenartigen Charakter des Mädchens erkennen zu lassen, und rasch hatte sie ihren Plan gefaßt. Helene sollte das Werkzeug ihrer Rache sein! Sie überhäufte dieselbe mit Beweisen ihrer Zärtlichkeit und wußte sich allmählich das feste Vertrauen der Arglosen zu er­ringen. Die Zustimmung der Regierungsrätin, die Willfährigkeit Helene's, sie zu begleiten, kam ihren finsteren Entschlüffen entgegen; doch bald stellten sich ihr Schwierigkeiten in den Weg. Das, wie sie gewähnt, leicht zu kettende Mädchen war schwerer zu regieren, als sie geahnt; aber auch sie war nicht die Frau, einen einmal gefaßten Vorsatz fahren zu lasten, und kam sie nicht auf die eine Weise zum Ziel, so mußte es auf die andere Weise sein. Sie sollte sich verrechnet haben; zwei Jahre waren jetzt verflossen und noch immer hatte sie nicht den geringsten Erfolg zu verzeichnen. Unablässig war sie während dieser Zeit bemüht gewesen, die Augen der schönen Nichte auf ihren Neffen, den Lieutenant von Born, zu lenken und stets hatte sie hierin bei Helene, trotz aller sonstigen Fügsamkeit derselben, einen ent­schiedenen, eigensinnigen Widerstand gefunden.

Helene vermochte trotz aller Liebe und Dankbarkeit gegen die Tante nicht ihre Abneigung gegen deren Neffen zu überwinden und verhehlte dieses Gefühl durchaus nicht.