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Som- und Festtag«.
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Fernsprecher Nr. 89.
87. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
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Beilagen: Plauderstitbchen, Illustr. SoootapsblaU uud
Schwäb. Landwirt.
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Dienstag, den 3. Juni
Amtliches.
Bekanntmachung
betr. die Aufstellung eines Blattfedernhammers.
Die Firma Karl Kaltenbach A Söhne, Silber- warensabrik in Alteusteig, hat im Fabrik anbau ihres Gebäudes Nr. 171 am Marktplatz einen Blattfedernhammer ausgestellt, wofür sie nachträglich um Genehmigung nachsucht.
Einwendungen gegen das Gesuch find innerhalb 14 Tagen beim Oberamt anzubringen, wo auch die Pläne und Beschreibungen zur Einsichtnahme aufliegen. Nach Ablauf der Frist können Einsprachen im laufenden Verfahren nicht mehr angebracht werden.
Nagold, 2. Juni 1913. Amtmann Mayer.
Vom Evang. Oberschulrat ist am 30. Mai eine ständige Lehrstelle in Neuenstadt. OA. Neckarsulm, dem Hauptlehrer Vincon in Calw übertragen worden.
Pangermanisten und Alldeutsche.
Neulich brachte die Pariser Zeitschrift Droits de l'homme die Mitteilung, daß einige Alldeutsche auf einem Rheindampfer französische Frauen bloß, weil sie französisch gesprochen hätten, beleidigt und durch beschimpfende Reden gegen ihr Vaterland gekränkt hätten. Diese Nachricht erschien nach dem Vorkommnis in Ranzig und hatte offenbar den Zweck zu beweisen, daß die Deutschen nicht besser feien als die Franzosen. Der Alldeutsche Verband ging der Sache jedoch auf den Grund und ließ bei der genannten Zeitschrift anfragen, wer die beleidigten Damen feien, und woraus geschloffen werde, daß die Beleidiger Alldeutsche gewesen seien. Die Zeitschrift erwiderte: Mn dem sranz. Wort „Pangermanisten" sollten keine Alldeutschen im Sinn von Angehörigen des Alldeutschen Verbands gemeint sein; das Wort „Pangermanisten" werde ganz allgemein im Sinn von chauoin allemand gebraucht,- öis Anklage richte sich nicht gegen Mitglieder des Alldeutschen Verbands. — Diese Er- Klärung verdient festgehalten zu werden ; da auch die welsche Presse des Reichslands (ebenso wie Engländer) von Pangermanisten und Pangermanen sprechen und der ahnungslose Leser alles, was von den Pangermanisten gesagt wird, auf die Alldeutschen überträgt. Der deutsche Sprachgebrauch macht vor allem einen Unterschied zwischen Pangermanen und Alldeutschen. Der Panqermanismus, mir dem etwa der Panslcwismus auf eine Stufe zu stellen ist, will ein Zusammengehen oder eine Verbindung aller germanischen Staaten, also der Ober- und Niederdeutschen, der Skandinavier und der Engländer und wird von keinem ernsthaften Politiker für ausführbar gehalten. Die Alldeutschen, die im Alldeutschen Verband ihren Mitteipunkt haben, erstreben „Belebung der deutschnationalen Gesinnung, insbesondere Weckung und Pflege des Bewußtseins der raffenmäßiqen und kulturellen Zusammengehörigkeit aller deutschen Bolks- teile". Der Franzose und der Engländer hält diese Be
strebungen nicht auseinander, er gebraucht für beide das gleiche Wort und ist so in der Lage, Verdächtigungen gegen die Pangermanisten auszusprechen, mit der Wirkung, daß an den verhaßten Alldeutschen sicherlich etwas hängen bleibt.
Diese Sitte übrigens, Pangermanisten und Chauvinisten einander gleich zu setzen, ist nicht auf das sranz. Sprachgebiet beschränkt, sondern findet sich auch diesseits des Rheins, ist aber darum nicht berechtigter. Denn das Wesen des Chauvinismus ist dem Deutschtum, auch den Alldeutschen, so fremd, wie die Bezeichnung hiefür der deutschen Sprache. Das Aufkommen der Sitte erklärt sich daraus, daß jede lebhaftere oder tiefere Regung des Nationalgefühls von den Internationalen unangenehm empfunden wird und sich mit dem Mittel des Schlagworts — bei der bekannten Wirkung desselben aus die deutsche Volksseele — am bequemsten bekämpfen läßt. Die fortschreitende politische Schulung des deutschen Volks läßt jedoch erwarten, daß es sich nicht mehr so leicht durch hohle Schlagwörter von der sachlichen Prüfung des völkischen Gedankens abhalten läßt.
Vom Landtag.
Stuttgart, 2. Juni. Im Einlauf der heutigen Nach- mittaqssttzung der Zweiten Kammer befand sich eine Anfrage des Abg. Schlegel (S.), in der die Regierung um Fest- stellung des Schadens ersucht wird, der durch die Katastrophe in Plochingen entstanden ist. ferner eine Anfrage des Abg. Haußmann (D.) über die Stellung der württ. Regierung zu den Ausnahmegesetzen in Elsaß-Lothringen. Die Beratung des Etats des Innern wurde bei dem Titel „Ober- amtsärzte" fortgesetzt. Schmid-Neresheim (Z.) wünschte eine Aenderung der Gehaltsklaffeneinteilung. Hasel (N.) trat für Verwendung des Automobils im oberamtstierärztlichen Dienst ein. Minister v. Fleischhauer erklärte, diese letztere Frage sei nicht nur für oberamtstierärztliche, sondern auch für andere Beamte praktisch. Die Regierung habe schon seit längerer Zeit eine Revision des Diätenregulativs in Erwägung gezogen. Gras (Z.) beantragte, die Regierung um tunlichst baldige Neuordnung des Diätenregulativs zu ersuchen. Der Antrag wird an den Finanzausschuß überwiesen. Beim Titel „Oberamtstierärzte" befürwortete der Abg. Stiefel (B.K.) eine Trennung der Personalunion in der Besorgung der Geschäfte des Oberamls- tierarztes für die Bezirke Hall und Gaildorf. Minister von Fleischhauer wies darauf hin, daß der Versuch, mehrere Oberamtsbezirke zu Oderamtstierarztbezirken zu vereinigen, nicht als gelungen anzusehen sei. Die Regierung werde deshalb die Oberamtstierarztstelle in Hall wieder besetzen. Ueber die Frage der Zusammenlegung von Oberamtstierarztstellen entspann sich eine kleine parteipolitische Debatte, an der sich die Abg. Hildenbrand (S), Wolf (B.K.). Rembold-Aalen (Z.), Schock (D.). Körner (B.K.), Speth-Wangen (Z.) beteiligten. — Im wetteren Verlaus der Sitzung wurde beschlossen, den Zentrums- antrag betr. Vorlegung eines Gesetzentwurfs, der für die
1913
an nichtwürtt. Orten stationierten Beamten eine Ermöglichung der Ausübung des Wahlrechts für die Ständeoersammlung vorsieht, dem staatsrechtlichen Ausschuß zu überweisen. Ein Antrag Kurz (S.), die Regierung möge auf die privaten Eisenbahngesellschafien einwirken, daß den Inhabern von Arbeiterfahrkarten in den Tagen der Reichstags- »nd Landtagswahlen dieselben Berechtigungen eingeräumt werden, wie von der staatlichen Etsenbahnoerwaltung, wurde vom Hause einstimmig angenommen. Der Minister erklärte allerdings, daß eine Einwirkung des Ministeriums auf die Privatbahnen nicht möglich sei. daß er aber die Eingabe dem Derkehrsministerium weiter geben werde. Um 6 Uhr abends wandte sich das Haus der Frage der Landespolizeizentrale zu, worüber Abg. Mohr (Z.) berichtete. Minister von Fleischhauer ging des näheren auf die Vorgeschichte der Zentrale ein und erklärte, wenn er gegen die Eingabe der Stadt Stuttgart polemisieren müsse, liege ihm jedes Uebel- wollen durchaus fem, die Regierung stehe aber aus dem Standpunkt, daß es der Natur der Sache entspreche, wenn staatliche Ausgaben möglichst von staatlichen Organen besorgt werden.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 31. Mai. Die Besprechung der sozialdemokratischen Interpellation über die Ausnahmegesetze in Elsaß-Lothringen wird fortgesetzt. Abg. o. Calker (natl.): Ich hoffe, daß aus dieser Diskussion eine gute Wirkung für die Entwicklung Elsaß-Lothringens heroor- gehen wird. Immerhin werden wir uns mit großer Vorsicht zu der Sache äußem. Wir können hier im Hause kein Urteil fällen, sondern nur die Entfcheidungsgründe erörtern. Wir müssen hier lediglich fragen, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet sind, den Treibereien entgegenzutreten. Diese Frage muß ich verneinen. Die möglichen Nachteile würden größer sein, als die Vorteile. Abg. Röser (Dp.): Die Hoffnung, daß die Vorschläge nie Gesetz werden können, wird von beruhigendem Einfluß auf die Bevölkerung Elsaß-Lothringens sein. Abg. Dr. o. Las- zewski (Pole): Wir Polen sind gegen jede Ausnahmegesetzgebung. Wir werden ebenso bedrückt, wie die Elsaß- Lothringer. Abg. Schultz (Rp.) wünscht, daß der Reichstag der Regierung nicht ein so kategorisches Nein gegen eine Vorlage, die ihm noch gar nicht zugeganqen ist, entgegengehalten hätte. Abg. Haußmann (Elf. Ztr.): Es ist bedauerlich, daß Nationalisten vorhanden sind, aber es ist begreiflich. Wir fordern, daß Elsaß-Lothringen endlich das gleiche Recht wie allen anderen Bundesstaaten gewährt werde. Unterstaatssekretär Mandel: Daß bei der Einführung des Preßgesetzes für Elsaß-Lothringen bestimmte Kautelen gefordert würden, war doch nichts Auffallendes. Gegen den „Souvenir Francaise" mußten wir einschreiten, sobald der Verein zu einem politischen geworden war. Den Leuten ist das ja auch zum Bewußtsein gekommen und so haben sie den Verein aufgelöst. Gewiß haben sich seit
Stuttgarter Brief.
O Stuttgart Ende Mai. Die weiß und rosa schimmernden Kerzen der Kastanienbäume, die den Schloßplatz säumen und seine Umgebung zieren, waren dieses Jahr eine besonders freudig begrüßte Augenweide für viele auswärtige Besucher der Residenz, namentlich für solche, deren Heimat, wie z. B. das Filstal, so schwer unter dem unerwartet schwer und spät eingetretenen Frost zu leiden hatte. Aber mehr als die Kastanienblüte, auch mehr als die 3 großen Ausstellungen, die im Mai feierlich vom König eröffnet worden sind, lockten die Maisestspiele der Kgl. Hoftheater fremde Besucher nach Stuttgart. Diese, anderen Kunststätten nachgeahmte Einrichtung zeigte unsere Hostheater am Schluß der ersten genuß- und erfolgreichen Spielzeit auf einer glänzenden Höhe. Bor allem ist die Oper zu erwähnen: Mit einer Neubearbeitung von Hekior Berlioz gigantischem Werk „Die Trojaner", wobei es Emil Gerhäuser und Max o. Schillings gelang, die 2 Teile des Werks zu einem an einem Abend aufzuführenden Stück zusammenzuschweißen, begannen die Festspiele. Wuchtig und himmelstürmend kündet hier der Meister die Entwicklung an, die zu Richard Wagner hinführt. Wenn er auch noch nicht dessen Höhe erreicht hat, so sind doch herrliche Stellen in dem Werk, und die Phantasie darf schwelgen in Ton und auch im Bild; denn auf die Ausstattung ist viel Pracht verwendet worden. Groß in der Wiedergabe waren Lilly Hoffmann-Onegin als Kassandra und Sofie Palm-Cordes als Dido, glänzend in den Stimmitteln, wenn auch noch unfrei im Spiel, Rudolf Ritter als Aeneas, voll herrlichen Wohlklangs der Gesang von
Hermann Well als Choröbus. Den Höhepunkt der Festwoche aber bedeutete Rich. Wagners persönlichstes Werk „Tristan u. Isolde", jenes Hohelied edler, entsagender, verklärter Liebe, das an seinem 100. Geburtstag, am 22. Mai, zur Aufführung gelangte. Man traf dabei die Musikfreunde des ganzen Landes und sah in der Pause im Foyer raufende begetsterungsselige Augen an Rich. Wagners Büste, die ein Immortellankranz zierte, hangen und ihm Dank und Verehrung darbringen. Das Orchester unter Max o. Schillings hielt sich wundervoll, den Tristan gab Josef Tyssen mit überraschend großzügiger Auffassung, Sofie Palm- Cordes war eine Isolde voll Liebesschmerz, Frauenstolz und Minneseligkeit, während Lilly Hoffmann-Onegin der Brau- gäne ihre wunderbar tragende Altstimme zu ergreifender Wirkung lieh. Und ein gottbegnadeter Künstler aus München. Professor Dr. von Kraus, gab dem alten edlen König Marke ergreifend beseeltes Leben. Auf diesen „Tristan", fast ganz mit einheimischen Kräften kann unser Hoftheater stolz sein. Sein Letter, Generalintendant Baron zu Putlitz, verdient den Dank weitester Kreise wegen der Maisestspiele und wegen der nachfolgenden 3 Wagnerabende, in denen Tannhäuser, Lohengrin und die Meistersinger zu Schauspielpreisen gegeben wurden. Noch einen berühmten Gast brachte die Oper, die gefeierte Dresdener Koloraturensängerin Margarethe Siems, die in Rich. Strauß prunkvoller Over „Ariadne aus Naxos" die Zarbinette und im Berdi's Bioletta die Titelrolle mit vollendeter Meisterschaft sang. — Das Schauspiel brachte „Torquato Tafso" von Goethe, mit 3 Gästen: Alfred Gerasch, einst m Stuttgart, nun als Nachfolger von Kainz an der Wiener Hofburg, Mathieu Pfeil, früher auch in
Stuttgart, nun in Frankfurt, Lina Lösten vom Berliner Lessingtheater. Letztere bewährte sich als vornehme Darstellerin edelster Art, elfterer konnte, immer noch als Liebling von Stuttgarts Frauenwelt, tosenden Beifall einheimsen. Auch in H. v. Kleist's „Prinz von Homburg" errang er reiche Ehren, wobei er an Egmont Richter als Kurfürst Friedrich Wilhelm einen vorzüglichen Gegenspieler hatte. Gerhart Hauptmann's „Einsame Menschen" und O. E. Hariledens „Rosenmontag" waren zwar Stücke deren naturalistischer drückender Grundton keine festliche Stimmung erwecken konnte. Dem Gast Gerasch aber gaben sie Gelegenheit auch im modernen Drama Lorbeeren zu pflücken. Hebbels „Nibelungen mit Gerasch als sonnenherrlicher Siegfried führten die Festspiele wieder auf erhebende Höhe. Die Maifestspiele zeigten, was Stuttgarts Hofbühnen leisten können, und bewiesen, daß die Begeisterung, die Liebe zu den Prachtbauten trotz vorgerückter Jahreszeit noch so warm und herzlich ist, wie sie bei der Eröffnung war. — Das Schauspielhaus an der Kleinen Königstraße hatte noch in dem lustigen, die französische Justiz und Republik verhöhnenden Schwank „Die Frau Präsidentin" von Hennequin ein Zugstück gefunden; dann hat es seine Pforten geschloffen, um sie einem neuen Ensemble Wiener Künstler zu öffnen, die allerlei lustige Neuheiten leichte Sommerkost bieten wollen. — Und drunten in Cannstatt. in der idyllisch gelegenen Wilhelma ist Direktor Gust. Müller wieder eingezogen und hat die Operettenspiel- zeit mit der wirkungsvollen Operette „Der Frauensreffer" von Edmund Eyßler aufs beste eingeleitet. So ist auch für den Sommer der Residenz mancherlei Anziehungskraft bewahrt.