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87. Jahrgang.
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Beilage»: Plauderstiibchen, Illustr. Sonutagsblatt und
SchwSd. Landwirt.
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Zweites Blatt.
Der Wetterwart.
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p Eines der unliebsamsten Kapitel in den Annalen Ansrres Reichstags bilden stets die Wahlprüsungs-- sragen, die, so oft sie wiederkehreri, einen untrüglichen Beleg dafür bilden, daß auch in Dingen, wo die Objektivität der oberste Grundsatz für aste sein sollte, die parteipolitische Emsekigkeit und der Parteiegoismus sich Geltung verschaffen, daß die Parteien den strengsten Maßstab an- lsgen, wo es sich um einen Gegner haa.'-elt, daß sie aber nicht nur ein, sondern manchmal beide Augen zudrllcken, wo es die eigenen Interessen gilt. Man mag da wohl zu der Auffassung von erwas Unmoralischem kommen, von dem man unsere Volksvertreter doch eigentlich frei wissen möchte, aber die Unmoralität liegt hier nicht in und an den Leuten, sondern an der Institution, Richter in eigener Sache zu sein. Da ist reine Objektivität auch beim besten Wollen ausgeschlossen. Die Parteiprefse selber ist auch ehrlich genug, das zu gestehen, sie vertritt daher -gerade nach den Stürmen des dieswöchigen Wahiprüsungstages mit Nachdruck die sehr VereÄtig'e Forderung nach Einsetzung eines unparteiischen Gerichtshofes, wie er z. B. bei der letzten Versaffungsresorm Elsaß-Lothringen zuerkannt worden ist. Der Reichstag würde mir der Schaffung einer derartigen Institution nicht nur gewissermaßen eine Ehrenpflicht erfüllen und sein moralisches Ansehen heben, sondern er würde auch dazu bei- zragen, daß die Schroffheit der parteipolitischen Gegensätze, wie der gedeihlichen Arbeit für die Allgem-tnheit so sehr schade?, um manche Kante abgeschliffen würde. Und der Zustimmung aller Volkskreise dürste der Reichstag mit einem derartigen Vorgehen sicher sein.
Die Hoffnung, daß es möglich sein wird, die neue Militär Vorlage noch vor den Osterferien rm Reichstage einzubringen, Miro man wohl etwas zmückschrcmben müssen, denn die Vorlage wird gegenwärrtg cp im preußischen Kriegsmimsterium ausoeardenet und gchr dann an den Bundesral. Ihre Verabschiedung durch Liesen wird sich aber umso schwieriger gestatten, wenn dis Regierung, wie sie ankündiZsn ließ, tatsächlich daran denkt, mit der Mili är- vorlage glvtchzettig die Dcckungssrage, d h. sie Frage der Ausormgung der Kosten für die neuen Forderungen, einzu- dcingen. Es mag das, oberflächlich genommen, gewissermaßen als selbstverständlich erscheinen, zur Durchführung ernes geordneten Haushalts keine Ausgaben zu machen, ohne daß man sich auch entsprechender Einnahmen versichert hat, aber hier liegen die Dinge doch etwas anders. Es ist sicher, daß über die Ausdrlngung der neuen Mittel nicht nur sehr scharfe, sondern vor allem auch sehr langwierige Auseinandersetzungen erfolgen werden mit dem Ergebnis, daß i ie Erledigung der Hauptsache, der Wehrvorlage selber, ungebührlich lange hinausgeschoben wird. And darüber ist man sich doch nachgerade einig, daß hier jeder Lag ein verlorener ist, daß sie Lücken, die in unserem Heerwesen bestehen, raschmöglichst ausgesüllt werden müssen. Das ist rer springende Punkt, und ein Reichstag, der sich seiner Verantwortung bewußt ist, muß das Schwergewicht seiner Aufgabe daraus Legen. Die gleichzeitige Einbringung der Heeres- und Deckungsvorlage ist gewiß nicht zu verwerfen, aber die beiden Vortagen dürfen nicht so miteinander verbunden werden, daß auch ihre Verabschiedung gleichzeitig erfolgen muß, sonst kommen wir nicht an das große Ziel, das uns im vaterländischen Interesse mir zwingender Notwendigkeit gesteckt ist.
Der neue Präsident der französischen RepubliI hat der auswärtigen Politik Frankreichs gleich eins beson dere Akzentuierung gegeben. Zunächst hat ec sich unoerwell mn vollem Nachdruck für die Verstärkung der Wehrkras des Landes eingesetzt und damit den vollen Beifall der Landes gefunden. Sodann hat er die Aufrechrerhaltum der Beziehungen zu Rußland und England als das Zie m„er Regierung ausgesprochen und diesem Bestreben wenig, 7 ^-age darauf eine Bekräftigung gegeben, die nicht mißoer banden werden kann. Es war ein eigentümliches Walter der politischen Schicksalsgöttin, daß fast um dieselbe Stunde " vdn offiziöser deutscher Seite em Lobeshymnus auf di, ^Efch-russiscqe Freundschaft losgelassen wurde, anläßliü -"reihundertjahrjnbiläums des Hauses Romanow aus ^ ^wichen Throne, daß gerade um diese Stunde die «r EMer zielbewußten und schlauen Diplomatie eine i E» Verbindung Knüpften, die die deutsch-russische Freund- , Ai ms ntchls anderes denn als eins Formsache erscheinen luyl, um die sich die rauhe Wirklichkeit nicht kümmert.
Samstag» den 1 . März
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Denn darüber kann sich auch der Naivste unter uns nicht hinwegsetzen, daß die Ernennung des ehemaligen Ministers des Aeußern und späteren Marineministers DelcassS, des Mannes, der während der Marokkokrisis um ein Haar einen Krieg mit Deutschland heraufbeschworen hätte, nichts anderes bedeutet als einen Gradmesser für die chauvinistische Stimmung in Frankreich und dafür, daß unsere Diplomatie mit ihrem guten Glauben an die Loyalität Rußlands wieder einmal Fiasko gemacht hat. Gewiß auch ein Del- caff« wird es nicht fertig bringen, die französischen Bäume aus russischem Boden in den Himmel wachsen zu sehen, auch er wird, wenn er in der positiven Arbeit drin steht, seine Illusionen abkühlen müssen, aber der Vorgang als solcher allein ist für uns doch eine Lehre, daß wir mit gutem Glauben allein nichts erreichen, mit den üblichen Schönredereien auf traditionelle Freundschaften aber höchstens das, daß man uns für den guten Michel ansieht, dem man alles bieten darf. Und das schadet in der Politik mehr als wenn wir auch einmal zu erkennen gaben, daß uns gerade nicht sonderlich an jedem Knix von auswärts gelegen ist.
Die durch die Balkankrisis geschaffene Spannung der gesamten europäischen Lage ist zur Zeit auf dem berüchtigten „toten Punkt" angelangt. Es wird zwar viel von einer Entspannung geschrieben, aber womit diese begründet sein soll, weiß eigentlich niemand zu sagen. Doch wohl darin, daß Oesterreich und Rußland die Mobilisierung ihrer gewattigen Heercsmasien aufrecht erhalten. Und so lange das der Fall ist, wird es gut sein, sich nichts oor- zutäuschen, ohne Aengstlichkeit, aber auch mit der Gewißheit, allen Eventualitäten ins Auge schauen zu müssen. Die momentane Kriegslage bildet fast nur noch eine Frage untergeordneter Bedeutung, denn nach der ganzen Lage der Verhältnisse sind größere Ereignisse für die nächste Zeit überhaupt nicht zu erwarten, und wenn sie je noch eintreten sollten, so werden sie an dem Gesamtergebnis dieses Krieges, der Austeilung der europäischen Türkei, nichts mehr ändem. Diese Aufteilung aber wird keine Aktion bilden, die noch lange nach Beendigung des Krieges die Welt in Atem halten wird. Wer hier auf die Loyalität Rußlands rechnet, der mag sich des Schlimmsten versehen, denn Rußlands Politik ist nicht daraus gerichtet, die Balkansrage schön regeln zu helfen, damit die einzelnen Balkanstaaten eine schöne geometrische Einteilung erhalten, sondem darauf, Verhältnisse zu schaffen, daß die Lebenswteressen Oesterreichs möglichst eingeengt sind. Und das zu verhüten, wird nicht nur Oesterreich selber seine ganze Kraft aufbieten müssen, sondern auch Deutschland und Italien werden olles aufzubieten haben, diese Bestrebungen Oesterreichs bis zur äußersten Konsequenz durchZuyalten. Es klingt fast wie eine aeschichtliche Ironie, daß man in diesem Falle aus die Loyalität Englands rechnen muß, und doch wird man am Ende auf dessen vermittelnde Hand angewiesen sein. Bei allen Gegensätzen, die in den letzten Fahren die englisch- deu.sche Politik getreunzeichne! haben, muß anerkannt werden daß die besonnene Haltung Englands schon bisher ein Ueberschäumen des russisch-slawischen Chauvinismus verhindert hat, wenn das auch bei der endgültigen Lösung der Balkansrage der Fall sein wird, dann kann man die Ereignisse in ernster Ruhe an sich herankommen lassen, denn ohne Englands Unterstützung wird Rußland sich nicht zum äußersten Schritt hcrbeilaffen, trotz eines Delcaffö in Petersburg. _
Verschiedenes.
Aussprache deutscher Ortsnamen. In den Mitteilungen des Allg. deutschen Sprachvereins lesen wir: Wie manchen deutschen Ortsnamen hört man doch französisch aussprechen! Kein v ist davor sicher, daß es nicht als w behandelt werde. So sprechen zwar die Hannoveraner ihren Orls- und Landesnamen mit f. die meisten anderen Deutschen aber tun's mit w; der Name ist aber entstellt aus Hohen- ufer. Die Ortsnamen Villach, Veldes, Vollmar, Billtngen, Verden, Birchow (diesen auch als Familiennamen) hört man von den Gebildeten meist mit w, obgleich ihr v genau wie f zu lauten hat. Ueber Kleve und Jever läßt sich vielleicht streiten, doch wäre auch hier die Aussprache mit f mehr deutsch und daher oorzuziehen. Dem oldenburgischen Barel gibt man außer der französischen Aussprache des B sogar den Ton aus die zweite Silbe und macht es zu einem französischen Warell. Ebenso ergeht es dem bekannten Brienz tn in der Schweiz, das ein langes i mit Dehnungs-e hat; der Deutsche aber ändert cs eigenmächtig ab und spricht das Wort zweisilbig mit betontem e, als läge dis Stadt etwa in Welschland, wie Trient. Wo on steht, bringt der Deutsche gern den französischen Nasenlaut an. Pyrmont
und Brilon zu sagen, wie es geschrieben wird, das w> dem Deutschen, der eine höhere Schule besucht hat, nicht tz den Sinn. Französische Aussprache ist nun einmal fein«. Und wenn das ebenfalls in Westfalen liegende Iserlohn, das gerade so gebildet ist wie Brilon, zufällig kein h hätte» so erginge es ihm wohl auch so. Dasselbe Schicksal ersähst des holländische Roermond, was Rurmund bedeutet, d« hier die Rur in die Maas mündet. Endigt aber ein deutscher Name auf ow, so wird er zu einem russischen gestempelt. Rathenow und Ierichow, deren ow nur wie langes o z» sprechen ist, werden wie Menschikoff und Suwaroff ausgesprochen. Ja, der Deutsche muß eben zeigen, daß er fremdsprachlich gebildet ist.
L.-L. Kosaken in Deutschland. Die Kosak« (russ. Kasak. Mehrzahl Kasaki). ursprünglich selbständige Stämme aus slawischen, türkischen und mongolischen Elementen, waren militärisch organisiert und wurden später vo« der russischen Regierung unterworfen, sie stellten im Jahre 1812 allein gegen 90000 Retter. Als die Russen 181» als Verbündete nach Preußen kamen, wurden die bärtige» Steppensöhne kotz des Ungeziefers, das sie mitbrachten. und ihrer unheimlichen Vorliebe für „Wodke" (Schnaps) »» lautem Jubel begrüßt. In der Umgegend von Berlin kam es bereits Ende Februar häufig zu kleinen Gefechten «tt den Kosaken, die dte Franzosen beständig neckten und ihnen bedeutenden Schaden zusügten. Am 23. nahmen ßr bei Pankow zwei Kanonen mit zwei Munttionswagen und machten etwa 30 bis 40 Mann Infanterie zu Gefangene». Die ersten Kosaken, die nach dem Abzug der französische» Besatzung, mit der namentlich in Steglitz noch ein setz hitziges Gefecht stattfand, am 4. März in Berlin einrückte», gehörten zum Koips des Generals Tschernischew. Einer von den Kosaken hatte vor dem Halleschen Tore eine» Franzosen zum Gefangenen gemacht und stieg vom Pferde, um ihm seinen Tornister und was er sonst bei sich hatte, abzunehmen. Während er den Inhalt des Tornisters näher untersuchte, schwang der Gefangene sich behend auf d« Pferd des Kosaken und jagte davon. Dieser schaute ih« lächelnd nach, pfiff nach einer Weile, und nun kehrte das Pferd mit seinem Reiter trotz aller Anstrengungen des Franzosen, es vorwärts zu treiben, zu seinem rechtmäßig» Herrn zurück, der es streichelte und liebkoste. Dann riß der Kosak den erschrockenen Franzosen aus dem Sattel, versetzte ihm einen Säbelhieb und ließ ihn, nachdem er th« noch die Wunde gutmütig verbunden hatte, laufen.
Schmeckt Herrlich.
Kinder, die sich weigern, Lebertran einzunehme», zeigen meist besondere Vorliebe für Scotts Emulsion von Lebertran. Scott Emulsion ist dabei in der Wirkung dem gewöhnlichen Tran bedeutend überlegen, schmeckt rahmig süß und wird sogar von ganz kleinen Kindern leicht vertragen, wenn sie in der Zahnzett oder
bei schwachem Knochenba« eines Kräftigungsmittels bedürfen.
Doch stets nur die echte Scotts Emulsion!
Die Nummer 7 der Wochenschrift „Der Guckkasten" jiett «i« Titelbild von Robert Wellmann „Ein Potträt", das durch seine« Borwurf und durch die aparte Behandlung dieses Vorwurfs besticht: Das ausdrucksvolle Bildnis einer Frau in blauer Robe, die sich ko»- trastficher aus einem AltgolL rahmen abhebt. Stimmungsfein ist G. Holsteins Zeichnung „auf der Karlsbrücke in Prag", farbenwuchtig B. Genzmers Oelstudie „Das Tischgebet". Bon den literarischen Beiträge«, auf die erfreulicherweise mehr und mehr Nachdruck gelegt wird, neune» wir die waldfrische Studie „Winterpoesie" von dem bekannten Wo» derpoeten A. Trinius, die rhythmckisichere Dichtung von F. Schräng- Hammer-Heimdal „Der Mönch", das entziickendschöne Märchen »»« Marx Möller „Cs war einmal": die Groteske „Die drei Frauen de« Gouverneurs" usw. usw. Die aktuellen Beiträge des Guckkasten», die allerlei Ereignisse des Tages kommentieren, erhöhen noch dte Frenke an der Wochenschrift, deren Erscheinen ivir allemal mit Dankbark»» und Genugtuung begrüßen.
Anzeigen,
welche auf den Markt Bezug haben, bitten wir baldmöglichst
MszugeSe«.
Für dte Redaktton verantwortlich: Karl Paur — Druck ». Vortag der G. W. Za is er'schen Buchdruckern (Emil Zaiser.) Nag»lk.