und die übereifrigen Macher der öffentlichen Meinung sind auch bereits wieder am.Werke und berichten von allseitigen Rüstungen zur Fortsetzung des Krieges. Doch möchten wir selbst die Sache nicht jzu tragisch nehmen, denn wenn der­artige Verhandlungen Im allgemeinen schon gepflogen wer- zu feilschen, so gilt das bei dem Charakter der ^WWsthasten, mit denen man es hier zu tun hat, doppelt Mo dreifach. Die Leute sind die geborenen Schacherer, rd wenn man heute den Türken an Forderungen um das Dreifache der einfachen Realitäten überbietet, so kann man sicher damit rechnen, daß er zunächst versuchen wird, seine Partner um das Vierfache zu unterbieten, schon im Stillen berechnend, auf welcher Basis er sich mit ihm wird verstän­digen können. Darauf weist auch schon die Tatsache HM, daß die Pforte die bis zum Aeußerstmaß übertriebenechFor- derungen der Balkanstaaten nicht kurzerhand als unannehm­bar verworfen hat, sondern mit Gegenvorschlägen aufwartet, über die sie eben auch mit sich reden lassen wird. Darauf wird man sich freilich gefaßt machen müssen, daß es ein langwieriges Hin und Her geben wird, das schließlich nur dann zum Ziele führen wird, wenn beide streitende Teile die Vermittlung der Mächte anrufen oder deren Angebot acceptieren. Den Flieden werden die Siloesterglocken jeden­falls noch nicht einläuten und so schließt das Jahr 1912 als Kriege jahr, wie es begonnen hat.

Es war überhaupt ein Jahr schwerer Krisis, und sein Nachfolger wird ihm kaum nachstehen. Mag die schließliche Entscheidung fallen wie sie will, auf jeden Fall hat man mit einem Anwachsen der slavischen Macht zu rechnen, die die übrigen europäischen Völker zur Wachsamkeit mit dem Aufgebot aller vorhandenen Klüfte ermahnt. Mit der Be­endigung des Balkankrieges wird wohl eine europäische Frage vorübergehend gelöst, aber das Balkanproblem als solches, als stets beunruhigendes Element wird fortbestehen. Dazu kommen jetzt wieder die großen o st asiatischen Fragen; die Verwicklungen zwischen Rußland und China einerseits, bei denen Japans Haltung eine hervorragende Rolle spielen wird, und die von neuem drohenden innerpo­litischen Wirrnisse in China andererseits, wo die junge Re­publik nochmals den Kampf mit dem gewaltigen Anhang der alten Dynastie aufnehmen zu müssen scheint. Es sind das freilich Probleme, die uns weniger zu berühren scheinen, aber die Fäden der Weltpolitik greisen eben derart ineinan­der, daß sie auch an ihren Enden verfolgt werden müssen. Und so wird uns auch das neue Jahr manch bedeutsame Aufgabe zu lösen oder wenigstens in ihren Entwicklungen zu verfolgen geben.

Ei« Bild M der smzWche« Arme.

Paris, 30. Dez. ^Die französischen Kriegsgerichte! die früher zu streng waren, zeichnen sich jetzt durch eine nahezu skandalöse Milde aus.

So wurde in Marseille der Adjutant Finidori mit 6 gegen eine Stimme freigesprochen, obschon es klar war, Laß er wahrscheinlich im Dienste von zwei höheren Offizieren Priese gefälscht hat, um die Verurteilung des Hauptmanns Majorel herbeizusühren, der von einem Reservisten Ram- baud beschuldigt wurde, ihn mißhandelt zu haben.

Finidori hatte im Namen des Vaters des Klägers zwei Briefe obgesaßt, die dieser nicht geschrieben haben kann und die offenbar von Finidoris Handschrift waren. Schon im ersten Prozeß, der im Februar stattfand, wurden diese fal­schen Zeugnisse zurückgewiesen und Majorel freigesprochen. Dieser klagte nun gegen den unbekannten Fälscher und so entstand der zweite Prozeß gegen Finidori, der ebenfalls mit einer Freisprechung endigte.

Die Verhandlungen ergaben, wie sehr sich die Politik noch immer in die französische Armee eindrängt. Als Ma­jorel nach dem ersten Prozeß in eine andere Garnison ver­setzt wurde, verbreitete man dort ein Pamphlet unter dem TitelDie Affäre Majorel oder die Freimaurerei in der Armee." Außer Majorel wurden darin die als Radikal- republikaner bekannten Generäle Sarrail und Dubail an­gegriffen. Oberst Conquet galt als Gegner Majorels und

wurde als Zeuge berufen. Auf die Frage, ob es politische Zerwürfnisse in seinem Regiment gegeben habe, sagte er: Wir wurden von der Politik vergiftet wie so viele andere Truppenkörper. Das Eindringen der Politik in die Armee dauert fort und beeinträchtigt die Disziplin."

Einer der Schristexperten, Archivist Busquet, der an die Schuld Finidoris glaubt, trug dennoch ein Wort zur Verteidigung bei, das nur zu sehr an das Wort von der potriot.schcn Fälschung im Dieysusprozeß erinnert. Er sagte nämlich, es liegt eine ungeschickte Fälschung vor, die man gew ssermaßen die Fälschung eines ehrlichen Mannes nennen könne. Die Freisprechung wurde auch von dem anwesen­den Publikum mit Beifall ausgenommen.

Zm Titre m« Merlei-WWers.

r Stuttgart, 31. Dez. In dem Nachruf, den die Frankfurter Zeitung dem Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter widmet, werden auch die Gerüchte besprochen, weshalb Herr v Kiderlen seinerzeit beim Kaiser in Ungnade fiel. Das Blatt schreibt:Warum Wilhelm II. dem überall so beliebten Geh. Legalionsrat v. Kiderlen. der in der Caprivizeit lange Jahre als Vertreter des Auswärtigen Amtes fein Reise­begleiter gewesen war, grollte, und weshalb dieser Kiderlen daher so lange in Bukarest gewissermaßen wie in einer Ber- bonnung sitzen mußte, das ist nicht vielen bekannt. Wir wissen es von dem jetzt Verstorbenen selbst. Er hatte als R-sebegleiler dem Staatssekretär v. Marschall neben den amtlichen Berichten auch zuweilen, wie das allgemein üblich ist, Privatbriese geschrieben, Briefe, in die der Humor, der zu Ktderlens Wesen gehörte, zuweilen hineinspielte, aber niemals, so hat er uns noch vor einigen Jahren versichert, irgend etwas, was den Respekt vor dem Kaiser in Wahrheit hatte vermissen lassen. Einzelne dieser Briese sind offenbar in der Zeit, als Marschall erkrankte und aus dem Amte schied, oder kurz nachher dem Kaiser in die Hände gespielt worden. Bon wem? das ist die Frage, die Kiderlen zu­weiten mit einzelnen Vertrauten klug und scharfsinnig be­sprochen hat und auf die wir nicht weiter eingehcn wollen. Der Kaiser mag den Eindruck gehabt haben, daß die eine oder andere Wendung dieser Briese so etwas wie spöttisch sei. Er hat Kiderlen wohl für undankbar gehalten, und daher die lange Verstimmung. Durch Kiderlens Ernennung zum Staatesekrelär hat der Kaiser gezeigt, daß er vor sach­lichen Notwendigkeiten die persönliche Stimmung znrück- treten läßt.

r Stuttgart, 1 . Jan. (Der Vertreter des Kaiser- paores.) Der morgen mittag 2/^2 Uhr mit dem Nürn­berger Schnellzug von seinem Schloß Hohenfinow zur Bei­setzung des Staatssekretärs v. Kiderlen-Wächter h er ein­treffende Reichskanzler v. Betbmonn Hollweg wird im Nomen des Kaisers und der Kaiserin dem verstorbenen Staatsmann die letzte Ehre erweisen.

r Stuttgart, 1 . Jan. Der italienische Minister des Aeuß- ern, Marquis di San Giuliano, hat einen Kranz am Sargs des Staatssekretärs v. Kiderlen-Wächter niederlegen lassen.

r Tübingen, 31. Dez. Gegenüber der Bemerkung in einem großen Blatt, das in einem Nekrolog aus den verstorbenen Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter u. a. sagt, der Etaatssek'etär habe hin und wiederAnfälle korps­studentischer Manieren" gehabt, sei hier bemerkt, daß v. Kiderlen-Wächter niemals Korpsstudent war, vielmehr während seiner Tübinger Studentenzeit 1872/76 Aktiver der VerbindungNormannia" gewesen ist.

München, 31. Dez. Zu dem Ableben des Staats­sekretärs v. Kiderlen wird noch bekannt, er habe drei Tage vor Weihnachten im Hotel Continental in München gewohnt. Schon hier sei er von starkem Schwindel ergriffen worden, so daß er wiederholt einen Arzt konsultieren mußte. Er habe sich so wenig wohl befunden, daß er gar nicht nach Stuttgart fahren wollte. Er selbst führte sein Unwohlsein auf eine Art Rheumatismus der Herzmuskulatur zurück.

r Berlin, 1 . Jan. Der Italienische Botschafter Pansa reiste heute abend zur Teilnahme an der Beisetzung des Staatssekretärs v. Kiderlen-Wächter nach Stuttgart ab.

30- Dez. Der Reichsklanzler, der die Feier- 2 Hohen-Finow zugebracht hat hat

^ ^ Nachricht vom Tode des Staatssekretärs leine Herkunft nach Berlin angekündigt. Er wird heute nack- mlllag hier erwartet. Da der Kaiser zurzeit i»

"" n ^Nte die Ernennung des Nachfolgers chneller

leine E°,nn es sonst wohl der Fall wäre. Ueber

seine Person sind Urzeit nur Vermutungen möglich.

Petersburg. 31 . Jezbr. Die offiziöseRosste«

^nen Leiiattik!l Äe^n Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter ^erlartikel. Sie n-jnt, Deutschland habe den Verlust

klagm^ hervorragendsten Vertreter der Diplomatie zu be- ?nmvatk!lck?Nnckr,tt^M^Ä/ Kiderlen-Wächter sehr

desVLK sL A

unterbiet gewesen und habe ein hohe. Maß von Charakter

tz-,r Mi, dipkm-«,ch-i S-lbNd, 7 ,?L?»

m-d !°!n Li,°-l°nd °-,o,,Ich durch die L LL. naler Leidenschaften gesteuert, ohne Aufopferung seiner Ebre r Madrid, 31. Dez. Der Minister des Aeußern Garzia Prieto, begab sich gestern abend zur deutschen Bot­schaft. um seinem Beileid aus Anlaß des Hinscheidens des Staatssekretärs s. Kiderlen-Wächter Ausdruck zu geben.

r Sofia, ZI. Dez. Ministerpräsident Geschow hat den bulgarischen Gesandten in Berlin beauftragt, das Bei­leid der bulgarishen Regierung aus Anlaß des vorzeitigen Hinscheidens der Staatssekretärs v. Kiderlen-Wächter aus­zudrücken.

r Birkarq?, 31. Dez. Sämtliche Tagesblätter widmen dem verstorbenn Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter ehren­volle Nackrufi Dis offiziösePoliiika" sagt u. a.: Der plötzliche Todo. Kiderlen-Wäckters ist für Deutschland ein schwerer Derbst, gerade in dem Augenblick, wo das Land seine ganze Erfahrung braucht. Er war nicht nur einer der lüften Äplomaten Deutschlands, sondein ganz Europas. In Rumänen hinterläßt er das beste Andenken. Er war ein guterKetttier des Landes und der Sitten. Aehnlich spricht si- auch die offiziöseIndepedence" aus.

Der wackere Schwabe.

Brün, 31. Dez. Der Tod des Leiters der aus­wärtiger Politik beraubt Deutschland in ernsten Zeiten eines Mann-, wie es wenige zum Ersatz geben dürfte. Herr v. Kiderlen-Wächter war ein treuer und biederer Schwe be, b i dem sich unerschütterliche Ruhe und Siche:heit mit furcht­loser Tapferkeit paarte. Er war ein Monn von festen Grvudanschauungen, der über die Dinge gründlich ^ - dach hatte und sie mit einer gewissen Zurückha hllüorile. Der goldene Humor de« Süddeutsche ihn üie, ihn, der wohl selten im Verkehr Gemüt nachpb oder sie äußerte und der doch mit seinem ganzen Wesn in dem gemütsstarken Süddeutschen wurzelte.

Ein untersetzter, knorriger Mann, mit einer für seine Gestüt und Erscheinung viel zu knarrigen und bärbeißigen Sliimie, mit einer hellfarbigen und schwarzumrandeten Wche und der mächtigen allen Hornbrille, erschien er zum erstar Male im Reichstage, den er seltsamerweise vorher nie betreten hatte, gerade an einem Tage der ernsten No- veiberdebalte 1908, als das Haus müde und abgespannt wer und den zur Verteidigung einer verlorenen Sache vor- gejchickten Bukarester Gesandten mit Hohnlachen ablat. Er hat auch später nicht viel gesprochen. Aber, was er s«1e, das saß und hatte seine Wirkung, und gern haben ihn die Bolksboten zugestanden, daß sein erstes Auftreten durch seine späteren Taten längst in Vergessenheit geraten

mm. . . ^ ^

Er war ein Mann der eigenen Arbeit. Niemand oder wenige zog er ins Vertrauen. Ganz große Interessengebiete in der auswärtigen Politik, wie zum ^Beispiel der ferne Osten, bekümmerten ihn wenig Aber wenn sie ihn einmal plötzlich interessierten, dann geschah es mit einer Intensität und Arbeitsfrische, einer Starknervigkeit und eisernen

von hoher Warte zu uns herunter und erinnerte uns in seiner stummen, aber deutlichen Sprache an den, in dessen Namen auch wir hinauszogen. Nun gings in rasender Ge­schwindigkeit dem Tessin entlang über Bellinzona, Taverne, dem wunderschönen Lugano zu, mit seinen großartigen Häusern und Schlössern prächtig am tiefblauen Luganosee gelegen und bald waren wir in Chiasso, das uns durch die Zollrevision in steter Erinnerung bleiben wird. Nach kurzer Strecke kamen wir nach Mailand, der Magen knurrte, aber wir hatten nur einige Minuten Zeit gerade umzusteigen, all­mählich brach die Dämmerung herein, und um ^9 Uhr waren wir in Genua. Die Freude war groß unser Reise­ziel für diesen Tag erreicht zu haben. Dom Hospitz Zelter, wo wir freundliche Unterkunft fanden, genoffen wir einen schönen Blick auf den Hafen, der gerade vor uns war.

Nachdem wir Gott gemeinsam gedankt für die freund­liche Darchhilfe, und im Geist an unsre Lieben daheim ge­dacht hatten, legten wir uns zur Ruhe, denn wir alle waren ermüdet. Der nächste Tag brachte uns Gelegenheit, die Stadt selbst ein wenig anzusehen. Aus dem blauen Meere und dem weiten, mit Schiffen aller Größe bedeckten Hafen, erhebt sich amphitheatralisch die stolze Stadt mit ihren zahl­reichen Palästen und Landhäusern. Ein Kranz hoher Berge »mrahmt die Stadt. Wir besichtigten die Ende jdes 16. Jahrhunderts erbaute Kirche St. Annunciata und die Kathe­drale St. Lorenzo in denen sich eine große Pracht entfaltet. Der Camposanto (Friedhof) mit seinen zahlreichen, impo­santen und wirklich sinnreich dargestellten Grabdenkmälern ist hoch interessant..

Am Donnerstag, den 3. Okt. verließ unser Dampfer Porck" unter den Klängen der Musik Genua. Mir fiel das Lied ein, das unsere Kinder daheim in der Volks­schule singen und im Stillen sang ich es mit einer kleinen Abänderung:

Wenn ich den Wandrer frage wo gehst du hin?

Nach Indien, nach Indien, spricht er und freut sich sehr."

Nochmal schauten wir zurück aus die unfern Augen immer ferner rückende Stadt und mit Freudigkeit vorwärts, denn wir kamen ja unserem Ziele näher. Die Fahrt ging an all den berühmten Orten und Bergen der östlichen Riviera vorbei. Auf der einen Seile bekamen wir die Insel Gorgana zu Gesicht, aus der andern erblickten wir die Häuser von Livorno. Weiter rechts tauchte die kleine Insel Caproja aus und noch weiter das Gebirge Corstca. Dann passierte der Dampfer die enge Durchfahrt zwischen der großen, hügel- reichen, vielgegliederten Insel Elba und dem Festlande. Vorbei gings an verschiedenen andern Inselgruppen und Vorgebirgen, bis endlich die Insel Ischia vor unsem Augen war. Uns am nächsten lag die Stadt Ischia be­schützt von dem auf einsamen Felsen im Meer stehenden malerischen Castello. Hinter demselben tauchte zu unserer Rechten die Intel Capri, zu unserer Linken Procida aus. Und nun erscheint die einzig schöne Bucht von Neapel in ihrem ganzen Umkreis. Im Hintergründe der Bucht sehen wir bas Häusermeer von Neapel, weiter nach rechts den zweiglpseligen Vesuv an dessen Fuß zahlreiche Ortschaften gebettet sind. Am Freitag den 4. OKI. gegeu 12 Uhr mit­tags landeten wir in Neapel. Da unserPorck" erst 12

Uhr nachts weiterging, benützten wir die Gelegenheit uns Neapel ein wenig anzusehen. Um einen Gesamteckdruck von der Stadt zu gewinnen, ließen wir »ns in einem Wagen durch einige der Hauptstraßen Neapels führen. Auch die mehr orientalische Lebensweise der Einwohner Junten wir beim Vorüberfahren näher betrachten. Forts, folgt.

Nrujahr 1913.

Gedicht von Frida Schanz.

Mch»,. w,e »ich, Zn>ö! - R<. -- h->

Deutschlands große, kettenzerreißende Zahl!

Dreizehn, das Jahr mit den heil'gen Ercknerungstagen.

Die gewaltige Dreizehn aus Blut und Stahl;

Heldengeister blitzten uns an. Mit stillen Zügen Traaen Frauen Lilien durch Brand und Glut.

Wenn alle Uhren statt Zwölf doch heut Dreizehn schlüg . Zum Gedächtnis fließendem Ahnenblut!

Dreizehn! Wecke noch einmal die großen teuern Namen auf! Sing' von zertretener Schmach i Stellt die Neujabrsfackeln zu lodernden Feuern Heut zusammen! Denket der Dreizehn nach!

Welternst, berghoch, lasset ihr Denkmal ragen!