Tages Neuigkeiten.
— Im Kgl Hoftheater ist am Mittwoch machtS '/sll Uhr auf bisher unaufgeklärte Weise in einem Holzstall an dem aufgeschichteten Holze ein Brand ausgekommen, der von einigen zufällig an der Schloßgartenseite vorübergehenden Herren entdeckt und dann vom Portier und Hausverwalter des Theaters rasch gelöscht wurde. Durch die Lage des Holzstalles, über dem sich ein Garderobemagazin befindet, drohte — bei späterer Entdeckung des.Feuers — ein unübersehbares Unglück. Ueber die Ursache des Brandes ist die Untersuchung im Gange.
— Die Influenza verläßt selten einen Ort, solange nicht ein Prozentsatz von etwa 60 von ihr heimgcsucht ist, und keine Stadt und auch nicht das kleinste Dorf soll, wie es scheint, verschont bleiben. Man liest heute deren Auftreten in Nagold, Marbach, Bietigheim, Biberach, Reutlingen, Weingarten, Waldsee.
Untertürkheim, 8. Jan. Gestern abend nach 9 Uhr verübten drei auswärtige junge Burschen im Alter von etwa 18 Jahren bei ihrem Gang durch den .Ort verschiedenen Unfug. In der Eannstatter Straße warfen sie ein Schaufenster ein, allein sie wurden rasch verfolgt und es gelang, einen der mutwilligen Gesellen zu erwischen. Nachdem er für den Schaden Ersatz geleistet hatte, durfte er seinen Gefährten Nacheilen, um ihnen über die ihm auferlegte, „Buße" Mitteilung zu machen.
Heilbronn, 10. Januar. Im städtischen Krankenhause befinden sich heute 185 Kranke, worunter 125 Jnfluenzakranke. Die Epidemie ist in hiesiger Stadt immer noch im Zunehmen begriffen und wird beinahe ein Drittel der Gesamteinwohnerschaft von derselben befallen sein. Infolge zahlreicher Erkrankung des städtischen Beamtenpersonals an der Influenza kann der laufende Dienst nur . noch mühsam besorgt werden.
Geislingen, 8. Jan. Auch hier ist die Influenza stark aufgetreten, das Krankenhaus ist überfüllt, eine Mädchenklasse mußte, da Lehrer und Schülerinnen in starker Anzahl erkrankten, bis auf weiteres geschlossen werden. Fast in jedem Hause lliegt ein Kranker.
Crailsheim, 9. Jan. Gestern hat ein Stromer, der hier auf dem K. Oberamt in Untersuchung stand, den Untersuchungsbeamten Assistenten Schüler überfallen und ihm drei Messerstiche in den Unterleib beigebracht; die Kleidung des Verletzten hielt die Wuchtigkeit und das tiefere Eindringen des Messers ab und schwächte die Gefahr. Der Verbrecher wurde dem Gerichte übergeben.
Oberlennningen, 7. Jan. Als Seltenheit verdient erwähnt zu werden, daß gegenwärtig ein früher Kirschbaum des Bauern G. D. -dahier eine Menge Blüten trägt. Die milde Witterung der lletzten Zeit, wo auf der Höhe eine wärmere Temperatur als im Thale bemerklich war, hat den Baum zur vorzeitigen Entwicklung gebracht.
Ulm, 9. Jan. In einem hiesigen Hotel logierte vor einigen Tagen ein junger Kaufmann unter falschem Namen, wie sich später herausstellte. Derselbe suchte unter Zurücklassung seiner Zeche zu verduften, wurde aber aus dem hiesigen Bahnhose kurz.vor Abgang des Zuges, zu welchem er bereits eine Fahrkarte
besaß, durch einen Schutzmann sestgenommen. Der Verhaftete war unter seinem richtigen Namen steckbrieflich verfolgt.
Biberach, 8. Jan. Gestern wurde einem Bauern in Ahlen aus seinem Schlafzimmer von zwei Stromern seine silberne Cyllnderuhr mit silberner Kette gestohlen. Die sofort bei der hiesigen Landjägermannschaft erstattete Anzeige hatte die Folge, daß die beiden Diebe heute früh in einer hiesigen Wirtschaft verhaftet wurden.
Biberach, 9. Januar. Die Influenza ist immer noch im Wachsen. In den Schulen ist das Umsichgreifen der Epidemie am meisten fühlbar, heute fehlten z. B. in den katholischen Schulen von 600 Kindern 208, gestern 180, am Dienstag 150. Auffallend ist, daß die jüngeren Klassen bis jetzt viel mehr verschont blieben, es fehlen dort nur 8—10, während in den höheren Klassen bis zu 40 in einer Schule fehlen.
Nußdorf, 10. Jan. Bei den Dienstag und Mittwoch stattgehabten Treibjagden auf hiesiger Gemeindemarkung (Pächter Herr von Reischach) wurden 218 Hasen und zwei Rehböcke erlegt.
Saulgau, 8. Jan. Aus St- Gallen traf die Nachricht ein, daß der 28 Jahre alte Sohn des Josef Müller, Taglühner hier, welcher in St. Fiden im Dienst ist, beim Kiesführen verunglückt ist. Der Verunglückte wollte sich während dem Fahren auf die leere Truhe setzen, diese kippte um und fiel auf den jungen Mann, wodurch derselbe so schwere Verletzungen erlitt, daß er andern Tags nach schweren Leiden verschieden ist.
Waldsee, 5. Jan. Heute morgen fand man ein 29 Jahre altes Mädchen in der Wohnung ihres alten Vaters mit durchschnittenem Halse tot auf. Dasselbe hatte, den Vorgefundenen Blutspuren nach, zuerst in der Wohnstube auf dem Sopha sich eine Schnittwunde mit dem Rasiermesser beigebracht. Wahrscheinlich fühlte sie sich hier nicht sicher genug. Sw begab sich in den Hausgang, wo der Schnitt erneuert wurde und die Unglückliche verblutete. Seit mehreren Tagen hat man eine tiefe Schwermut an dem Mädchen bemerkt und soll nromentane Geistesstörung vermutet werden.
Ravensburg, 7. Jan. Ein nicht unbemittelter Bettler wurde am letzten Sonntag in Nieber- dingen von einem hiesigen. Landjäger verhaftet. Bei der Durchsuchung des Bettlers stellte "es sich heraus, daß derselbe 807 Mark 89 Pfennige in Gold und Silber, Nickel- und Kupfermünzen bei sich hatte. Diese Summe will der Bettler im Lause einiger Jahre zusammengebettelt haben.
Krauchen wies, 6. Jan. Am Ablachflusse auf hieß Gemarkung sind letzter Tage Staaren beobachtet worden, die an den Uferböschungen ihre Nahrung suchten. — Gestern wurde im Oberried im Andelsbachflusse ein von einem Jagdhunde verfolgtes, angeschossenes Reh aufgefangen und der hiesigen Forstverwaltung übergeben.
Morzweiler, 7. Jan. In der vergangenen Nacht spielte sich eine wirkliche Schlacht zwischen sieben französischen Schmugglern und zwei deutschen Grenzaufsehern ab. Die Schmuggler waren mit Aexten bewaffnet und rückten den Beamten zu Leibe. Der Sieg blieb zwar den Grenzaufsehern, aber die Schmugg
ler konnten sich doch retten und die nahe Grenze gewinnen. Einige sollen aber etwas hart mitgenommen worden sein; jedenfalls ist ihnen für einige Zeit die Lust ausgetrieben, solche Touren zu unternehmen.
Basel, 8. Jan. Eine fatale Ueberraschung wurde dem Chef eines hiesigen Weißwaren-Export- Engrosgeschäfts in Basel zu teil. Als derselbe von einem längeren Geschäftsgänge znrückkehrte, fand er seinen Buchhalter, welcher im Besitz eines Schlüssels zur Kasse war, damit beschäftigt, die Figuren aus einem Hundertmarkschein herauszuschneiden, während Papierschnitzel von Fünf- Zwanzig und Hundertmarkscheinen am Boden zerstreut herumlagen. Der entsetzte Geschäftsinhaber stellte den Buchhalter, den 23- jährigen Sohn eines im Zentruni der Stadt wohnenden Beamten, darüber zur Rede, erhielt von demselben jedoch derart verworrene Antworten, daß er sofort erkannte, daß er es mit einem Wahnsinnigen zu thun habe. Der schleunigst gerufene Arzt konstatierte eine plötzliche Geistesstörung. Von den zerschnittenen Banknoten gelang es einen großen Teil wieder zusammenzusetzen, während der Rest der Scheine im Betrage von 200 ^ verloren ist.
Temesvar, 5. Jan. In der Temesvarer Kathedrale wurde am Sonntag gegen 10 Uhr, als die Gläubigen nach der Messe bereits im Auseinandergehen begriffen waren, plötzlich ein Schuß vernommen. Im Publikum entstand eine fürchterliche Panik; zunächst dachte man an eine Explosion, im nächsten Moment erblickte man jedoch einen jungen Mann, der an einem Nebenaltar tot niedergesunken war und einen Revolver in der Hand hielt, mit dem er seinem Leben ein Ende gemacht hatte. Derselbe, ein Färber Namens Andreas Baum, der seit längerer Zeit beschäftigungslos war, beging die Verzweiflungsthat wegen seiner bedrängten materiellen Lage. Die Kathedrale, wurde sofort geschlossen und wird nur nach erfolgter Neueinweihuug ihrer Bestimmung wiederge- gegeben werden.
Eine kleine Namenstudie im neuen Berliner Adreßbuch hat, wie dortige Blätter schreiben, seltsame Ergebnisse gebracht. Mit einer gewissen Beruhigung wird inan hören, daß es trotz aller Vorkommnisse der letzten Zett nur 1 „Mörder" hier giebt, für den gleich 3 „Kerker" vorhanden sind. Ueber den „Schwindel", der zweimal vorkommt, können etwa 1000 „Richter" aburteilen. Unter den Tierarten, für die 150 „Jäger" bestellt sind, finden sich ungefähr 1000 „Wölfe", nicht weniger „Füchse" und 13 „Hasen", 16 „Störche" Hausen in einem „Storchnest". In 2 „Sümpfen" fristen 12 „Frösche" ihr Dasein. Trotz des Winters sind uns noch 22 „Schwalben" geblieben. Für Fische ist hier reichlich gesorgt, wir erwähnen hier nur 100 „Hechte" 32 „Schleie", 117 „Zander". Auch unsere Haustiere sind häufig anzutreffen. Die „Katz" ist 57, die „Ziege" 18 Mal vertreten; dazu flattern 22 „Tauben" herum und bellen 2 „Hunoe". In dem intelligenten Berlin giebt es kein einziges „Schaf", dafür auch nur 3 Personen, die sich „Mensch" nennen dürfen. In der That, eine merkwürdige Statistik!
Richter: „Sie geben an, erst von Influenza genesen zu sein, wie haben sie sich couriert?"
Stromer (die Bewegung des Trinkens nachahmend): „Durch Gegengift."
„Da die Sachen so stehen, mußt Du es unbedingt noch heute dein Onkel sagen" — entschied Eugen — „die Großmutter ahnt bereits etwas dergleichen — «in ou ält ist bis zu ihr gedrungen."
„Desto bester" — rief Harald, sich auftichtend, — „Im Allgemeinen bin ich ja selbstständig und freier Herr meines Thuns."
„Ja — und Jeder ist seines Glückes Schmied" — kam es von oben, und die überrascht aufblickenden Brüder gewahrten das Antlitz der Großmutter, welches -sich über die Ballujtrade bog.
Hatte die alle Dame ihr Gespräch vernommen? Es war ziemlich erregten Tones geführt worden — oder nur den letzten Teil desselben?
Harald nahm das Erftere an. In zwei Sprüngen war er die Terrasse emporgeeilt und an der Seite der Gräfin.
„Geliebte Großmama, hörten Sie, um was es sich handelte? . . . Werden Sie meiner Isolde einen Teil jener Güte weihen, die Sie mir stets angedeihen ließen ?"
Die alte Dame hatte sich wieder in ihr Rohrfouteuil niedergelassen. Sie fühlte sich tiefer erregt, als sie zeigte, obgleich Harald s Eröffnung ihr nicht unerwartet kam. An eine Heirat hatte sie freilich nicht gedacht.
Da Graf Hartwig sich vor einer geraumen Weile schon entfernt hatte, ihr Sohn ihm das Geleite gab und Demoiselle Noir im Innern des Schlosses beschäftigt war, wurde sie zur unfreiwilligen Teilnehmerin des Gesprächs der Brüder. Ne hatte auch Zeit gefunden, die Seelenklarheit, welche ihrem Körper so herrliche Spannkraft verlieh, beinahe zurückzugewinnen, ehe sie ihre Anwesenheit kundgab.
Gleich Eugen fühlte auch sie durch Harald'« Mitteilung Edith als Mittelpunkt ihrer Sorgen und ihrer Teilnahme hervorgehoben. Sie beschloß, in dieser Stunde schon da, junge Mädchen weder durch Miene noch durch Wort ahnen zu lasten, welch tiefen Blick sie in dessen Inneres gethan. Sie kannte das stolze Herz »hrer Enkelin, aber sie unterschätzte den Umfang ihrer Leidenschaft und hielt dieselbe nicht unabhängig von kindischer Laune.
Daß Harald mit dem Gedanken umging, dem bürgerlichen Mädchen seinen Namen zu geben, gefiel der alten Dame, doch leitete sie diesen Entschluß, bei der Kenntnis seines Karakters, mehr auf eine vorübergehende Stimmung, als auf gediegene Grundsätze hin, und wollte nicht recht an den Ernst seiner Versicherungen glauben.
„Wir sind an Ueberraschungen Deinerseits gewöhnt, Harald" — sagte sie sanft. — „Ich möchte Dir nur raten, wohl zu prüfen, ehe Du Dich auf immer bindest. Gut Ding will Weile haben. Es wäre traurig, wenn Du zu spät ein- sehen würdest. Du habest Dich geint."
„Nein, Großmutter, glauben Sie diesmal an den Ernst meines Willens. Indem Isolde mein Weib wird, schließe ich ab mit der Vergangenheit."
„Mir komme nicht mit solchen Phrasen, noch weniger mit der plötzlich aufgetauchten Braut obskurer Herkunft" — ertönte die zürnende Stimme des Familienoberhauptes.
Er war hastigen Schrittes eingetreten. Edith folgte ihm, bleich und zitternd.
Graf Karl von der Tann ähnelte in Haltung und Antlitz seinen beiden Neffen. Allen gemein war der edle, etwas in die Länge gezogene Gesichtsschnitt, die hohe Gestalt. Im Beginn der Fünfzig trug Graf Karl einen wohlgepflegten graumelierten Vollbark. Sein Haar erwies sich an den Schläfen und auf der Mitte des Kopfes ein wenig gelichtet.
Als sein Lieblingswunsch, die militärische Laufbahn vereitelt wurde, widmete sich Graf von der Tann den medizinischen Studien. Er hielt sich durch den ihm eigenen Hang zu Grübeleien zu einem Mann der Wissenschaft prädestiniert, allein seine Stellung als Gutsherr trat mit anderen Forderungen an ihn heran und er mußte, nachdem er den Doktorgrad erreicht hatte, seinem Lieblingsstudium fern stehen, um seinen Standespflichten zu leben. Diese erforderten von ihm in erster Reihe den Aufenthalt auf seinen Besitzungen.
(Fortsetzung folgt.)