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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebuhr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 P^g.

Samstag, den 11. Januar 1890.

AbonnementSpreis vierteljährlich in der Stadt 90 Pfg. und 20 Pfa. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

An die Ortsbehörden.

Nachdem Seine Königliche Majestät angeordnet haben, daß in Folge des Hingangs Ihrer Majestät der verwittweten Kaiserin Augusta, Königin von Preußen, an den Tagen des Tods und der Beisetzung jede öffentliche Lustbar­keit und Musik mit Ausnahme des Orgelspiels in den Kirchen zu unterbleiben habe, so werden die Ortsbehörden von dieser Allerhöchsten Anordnung hiemit benachrichtigt mit der Weisung, die Einhaltung derselben zu überwachen.

Calw, den 9. Januar 1890.

K. Oberamt.

Supper.

Amtliche Kekanntmachimg

betreffend die Wahl non Mitgliedern der Handels- und Gewerbekammer in Calw.

Die Neuwahl von Mitgliedern der Handels­und Gewerbekammer in Calw ist sür den Abstimm- ungs- und Oberamtsbezirk Calw auf Montag, den 2V. Januar d. I., festgesetzt. Die Wahlhandlung findet auf dem Rathaus zu Calw statt, beginnt nach­mittags 2'/- Uhr und wird um 4 Uhr geschlossen.

Als Wahlvorsteher fungirt Amtmann Bertsch, zu Beisitzern sind Kaufmann CH. I. Kraushaar und Fabrikant G. Wagner von Calw bestimmt.

Auszutreten haben aus der Handels- und Ge­

werbekammer auf Grund von Art. 20. Abs. 2. des Ges. vom 4. Juli 1874:

1) Gustav Wagner ssu., Fabrikant in Calw,

2) Ferd. Schmidt, Fabrikant in Neuenbürg,

3) E. L. Wagner, Sägewerksbesitzer in Ernstmühl.

Gestorben ist: Jul. Staelin, Geh. Commerzien-

rath in Calw.

Ausgetreten: Carl Klemm, Kaufmann in Herren­berg.

Diese 5 Mitglieder sind durch Neuwahl auf je 6 Jahre zu ersetzen.

Die auf Grund von Art. 20. Abs. 2. Ausge­tretenen sind wieder wählbar.

Aus der Kammer scheiden ferner gemäß Art. 21. Abs. 2. des cit. Ges. aus die cooptirten Mit­glieder :

Louis Leo, Fabrikant in Höfen.

Julius Stöffler, Fabrikant in Herrenberg.

Im übrigen wird unter Hinweis auf die Be­stimmungen des Gesetzes vom 4. Juli 1874 und der Minist.-Verf. vom 12. Nov. 1884 (Negbl. S. 193 und 233) noch ausdrücklich hervorgehoben, daß das Wahlrecht von den in der Wählerliste verzeichneten Wählern in Person durch verdeckte, in eine Wahlurne niederzulegende Stimmzettel ohne Unterschrift ausge­übt wird, das; die Stimmzettel von weißem Papier sein müssen und mit keinem äußern Kennzeichen ver­sehen sein dürfen.

Calw, den 10. Januar 1890.

K. Oberamt.

Supper.

Deutsches Reich.

Ueber das Hinscheiden der Kaiserin Augusta bringen sämtliche und auch die auswärtigen Blätter tiefempfundene, sympatische Nachrufe. DerNeichsanzeiger" bringt einen Bericht über die letzten Stunden der verstorbenen Kaiserin: Danach trat die ungünstige Wendung der Krankheit Montag Abend ein. Dienstag früh nach 4 Uhr er­kannte die dahingeschiedene Kaiserin mit den Worten das gute Kind" die Großherzogin von Baden. Sie fragte nach der Stunde und sprach den Wunsch aus, daß der Großherzog von Baden, welcher sich bereits im Nebenzimmer befand, sich schonen und nicht auch aufstehen möge. Die Kaiserin schien sich zwar sehr krank zu fühlen, aber von dem bedenk­lichen Charakter ihres Zustandes keine Vorstellung zu haben. Als sie jedoch von der Anwesenheit des Oberhofpredigers vr. Kögel Kenntnis erhielt, ließ sie denselben hereinkommen und folgte den von diesem gesprochenen Gebeten mit Bewußtsein. Als Kaiseriu Augusta später den Kaiser noch einmal hatte rufen lassen, sagte sie:Ich darf Dich heute nicht küssen, der Ansteckung wegen." Gegen 8 Uhr befahl sie ihren Kabinetsrat zu sich und fragte ihn:Glauben Sie, daß ich morgen wieder mit ihnen arbeiten kann?" Auch nach 10 Uhr war anscheinend das Bewußtsein der hohen Kranken vollkommen vorhanden, doch ver­hinderte große Schwäche dieselbe am Sprechen; in­dessen gab die Kaiserin immer durch einen Blick oder ein Wort zu verstehen, daß sie die von der Groß­herzogin von Baden gestellten Fragen verstanden habe. Auch sagte sie zu dem betenden I)r. Kögel:danke!" undlebe wohl!" Allmählich begannen die Abend­schatten tiefer in das Gemach zu fallen, in welchem auf einem einfachen schmalen Lager gebettet, die ster­bende Kaiserin ruhte. Die rechte Hand lag in der der Tochter, welche an deren allmählichem Erkalten das Entfliehen des geliebten Lebens mit ängstlicher

Jeuitleton. N°ch»-u--nb°.-n.

Welch dem Sturme.

Novelle von C. Vollbrecht.

(Fortsetzung.)

Zu ihrer Linken senkte sich die rasenbewachsene Anlehne ins Thal hinab. Gaukelnde Schmetterlinge, beuteschwere Bienen, Weißlinge und flüchtige Libellen schwirrten über dem, dem Schnitt entgegengehenden Wiesenwuchs. Jenseits der Straße, die im Thale sich hinzog, schimmerte der Strom in gleißenden Windungen.

Edith nahm auf einer der tannenen Ruhebänke Platz, welche der Förster an besonders schönen Aussichtspunkten angebracht hatte und ergötzte sich an dem leb­haften Treiben auf demselben.

Unweit des Herrenhauses, besten Dach aus mächtigen Laubkronen lugte, stieß bei der Ueberfuhr eben die Fähre ab. Es waren herrschaftliche Wagen, die darauf standen, wie Edith erkannte und, wie sie vermutete, Getreide nach der nächsten Stadt fuhren. Marktweiber standen daneben. Im Sonnenschein schimmerten die rvechen Tücher, welche sie über ihre Körbe gespannt hatten.

Rasselndes, klapperndes Geräusch, vom Echo des ThaleS veroielfälttgt, störte, schnell sich verstärkend, die mittägliche Sülle. Weit oberhalb des Flusses, wo der­selbe sich um eine steile Felsenspitze wand, stieg eine schwarze, sich nähernd« Rauch­säule auf. Es war der Kettendckmpfer, der eine Reihe beladener Zillen vorwärts bugsierte. Nahe dem Ufer schwamm ein ungeheures Floß. Kaum schien es sich von der Stelle zu bewegen. Schiffer in Hemdärmeln stiegen darauf herum. Der kräu­selnde Dampf, welcher dem Schornstein de» Häuschen» entstieg, daS es trug, ver­riet, daß man darin das Mittagsmahl koche. Pfeilschnell schoß ein nur von einem einzigen Ruderer gelenkter kleinerSeelentränker" von einem Ufer zum andern.

»

Edith mußte für einm Augenblick die Augen schließen.

DaS grelle Licht blendete sie. Der schrille Pfiff de» am jenseitigen Ufer ent­lang brausenden Schnellzuges lenkte ihre Gedanken in andere Bahnen. Dort drüben, hinter dem Gebirge, lag Rudolssburg. Daher mußte Harald heute kommen. Manch­mal auch benutzte er den Train, der unweit des Ufers eine Haltestelle hatte.

ES war lange her schon mehr als eine Woche, daß er Tannrode nicht ausgesucht hatte . . .Dienstespflichten," dachte Edith und dabei umspielte das holde Lächeln ihre Lippen, welches niemals ausblieb, wenn der Gedanke an Harald ihre Seel« erfüllte.

Sie liebte ihn und dachte, er werde einst ihr Gatte werden. Hatte der Onkel doch in manch leiser Neckerei schon solches angedeutet. Hieß eS doch als Kind schon, wenn sie mit dem Vetter um die Wette da» Pferd tummelte:Das wird einmal eine rechte Soldatenstau."

Freilich, Großmutter wollte davon nichts hören, sie aber wußte, daß auf der Welt ihr nichts lieber war, als Harald der stolze ritterliche Harald . . .

Und er?! O er war stets so freundlich, so liebevoll und kam dort die Straße herab nicht ein Reiter gesprengt? War dies nicht Dairlings flüchtiger Schritt? Und flimmerte es nicht an der Kleidung des Reiters? . . .

Auch Zseck hatte sich aufgerichtet und spähte, gleich seiner Herrin, dem Näher­kommenden entgegen. Er stieß ein freudiges Winseln aus, dann nach einem stagenden Blick auf seine Gebieterin stürmte er den Abhang hinab unv umsprang bald mit vergnügtem Gebell den Herannahenden.

Ja eS war Harald.

Edith war an den Rand des Pfades zetteten, der junge Offizier sah die Ge­stalt sich abhrben von dem dunklen Hintergrund de» Waldes.

Jetzt winkte sie mit dem Tuche. Er sprengte herüber und mit einigen kühnen Sätzen die Anhöhe empor.

Grüß Dich, Kousinchen; wie kommst Du so weit heraus?"