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Seine Königliche Majestät haben am 7. Mai d. I. allergnädigst geruht, dem evangelischen Dekmn Leypoldt, Vorstand der Diakonissen­anstalt in Stuttgart, anläßlich seiner bevorstehenden Zuruhesetzung das Ritterkreuz des Ordens der Wiirttembergischen Krone zu verleihen.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 10. Mai.

Am Bundesratsiisch Kriegsminister o. Heeringen.

Präs. Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 4 Uhr. Auf der Tagesordnung steht der Militäretat.

Stückten (S.): In den nächsten Jahren werden die Ausgaben für das Heer weiter gewaltig steigen. Deshalb sollle möglichst gespart werden. Machen wir Abstriche, dann kommt die Militärverwaltung auch mit weniger aus. Bei den Mehrausgaben spielt die Nahrungs-- und Futter- mittelteuerung eine große Rolle. Deshalb müßte für mög­lichste Beibilligung gesorgt werden. Verwerflich ist die durch die Bezirkskommandos getriebene Gesinnungsschnüffelei ebenso wie die Maßregelung von Offizieren wegen ihrer Haltung im Wahlkamps. Der Vorfall in der Luisenkirchs in Charlottenburg zeigt, daß man aus den zwangsweisen Kirchenbesuch verzichten sollte. Man könnte dann die Aus­gaben für die Militärgeistiichen und die Garnisonskirchen sparen. Mit den Sinecuren in den Gouverneur-, Adju­tanten- und Intendanturstellen müßte aufgeräumt werden, ebenso müßte das Offiziersburschenwesen geändert werden. Die Arreststrasen in Dunkelzellen sind eine mittelalterliche Tortur. Wir sehen in dem Heere eine Gefahr für den Frieden und für das Volk, namentlich hinsichtlich seiner finanziellen Belastung. Deshalb lehnen wir den Militär- «tat ab.

Gothein (F. B.): Bei der Ausbringung von Reise­kosten sollte sparsamer vorgegangen werden, ebenso könnte bki Versetzungen viel , Geld gespart werden. Auch bei den Musikern ließe sich sparen. Ganz ungehörig ist es, einen Rcserveossiziersaspirantkn von der Beförderung zum Offizier auszuschließen, weil er Jude ist.'

Kriegsminister von Heeringen: Die Zugehörigkeit der Reservesssiz'ere zu den Kriegervereinen, die keine politische Agitation treiben (Lachen links) ist durchaus berechtigt. (Bravo rechts.) Der Fall der Derurte-lrmg eines Offiziers wegen seiner Zugehörigkeit zu einem nationalpolnischen Verein erledigt sich dadurch, daß das Urteil nicht bestätigt wurde. Eine Agitation der Reserveoffiziere für die Sozial­demokratie kann nicht zugelassen weiden. Unsere Armee ist eine nationale Einrichtung. Beide Dinge lassen sich nicht miteinander verknüpfen. Niemand, der es treu meint, kann dagegen etwas emzuwenden haben. Was den ungezogenen Fall des Professors Czerny betrifft, so ist es natürlich, daß, wenn ein Mann von der Bedeutung Czernys einen Artikel schreibt, an welchem die Oeffentlichkeit und gerade die unteren Kreise Anstoß nehmen, sein Vorgesetzter etwas tut. Dieser lud ihn zunächst höflich ein, nach Berlin zu kommen, um mit iym über den Artikel zu sprechen. Czerny tat dies nicht, sondern reichte sein Abschiedsgesuch ein mit der Motivierung, er habe schon seit Fohren die Absicht gehabt, seine leitende Stelle aufzugeben und sei im übrigen 70 Jahre alt. Die Kriegervereine dürfen sich statutengemäß politisch nicht betätigen. Dafür ist der Vorstand verantwortlich. Was den Fall der Luisenkirche in Charlottenburg anlangt, so gehören derartige politische Vorträge nicht aus die Kanzel. Das Verfahren gegen die beir. Offiziere schwebt noch vor dem Reichsmilitärgericht. Ich bin daher nicht in der Lege, darüber näheres mitzuteilen. Verabschiedet wird nur der­jenige Offizier, der für eine höhere Stelle nicht geeignet ist. Versetzungen von Offizieren schränken wir nach Möglichkeit ein. Reisekosten für Intendaniurcäte sind nötig, weil sie sich oft an Ort und Stelle von dem Stand der Dinge üverzeugen müssen. Ueberanstrengungen auf Märschen kommen höchst selten vor. Gerade die Sorge für Unter- ist das beste Kennzeichen für den Vorgesetzten. Der Fall in Straßburg, wo ein Offiziersaspirant nicht zur Wahl gestellt wurde, lag nicht so. Der Herr ist abgewiesen worden, nicht weil er Jude war, sondern, Sie nötigen mich es zu sagen, weil die vchwester des Vaters aus Frankreich ausgewiesen worden war und sich weder dort noch später in Straßburg allgemeiner Achtung erfreute.

Brandys (Pole): Wir beantragen, daß den beurlaubten Soldaten mindestens fährlich einmal freie Fahrt auf den Eisenbahnen des Bundesgebiets gewährt wird und daß Reservisten und Landwehrleule nicht zu Ernte- und Saat­zeiten zu Uebungen einberufen werden. Für polnische Sol­daten sollten auch polnischsprcchende Miiitärgeistliche ange­stellt werden. Wir verlangen, ebenso für eine nationale Partei angesehen zu werden wie die Konservativen, das Zentrum und die anderen Parteien, wir verlangen aber auch für den polnischen Soldaten dieselben Rechte wie sie die deutschen haben.

Montag, de« 13. Mai

Kriegsminister von Herringen: Ich kenne weder dänische noch polnische Soldaten in Deutschland, sondern nur deutsche Soldaten. (Bravo!)

Werner-Hersfcld (Reichsp.): Die Frage der Fremden­legion ist immer noch von großer Wichtigkeit. Wir müssen ein scharfes Augenmerk darauf haben.

Schultz-Erfurt (Soz.): Ich wünsche, daß der Kriegs­minister auch im Ernstfälle einen so leichten Sieg erringen möge wie heute bei der Heeresvorlage. Die Heeresverwal­tung muß für vernünftige Turnerei und sportliche Betätig­ung eintreten. Gesinnungsschnüffelei in der Kaserne ver­bitten wir uns. Dem heutigen System bewilligen mir keinen Mann und keinen Groschen.

Darauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf morgen 12 Uhr. Schluß nach 7^ Uhr.

r Berlin, 11. Mai.

Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung 12.30 Uhr.

Am Bundesraistisch Kriegsminister von Heeringen.

Das Haus nahm zunächst die Vorlage betr. den Ge- bührentaris für den Kaiser Wilhelm-Kana! in dritter Lesung ohne Debatte an. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Beratung des Etats des Reichsheeres.

Müller-Meiningen (F. Bp.): Wir haben durch unsere Abstimmung gezeigt, daß wir nicht bloß mit Worten sondern auch mit Taten bereit sind, alles zu gewähren was not­wendig ist, um die Sicherheit des Reiches und seine Macht­stellung zu erhalten. Gegenüber den Angriffen der äußersten Linken erkläre ich, daß der Parieizwist seine Grenze.haben muß, wenn es sich dämm handelt, nach außen hin Ein­druck zu machen. (Sehr richtig bei den Freisinnigen Widerspruch bei den Soz.) Wir beklagen die mißbräuch­liche Benutzung des andern. Der Kriegsminister hätte be­züglich der Kriegervereine nicht sagen sollen, sie sind nicht politisch, sondern sie sollen nicht politisch tätig sein. Zu den Oppositionsparteien, die durch die Kriegervereine bekämpft werden, gehören nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch unter Umständen die Liberalen. Der Fall'in der Char­lottenburgerkirche bedeutet einen Auswuchs der Kommando­gewalt in geradezu lächerlicher Form, wenn der jüngste Leut­nant sich schon zum Zensor der Geistlichkeit auswerfen darf. Der zwangsweise Besuch des Gottesdienstes muß beseitigt werden. Die Bevorzugung des Adels in der Garde hat noch zugenommen, noch verwerflicher ist aber eine Benach­teiligung aus religiösen Gründen wie bei dem Straßburger Fall. Das ehrenge: ich! liche Verfahren ist dringend einer Reform bedürftig. Wir verlangen in unserer Resolution, daß in allen deutschen Bundesstaaten die Wehrfähigkeit der Jugend durch körperliche Ausbildung gehoben wird und daß die großen Verbände, die sich dieser Aufgabe widmen, befördert werden.

Dr. Trendel (Z.): Das Spionagenetz, welches uns auf Schritt und Tritt verfolgt und unsere Marine und unsere Befestigungen umgibt, mutz zerrissen werden. Unsere Strafen für Spionage sind nicht hart genug. Frankreich hat weit schärfere Strafen und will sie noch weiter verschärfen, wo­möglich bis zur Todesstrafe. Der Vizepräsident macht den Redner darauf aufmerksam, daß dieses Thema zum Reichs- justizomt gehört. Hierin mag der Kriegsminister beim Staatssekretär des Reichsjustizamtes auf Verschärfung der Strafen für Spionage hinwirken.

Abg. Held (nail.) Unter allen Umständen müssen wir uns verbittm, daß in Kiiegervereinen gegen Abgeordnete vorgegangen wird, weil sie für einen Sozialdemokraten als Bizeprästi enten gestimmt haben.

Abg. Schöpft in (Soz.) Die Soldatenmißhand­lungen werden immer noch zu mild beurteilt. Der Rück­gang der Soldatenschindereien in Sachsen auf ein Minimum beweist, daß sie beseiiigt werden können.

Kriegsminister o. Heeringen: Ich kann nur wiederholen, daß die Kriegervereine nicht in mein Ressort gehören. Ich kann den Vorständen irgend welche Direktiven nicht geben. Bon der dienstlichen Einführung der Soldaten zum Gottesdienst können wir nicht ablassen. Die Resolution, wonach der tüchtigste befördert werden sollte, bedeutet die schärfste Kritik der deutschen Armee, als ob wir nach anderen Gründen verfahren. Eine Bevorzugung des Gardekorps besteht tatsächlich nicht.

Unser Offizierskorps setzt sich aus allen Gesellschafts­kreisen zusammen (Widerspruch), aber es kann sich nur aus solchen Kreisen zusammenHen, die den Verhältnissen des Offizierskorps entsprechen. Darüber müssen wir uns das Urteil Vorbehalten. Ein größerer Wechsel in den Grenz­garnisonen ist vielleicht wünschenswert. Den freien Urlaubs­reifen der Mannschaften stehe ich sympathisch gegenüber, aber es handelt sich hier um eine Finanzfeage. Die Ehren­gerichtsfrage steht auf dem Boden der preußischen Verfassung. Daran Hot sich durch alle späteren Verordnungen nichts ge­

1912

ändert. Nicht das Militärkabinett entscheidet über den Spruch des Ehrengerichts, sondern der Kaiser selbst, der ihn niemals verschärft, höchstens mildert.' Die Offiziersburschen- srage ist eine Geldfrage. Wir haben daran gearbeitet, eine Einschränkung der Burschengestellung zu erreichen. Eine Verringerung der Dienstzeit infolge besserer körperlicher Aus­bildung kann ich nicht in Aussicht stellen. Die Mißhand­lungen haben erfreulicherweise auch im letzten Jahre abge­nommen. Dies ist zum größten Teil aus die energische Initiative des Kaisers zurückzusühren. Das Rekruten­material ist auch nicht besser geworden. Wir bekommen es teilweise recht aufgehetzt. Da kann einem Vorgesetzten auch einmal die Geduld ausgehen. Fragen Sie die Oberschlesier, wie sie über die braven Soldaten denken, die ihnen bei der Wassernot mit eigener Lebensgefahr zu Hilfe kamen. Der Deutsche weiß, was er von seiner Armee zu erwarten hat, aber jenseits der Grenze kommt man leicht aus die Idee, daß es mit der Schlagfertigkeit unseres Heeres schlecht bestellt sei. Das ist die Folge der fortgesetzten Angriffe auf die Armee. (Sehr richtig rechts, Widerspruch bei den Soz.)

Sächsischer Generalmajor Freiherr Leuckardt von Weiß darf gibt eine Darstellung des vorjährigen Pa­trouillenunglücks beim Durchschwimmen der Elbe. Das Unglück sei infolge falscher Auskunft über die tatsächlichen Tiefenverhältnisse des Stromes entstanden.

Struoe (FD.): Die Kriegervereine sollten keine Par­teipolitik treiben.

o. Meding (Welfe): Wir Deutschhannoveraner, die wir stets treue Soldaten waren, sind von den Liberalen aus den Kriegervereinen herausgedrängt worden.

Mumm (w. Bgg ): In freier Versammlung hätte Pastor Kraatz auf das Urteil des Spruchkollegiums ein- gehen können, aber nicht aus der Kanzel. Die Ausnahme von Juden in das Offizierkorps würde eine Gefahr für die Kameradschaft bedeuten.

Heyn (FV.): Die Ansicht Mumms bezüglich des Falles Kraatz ist ein Verlassen des protestantischen Stand­punkts. Ein altes Weiblein in Hinterpommern mag noch auf dem Standpunkt stehen, daß die Bibel nichts als Wahrheit enthalte. Glauben Sie denn das ebenso?

Bizepräs. Dooe bittet, die Angelegenheit nicht von der theologischen Seite zu behandeln.

Zürn (Reichsp.) : Die Ausführungen Heyns über den Fall Kraatz haben unser evangelisches und unser patrioti­sches Gewissen gekränkt. Auf die Kanzel einer evangelischen Kirche gehört auch das Evangelium (bravo rechts) aber keine Kritik staatlicher Einrichtungen und des Spruchkolle­giums.

Schöpfltn (Soz.)!: Es liegt uns ganz fern, die deutsche Armee herabsetzen zu wollen, wenn wir Mistände in ihr zur Sprache bringen.

Kriegsminister v. Heeringen: Ich habe mich davon überzeugt, daß voriges Jahr noch jenseits der Grenze an­genommen wurde, das Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaften in unserer Armee sei derartig, daß die Schlag­fertigkeit des Heeres darunter leide. Damit schließt die Debatte. Das Gehalt des Kriegsministers wird bewilligt.

Beim Kapital Militärintendanturen bittet

Werner-Hersfeld (Rp.) um Besserstellung der Inten- dantursckretäre.

Beim Kapitel höhere Truppenbefehlshaber klagt Dr. Quessel (Soz.), daß in Darmstadt militärische Fuhrwerke und Pferde zu außerdienstlichen Zwecken benutzt würden.

Generalmajor Wandel führt aus, bezüglich der Ver­wendung von Krümperwagen u. s. w. seien im Vorjahre Uebertreibungen in der Beschwerde der Darmstädter Drosch­kenkutscher festgestellt worden. Ungehöriges werde natürlich beseitigt.

Weil! (Soz.) bringt ähnliche Beschwerden der Metzer Fuhrwerksbesitzer vor. Generalmajor Staads bezeichnet eine Klage des Abg. Paasche über die vom Generalstab des Lithographen gemachte Konkurrenz als unberechtigt.

Beins Titel Bezirkskommandos kommt Gothein (f. B.) nochmals auf die Nichlbeförderung jüdischer Offi- ziersaspiranlen zu sprechen.

Kriegsminister v. Heeringen: Wenn die Familien und sonstigen Verhältnisse die Wahl zum Offizier als nicht aussichtsvoll erscheinen lassen, so ist es besser, oem Aspiran­ten vorher mitzuteilen, er möge zurücktrelen.

Beim Titel Mannschaften Abg. Zubeil (Soz.) über die den Zivilmusikern durch die Militärmusiker gemachte Konkurrenz.

Abg. Keil (Soz.) bespricht die Verhältnisse der Proviantamtsarbeiten, empfiehlt den Ausbau der Arbeiter­ausschüsse, dke in ihrer jetzigen Form nur ein Scheindasein führten, und ferner eine Aufbesserung der Löhne, besonders in den wiirttembergischen Werkstätten. Eine angemessene