große Zahl von Frauenleiden nicht vorhanden wären, wenn nicht infolge eines falschen Schamgefühls die Frauen viel­fach auf die Inanspruchnahme eines Arztes verzichteten. Minister Dr. v. Pischek wandte sich gegen die Anträge des Bauernbundes nnd der Sozialdemokratie, ebenso gegen den Antrag des Zentrums; auch den deutschparteilichen Antrag Kübel hielt der Minister für unnötig. Der Abg. Schick (3.) erklärte namens seiner Fraktion, daß durch den Antrag Ströbel der Zweck der Förderung der Bolksgesundheit nicht erreicht werde, wenn man nicht das Mittel auch allgemein, d. h. gleichmäßig in Stadt und Land, anwende. Dem An­trag Mattutat könnten seine Freunde nicht zustimmen, noch viel weniger der Resolution betr. das Zwangsheiloerfahren, das der Anfang des reinsten Staatssozialismus sei. Der Redner stellte dann den Antrag, die Regierung möge Maß­regeln in Erwägung ziehen, durch welche die Verwertung der Schüleruntersuchungen bei Musterungen gesichert ist. Bei den sodann vorgenommen Abstimmungen über die verschiedenen Resolutionen und Anträge wurde der Antrag Schick angenommen, die Resolution Mattutat abgelehnt, der Antrag Speth-Wangen mit knap­per Mehrheit bei zwei Enthaltungen angenommen, der An­trag Ströbel auf fakultative Einführung mit erheblicher Majorität abgelehnt, ebenso die Resolution der Sozialdemo­kratie bezüglich des Zwangsheilverfahrens abgelehnt. Im übrig wurden die Art. 3 und 5 nach dem Entwurf mit einigen von den Abg. v. Gauß und Mattutat beantragten Aenderungen angenommen.

Stuttgart, 8. Mai. Die Sitzung des Finanzaus­schusses zur Beschlußfassung über die Eingaben betr. die Tierärztliche Hochschule, ist auf Montag, den 20. d. Mrs. verlegt worden.

p Stuttgart, 8. Mai. Die sozialdemokratische Frak­tion der Zweiten Kammer hat folgenden Initiativantrag eingereicht:Die Kammer wolle beschließen, die K. Staats­regierung zu ersuchen, den Ständen einen Gesetzentwurf vor­zulegen, durch den die Verfassungsurkunde und das Land­lagswahlgesetz dahin abgeändert werden, daß sämtliche Mit­glieder der Zweiten Kammer in einer Anzahl größerer Wahlbezirke aus dem Wege der Verhältniswahl gewählt werden.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadl Md Amt.

Ragow, 9. Mai 1812.

Glaube und Heimat" in Nagold. Der König, liche Hofschauspieler Hans WebervomKgl. Hof- theater zuStuttgart, welcher am Sonntag in Aliensteig das vielgenannte und oielumstrittene, gewaltige Werk zum Bottrag brachte, wird dasselbe am Samstag abendim Gasthof zum Rößle" auch bei uns einführen. Wir können dem nam­haften Künstler hier keine bessere Empfehlung geben als dadurch, daß wir zum Abdruck bringen, was das Oberamts­blatt zu Vaihingen (Enz) über ihn schreibt: Dort heißt es:

Vaihingen, 2. Mai. Weber-Abend. Herr Hof­schauspieler und Regisseur Weber hat hier in derPost" vorgestern abend Karl Schönherrs dreiaktiges Drama Glaube und Heimat" oorgelesen. Nein nicht vorgelesen lebendig werden lassen. Faßlich, aus Fleisch und Blut hat er die Schönherr'schen Prachtge- ftalten herausgearbeitet: und die Tragödie des harten menschlichen Elends, die Tragödie eines Volkes, sah man endlich verklärt im Sieg, überleuchtet von der Ostersonne nach Golgatha. Fast alle Gestalten im Drama sind Lebenstypen, (die man heute nach 300 Jahren schwerlich findet), die Urkraft In sich tragen, die reif sind, ihr Kreuz auf sich zu nehmen, am Kreuz zu enden um ihres Glaubens willen. Es ist ein harter Gott, der diesen frommen, guten Menschen die Heimat nimmt, und man muß die Zähne auseinanderbeißen, um ihn nicht anzuklagen, wenn

Schon am 6. zog Professor Goebel mit der Mehrzahl der Pfleger dahin ab, unter der Fahne des roten Halb­monds statt des roten Kreuzes, während ich infolge der Er­müdung der Karrentiere erst am folgenden Nachmittag folgen konnte. Wir hatten die ganze türkische Artilleriebespannung, etwa 20 Pferde, zur Verfügung erhallen und marschierten in den sinkenden Abend hinein über die weiße Steppe, im Süden grüßten die blauen Berge, unser Reiseziel, herüber. Nach Einbruch der Dunkelheit blieben wir mit unseren hoch­beladenen Karren jämmerlich stecken, denn eigentliche Wege gibt es nicht, man folgt den paar Wagenspuren. Nach Aus­gang des Mondes ging es langsam, Schritt für Schritt vor­wärts; der Mittag brachte uns näher an die Berge heran, und nun ging es durch tief eingeschnittene Flußtäler, die wasserlos nur mit Sand bedeckt waren und über kleine steinige Hügel auf mancherlei Umwegen weiter. Am folgen­den Tage begann der Aufstieg auf den steilen Berg. Der ganze Djebel Gharian ist ein Hochplateau mit sehr steil ab­fallenden Rändern, ähnlich dem Nordrand der schwäbischen Alb, nur hat hier noch kein Albverein Wege angelegt und man muß sich den Weg selbst suchen. Es begann ein Karrenschieben, an das ich zeitlebens denken werde. Ein Teil der Ladungen wurde abgenommen und auf dem Rücken von Kamelen und Arabern, auch von unseren eigenen Leuten den Berg hinaufgetragen, andere Karren versuchten wir mit Vorspann vorwärts zu bringen. Nachdem sich aber eine Karre mit Maultier samt einem Pfleger in der Luft über­schlagen hatte und ein paar Meter in eine Schlucht hinunter­gefallen war, spannten wir dieTiereaus, legten uns selbst vor die Karren ».griffen in die Räder. Am Abend dieses Tages waren dieKarren aus halber Höhe,am nächsten war olles oben. (Schl.f.)

das Schicksal über diese treuen Bauern here'mdricht, wenn Schlag auf Schlag folgt aber es ist doch ein herr­licher Gott, der seinen Gläubigen die Kraft gibt, alles Unwichtige und Weh dieser Erde, das den Kurzsichtigen so wichtig und wonnig vorkommt, zu überwinden, die Kraft gibt, die den Einzelnen über sich selbst hinaus­wachsen läßt es ist ein herrlicher Gott, der für die liebe, dunkle Heimatscholle hier unten eine liebere, ewig- helle in der Sonne gibt, die alles Leid überleuchtet. Das ist Schönherrs Kunst: die unsichtbare Kraft des Glaubens in Fleisch und Blut darzustellen, eine heroische Kunst! Und wie hat Weber seine Künstlerschast bewiesen? In seinem ganzen Wesen liegt das Echte, die Urkraft jener Gestalten. Eine unerbittliche Logik befähigt ihn, des Dichters Menschen auf das strengste einheitlich durch- zuftihren. Am besten ist ihm geglückt, die Figur des Allrott auszuleben. Durch Weber hat der Dichter ge­sprochen und das Publikum saß ganz still und war in sich bewegt saß auch noch still, als Herr Weber aufgehört hatte zu lesen saß still und rührte die Hände nicht! Das war der stärkste Beifall für den Dichter und den Rezitator. Aber hier ein herzliches, lautesBravo! Bravissimo!"

Möchte die hochinteressante Veranstaltung auch bei uns das lebhafteste Interesse und die regste Beteiligung finden. Alles Nähere im Anzeigenteil der gestrigen Nr. ds. Bits.

Versammlung. (Mitgeieilt.) Am Sonntag, den 5. d. M. fand im Gasthaus z. Traube dahier eine Gauver- sammlung des Vereins württ. Berwaltungskandi- daten statt. Zahlreich Ungesunden hatten sich namentlich die Mitglieder des Bezirks Freudenstadt. Nach Begrüßung der erschienenen Mitglieder eröffnet« der Vertrauensmann, Herr Stadtsch.-Amts-Afsistent Schumacher, hier die Ver­sammlung, woran sich ein interessanter Vortrag des jüngst zum Ottsoorsteher gewählten Kollegen Lutz von hier über die Verbreitung, das Wesen und die einzelnen Verwendungs­arten der Elektrizität anschloß. Besprochen wurde hierauf u. a. auch die sowohl von geprüften als von ungeprüften Kollegen stark empfundene Ueberfüllung des Verwaltungsfachs und dabei betont, daß die Eltern nichts besseres tun können, als ihre Söhne in den nächsten Jahren vom Fach fernezuhalten. Bedauerlich sei es, daß sich unter diesen Umständen noch Prinzipale finden, welche Lehrlinge ohne die vorgeschriebene Einjährigenprüsung aufnehmen, da bekanntlich Leute ohne diese Prüfung vom Berwaltungsexame» ausgeschlossen sind. Dringend gewünscht wurden dis vom K. Ministerium des Innern bereits zugesagten wirksamen und erfolgversprechen­den Maßnahmen, durch welche die Lehrlingshaltung geregelt werden soll und wobei die Möglichkeit der Fachausbildung eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen wird. Der Vertrauens­mann schloß die Versammlung, woraus der gemütliche Teil zu seiner vollen Geltung kam. Nach einer kurzen Besich­tigung der Stadt, verließen unsere Besucher das schöne Nagoldstädtchen mit- dem Wunsche auf ein fröhliches Wieder­sehen in Freudensladt.

Vom Tage. Unter Führung ihres Schultheißen Hauser war gestern eine Abordnung des Gemeinderats von Dettingen a. E. OA. Urach hier, um sich zur Informierung für einen auch in ihrer Gemeinde notwendigen Schulhaus­neubau unser neues Gewerbeschulhaus an- und einzusehen. Auf ihrer Schulhausbesichtigungsrsise, die sie u. a. auch nach Calmbach, Wildbad, Höfen und Calw führte, fanden sie den hiesigen Neubau als einen für ihre Verhältnisse vorbildlichen.

Aus den Nachbarbezirken.

ex. Calw, 6. Mai. Heute hielt in unserer Stadt der Verein derFreundinnen junger Mädchen" seine Mitgliederversammlung ab, die zahlreich besucht war. Die Freundinnen" kamen imWaldhorn" zusammen, wo Stadt- Pfarrer Schmid die Tagung mit Gebet und Ansprache er- öffnete. Sodann gab die Vorsitzende, Frau G. Cleß- Stuttgart, einen Bericht über den gegenwärtigen Stand der Arbeit. Im Vordergrund des Interesses stand das neuer-

Schillers Schädel. Die Nachricht, daß es Pros. v. Froriep aus Tübingen gelungen ist im Kassengewölbe auf dem alten Weimarer Friedhofe den Schädel Schillers zu finden, wird in der ganzen Welt Aufsehen erregen. Der Tübinger Anatom ist der Erste gewesen, der das Gehäuse des unsterblichen Dichtergeistes in der Hand gehalten hat und es wird ihn der Schauer durchrieselt haben, von dem sich der schwäbische Poet I. G. Fischer (1816 bis 1897) vor der Dannecker-Büste Schillers ersaßt fühlte. Was Fischer damals empfand, hat er in Verse gegossen, die das Marbacher Schillerhaus aufbewahrt und die in dieser Stunde bei vielen Tausenden einen Nachhall finden werden:

Ich Hab' die Wölbung nie geseh'n

Von seines Hauptes Wänden

Wie mußt's durch Leib ünd Seele geh'»

Dem, der sie griff mit Händen!

Und dennoch Hab' ich ihn geseh'n Von keiner Hand gehalten Und fühlt's durch Leib und Seele geh'n Wie ewige Gewalten.

Die Stirne nicht wie Alpenschwung Hin bis zum Wolkenschoße Es reichte die Vergöttlichung Hinein ins Grenzenlose.

Das Auge nicht wie Adlerblick Nach bald erflognen Grenzen Denn nur das ganze Weltgeschick Faßt dieses Auges Glänzen.

wordene Stuttgarter Heim, Moserstraße 12, in das der Verein am 1. Juni einzuziehen hofft; hier werden unter einem Dach die verschiedenen Zweige der Freundinnenarbeit vereinigt sein: Hospiz, Herberge für Stellensuchende. Stellen­vermittlung, Auskunftsbüro, Mädchenklub. Die Diskussion zeigte, wieviel Arbeit es auf dem Gebiet der Mädchenfürsorge noch gibt und wie dringend diese gute Sache weiterer Hilfs­kräfte bedarf. Nach einem Gang nach Hirsau wurden noch zwei, aus Stadt und Umgebung sehr stark besuchte Borträge im Georginäum gehalten. Frl. M. S ch m i d-Stuttgart sprach über die Frage: was hat eineFreundin" zu tun? In anschaulicher, aus reicher Erfahrung geschöpfter Darstel­lung wurden die verschiedensten Seiten der Freundinnen­tätigkeit aufgezeigt und zur Mitarbeit herzlich eingeladen. Den Schluß der Tagung bildete der Dortrag von Frl. H. Denzel-Stuttgart; sie schilderte in gemütsvoller Weise, Beispiel an Beispiel reihend, wie es den Mädchen in der Fremde gehen kann und wie hilfreich, oft geradezu rettend, die in einem internationalen Verband vereinigtenFreundin­nen" schon eingegriffen haben. Möge die Versammlung derFreundinnen" in unserer Stadt manche gute Anregung gegeben haben!

Laudesmchrichteu.

Die württembergifchen Landtagswahlen nnd die liberalen Parteien.

Stuttgart, 7. Mai. Bon hiesiger linksliberaler Seite lassen sich über die auf einen gemeinsamen Aufmarsch der beiden liberalen Parteien hinzielenden Vorverhandlungen zwischen den beiden Interessenten Blätter der Linken berichten: Die Unterhandlungen zwischen Vertretern der beiden liberalen Parteien Württembergs über ein gemeinsames Vorgehen bei den kommenden Neuwahlen zum württ. Landtag sind feit der letzten Woche im Gange und nehmen bis jetzt einen befriedigenden Verlauf. Als Unterhändler fungieren zunächst nur die Geschäftsführer der Fortschrittlichen Volkspartei und der Nationalliberalen, sowie je em führendes Mitglied der beiden Parteien. Wenn diese Unterhandlungen ihren Ab­schluß gefunden haben, werden die beiderseitigen großen Landesausschüsse in Funktion treten, um über das Abkommnl die Entscheidung zu treffen.

r Stuttgart, 8. Mai. (Bon der Gäubahm. Wie die Württemberger Zeitung hört, soll, wenn erst der neue Bahnhof sertiggestellt ist, die Gäubahn nach Baihingen in der Weise ausgebaut und umgebaut werden, daß die heute bestehende starke und den raschen Verkehr hindernde Steigung wesentlich vermindert wird. Das liegt freilich noch in weiter Ferne. Daß man übrigens in Württemberg, wenn auch vorerst nur theoretisch mit dem Gedanken umgeht, die teilweise ganz.bedeutenden Steigungen auf verschiedenen Strecken auf irgend eine Weise durch weniger starke Steig­ungen zu ersetzen, geht u. a. auch daraus hervor, daß ge­legentlich einer Diplomprüfung den Ingenieuren die Auf­gabe gestellt wurde, die gewaltige Höhe der Geislinger Steige durch eine andere, weniger steile Linienführung als die gegenwäriige, zu gewinnen. Wie es heißt, soll aber eine durchaus befriedigende Lösung nicht gesunden worden fein.

p Stuttgart, 7. Mai. Unter zahlreicher Beteiligung aus dem ganzen Lande fand am Sonntag im Börsensaal des neuen Schlachthauses die Landesversammlung der württembergischcn Ziegenzuchtoereine statt, der als Ver­treter der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft Regierungs­direktor von Sting und Regierungsrat Ganger anwohntea. Der Landesvorsitzende, Obermedizinalrat o. Scheurlen, der die Versammlung leitete, erstattete den Jahres- und Rechen­schaftsbericht, wonach die Zahl der Mitglieder im letzten Jahre von 3200 auf rund 7600 gestiegen ist. Nach einem Vortrag des Oberamtstierarzts Mögele-Daihingen a. Enz über die Kennzeichnung (Ankörung) der Ziegen einigte sich die Versammlung dahin, erst weitere Erfahrungen in der Kennzeichnung mit den verschiedenen Systemen abzuwartcn und vielleicht nach 1 oder 2 Jahren endgültig zu der Frage Stellung zu nehmen. Die meisten Redner sprachen sich

So sah ein Bild ich vor mir stehn Unendlich alle Züge Ob Gottes Donner drüber geh'n Ob leise Schwalbenflüge.

Ei« automatisches Eisbergsignal für Seedampfer

Wie aus Kopenhagen berichtet wird, hat ein dänischer Erfinder, Herr Ellehammer, eine Erfindung gemacht, die wenn sie hält, was der Erfinder sich von ihr verspricht, viel dazu beitragen könnte, Katastrophen, wie die derTitanic", so gut wie unmöglich zu machen. Herr Ellehammer will nämlich einen Apparat erfunden haben, der es einem See- dampser ermöglicht, einen Eisberg, eine Klippe oder ein ähnliches Hindernis in einer Entfernung von 1200 Meiern festzustellen, und zwar selbst in tiefster Finsternis oder dickstem Nebel, wenn man keinen Meter weit sehen kann. Ja, noch mehr, der Apparat soll zugleich imstande sein, die genaue Lage und selbst dieGröße des dem Schiffe drohenden Hindernisses festzuflellen. Der Erfinder sogt:Hätte die Titanic" meine Erfindung an Bord gehabt, so würde der Apparat ganz einfach gemeldet haben: Eisberg dort und dort, von dem und dem Umfang! und der Zusammenstoß wäre vermieden worden." Natürlich macht Herr Ellehammer über die Konstruktion, die offenbar die Temperaturvermindc- rung des Wassers ausnützt, noch keinerlei Mitteilungen, da. bis die Patente erteilt sind, strenges Geheimnis darüber gewahrt werden muß. Immerhin verdient bemerkt zu werden, daß der Kopenhagener Professor für Schiffsbau-, technik Herr Karl Hansen, sich über die Erfindung in günstigem Sinne geäußert hat.