Gages-Werrigkeiten.

* Calw, 23. Dez. Da« Herannahen des Weihnachtsfeste« macht sich

allerorten bemerkbar. Der Wochenmarkt am Samstag war sowohl von Käufern als Verkäufern sehr stark frequentiert; Lebensmittel, namentlich Gänse, Spielwaren, wollene Kleidungsstücke fanden bei guten Preisen raschen Absatz; auf dem Bahnhof herrscht seit den letzten Tagen ein rege» Kommen und Gehen; der Personen« und Güterverkehr hat sich bedeutend gesteigert; die Schulen haben ihre Ferien begonnen; die Soldaten eilen heim von ihren Garnisonen: wer noch Eltern und Anverwandte besitzt und sich irgendwie von seinem Beruf losreißen kann, macht sich auf um im trauten Kreise Weihnachten, das fröhlichste aller Feste, zu feiern. Er bieten diese Feiertage ein Stellvichein für Familien«, Hau«, und Vereinsgenossen. Stadt und Landleute suchen noch Einkäufe zu machen und überall begegnet man bepackten Frauen und auch Männern, welche dasChristkindls" nach Hause tragen. Und daheim arbeiten die Töchter noch bis spät in die Nacht hinein um die Eltern und Geschwister mit selbstgefertigten Arbeiten zu erfreuen. Thüren und Kästen werden verschlossen, damit ja kein unberufener die Weih« nachtsgaben schon vorher erblickt; Ueberraschungen mancherlei Art warten auf die zu Beschenkenden. '

Am gestrigen Sonntag abend beging der JünglingSverei n seine Weihnachtsfeier im Vereinshaus. Nach dem gemeinschaftlichen GesangFröh­lich soll mein Herze springen" verlas der Vorstand des Vereins, Hr. Helfer Eytel, das Weihnachtsevangelium, worauf ebenderselbe eine treffliche An­sprache an die Jünglinge richtete. Nach dem Gesang des Veretnschors und einer sehr eindrucksvollen Deklamation sprach Hr. Dekan Braun über einige mutige Bekenner de« Evangeliums. Mit Gebet und Gesang wurde die erbebende Feier geschlossen.

* Gechingen. Welch hohe« Interesse die Bevölkerung mancher Gemeinden dem Institut der Ortsschulräte entgegenbringt beweist die jüngst hier und in einer Nachbargemeinde stattgehabte Wahl, indem bei beiden Terminen je eine Stimme abgegeben wurde. Allerdings scheint auch Wahlmüdigkeit vorzuliegen, denn Reichstags«, Gemeinderat«.. Kirchenge« meinderats«. Bürgerausschuß., Ortischulrats- und in 2 Monaten wieder ReichstagS«Wahl können allerdings auch dem rührigsten Wählhuber zu viel werden.

Wildbad, 17. Dez. Die gestrige Gemeinderatswahl hatte ein tragisches Nachspiel, indem Kaufmann Fr. Rometsch bet der Nachricht von seiner Wahl zum Gemeinderat vom Schlage gerührt wurde und heute morgen verschieden ist. Er war ein in der Gemeinde sehr angesehener und beliebter Bürger, Vorstand der Spar« und Vorschußbank und des Turn« verein«, Bezirkefeuerlöschinspektor und Kommandant der hiesigen Feuerwehr, als welcher er sich mit Hingebung und Eifer besondere Verdienste um Stadt und Bezirk erworben hat.

Eßlingen, 18. Dez. Der DampferAdolf Wörmann", welcher mit dem noch in bestem Andenken stehenden Herrn Lehrer Christaller an Bord, wie neulich gemeldet, an der Nigermündung bei Kap Nun auf den Grund geraten war, ist nach Auswerfen eines beträchtlichen Teil« seiner Ladung mit Hilfe eines von Lagos requierierten Dampfers nach dreitägig unfrei­willigem Aufenthalte auf hoher See wieder abgekommen und nach Akassa geschleppt worden mit Verlust sämtlicher Schraubenflügel und Bruch des Steuerruders. Vor dem üblen Schicksal, ins Meer geworfen zu werden, ist übrigens der für die deutsche Schule gestiftete Barren bewahrt. Derselbe erreichte den Anschluß nicht mehr mit demAdolf Wörmann" und kam auf einen später nach Kamerun bestimmten Dampfer.

Sulz a. N, 17. Dez. Seit Wiederaufnahme der Bohrung auf Steinkohlen (anfangs November) sind bis jetzt weitere 120 Meter erbohrt. Wie verlautet, ist damit die mächtige Formation de« Totliegenden in einer Tiefe von 820 Meter ganz durchbohrt, so daß wohl binnen wenigen Wochen die Entscheidung fallen dürste.

Vom Heuberg, 16. Dez. In vergangener Woche ließ der Orts­vorsteher in Budsheim durch den Polizeidiener öffentlich bekannt machen, daß der Ignaz Heinemann von dort wieder aus dem Arrest entlassen sei und deshalb die Leute ihr Eigentum schützen möchten."

Ebingen, 19. Dez. Der heutige Christkindlesmarkt war Dank des günstigen Winterwetters sehr besucht, auch mit Vieh gut befahren; nur Fettvieh fehlte. Obwohl größere Händler wegen der FetertagSnähe aus« geblieben waren, war der Handel erfreilich lebhaft und die Preise durchweg sehr fest, besonders bei nähigen und frischmelkigen Kühen und trächtigen Kalbinnen, welche 280350 »4L und mehr erzielten, während ältere trächtige Kühe 180240 »4L galten; gleiche Preise wurden für jüngere Nutzkühe be« zahlt, zweijährige Einstellkalbeln galten 170220 »4L, Jährlinge 110160 und Halbjährlinge 80100 -M. Ueirigens ist schöne«, gutgebauter Jung« vieh immer sehr begehrt und verhältnismäßig am höchsten im Preis, so wurde heute einem hiesigen Bürger für ein 1415 Monate alte» Rind 246 »4L bezahlt. Auch der Schweinehandel geht zur Zeit recht befriedigend. Am Markt wurde die ziemlich bedeutende Zufuhr rasch ver­kauft, Preis für da» Paar Milchschweine 2834 »4L Der Krämer- markt war, wie es dasChristkindls" mit sich bringt, belebt. Doch wurde weniger in besseren, wertvollen Sachen gehandelt, woran einerseits der beim Landvolke dieses Jahr vorhandene Geldmangel, andererseit« wohl auch der Umstand Schuld trägt, daß da» Publikum bessere Sachen lieber in den Läden kauft.

Weingarten, 19. Dez. Wie man hört, wurde die Gemeinderats­wahl in unserem Nachbarorte Baienfurt angefochten und kann dieselbe ein unangenehmes Nachspiel im Gefolge haben. Bei der Abstimmung kam nämlich ein Wähler, und es wurde dessen Wahlzettel in die Urne geworfen, ehe dessen Namen in der Wählerliste ausfindig gemacht wurde. Und siehe da! Der Name dieses Wähler» war auch nicht zu finden, aber der Zettel lag auch schon in der Urne, die gesetzlich während der Wahl nicht geöffnet werden darf. Nun was thun? Der Vorstand der Wahlkommission öffnete

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dennoch die Urne und glaubte, dem Wähler wieder seinen Zettel zurückgeben zu sollen, indem er einen solchen au« der Urne nahm. Dieses Vorgehen kam einem Kandidaten, dem um gewählt zu sein, nur eine Stimme fehlte, zu Ohren, worauf dieser dem Gerichte hievon Anzeige erstattete. Die nächste Zeit wird da« Resultat der Verhandlungen ergeben.

Au« Elsaß-Lothringen, 19. Dez. Zur Zeit ist man da­mit beschäftigt, der deutsch-französischen Grenze entlang, soweit diese durch bewaldete Gelände führt, also namentlich in den Vogesen, durch Abholz­ung eine vier Meter breite freie Zone herzustellen. Die Aurlichtung wird nach der zwischen der deutschen und der französischen Regierung ge­troffenen Vereinbarung in der Weise vorgenommen, daß auf jede der beiden Staaten zwei Meter kommen und die Grenzlinie genau in der Mitte verläuft. Nach Vollendung der Arbeiten dürften unfreiwillige Grenzüberschreitungen, welche bisher beiderseits auch bei der größten Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht vermieden werden konnten, nicht leicht mehr Vorkommen.

Die Post schreibt:Ein vaterlandsliebender Schweizer schreibt au« L uz-e r n, 4 . Dez., einen Alarmartikel an den Avenir militaire, weil Deutsch- lid beabsichtige, ein Kavallerieregiment nach Hüning en, dicht an die Schweizer Grenze zu legen: die« kleine Ereignis müsse den Schweizern über Deutschlands Absichten die Augen öffnen. Es wird dann nachgerechnet, daß die Hüninger Dragoner in 4 bis 5 Stunden auf 40 Kilometer Entfernung alle Schweizer Bahnen unbrauchbar machen können. Weshalb kommen denn die Dragoner für's erste nach Hüningen? Weil die Franzosen s. Z. dort dicht an der Schweizer Grenze eine prächtige Reiterkaserne, die bisher bei uns leer stand, aufgeführt haben. Warum haben sich denn die Schweizer nicht damals bei den Franzosen beschwert?"

Ueber die politische Stimmung in Rußland schreibt man der Köln. Ztg. aus Petersburg: Wer sich nach dem Besuche des Zaren am Berliner Hofe in Rußlands Presse und Gesellschaft umsah. der erblickte im Ganzen recht verdrießliche Gesichter, oft sahen sie sogar aus wie Jemand, der eben einen bitteren Trank zu verschlucken gehabt hat. Die Presse drückte ziemlich richtig au», was da« denkende Publikum meinte, und das war etwa Folgendes:Nun ja, der Zar ist nach Berlin gegangen, ist dort freundschaft­lich gewesen, sogar sehr wohlwollend (herablassend, sagte man hier lieber), und er will, daß unsere Beziehungen zu Deutschland gute seien. Wir glauben auch an die Friedfertigkeit Deutschlands, haben im Grunde an ihr nie ge- zweifelt, aber wir wollen doch keine guten Beziehungen zu Deutschland haben und wollen den Schein erhalten an seine Friedfertigkeit nicht zu glauben.

WevrnischLes.

Deutsche Singvögel in Amerika. Der Versuch mit den aus Deutschland eingeführten Singvögeln, die man in Oregon freiließ, dürfte trotz de« Mißlingens ähnlicher Versuche in anderen Teilen der Vereinigten Staaten vielleicht doch noch glücken. Ein Kenner und Beobachter schreibt au« Portland in Oregon (nordöstliches Nordamerika):Die Vögel wurden hier am 22. Mai v, Js. freigelassen bet dem schönsten Wetter; die ganze üppige Natur war zur Zeit in ihrer herrlichsten Pracht, Nahrung in Hülle und Fülle für die Tiere vorhanden. Die Vögel hatten uns zuerst mit ihrem lieblichen Gesang in der Freiheit für einige Wochen erfreut, sie wurden allenthalben genau beobachtet und fingen schon gleich nach ihrer Freilassung mit dem Bauen ihrer Nester an. In erfreulicher Weise haben die Vögel nun diesen Sommer ganz bedeutend sich vermehrt. Zwei Bruten haben sie gehabt, und sie fliegen jetzt in kleinen Schwärmen allenthalben herum. Da wir immer einen sehr milden Winter hier haben, mitunter gar keinen, so ist anzunehmen, daß die Vögel sich gar nicht verziehen werden. Alle Drossel­arten haben sich schön vermehrt, namentlich die Schwarzamseln; auch haben sie zur Freude der Deutschen herrlich in den Anlagen der Stadt gesungen. Auch die Finken und Lerchen haben sich gut vermehrt. Wir können sagen, daß die Einführung der deutschen Vögel in Portland County ein guter Er­folg war. Es nimmt natürlich mehrere Jahre in Anspruch, bi» man allge­mein den Zuwach» sehen kann."

Eine Reise um die Erde. Ueber die kühne Fahrt zweier australischer Radfahrer, George W. Burston, Vizepräsident des Melbourner Bicycleklub», und H. R. Stoke». die auf ihrer Weltreise im Sommer d. I. London erreichten, berichtet der Stdney Morning Herald: Am 1. Nov. 1888 verließen die Radfahrer Melbourne, um eine 12monatliche Tour um die Welt zu machen; sie begannen dieselbe mit 1000 englischen Meilen in Australien, fuhren über die Blauen Berge und besuchten die Grotten von Jenola. Dann fuhren sie weiter nach Sidney und Brisbane und zu Schiff nach Java, indem sie bei Thursday Island Halt machten. Die Reisenden durchfuhren an 250 Meilen in Java, von wo sie nach Singapore segelten. Von dort fuhren sie, nach Zurttcklegung von 150 Meilen, nach Penang und Rangun, wo sie wieder 150 Meilen machten. Darauf segelten sie nach Kalkutta und versuchten an den Fuß des Himelayagebirges zu gelangen, fuhren nach Silliguri, erreichten jedoch nur den Gange», denn sie verirrten sich und konnten keine Straße finden. Sie kamen nach Kalkutta zurück nach einer Fahrt von 200 Meilen und machten sich dann an ihre Ueberlandtour, fanden bei einer Durchschnittereise von 93 Meilen im Tag die Straßen gut und besuchten Benares, Cawnpore, Lucknow, Delta, Agra, Gwalior. Nach einer Fahrt von 2000 Meilen in Indien erreichten sie Bombay. Von Bom­bay segelten sie nach Egypten, wo sie jedoch ihre Fahrräder nicht brauchen konnten, da nur Kameelstraßen sich dort befinden. Sie segelten dann von Alexandria nach Jaffa und fuhren von dort nach Jerusalem. Nach Jaffa zurückgekehrt, dampften sie nach Beirut und ritten über den Libanon nach Damaskus. Bei einem Besuche in Baalbeck litten sie sehr von den diebischen Arabern, die gar zu gern sich Teile der Fahrräder angeeignet hätten. Zu Schiff fuhren die Reisenden nach Konstantinopel, von da nach Athen, dann nach Sizilien. Dort kamen sie in der zweiten Woche im April an, blieben 2 Tage und segelten nach Neapel, wo sie den Vesuv erstiegen, Pompeji be-

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