verurteilt worden. Das Reichsgericht hat auf eingelegte Revision hin die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Stettin verwiesen. In der Urteilsbegrün­dung wurde dem Angeklagten in dem Fall Ebert der Schutz des Z 193 versagt, ebenso in dem Fall der Ber- waltungsklage, wo er die Richter als bestochen und den Nebenkläger, Landrat Maltzahn, als politischen Agenten des agrarischen Demagogentums bezeichnete. Sonst wurde ihm der Schutz des § 193 zugebilligt. Als straferschwerend wurde angesehen, daß die Beleidigungen nicht etwa in der Hitze des Wahlkampfs gefallen sind, sondern wohl überlegt waren und nach acht Jahren erhoben wurden. Andererseits wurde dem Angeklagten zugute gehalten, daß er aus Er­regung heraus gehandelt habe, daß seine politische Richtung häufig der Anlaß der gegen ihn ergriffenen Maßnahmen gewesen und auch, daß er leicht erregbarer Natur sei und die politischen Kämpfe ihn erbitterten.

IV Wien, 22. OKI. Der bayrische Tischlergeselle Voigt, der die Dienstmagd Peer in bestialischer Weise ermordet hatte, wurde gestern vom Schwurgericht zum Tode durch den Strang verurteilt.

Ausland.

IV Wien, 20. Okt. Der Kaiser empfing den Herzog Albrecht von Württemberg und dessen ältesten Sohn Philipp Albrecht in Privataudienz.

IV Wien, 22. Okt. Der Abgeordnete Hartl-Reichen- berg hat eine Interpellation an den Minister des Innern eingebracht betreffend die Belästigung reichsdeutscher Luft­schiffer in Böhmen.

r Wien, 22. Okt. Der Boss. Ztg. zufolge sind in Suczawa in der Bukowina die Schüler aller 8 Klassen in den Streik getreten. Der angegebene Grund ist Arbeits- überbürdung.

^V Budapest, 22. Oktbr. Die hier lebenden Ver­wandten von Franz Liszt haben sich an die Regierung mit einer Eingabe gewandt, daß die sterblichen Uederreste des großen Tonkllnstlers von Weimar nach Budapest überge­führt werden.

Paris, 22. OKI. Präsident Fallieres weihte heute in Nerai das Denkmal des Physikers de Romas ein. Bei dem darauf folgenden Bankett hielt der Präsident eine Rede in der er ausführte, die Republik trachte darnach, den Frieden aufrecht zu erhalten, werde aber keine auch noch so geringe Verletzung der Ehre und Würde Frankreichs hinnehmen.

W Lissabon, 22. Oktbr. Der geschützte Kreuzer Sao Raphael" ist bei Villa Socundo (nördlich von Porto) gescheitert und gilt als verloren.

Konftantinopel, 21. Okt. Seit zwei Stunden steht das Stambuler Stadtviertel Bajazid in Flammen. Bis jetzt sind 2 00 Häuser abgebrannt.

^V Konstantinopel, 22. Okt. Der Brand in Stambul erlosch erst gegen 2 Uhr nachts. Die Aus­breitung des Feuers ist dem Wassermangel zuzuschreiben. Die abgebrannten Stadtviertel sind ausschließlich von Türken, meist wohlhabenden Leuten bewohnt. Mehrere Konaks, die serbische Schule und eine Moschee sind abgebrannt. Das Feuer brach in einem Konak aus. Die genaue Zahl der abgebrannten Häuser ist noch nicht bekannt, sie soll aber 400 übersteigen. Die Schätzung des Materialschadens schwankt zwischen 200 und 400000 Pfund. Ein Verlust an Menschenleben ist nicht zu beklagen. Der erste Polizei­bericht erklärt, daß das Feuer durch Unvorsichtigkeit ent­standen sei. Während des Brandes wurden 50 Diebe verhaftet. Der Brand rief in Stambul große Aufregung hervor, da ein Uebergreisen auf die anderen dichtbevölkerten Stadtviertel befürchtet wurde. Der Minister des Innern und der Kriegsminister erschienen aus dem Brandplatze.

UV Tokio, 22. Okt. Gestern ist hier die Staatliche Pulverfabrik explodiert. 12 Männer wurden getötet, 9 ver­wundet. 4000 Kilo Pulver sind vernichtet und zwei Ge­bäude zerstört worden.

r La Paz, 21. Okt. Die Deputiertenkammer hat einen Gesetzentwurf angenommen, nach dem die Zollsätze um 50 o/o erhöht werden sotten.

Marokko.

Melilla, 30. Okt. Eingeborene Stämme haben den Posten in der Gegend von Ruscherif angegriffen, eine Schildwache getötet und zwei Mann verwundet. Spanische Truppen sind von Seluan abgegangen, um gegen die Stämme Beni Buyagi, Beni Umir und Beni Umir und Beni Tagi- amat einen Streifzug zu unternehmen. Dis Stämme leisteten nur schwachen Widerstand und erlitten starke Verluste. Zwei Spanier wurden verwundet.

Der Aufstand in China.

^V London, 20. Okt. Wie die Blätter melden, tele­graphierte der britische Konsul in Kiukiang nach Schanghai, daß die Revolutionäre behaupten, einen großen Sieg in Hankau errungen zu haben. Sie hätten die Flußstation eingenommen. Alle chinesischen Kriegsschiffe hätten sich zu­rückgezogen mit Ausnahme eines Kreuzers, der sich den Revolutionären angeschlossen habe.

r Hankau, 20. Okt. Bisher sind die Revolutionäre siegreich. Am Mittwoch zwangen sie die Kaiserlichen, sich auf ihr Lager zurückzuziehen. Am Nachmittag eröffnten die Kanonenboote das Feuer, aber sie schossen zu weit. In der Nacht wurden die Revolutionäre verstärkt und nahmen eine starke Stellung ein. Am Donnerstag rückten 6000 Aufständische vorsichtig gegen das Lager der Kaiser­lichen vor. Der Widerstand, dem sie begegneten, war ziem­lich schwach. Das Lager der Kaiserlichen wurde verlassen und von den Revolutionären besetzt. Die Regierungstruppen zogen sich 7 Meilen vom alten Lager zurück. Die Kanonen­boote sind flußabwärts gefahren.

Paris, 2V. Okt. Der Bahnhof von Hankau ist tat­sächlich zerstört. Ueber die beiderseitigen Verluste während der dreitägigen Kämpfe schwanken die Angaben. Sicher ist nur, daß durch das Bombardement die Städte Wutschang und Hankau stark gelitten haben, in Hankau namentlich jener Stadtteil, welcher an die deutsche Niederlassung grenzt.

London, 21. Okt. Aus Schanghai wird gemeldet: Die kaiserlichen Truppen sind von der Bahnstation voll­kommen verdrängt worden und haben sich jetzt 7 Meilen von ihrem alten Lager verschanzt. Eins der chinesischen Kanonenboote wurde von der eigenen Mannschaft, die zu den Rebellen überging, im Fluß versenkt. Admiral Satschen- Ping brachte den Rest seiner Flotte den Fluß herunter, da er feiner Mannschaft nicht traute.

r Peking, 21. OKI. Gestern wurde im hiesigen Amts­blatt ein Bericht des Generals Pinchang veröffentlicht, der noch keine Nachricht über den Kampf am letzten Mittwoch bei Hankau enthält. Er meldet aber, daß die Aufständi­schen vom 22. Regiment zweimal zurückgeschlagen wurden. Sie bereiteten die Verteidigung von Wutschang und Hankau vor, würden aber durch Desertionen geschwächt. Pinchang beabsichtigt, eine Proklamation zu erlassen, in der er den­jenigen, die sich ergeben und die Waffen niederlegen Pardon verspricht. __

Der Krieg um Tripolis.

Die italienische« Friedensbedingungen.

Paris, 20. Okt. Ueber die Zugeständnisse, welche Italien der Türkei für die Abtretung von Tripolis zu machen bereit wäre, erklärt derTemps" folgendes : Italien will die Pforte für die Krondomänen durch Geld entschädigen. Ferner will Italien der Bevölkerung gestatten, den Sultan Mehmet V als religiöses Oberhaupt anzuerkennen, doch mit der Einschränkung, daß die Seelsorger, die im Namen des Sultans funktionieren sollen, dem katholischen Bischof, dem Großrabbiner und dem Senussisten fest beigeordnet werden. Südlich verspricht Italien, die von der Pforte geplante Kopfsteuer für Ausländer, sowie die 4 °/g ige Zollerhöhung anzunehmen, falls auch die anderen Großmächte sich damit einverstanden zeigen. Wenn auf dieser Grundlage bald Friede geschlossen wird, so will Italien der Pforte bei Er­haltung des Status quo auf dem Balkan gute Dienste leisten. Im Falle einer ablehnenden Haltung der Türkei sähe sich Italien genötigt, seine Flotte ins ägäische Meer zu senden.

*

Berlin, 21. Okt. Mailänder Depeschen besagen, daß das das italienische Ministerium nach langen Be­ratungen beschlossen habe, nunmehr, nachdem die Türkei keine Friedensoerhandlungen auf Grundlage des italienischen Ultimatums begonnen habe, die italienische Flotte in eine entscheidende Haltung emtreten zu lassen. Den Mächten wird der Beschluß bekannt gegeben, alle bisher gegen die Türken gebrauchten Rücksichten fallen zu lassen. Das Vorgehen der italienischen Flotte im ägäischen Meer soll nicht mehr von politischen Besorgnissen, sondern ausschließ­lich von strategischen Gründen geleitet werden. Die Be­grenzung der kriegerischen Operation soll wegfallen.

^V Rom, 22. Okt. (Agenzia Stefani.) Ein Radio­telegramm, das gestern abend vom General Brescola, dem Kommandanten des Expeditionskorps in Cyrenaika einge- lausen ist, meldet: In der Nacht vom 19. zum 20. wur­den die italienischen Truppen in Benghasi von den Beduinen mehrmals angegriffen. Am Nachmittag machten die Be­duinen Angriffe aus das Dorf Sabri, wurden aber zurück­geschlagen. Die an Land gesetzten Truppen sind jetzt um Benghasi versammelt. Sie haben die Stelle, wo die Trup­pen ausgeschifft worden waren, verlassen. Das Schiffsma­terial ist im Hasen von Benghasi ausgeschifft worden. Die feindlichen Streitkräste bestanden am 19. und 20. Oktober außer den türkischen Truppen aus mindestens 2000 Bedui­nen. Man glaubt, daß sich die türkischen Truppen mit 12 Kanonen auf die Hochebene zurückgezogen haben. Die Verluste der Türken werden auf mindestens 200 Tote und eine große Anzahl Verletzte geschätzt. Von den italienischen Landtruppen wurden sieben Offiziere, zwei Korporale und 13 Soldaten getötet. Die Verluste der Marine sind bereits bekannt. Trotz der über­standenen Mühen ist der Geist der Truppen sehr gehoben und der Gesundheitszustand ein ausgezeichneter.

Landwirtschaft, Handel und Verkehr.

Nagold, 21. Okt. Alter Dinkel. Neuer Dinkel 8.80 8.64. 8.60. Weizen 12.50, 12.46. 12.40. Kernen

Roggen 11., 10.60, 10.25. Gerste. 10.,. Haber.,,.. Mühlfrucht.

Altensteig, 18. Okt. Alter Dinkel Neuer

Dinkel., 10.,.. Haber, 9.50,. Kernen, . Weizen,.. Roggen, 11.,.

p Stuttgart, 21. Okt. (Mostobstmarkt auf dem Nordbahnhof.) Aufgestellt waren 244 Wagen, davon neu zugefiihrt 153 Wagen: nach auswärts abgegangen 130 Wagen. Preis waggonweise für 10 000 KZ Acpfel 11501330 Preis im Kleinverkauf für Aepfel 6.40 bis

6.80 Mark der Zentner. Marktlage: lebhaft.

Wochenmarkt-Bericht der Zeutralvermittlnugsstelle für Obstverwertung in Stuttgart.

Ausgegeben am 21. Oktober 1911.

Bei der Zentraivermittlungsstelle für Obstverwertung in Stutt­gart, Eßlingerstr. 15, Telefon 7164, sind eingelaufen: Angebote: Wintertafelbirnen in allen Preislagen, größere und kleinere Posten einheimische Winteräpfel, Quitten, Nüsse und mehrere hundert Zentner hiesiges Mostobst. Nachfragen: große Mengen Mostobst. Wintertasel- äpfel von zahlreichen Plätzen des In- und Auslandes. Adressen von Anbietern und Abnehmern, ebenso Auskunft über Marktlage. Preise, Verpackungsmaterialien jederzeit kostenlos. Tafelobstpreise aus dem Stuttgarter Engros-Markt am 21. Oktober: Aepfel 1018^ik, Pfir­siche 1525 -4k, Trauben 30-35 -4k, Quitten 1216 -4k. Birnen 20 bis 22 -4k, Nüsse 2835 .4k, Hagenbutten 1415 ,4k per 50 Eortenpreise unverändert.

r Stuttgart, 21. Oktober. Schlachtvlehmarkt., Großvieh, Kälber, Schweine Zugetrieben: 148 98 514

Erlös aus r/z Lss. Schlachtgewicht.

Pfennig

Pfennig

Ochsen

von

92 bis

Kühe

von

bis

Kälber

Bullen

78 ..

79

95101

88 .. 94

Jungvieh u.

88 ..

91

80 87

Iungrinder

84

87

Schweine

64 66

80

83

61 63

--

»

Answartige Todesfälle.

Friederike Vetter, 28 I., Besperweiler; Emilie Kittel, geb. Adis, 44 2., Rottenburg: Luise Henßler, 68 2., Aitensteig: Franz Lohmüller, Maurer, Bühl.

Eingesandt.

(Für Artikel unter dieser Rubrik übernimmt die Redaktton nur dir preßrechtliche Verantwortung.)

Als Fremder, der alljährlich mehrmals nach Nagold kommt, habe ich schon oft Betrachtungen darüber angestellt, warum das freundliche Städ.'chen, das so viel landschaftliche Schönheiten besitzt, sich nicht in stärkerem Maße zu einem Kurort entwickelt. Wohl wird da und dort innerhalb der Stadt ein Haus gebaut, das entweder gewerblichen Zwecken dient oder städtische Bedürfnisse befriedigt. Allein die schönen sanft ansteigenden Anhöhen, (besonders nach der Südseite wären doch wohl wert, als Villenviertel angebaut zu wer­den. Wgs könnten hier für hübsche Häuschen mit Gärten um billigen Preis erstellt werden, wenn die Sache energisch in die Hand genommen würde. Freilich müßten in erster Linie bessere Berkehrsverhältnisse geschaffen werden. Bei­spielsweise soll auf den umständlichen Verkehr nach dem Erholungsheim Pilgerruhe hingewiesen werden. In fünf Minuten könnte man vom Bahnhof imHeim" sein, wenn über oder unter dem Bahnkörper ein Uebergang vorhanden wäre. Statt dessen ist man genötigt, einen Umweg bergab und-auf von einer Viertelstunde zu machen, d. h. wenn man Glück hat und nicht vor den Schranken des Ueber- ganges warten muß. Denn unter zehn Mal ist gewiß acht Mal die Schranke zu, weil rangiert wird. Merkwürdiger­weise soll, wie ich hörte, der Landjäger die Erlaubnis haben, die Geleise zu überschreiten, während der Polizeidiener schon von dieser Vergünstigung ausgeschlossen ist. Nun bedenke man, daß sommers in dem Heim Hunderte von Kurgästen verkehren, die immer genötigt sind, vom Bahnhof dahin und umgekehrt diesen Umweg zu machen. Wäre es nicht im Interesse der Ausdehnung der Stadt dringend geboten, hier Wandel zu schaffen, da die Lust zum Anbauen nur ge­fördert wird, wenn bequeme Zugänge vorhanden sind. Wenn eine Uebersührung vorerst nicht zu erreichen ist, so sollte man wenigstens darauf dringen, daß der unterirdische Durchgang entwässert und ausgeebnet würde, um Fußgängern den Um­weg zu ersparen. Die Beleuchtung desselben wäre selbst­verständlich. Die Stadt Nagold hat so viele reizende Punkte aufzuweisen, die mit Hilfe des Verschönerungsvereins zu­gänglich sind, daß gewiß manche Familie, und wenns nur über Sommer wäre, sich hier ansiedeln würde, wenn die Stadtverwaltung die Verkehrshindernisse möglichst aus dem Weg zu räumen sucht. Mit diesem möge die Anregung zur Besprechung dieser wichtigen Angelegenheit gegeben sein.

8ed.

Neue Bücher von denen man spricht:

Dose, Ein Bonapartefeind. Roman. 2 Bände 9.

Eckrnbrecher, Im dichten Pari. Reise- und Iagdbildcr

aus Deutsch-Ostafrika 5.

Federer, Berge und Menschen. Roman. 6.

Goethe, Wilhelm Meisters theatralische Sendung. 3.

Hardt, Gudrun. Drama. 4.

Key, Seele und Werk. Essays 5.

Klein-Hattinge«, Geschichte des deutschen Liberalismus.

Band II. 8.

Münchhausen, Das Herz im Harnisch. Balladen. 5. Nansen, Nebelheim. Entdeckung und Erforschung der

nördlichen Länder und Meere. 2 Bände. 20.

Ompteda, Die Tochter des großen Georgi, Roman. 7. 50

Peters, Carl, Zur Weltpolitik. 7.

Reuter, Frühlingstaumcl. Roman. 5.

Schirmacher, Das Rätsel Weib. Eine Abrechnung. 3.

Sörgel, Dichtung und Dichter der Zeit. -4k 12.50 und 14.

Sudermann, Der Bettler von Syrakus. Tagödie. 4.

Zichy, Graf, Aus meinem Leben. Band I. 6. 50

Zu beziehen durch die G. W. Zaiscr'sche Buchhdlg. Nagold.

Mutmaßt. Wetter am Montag und Dienstag. 3

Eine neue noch tiefere Depression ist von Irland aus den Kontinent vorgedrungen und wird, wenn sie auch in der Hauptsache nördlich von uns vorbeizieht, am Montag und Dienstag trübes, mildes und strichweise regnerisches Wetter Hervorrufen.

Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchdruckerri (Emil Zaster Nagold. Für die Redaktton verantwortlich: K. Paur.