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Fernsprecher Nr. 29.

83. Jahrgang.

Fsrvsprechrr Nr. 26.

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Beilagen: Plauderstibchen, Illustr. Sonnlagsblatt und

Schwöb. Landwirt.

2L6

Areitag, den 15. Septemöer

1911

Kgl. Höevamt Wagoki».

Bekanntmachung,

betr. Ankauf von Kraftfuttermittelu.

Da die gegenwärtige Lage der Landwirtschaft zu einem vermehrten Angebot von Futtermitteln, Biehpulver und dergl. Produkten Anlaß geben wird, wird die landw. Be­völkerung des Bezirks darauf hingewiesen, daß beim Kauf solcher Produkte von unbekannten Händlern und Reisenden besondere Vorsicht geboten ist. Falls die Futtermittel rc. nicht durch Vermittlung der örtlichen Darlehenskassenvereine oder des landw. Bezirksvereins bezogen werden, empfiehlt es sich, den Einkauf nur bei den Firmen zu machen, welche sich der K. Landw. Versuchsstation Hohenheim gegenüber vertraglich verpflichtet haben, nur gute Kcastfuttermittel zu den Tagespreisen zu verkaufen. Die K.-Versuchsstation untersucht auch aus Ansuchen die von den Landwirten be­zogene Ware kostenlos; Probenahmevorschristen können von dieser Stelle jederzeit unentgeltlich bezogen werden.

Auch ist die K. Versuchsstation bereit, den Landwirten auf briefliche Anfrage kostenlos Auskunft darüber zu er­teilen, welches Kraftfuttermittel gegenwärtig am billigsten ist, oder welche Krastfuttermittel für die verschiedenen Nutzungszwecke die zweckmäßigsten sind.

Den 13. Sept. 1911. Kommerell.

Zufolge Mitteilung des K. Oberamts Herrenberg ist die Maul- uni» Klauenseuche in der Gemeinde Gült­stein erloschen.

Den 14. Sept. 1911. Kommerell.

Vom Kath. Oberschulrat ist am 13. d. Mts. die Lehrstelle an der kath. freiwilligen Konfessionsschule in Lorch, OA. Welzheim, dem Hauptlehrer Beutele in Vollmaringen, OA. Horb, übertragen worden.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, 15 September 1SI1.

r Das Versicherungsgesetz für Privatbeamte.

Dem Vernehmen nach wird die erste Vorlage, die den Reichstag in seiner ersten Sitzung am 10. Oktober beschäf­tigen wird, das Versicherungsgesetz für Angestellte sein. Es soll auf diese Weise ermöglicht werden, den Entwurf recht­zeitig der Kommission zu überweisen. Nach der früheren Stellung, die der Reichstag zur Frage der Prioatbeamten- verstcherung eingenommen hat, nimmt man an. daß die Be­ratungen im Plenum nur wenig Zeit in Anspruch nehmen werden. 3n den Kreisen der Privatbeamten besteht die Ueberzeugung, daß die Durchberatung der Vorlage im Reichstag nicht auf Schwierigkeiten stoßen wird, da alle Parteien sich auf den Standpunkt der zweiten Denkschrift über die Prioatbeamtenversicherung gestellt und ihren end­

gültigen Beschluß, die Vorlage noch in der gegenwärtigen Legislaturperiode zu verabschieden, bekundet haben. Die überwiegende Mehrheit der Privatangestellten, die durch den Siebenerausschuß vertreten wird, hat wiederholt erklärt, daß sie die Vorlage der Reichsregierung als eine brauchbare Unterlage zur Durchführung der Prioatbeamtenversicherung ansieht. Fm einzelnen bestehen auch dort Wünsche auf Abänderung der Vorlage. Man ist jedoch zu der Ueber­zeugung gekommen, daß eine Beschränkung auf Abände­rungsvorschläge angebracht ist, um die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Herbsttagung nicht zu gefährden. Wenn noch immer Bestrebungen im Gange sind, die Versicherung der Angestellten herbeizusühren, so dürften diese Bestrebungen im Reichstage keine Aussicht auf Erfolg haben. Denn bei der Beratung der Reichsverficherungsordnung hat die über­wiegende Mehrheit des Reichstages ihre Ansicht dahin aus­gesprochen, daß eine Erweiterung der Invalidenversicherung durch Aufsetzen neuer Lohnklassen undurchführbar ist.

Emmingen, 15. Sept. In der Meldung (Nr. 214 d. Bits.) betr. Verletzung durch einen losgegangenen Re­volverschuß ist zu berichtigen, daß der Verletzte Schechinger heißt nicht Röhm. _

Calw, 13. Sept. Sicherem Vernehmen nach wird der Reichstagsabgeordnete Fr. Naumann am nächsten Mittwoch hier einen politischen Bortrag halten.

r Grünmettstetten OA. Horb, 14. Sept. (Unfall.) Schultheiß Singer von Altheim fuhr mit seiner Frau und Schwester auf den Haidenhof. Bei der Rückfahrt löste sich auf der Straße von Btttelbronn der Zügel, das «Pferd raste im Galopp davon, das Gefährt stürzte um und sämt­liche drei Insassen wurden herausgeschleudert. Schultheiß Singer und seine Schwester erlitten starke Verletzungen im Gesicht, die Frau kam mit dem Schrecken davon. Nach Anlegung eines Notverbandes wurden die Verletzten nach Altheim gebracht.

Stuttgart, 14. Sept. Der Generalinspekteur der dritten Armeeinspektion Generalfeldmarschall von Bock und Polach, wird vom 16. bis 19. Sept. den Manövern der württembergischen Truppen anwohnen und in Riedlingen und Schloß Zeit Quartier nehmen.

p Stuttgart, 14. Sept. Bei der heutigen Ziehung der Bäckereiausstellungslotterie wurden folgende Wertgewinne gezogen: 1 Gewinn im Wert von 2000 ^ fiel auf Nr. 10 719, ein solcher von 1000^8 auf Nr. 21 229, von 500 aus Nr. 24086, 5 Gewinne im Wert von je 200 auf Nr. 33556, 38981, 38984, 32986 und 19 869; 10 Ge­winne im Wert von je 100 ^ auf Nr. 16439, 13 641, 13313, 13415. 10488, 44998, 26 393. 26 567, 27 991 und 46 231. Die Geldgewinne fielen auf folgende Num­mern: 47178 5000 47450 1000 46 882 500

11772 200 12 937, 19 986 und 11790 je 100

(Ohne Gewähr.)

Reutlingen, 14. Sept. Ein Mordversuch erregte vorgestern nachmittag in der Kelterstraße Aussehen. Der verheiratete Monteur Ernst Fischer^ glaubte lt.Schw. Kreisztg." begründete Eifersucht gegen seine Frau zu haben und suchte sie deshalb auf der Straße zu erschießen. Er drückte den mit 6 scharfen Patronen geladenen Revolver min­destens 20mal mit der Mündung aus seine Frau gerichtet ab, aber die Waffe versagte. Hätte der Revolver funktio­niert, so wäre die Frau zweifellos nicht mehr am Leben.

Spaichingen, 14. Sept. Heute nachmittag 2 Uhr brach in Aldingen neben dem Gasthof zumHirsch" Feuer aus, das bald größeren Umfang annahm. Bis 4 Uhr waren zehn Wohnhäuser und vier Scheuern abgebrannt, darunter die Wirtschaften znmHirsch" und zur Krone". Die Feuerwehren der Umgebung sind zur Hilfe­leistung am Platze. Das Feuer dauert fort, man hofft je­doch, es auf seinen Herd beschränken zu können.

r Schwenningen, 14. Sept. (Der Grüninger Brand.) Wie nun feststeht, kam das furchtbare Feuer in Grllningen im Hause des Farrenwärters Joseph Preis infolge eines defekten Kamins zum Ausbruch. Bon den 60 Gebäuden sind 20 Wohnhäuser und 5 Nebengebäude abgebrannt. 25 Familien sind obdachlos. Kirche, Rathaus, Schulhaus und Pfarrhaus blieben verschont. 12 Personen erlitten bei den Rettungsarbeiten Verletzungen. Die Sani­tätskolonne Billingen leistete hilfreiche Dienste. Pioniere wurden nicht benötigt. Mit dem Zuge um VslO Uhr abends trafen von Karlsruhe 60 Betten und eine Notbaracke ein zur Unterbringung der 95 Obdachlosen, die zum Teil im Schulhaus, Rathaus und Privathäusern untergebracht werden. Brandwachen sind ausgestellt, um ein Wiederauf­leben des Feuers zu verhindern. Die Stadt Villingen hat die notwendigen Lebensmittel sofort zur Verfügung gestellt und an die Abgebrannten verteilen lassen. Der Amtsvor­stand selbst nahm eine Gcldsammlung für die Brandge­schädigten vor. Der Großherzog forderte in einem Tele­gramm an den Amtsvorstand einen eingehenden Bericht und ließ der Gemeinde seine innigste Teilnahme bezeugen. Auch die Großherzogin Witwe Luise telegraphierte von der Mainau aus und bedauerte, daß der blühende Ort Grlln­ingen, an dem sie vor wenigen Stunden eben noch (von Dürrheim kommend) oorbeigefahren sei, so schwer heimge­sucht worden sei. Sie stellte alsbaldiges Eintreffen von Wäsche aus Karlsruhe in Aussicht. Die Nachricht, daß ein Knabe vermißt werde, bestätigt sich erfreulicherweise, nicht. Der Gebäudeschaden wird auf 198000 ^ geschätzt, der Schaden an Fahrnissen 97 000

r Baihingen a. E., 14. Sept. (Festnahme.) Der Pflästerer Ernst Fröhlich von Untermberg wurde in Pforz­heim unter der Beschuldigung, in Schwann eine bei einer Rauferei verloren gegangene Brieftasche mit einem Einhun­dertmarkschein und verschiedenen Wechseln über 1300 an sich genommen und unterschlagen zu haben, verhaftet.

Mk Ausstellung kirchlicher Knust Schwabens

bespricht der Schriftleiter der konservativenReichspost" in der Samstagsnummer seines Blattes. Ueber den historischen Teil lesen wir folgende Sätze:

Was sich dem Beschauer unmittelbar aufdrängt, ist das Gefühl: solche Kunstschätze sind in den Dörfern, kleineren und mittleren Städten des Schwabenlandcs ausgehäuft? Wahrlich, das ganze Mittelalter gewinnt plötzlich ein anderes Gesicht, wenn man sieht, wie die Leute jener Periode, die Handwerker und Künstler, zu arbeiten wußten, wieviel Ge­schick, Geschmack und Empfindung, kolossales technisches Können und durchgebildete künstlerische Anschauungsweise vorhanden gewesen sein muß, um Werke kirchlicher Kunst von solcher Vollendung und solchem Feingefühl zu schaffen. Wie wohlhabend aber auch und von welch frommem Sinn erfüllt waren die Bürger dieser kleinen Gemeinwesen, um solche Opfer für die kirchliche Kunst bringen zu können. Vieles, was wir hier in dieser geschichtlichen Ausstellung an Kreuzen, Kelchen, Monstranzen, Abendmahlsgeräten, Tauf­becken, Tauskannen usw. sehen, sind Meisterwerke der Filigranarbeit.- Dazu gehörte zweifellos Geld. Ausdauer. Ruhe, Behaglichkeit, Gemächlichkeit und innerliche Freude. Eine Zeit wie die heutige mit ihrem Rennen und Jagen, ihrer Unrast und Unruhe, mit dem 10-Psennig-Stück für dieElektrische" als Symbol einer nervösen Geschäftigkeit, kann solche Dinge gar nicht mehr machen. Ein anderes kommt noch hinzu. Wo wären denn heute die Handwerker, die solche Kunstwerke erzeugen könnten? Die Begriffe »on Künstler und Handwerker gingen früher vollständig ineinander über. Freilich damals lernte ein Lehrling fünf, sechs

Jahre und der Geselle arbeitete behaglich, gemächlich aber bis zu 14 Stunden im Tag und der Meister selbst kannte den Begriff einer irgendwie gesetzlich eingeteilten Arbeitszeit überhaupt nicht. Geselle und Meister waren am Kunstwerk gleichmäßig, seelisch und künstlerisch, interessiert. Meister und Gehilfen waren bei fremden Meistern, wohl gar in Italien, gewesen und hatten sich in unablässigem Streben vervollkommnet, dem Urteil Geschmack, der Hand künstlerische Fertigkeit verliehen. Das war die Blütezeit des Handwerks, wo der Meister ein Künstler war und der Ge­selle sein Werkgenosse.

Der Verfasser spinnt diese Gedanken weiter und schreibt dann inbezug auf die moderne Abteilung:

Das kleine Ausstellungsgebäude gegenüber dem Landes­gewerbemuseum enthält dieZukunftspläne". Es handelt sich meist um Dorfkirchen. Ich werde mich mit der neuen Württemberger Kunst" kaum je verständigen. So reizvoll manches in der modernen Architektur ist. alsStil" lehne ich ihre Erzeugnisse für meine Person ab. Ich werde nie die Empfindung los, daß in der profanen, wie in der kirch­lichen Architektur eine wilde Regellosigkeit das Charakteri­stikum ist. Was heißt denn Stil? Doch wohl: eine Summe konstruktiver Ideen ist nach einer harmonisierenden Haupt­idee einheitlich gestaltet. Man kann ja natürlich auch andere Ansichten vom Stil haben. Das Harmonische, das Symme­trische, das Gesetzmäßige, das Regellose ist mir Stil, sowie ihn Schöpfer und Natur im höchsten und feinsten Gebilde, im Menschen, festgelegt haben. Alle Ausdrucksformen sind zugelasfen, wenn sie sich innerhalb dieses Gesetzrahmens be­wegen. Das höchste im harmonisierten System kirchlichen Baustils ist mir die Gothik. Es gibt für mich nichts Voll­kommeneres. . .

Die neue württembergische Kunst neu in relativem Sinne will einen Stil bilden aus dem Milieu und den zur Verwendung zuständigen Materialien. Nach meiner Auffassung muß die höhere künstlerische Idee Milieu und Stoffe meistern. Man sehe sich einmal die norddeutschen Marienkirchen an (ich will nur Hannover und Danzig nennen), wie man mit dem gewiß unpoetischen Backstein Herrliches geleistet hat. Auch die Dorfkirche kann gothisch sein. Man durchwandere das Elsaß und man wird eine Menge kleiner Gemeinwesen finden, die entzückende kleine gothische Kirch­lein haben. Man vergleiche den Abstand zwischen der got­ischen Iohanneskirche und der gothischen Marienkirche in Stuttgart. In beiden das gleiche Prinzip und doch welcher Unterschied in der Modulation! Ich kann mir nicht helfen: die ausgestellten Pläne der Dorfkirchen sehen alle der Mar­kuskirche ähnlich. Das ist aber für mich die Kirche, wie sie nicht sein soll: reizvoll in den Einzelheiten, eine blumige naturalistische Ornamentik, aber ein ganz und garungeist­liches" Aussehen, eine nicht unter Einem Gedanken stehende Vielgliedrigkeit, eine Zusammensetzung von allerhand Stil­elementen, ein mittelalterlicher Kirchturm mit modernen Einzelheiten kokettierend; im ganzen: völlig '.unorganisch; kein Crescendo in den charaktergebenden monumentalen Konturen, kein harmonisches Auswachsen zu einer höchsten Einheit im Gesamtbild. Das ist, wie gesagt, meine An­schauung, die ich niemandem aufdrängen will, denn über den Geschmack läßt sich nicht streiten. Bon meinen Lesern wünschte ich natürlich, daß sie meinen Geschmack hätten. . .

Doch wie dem auch sei die beiden Ausstellungen sind schön und bedeutungsvoll: wer sich einen künstlerisch und religiös intendierten Genuß verschaffen will, versäume nicht, die Ausstellung zu besuchen.