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SchwSb. Landwirt.
M 149
Donnerstag, dm 29. Juni
1911
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Württernbergischer Landtag.
I» Stuttgart, 28. Juni. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung des Kultetals bei Kapitel 73 (Gymnasien) fort. Vizepräsident v. Kiene (Z.) stellte den Antrag, den Finanzausschuß zu beauftragen, die in den beiden Denkschriften der Regierung vom 23. März 1909 über die Unterhaltung der höheren Knabenschulen und vom 24. April 1909 betr. die Uebernahme der Bolksschullasten auf den Staat behandelten Fragen einer Prüfung zu unterziehen und über das Ergebnis einen schriftlichen Bericht zu erstatten. In der Debatte wünschte der Abg. Wieland (Natl.) eine einheitliche Regelung des Beginns des Schuljahrs im ganzen Lande: dafür trat auch der Abg. Löchner (Bp.) ein, der eine einheitliche Lösung der Ferien- und Feiertagsfrage sowie eine einheitliche Regelung der Schulgeldfrage beim gleichzeitigen Besuch von Schulen halbstaatlichen halb städtischen Charakters verlangte. Der Abg. Heymann (Soz.) beschäftigte sich mit dem Resormrealgymnasium. Die Aufnahmelisten für dieses in Stuttgart zu errichtende Gymnasium seien bereits geschlossen, weshalb die Schaffung einer größeren Zahl von Parallel-Klassen zweckmäßig sei. Der Redner Irak auch für eine Zulassung von Mädchen zu diesem Gymnasium ein und wünschte weiter, daß die Bezahlung der Schulgebühren derart sein soll, daß nicht diejenigen Schüler, die das Schulgeld nicht bezahlen können, einer Beschämung durch ihre Kameraden ausgesetzt seien. Kultminister v. Fleischhauer betonte, daß man vor dem Vollzug der Gehaltsaufbesserung nicht in die Beratung der in dem Kieneschen Antrag erwähnten Denkschriften eintrete: frühestens nach Ablauf d. Is. werde die Regierung Erhebungen veranstalten können. Eine Verlegung der Ferien an das Ende des Schuljahrs sei das zweckmäßigere. Liesching (Bp.) wünschte, daß den Gemeinden mehr Beiträge für Schulhaus- dauten gewährt werden und trat ebenfalls für größere Einheitlichkeit des ganzen württembergischen Schulwesens ein. Nach einer kleinen Polemik zwischen den Abgg. Feuerstein (Soz.) und Wolfs (BK.) wurden die Ausschußanträge angenommen, ebenso der Antrag Kiene. Man ging dann über zu Kapitel 74/75. Nach längerer Debatte wurde ein Antrag Häsfner (natl.) angenommen, die Ziffer 4 der Ein
gabe des Vereins der Präzeptoren und Reallehrer Württembergs mit Beschränkung auf die Zulassung zu den zweiten Klassen der höheren Lehranstalten zur Berücksichtigung zu übergeben: der Antrag wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokratie und dreier Bolksparteiler angenommen. Dann wurde abgebrochen. Nächste Sitzung Freitag nachmittag 3 Uhr.
x Stuttgart, 28. Juni. Die Finanzkommisston der Zweiten Kammer behandelte in ihrer heutigen Sitzung den Rest der zweiten Lesung des Entwurfs zum Sportelgesetz. Zunächst wurde Art. 13 behandelt, der die Strafbestimmungen wegen Abgabengefährdung festsetzt. Der Berichterstatter Häffner beantragte die Tarifnummer 3 (Genehmigung lästiger Anlagen) aus den Strafbestimmungen zu streichen. Der Antrag wurde angenommen. Art. 14 bezeichnet die Fälle, in denen der Tatbestand einer Abgabengefährdung als gegeben anzusehen ist. Art. 15 bestimmt die Strafen für fahrlässig falsche Angaben. Beide Artikel wurden angenommen. Art. 16, in dem die Regierung eine allgemeine Ermächtigung zu Ordnungsstrafen sich geben lassen will, wird nach lebhafter Debatte nochmals zurückgestcllt und soll in der nächsten Sitzung in einer präziseren Fassung festgestellt werden. Die Art. 17 worin die Nachzahlungspslichr für hinterzogene Abgaben festgestellt und ihre Verjährung festgesetzt sowie Art. 18, der freiwillige Richtigstellung falscher Angaben für straffrei erklärt, werden ebenso wie die neuen Schlußbestimmungen zu Art. 19 nach dem Regierungsentwmf angenommen. Als Termin für ihr Inkrafttreten ist der 1. August 1911 in Aussicht genommen.
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Laad.
Nagoid, 29. Juni 1911.
* Vom Rathaus. Gemeinderatssitzung am 28. Juni 1911. Zur Badefrau im Frauenbad wird wie im Vorjahr Frau Marie Klumpp bestellt. Hiebei kam zur Sprache, daß größere Steine und Geröll das Baden hindern und auch deshalb fast unmöglich machen, weil wegen derselben der Wasserstand zu nieder sei. Das Stadtbauamt wird >nach der Sache sehen und wenn tunlich Abhilfe eintreten lassen. — Die Baugesuche von Fr. Benz, Schiossermeister, Erstellung eines Anbaus betr. und von Krauß und Zieste, Neubau betr., um Genehmigung der vorgenommenen Abänderungen werden K. Oberamt empfehlend vorgelegt. — Die Gebühren für Begutachtung der Baugesuche durch den Ortsbautechniker und diejenige für die örtliche Beaufsichtigung der Ausführung der Bauten (Baukontrolle), welche sämtlich in die Stadtkasse fließen, werden auf die in K 115 der Vollz.Verfg. zur Bauordnung vom 10. Mai 1911 bezeichnten Höchstsätze festgesetzt. Hienach werden erhoben:
bei Baukosten bis zu 100 500 1000 5000 10000 ^
Begutachtungsgebühr 50^1^2^63^ 4
und je weitere 10000 mehr 2 Baukontrollegebühr 1 ^ 3 ^ 6-H 9^12^6 und je weitere 10000 ^ mehr 3 ,
— Der freie Arbeiterverein konnte wegen Regenwetters sein Waldsest am 25. ds. Mts. nicht abhalten, die nunmehrige Abhaltung im Stadtwald beim Iakobsbrunnen am 16. Juli 1911 und die Abgabe von Brettern und Stotzen zu Tischen und Bänken wird genehmigt. — Am Schulhausneubau werden folgende Arbeiten auf Grund der eingelaufenen Offerte vergeben: Die Gipserarbeit im Doranschlagspreis von rund 6000 ^ an Gipsermeister Ramminger in Pforzheim um 10 §/g Abgebot, die Flaschnerarbeit im Boranschlags- prets von rund 1200 ^ an die hiesige Flaschnerinnung um 6 o/g Abgebot, die Schmiedarbeit, angeschlagen zu 450 Mark, an Friedrich Gauß, Schlossermeister hier um die im Offert angegebenen Einzelpreise.
* Das Kinderfest wird wie schon mitgeteilt am Montag 3. Juli in der herkömmlichen Weise abgehalten werden. Zu wünschen ist dem Fest — schönes Wetter. Näheres s. Anzeige.
Neuenbürg, 27. Juni. An Stelle des altershalber von seinem Amt zurückgetretenen Stadtpslegers Olpp wurde in der letzten Gemeinderatssitzung unter 32 Bewerbern Ge- richtssekretär Knödel gewählt, welcher sein neues Amt am 1. OKI d. I. antretcn wird.
p Stuttgart, 28. Juni. An das Ministerium des Innern sind wiederholt Anfragen von Gemeindebehörden und Technikern gelangt, wie Art. 103 Abs. 4 der neuen Bauordnung auszulegen sei, ob es nämlich i. S. des Art. 103 Abs. 4 genüge, wenn die Uebernahme von Arbeiten auf dem Gebiet des Bauwesens für Privatpersonen nur für den betr. Gemeindebezirk untersagt werde oder ob diese Untersagung eine allgemeine sein müsse. Auf solche Anfragen ist, dem Staatsanzeiger zufolge, folgender Bescheid des Ministeriums ergangen: „Die Gemeinden erlangen die nach Art. 103 Abs. 4 der Bauordnung vom 28. Juli 1910 (Reg.Bl. S. 333) erweiterte baupolizeiliche Zuständigkeit nur dann, wenn der Ortsbautechniker in ganz gleicher Weise wie der Oberamtsbaumeister mindestens die Prüfung als Bauwerkmeister erstanden hat und wenn ihm in gleicher Weise, wie jenem, Privatarbeiten auf dem Gebiete des Bauwesens grundsätzlich, nicht bloß innerhalb des Gemeindebezirks, untersagt sind. Während Art. 70 des Reg.-Entwurfs das Verbot der Uebernahme von Privatarbeiten auf den Gemeindebezirk beschränken wollte, haben beide Kammern zwar die Zuständigkeit der Gemeinden gegenüber dem Reg.- Entwurf erweitert, aber dafür die Voraussetzungen für die Erlangung der erweiterten Zuständigkeit verschärft und die Worte des Reg.-Entwurfs „innerhalb des Gemeindebezirks" gestrichen."
r Uuterrichtskurse für die Sekretär- und Asfi- stentenprüfungen. Für Kandidaten, die im nächsten Frühjahr die Eisenbahn- oder die Postassistentenprüfung ablegen müssen, werden wieder in Stuttgart Unterrichtskurse abgehalten, und zwar für die Eisenbahnanwärter wie im Vorjahr ein Unterrichtskurs etwa von Ende September bis Ende November und ein solcher von da bis Ende Januar für die Postanwärter. Unterrichtskurse über sämtliche
Gelehrten-AnekdoLen.
Die Fortsetzung einer amüsanten Anekdotensammlung ist soeben erschienen. Der Verlag von Hermann Sack in Berlin-Schöneberg veröffentlicht den zweiten Teil der von Dr. W. Ahrens herausgegebenen „Gelehrten-Anekdoten" (Preis 2.40 ^). Von den vielen lustigen Geschichtchen, die der neue Band enthält, wählen wir einige aus:
Den Berliner Dermatologen Lassar (ch 1907) konsultierte ein Patient seines Haarschwundes wegen. Lassar gab ihm ein Rezept mit und sagte, der Patient solle sich von Zeit zu Zeit wieder umstellen. „Za! Aber ich wohne nicht in Berlin und kann doch nicht gut eigens meiner Haare wegen so oft nach Berlin kommen " — „Nun gut: dann schicken Sie mir Ihre Haare: ich werde sie mikroskopisch untersuchen und Ihnen dann das Nötige verordnen." — Gesagt, getan: Der Patient schickte Haare, wandte die vorgeschriebenen Salben und Mixturen an und schickte wieder Haare ein usw. Schließlich kam aber ein Brief folgenden Inhalts: „Einliegend erlaube ich mir, wieder einige Haare zu senden: leider kann ich dies aber jetzt nicht mehr sort- setzen — cs sind meine letzten."
*
Friedrich Bischer, der berühmte Aesthetiker, wurde bekanntlich von der Regierung gemaßregelt, nämlich zwei Jahre vom Amt suspendiert. An demselben Tage, an dem das betreffende Reskript des Ministeriums bei ihm einging,
wurde ihm ein Sohn geboren. Bischer ging in die Vorlesung und begann: „Meine Herren! Ich habe heute bekommen einen kleinen Bischer und einen großen Wischer."
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Für Hermann Staub, den berühmten Juristen und Kommentator, verfaßte schon bei Lebzeiten einer seiner Anwaltskollegen eine Grabschrift. Sie lautete:
„Staub war ich, Staub bin ich — das bedarf keines Kommentars."
*
In den kleineren Hörsälen der Universität B. wurden Nernstlampen zur Beleuchtung cingeführt. Da erblickte man denn alsbald auf einer Bank, kunstvoll eingraviert, folgenden Schüttelreim:
„Ob du auch sitzst beim Schein des Nernstlichts,
Es hilft dir nichts, mein Sohn, du lernst nichts."
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Der Senior der Gießener medizinischen Fakultät und der Universität überhaupt, der '„alte Nebel", war berühmt wegen seines Abscheus gegen den Gebrauch von Wasser und Seife. Einst sollte ein Maskenball gegeben werden, und Nebel hatte es sich in den Kopf gesetzt, ebenfalls dort zu erscheinen. Aber welche Maske wählen? Er konnte zu keinem Entschlüsse kommen und befragte daher die Herren, die sich allabendlich im sogenannten „Fettstübchen" des Kasinos zusammensanden. — „Wasche dich", sagte Hofgerichtsrat Pilger, „kein Mensch wird dich erkennen."
Die Mathematiker C. G. I. Iacobi und Jakob Steiner waren schon in jungen Jahren eng befreundet: in späterer Zeit, als beide schon lange hochberühmte Forscher waren, wurde das Verhältnis jedoch mehrfach getrübt. Einmal waren sie so hart aneinander geraten, daß Steimer, kaum nach Hause gekommen, dem Freunde eine Herausforderung auf Pistolen sandte. Iacobi, der den cholerischen Charakter Steiners zur Genüge kannte, antwortete ihm: Wenn du des Lebens überdrüssig bist, so kaufe dir Pistolen und schieße dir selbst eine Kugel in den Kopf; mich hast du dazu nicht nötig." Damit war die Sache erledigt.
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Der berühmte Orientalist und Berfasser vieler Werke über die hebräische Sprache Wilhelm Gesenius in Halle wurde von einem Studenten um Honorarerlaß gebeten. Der Professor lehnte dies kurz ab, und nun bat der Student, ihm wenigstens die Hälfte zu erlassen. „Herr!" fuhr Gesenius nun auf, „wie können Sie sich unterstehen, mit mir handeln zu wollen? Wofür halten Sie mich?" — „Für den größten Hebräer unserer Zeit", antwortete doppelsinnig der Student.
Die Fama will wissen, Gesenius habe nun das Honorar erlassen. * *
Der bekannte oder berüchtigte Aufklärungstheologe Karl Friede. Bahrdt hatte als Professor in Erfurt (1768— 1771) sein erst kurz vorher erworbenes theologisches Doktor- divlom sei! '