Erscheint täglich - mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
Preis vierteljährlich hier 1.10 >6, mit Trägerlohn 1.20 im Bezirksund 10 Km.-Berkehr 1.25 im ädrigen Württemberg 1.35 Monatsabonnements nach Verhältnis.
> 1 .?' 122
«d AiM-KlÄ für dkl Ullmts-KeKd Wold.
Fernsprecher Nr. 29.
83. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
Ms
Anzcigen-Tebühr für die cinspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrllckung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Beilagen: Plauderstäbchen, Illustr. Eonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
Samstag, dm 27. Mai
1911
K. Höercrrnt Wergotö. Bekanntmachung.
Die K. Regierung des Schwarzwaldkreises hat am 23. Mai 1911 die Wahl des Gemeinderats und Landwirts Christian Kugler in Jselshausen zum Ortsvorsteher dieser Gemeinde bestätigt.
Nagold, den 26. Mai 1911.
K. Oberamt: Kommerell.
Erledigt: Die Amtsgerichtsdienerstelle in Sulz.
Der Wetterwart.
politische Mmschan.
p Für unsere heutige Umschau ist uns eine ziemlich bedeutsame Tagesordnung vorgesetzt. Der Vorrang vor allen Punkten wird beansprucht von der Behandlung der Stuttgarter Stadtvorstandswahl in der Zweiten Kammer unseres Landtags. Veranlassung dazu gab die seinerzeit in ihren wesentlichen Zügen mitgeteilte Besprechung des Wahlergebnisses durch den Staats-Anzeiger. Dieser sprach, um einiges davon in Erinnerung zu bringen von dem „hocherfreulichen Sieg", von dem großen „Zug in der Bürgerschaft", von der „Zurückweisung des Gewaltanspruchs soz.-dem.Massen- hercschaft" und meinte zuletzt, es werde der Bürgerschaft überall zum Ruhme angerechnet werden, daß sie ihre Sache nicht auf ein Eingreifen der Staütsregierung und der Krone und auf die unabsehbaren Wirrnisse eines wiederholten Wahlgangs abgestellt habe. In dieser kleinen kritischen Glosse vermutete man fast allgemein eine Meinungsäußerung der Regierung. Aus der Landtagsverhandlung wissen wir nun, daß diese nicht der Urheber des Kriteriums war, an dem die Sozialdemokratie und ihr Sekundant in diesem Falle, die Volks- partei, Anstoß genommen haben, aber wir gestehen gerne, daß wir es für gar kein Staatsverbrechen gehalten hätten, wenn dem so gewesen wäre, denn wir gehen davon aus, daß die Regierung in einer so hochwichtigen Angelegenheit sehr wohl ihre eigene Meinung haben und sie auch zum Ausdruck bringen darf, die Bürgerschaft insgesamt hat ja Recht und Gelegenheit genug, ihrerseits ihre zustimmende oder abweichende und abweisende Ansicht und Auffassung zu bekunden. Und so weit sind wir, Gott sei Dank, denn doch noch nicht, daß die Regierung eines monarchischen Staates ängstlich davor zurückhalten müßte, den Feinden der Staatsordnung etwas Unliebsames zu sagen und wenn es die Umstände erfordern, auch entsprechend zu handeln. Dieweil die andere Partei ja doch auch tut, was ihr beliebt, ohne nach dem Ganzen zu sehen, wie es eine Regierung immer tun muß. Wozu also gleich den Beleidigten spielen, wenn man mit voller Absicht und offenkundigem Zweck stets nur darauf ausgeht, gegen Andersgesinnte anzustürmen wie ein politischer Amokläufer.
Die Leonberger Ersatzwahl hat kaum eine Ueber- raschung gebracht, wenn nicht für den einen oder anderen die, daß die Dolkspartei einen recht erheblichen Stimmenrückgang zu verzeichnen hatte. Aber die Erklärung hiefür ergibt sich ohne weiteres aus der Aussichtslosigkeit der volksparteilichen Kandidatur, über die sich niemand im Unklaren sein konnte, nachdem die Sozialdemokratie mit ihrer erheblich stärkeren Phalanx in der Front geblieben war. Nur eine Rückendekung durch die letztere hätte der Bolkspartei den Sieg sichern können, und so wie die Verhältnisse lagen, war, wenn das Mandat dem Bund der Landwirte entrissen werden sollte, eine andere Aufmachung auch nicht möglich. Dis Leonberger Wahl ist ein ganz interessantes Gegenstück zu der Welzheimer. Hier hat der Bund der Landwirte der Sozialdemokratie das Mandat zugebracht durch Aufrechterhaltung seiner Kandidatur, dort umgekehrt. Die Herrschaften sind also quitt. Wenn die Sozialdemokratie in Lconberg das Recht des Stärkeren für sich in Anspruch nahm und von der Volkspartei Entsagung verlangte, so glauben wir, daß damit die Sache kein anderes Gesicht bekommen hätte, denn in diesem Bezirk wäre eine Abschwenkung der volksparteilichen Wählerschaft aus dem ersten Wahlgang nach rechts kaum geringer gewesen als die nach links.
Der Reichstag hat nach Erledigung der Reichsversicherungsordnung die elsaß-lothr. Verfassungsfrage in Angriff genommen und sie in Anlehnung an die Kommis- fionsbeschlüsse durchgeführt. Ein kurzer Üeberblick, der sich aus den Sitzungsberichten ja nie gewinnen läßt, ist daher wohl angebracht, denn es sind gegen die früheren Entwürfe einige wesentliche Neuerungen hereingebracht worden. Das ist neben den Bundesratsstimmen, die sehr angebracht waren, wenn die Reichslande ihr Gewicht als deutscher Staat erhalten sollten, und der Regelung der Wahlkreiseinteilung
zunächst der sogen. Sprachenparagraph, der eine Sicherung der deutschen Amtssprache gegen eine ungerechtfertigte Verdrängung zu Gunsten der französischen bezweckt und hauptsächlich auch den Schulunterricht mit hereinbezieht. Sodann eine gewisse Beschränkung des Wahlrechts zur Zweiten Kammer durch Aufenthaltsbestimmungen derart, daß zur Ausübung des Wahlrechts ein dreijähriger Aufenthalt im Lande und einjähriger Wohnsitz in der Gemeinde ersorder-. lich ist. Endlich die Beseitigung des ursprünglich von der Regierung vorgesehenen Plural- oder Mehrstimmenwahlrechts. Bei dieser Einrichtung war maßgebend die Erwägung, daß die alteingesessenen Elemente, die ganz naturgemäß noch am meisten Hinneigung zu Frankreich haben, der Heranwachsenden Generation gegenüber bevorzugt worden wären, denn eine weitere Wahlstimme sollte vom vierzigsten Jahre ab gewährt werden. Der Wünsche und Forderungen waren es ja noch so mancherlei und dieses oder jenes mag nicht jedermanns Beifall finden, aber im Ganzen handelt es sich ja nur um den Versuch, den großen Mißständen in Elsaß- Lothringen durch eine neue Verfassung zu begegnen, und wer grundsätzlich dafür ist, wird daher mit dem Erreichten einverstanden sein können.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 24. Mai.
Am Bundesratstisch die Staatssekretäre Dr. Delbrück und Zorn von Bulach.
Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 12.20 Uhr und teilt vor Eintritt in die Tagesordnung mit, daß der Botschafter der französischen Republik ihm für die Bekundung der Anteilnahme des Reichstages an dem Unglück von Issy les Moulineaux seinen und seiner Regierung Dank versichert habe. Darauf beginnt das Haus die zweite Lesung der Wahlgesetzoorlage für Elsaß- Lothringen.
Emmel (Soz.): Die Bundesratsstimmen für Elsaß- Lothringen bedeuten einen kleinen Fortschritt. Das Wahlrecht, wie es jetzt vorgeschlagen wird, reicht aber nicht aus. Wir verlangen das allgemeine Wahlrecht im Proportionalsystem. Wir beantragen, auch den Frauen das Wahlrecht zu geben, das Wahlalter von 25 auf 20 Jahre herabzusetzen und die Wohnsitzklausel dahin zu ändern, daß nicht dreijähriger sondern einjähriger Aufenthalt im Reichslande zur Wahlberechtigung notwendig ist.
Haußmann (s. Bp.): Das oorgeschlagene Wahlrecht für Elsaß-Lothringen bedeutet einen großen Fortschritt, wenn wir auch damit nicht sagen wollen, daß dieses Wahlsystem fehlerlos sei. (Der Reichskanzler betritt den Saal.) Würde es auf die Konservativen ankommeu, dann könnte der Kaiser sein Versprechen Elsaß-Lothringen gegenüber nicht einlösen.
o. Oertzen (Rp.): Kein Konservativer wird glauben, daß erst durch einen Krieg das Reichslaud Deutschland mehr angegliedert werden könnte. Wenn wir doch dem in der Vorlage vorgesehenen Wahlrecht zustimmen, so geschieht dies, weil schon jetzt in Elsaß-Lothringen dieses System besteht. Als einen Präzedenzfall für unsere spätere Haltung ist dies nicht anzusehen. Der größte Teil meiner Freunde wird für die Kommissionsbeschlüsse stimmen.
Beck (natl.): Auf Grund dieses Wahlrechts wird die elsaß-lothringische Bevölkerung zum Wohl des Landes und des Reiches arbeiten können. Experimente soll man beim neuen Wahlsystem nicht machen, deshalb lehnen wir die Abänderungsanträge ab.
Hauß (Elf.): Trotz unserer schweren Bedenken gegen § 1 des Wahlgesetzes werden wir bei Ablehnung unserer Anträge bei der Gesamtabstimmung für das Wahlgesetz stimmen, weil wir die Neuordnung für einen wesentlichen Fortschritt halten. Damit schließt die Debatte. Die Abänderungsanträge werden abgelehnt. § 1 und 2 werden unverändert angenommen. Ueber K 3, der besagt, daß jeder Wahlberechtichte eine Stimme hat, wird ohne Debatte namentlich abgestimmt. Der § wird mit 262 gegen 44 Stimmen angenommen und sodann der Rest des Gesetzes ohne Debatte nach den Kommissionsbeschlüssen und hierauf das ganze Gesetz angenommen.
Nach Erledigung von Rechnungssachen folgt die erste Lesung der Vorlage über die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zu Japan.
Staatssekr. Delbrück sagt Auskünfte in der Kommission zu, in der Hoffnung, daß trotz der Kürze der Zeit noch die Verabschiedung des Entwurfes vor Pfingsten gelingen wird.
Dr. Rösike (k.): Hoffentlich haben unsere Unterhändler nicht wieder den Fehler gemacht, an den Gegner die Meistbegünstigung von vornherein dargebracht.
Speck (Z.): Wir haben Bedenken gegen so weitgehende Vollmachten.
Kämpf (f. Bp.): Unsere Unterhändler haben beim schwedischen Handelsvertrag vorzüglich gearbeitet und sie werden es auch hier tun.
Die Vorlage geht an die Kommission für den schwed. Handelsvertrag.
Es folgt die erste Lesung des neuen Niederlassungsvertrages mit der Schweiz.
Müller-Meiningen (f. Bp.): Wir begrüßen jede internationale Annäherung und wünschen, daß sie auch aus postalische und Derkehrsverhältnisse ausgedehnt wird.
Stadthagen (S.): Der Vertrag bringt eine Verschlechterung. Es ist ein Ausnahmegesetz der preußischen Regierung gegen die Arbeiter. Redner spricht erregt von Rechtswidrigkeiten, Vertragsbruch usw. Er wird vom Vizepräsidenten Schulz ersucht, diese scharfen Ausdrücke zu vermeiden.
Geheimrat Franzius erklärt, daß es schlecht möglich sei, eine Verständigung über Polizeivorschriften mit fremden Staaten herbeizusühren.
Der Vertrag wird in 1. und 2. Lesung genehmigt, ebenso die Vorlage über die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des deutschen Reiches. — Auch die Ueberein- kunst über das Eeerecht (Regelung über Zusammenstöße von Schiffen usw.) wird nach einer zustimmenden Erklärung des Abg Eickhoff in 1. und 2. Lesung angenommen.
Das Gesetz über die Beseitigung von Tier- Kadavern wird mit einem Anträge Stubbendorf (Rp.), wonach es gleichzeitig mit dem Biehseuchengesetz in Kraft treten soll, in 2. Lesung debattelos angenommen.
Es folgt die 2. Lesung des Gesetzes über den Patent- Ausführungszwang.
Diese wird in 2. und 3. Lesung endgültig angenommen und tritt nach einem Anträge Dr. Iunck im 1. April 1911 in Kraft. — Das Gesetz über die Ausgabe kleiner Aktien wird bestätigt. _
Württembergischer Landtag.
p Stuttgart, 26. Mai. Die Abgeordnetenkammer setzte heute die Beratung des Etats des Innern fort. Es wurde zunächst ein Antrag Liesching (Bp.) angenommen, dahin gehend, daß die Kammer die Gewährung von Zulagen und Nebenbezügen an Beamte und Lehrer an höheren Schulen nur insoweit verabschieden möge, als durch die noch zu fassenden Beschlüsse zu der von der Regierung mitgeteilten Uebersicht über die Zulagen und Nebenbezüge eine Aenderung nicht Antritt. Ein längere Erörterung entspann sich bei KapiM»26 (Landjägerkorps). Der Abg. Graf (Z.) brachte eme Reihe von Wünschen und Beschwerden vor bezüglich einer weiteren Austeilung der Zahl der Bezirksosfiziere, bezüglich der Beseitigung von unnötigen Schreibereien, der Neugestaltung der Dienstvorschriften, der Auswahl der Landjägerwohnungen und der Arreststrafen, die zur Erhöhung des Ansehens der Landjäger nicht beitrügen. Auch der Abg. Mattu tat (Soz.) brachte verschiedene Wünsche vor, so bezeichnete er eine wettere Vereinfachung der oberen Stellen im Korps als möglich: weiter wandte er sich gegen die Bezirksmusterungen und gegen die Beibehaltung des Dienstgewehrs u. a. mehr. Minister o. Pischek erwiderte den beiden Rednem und betonte, daß durch die Verminderung der Zahl der Offiziere eine Geschäftsvereinfachung eingetreten sei, daß aber eine weitere Reduzierung der Zahl nicht angängig sei. Von der Maßregelung eines Landjägers, der sich mit einer Beschwerde an einen Abgeordneten gewendet habe, sei dem Minister nichts bekannt. Die Anregung, den Landjägern eine pauschalierte Streifzulage zu gewähren, würde mit einem erheb- Kostenaufwand verbunden sein. Gegenüber dem Abg. Mattutat bemerkte der Minister, daß es an Bemühungen der Regierung, ein Gesetz über den Waffengebrauch der Landjäger durchzubringen, nicht gefehlt habe. Es sprachen noch die Abgeordneten Kenngott (Soz.) und Mattutat (Soz.), worauf der Landjägerkommandeur, Oberstleutnant Wiest, erwiderte. Vizepräsident o. Kiene (Z.) unterstützte die Bestrebungen aus Aufhebung der Haststrafen und hielt eine Beseitigung des Dienstgewehrs im Interesse der Autorität des Landjägers nicht für angebracht. Der Präsident brachte dann einen von Abg. sämtlicher Fraktionen Unterzeichneten Antrag zur Verlesung, wonach der nicht zur Erledigung gekommene Gesetzentwurf über den Waffengebrauch der Landjäger baldigst wieder eingebracht werden möge. Nachdem noch weitere Redner gesprochen hatten, wurde dieser Antrag angenommen. Bei Kapitel 29 (Staats- und Privatirrenanstalten) wurde eine Eingabe des Wärterpersonals an Irrenanstalten auf Antrag Anore (Z.) zur Berücksichtigung überwiesen.