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Fernsprecher Nr. 29. 85. Jahrgang. Fernsprecher Nr. 29.

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Schwäb. Landwirt.

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Samstag, dm 6. Mai

1911

K. Hbevarnt Wagokö.

Die Herren Ortsvorfteher

werden angewiesen, den Min.-Erl., betr. das Mobil- machnngsbüchlein, vom 12. April (Abl. S. 146) alsbald zu erledigen und hierüber bis spätestens 15. ds. Mts. Voll­zugsanzeige zu erstatten.

Den 4. Mai 1911. Kommerell.

Der Wetterwart.

politische Umschau.

Wer ein Freund der Politik ist, wird sich bald nicht mehr beklagen können und den Mißmut über die zurück­liegende Ruhepause nebenbei bemerkt nicht nur eine Wohltat für die Herren Parlamentarier, sondern auch für uns Männer von der Feder leicht überwinden, denn es geht wieder los an allen Ecken und Enden. Weiß man voin Reichstag hinsichtlich seiner Lebensdauer noch nichts Gewisses, so können wir in Württemberg umso bestimmter damit rechnen, daß wir eine Hochsommersession mit wenig Hitzserien, aber viel gesetzgeberischer Arbeit haben werden.

Die umfangreichen Beratungen der Kommission für die Gehaltsoorlage sind nun so weit gediehen, daß der Wiederzusammentritt der Zweiten Kammer in der zweiten Hälfte des Mai feststeht, wobei allerdings noch ein Neben­einanderarbeiten von Kommission und Plenum notwendig ist, denn mit der Erledigung der Gehaltsvorlage muß Hand in Hand gehen die Deckungsfrage, d. h. die Festlegung der hiezu erforderlichen Mittel, wobei in erster Linie an das Sportelgesetz gedacht ist, auf dessen Schwierigkeiten wir das letztemal hingewiesen haben.

Für den Reichstag ist nun die Zeit gekommen, seine wettere Arbeitsfähigkeit zu erweisen, von der in erster Linie auch seine längere Lebensdauer abhängen wird. Kleinliche Gesichtspunkte müssen hiebei allerdings ganz außer Acht bleiben. So begrüßenswert es ist, daß das umfangreiche Werk der Reform der Arbeiterversicherung energisch in An­griff genommen werden soll, so bedauerlich würden wir es, nicht vom Standpunkt der Parteipolitik, sondern lediglich won dem der Loyalität aus, halten, wenn hier überhastende Arbeit geleistet, dieDurchpeitschung" betrieben würde. Nach den langen Vorbereitungen durch die behördlichen Organe und die Durchberatung in der Kommission wird kein ver­nünftiger Mensch verlangen, daß von den 1754 Paragraphen jeder einzelne zur Debatte gestellt werde, denn dann käme man überhaupt nicht zum Ziel, aber die Versicherungsgesetz­gebung weist nicht nur in ihrer seitherigen, sondern auch in der neuen Fassung tatsächlich so viele und so erhebliche Mängel auf, daß ein Pfuschwerk, ein auf parteipolitischen Tendenzen und Sonderrücksichten ausgebautes neues Gesetz schlimmer wäre als der alte Zustand. Es ist uns natürlich nicht mög­lich, im Rahmen unserer Umschau uns mit der Materie näher zu befassen, wir behalten uns aber vor, im Laufe der Beratungen zu einzelnen, besonders wichtigen Fragen Er­läuterungen zu geben.

Von allgemeinem Interesse ist, daß soeben Rußland daran geht, die Arbeiteroersicherung einzuführen, wenigstens zunächst die Unfallversicherung. Ist schon bei uns die Ein­richtung nicht so, daß sie alle berechtigten Wünsche nur einigermaßen erfüllen kann, so wird man dies vom Zaren­staate noch weniger verlangen, aber die ernstliche Inangriff­nahme des Planes darf als ein erfreulicher Kulturfortschritt in diesem Lande immerhin vom Chronisten gebucht werden.

Das sonstige Menü in der auswärtigen Politik wird uns in der üblichen Aufmachung präsentiert: Frankreich und Marokko, der Aufstand in Albanien, der Bürgerkrieg in Mexiko und als Dessert diesmal neue Unruhen in China. Frankreichs Marokko-Feldzug hat ein neues Gesicht nur insofern bekommen, als die anderen Mächte ihm etwas mehr wie seither ihre Aufmerksamkeit schenken und in der üblichen diplomatischen Form Frankreich zu erkennen ge­geben haben, daß es sich trotz der großen Aufwendungen in den nötigen Grenzen zu halten habe. Wie's wird, läßt sich erst beurteilen, wenn man einmal die Erfolge des Feldzugs vor sich steht und die gehen allerdings langsamer vor sich als auf dem Papiere. In Albanien liegen die Dinge beim Alten: gegenseitige Scharmützel und Schlappen der türkischen Truppen und der Albanesen, die über die Grenze immer wieder neuen Zuzug erhalten. In Mexiko wird die Hoff­nung der gegenwärtigen Regierung, sich am Ruder zu halten, infolge der namhaften Erfolge derRebellen" mit jedem Tag geringer. Kann uns ziemlich gleichgültig sein, denn nachher wird's wohl auch nicht besser und nicht minder wie vorher. Die Unruhen in China sollen zwar bereits wieder

unterdrückt und der Vizekönig in HongkongHerr der Lage" sein. Der große Gärungsprozeß, der sich im Reiche der Mitte vollzieht, wird natürlich durch solch vorübergehende Vorgänge nicht aufgehalten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 4. Mai.

Rechnungssachen und zwar zunächst die erste Be­ratung kolonialer Rechnungen für 1905 und 1904. Erzberger (Z.): In den letzten Jahren ist die Vorlegung der Rechnungen endlich zu einem Zeitpunkt erfolgt, welcher befriedigend zu nennen ist. Die auf der Tagesordnung stehenden Rechnungssachen werden erledigt und zum Teil der Rechnungskommission überwiesen, zum Teil in zweiter Beratung genehmigt. Der vorjährige Bericht der Reichs­schuldenkommission wird zur Kenntnis genommen.

Dr. Görcke (n.) begründet eine Resolution der Bud­getkommission, wonach den mit der selbständigen Leitung von Bauten betrauten Beamten erneut zur Pflicht gemacht wird, Baupläne und Kostenanschläge strengstens innezuhalten.

Nos Ke (S.) bringt die Etatllberschreitungen des früh. Gouverneurs von Kamerun, von Puttkammer, wieder zur Sprache.

Die Resolution wird angenommen. Die Rechnuugs- sachen werden erledigt.

Es folgen Petitionen. Der Zentralverband deutscher Bäcker-Innungen, der preußische Landesverband der Haus­und Grundbesitzervereine und andere wenden sich in mehreren Eingaben gegen die Bäckerei-Verordnung soweit sich deren Grundsätze oder ihre Anwendung auf die bauliche Beschaffen­heit der Bäckerei-Anlagen mit rückwirkender Kraft erstrecken. Diese Eingaben verlangen Aufhebung der rückwirkenden Kraft und Beschränkung der baulichen Vorschriften auf Neu­anlagen oder wenigstens Weisung an die Behörden, die größte Rücksicht walten zu lassen und unnötige Härten zu vermeiden. Insoweit beantragt die Petitions-Kommission, die Eingaben zur Erwägung zu überweisen. Die weiter ge­forderte Entschädigung der durch die Durchführung der Ver­ordnung geschädigten Bäckermeister lehnt die Petitionskom­mission ab, indem sie Uebergang zur Tagesordnung beantragt.

Die nächste Petition betrifft den Erlaß eines Reichs- Theater-Gesetzes. Der Verein Frauenwohl Groß-Berlin und der preußische Landesverein für Frauenstimmrecht for­dert angesichts der vielen sozialen Mißstände im Bühnen­wesen, die die weiblichen Bühnenmitglieder hart betrifft, ein Reichs-Thatergesetz, das allen Bühnen-Angehörigen ein Mindestmaß von hygienischem und rechtlichem Schutz gewährt und den Interessen der weiblichen Bühnen-Angehörigen Rech­nung trägt durch Regelung der Kostüm-Frage. Die Kom­mission beantragt, diese Petition als Material zu überweisen.

In einer anderen Petition bittet Fräulein Buchholz- Elberfeld um Erlaß eines Reichs-Theatergesetzes und bietet für den Fall des Inkrafttretens einer Reichs- oder Staats­versicherung zum Schutz deutscher Bühnen-Angehöriger eine Stiftung von 100000 ^ an. Die Kommission beantragt, diese Eingabe zur Kenntnisnahme zu überweisen.

Dr. Pfeiffer (Z.) befürwortet die Petition. Die jetzigen Zustände seien unhaltbar.

Dr. Müller-Meiningen (f. Vp.) schließt sich dem Vor­redner vollkommen an. Die Vorarbeiten sollten beschleunigt werden.

Geck (Sz.) stimmt zu. Die Anträge der Kommission werden angenommen.

Der Allgemeine Verein für Altschrist fordert die Zu­lassung der Altschrist im amtlichen Verkehr und im Ele- mentar-Unterricht in der Volksschule. Die Kommission be­antragt, die Petition zur Berücksichtigung zu überweisen.

Ein Antrag Bindewald fordert Uebergang zur Tages­ordnung. Nach längerer Debatte wird über den letzteren Antrag durch Hammelsprung entschieden. Es erheben sich für den Antrag Bindewald 85, dagegen. 82 Abgeordnete. Das Haus ist also nicht beschlußfähig.

Tages-Neuigkeiten.

A«S Stadt und Land.

Naqold, 6. Mai 1911.

* Beförderungsgelegenheiten für Brieffend- «ngen nach den Vereinigte» Staaten von Amerika.

Die auf direktem Wege zu befördernden Briefe mit Porto­ermäßigung (10 ^ für je 20 ss im Frankierungsfalle) sind mit folgenden Verbindungen abzusenden: 9. Mai von Bremerhaven, 11. Mai von Cuxhaven, 16. Mai von Bremer­haven. 16. Mai von Cuxhaven, 20. Mai von Bremerhaven, 23. Mai von Bremerhaven, 25. Mai von Cuxhaven, 30.

Mai von Bremerhaven, 1. Juni von Cuxhaven, 3. Juni von Bremerhaven. Leitvermerk: direkt oder über Bremen (Bremerhaven), oder über Hamburg (Cuxhaven).

* Zur Wasserkante. Das Passage Bureau Rominger in Stuttgart wird auch in diesem Jahr wieder eine und zwar die 7. Sonderfahrt nach der Wasserkante des Württ. Landesverbands des Deutschen Flottenvereins in der Zeit vom 3. bis 10. August veranstalten. Die Reise führt von Stuttgart nach Bremen-Bremerhaven und über Helgoland nach Kiel-Hamburg, in welch letzterer Stadt sich nach deren Besichtigung und einem Ausflug nach Friedrichsruh die Gesellschaft auflöst. Ausführliche Programme sind bei der genannten Firma sowie bei den Ortsgruppenvorständen des Deutschen Flottenoereins kostenfrei erhältlich und sind, wie wir hören, auch schon eine Reihe von Anmeldungen einge­laufen, so daß es sich für Interessenten sehr empfiehlt, mög­lichst bald für die Reise sich einzuschreiben.

r Gegen die Schmutzliteratur. Der Börsenoerein der deutschen Buchhändler in Leipzig hat behufs Unterstütz­ung seiner aus Bekämpfung der Schmutz- und Schund­literatur gerichteten Bestrebungen den Wunsch ausgesprochen, von gerichtlichen Verurteilungen, die wegen Verbreitung un­züchtiger Werke ergehen, Kenntnis zu erhalten. Diesem Wunsche entsprechend sind die Gerichte angewiesen worden, in allen Fällen, in denen wegen eines solchen Vergehens eine Verurteilung erfolgt ist, nach Eintritt der Rechtskraft dem Justizministerium eine Abschrift des Urteils zur Ueber- mittelung an den Börsenverein der deutschen Buchhändler vorzulegen. _

r Calw, 5. Mai. (Aufhebung der Flößerei). Eine Anzahl Betriebswerksbesitzer des Bezirks haben dieser Tage mit Vertretern der Regierung hier wegen der künftigen Unterhaltung der Flößereieinrichtung, die bisher der Forst­verwaltung oblag, unterhandelt. Es wurde eine Einigung erzielt, die die Aufhebung der Flößerei auf der Nagold für das nächste Frühjahr erwarten läßt.

r Calw, 5. Mai. (Ein Gut edel.) In Martins­moos wurde der Bettler Kneißler von Feutenhof verhaftet; er widersetzte sich dem Amtsdiener, stieß mit den Füßen nach ihm, schimpfte auf ihn, schlug im Arrest die Fenster hinaus, legte sich unterwegs auf den Boden und sprang in den Ortschaften von Martinsmoos bis Calw in alle Wirt­schaften hinein. Der geduldige Diener der Obrigkeit war herzlich froh, als er den störrischen Burschen hier abge­liefert hatte.

r Wildbad, 5. Mai. In der Familie von Wilhelm Schmid zum Schwarzwaldhotel spielte das 3jährige Söhn- chen Hermann unterhalb des zum Hotel gehörenden Reser­voirs, als sich plötzlich im Walde ein 36 Pfund schwerer Stein löste, den Berg herabsauste und dem ahnungslosen Kind den Schädel zertrümmerte. Der Tod trat auf der Stelle ein.

* Stuttgart, 5. Mai. (Stadtvorstandswahl). Oberbürgermeister Dr. Keck entwickelt sein Programm heule abend im Saalbau der Brauerei Dinkelacker, Samstag 6. Mai in Degerloch (Ritter), Sonntag 7. Mai in Untertürk­heim V 2 2 Uhr in der Sängerhalle, Wangen 5 Uhr im Hirsch, Gaisburg 8 Uhr (Burg), Montag 8. Mai in Cann­statt abends 8 Uhr im Kursaal, Dienstag 9. Mai in Stutt­gart abends 8 Uhr im Festsaal der Liederhalle, Mittwoch 10. Mai in Gablenberg abends 8 Uhr im Lamm, Donners­tag 11. Mai in Stuttgart abends 8 Uhr im Saalbau der Brauerei Wulle.

r Oberbürgermeister Dr. Keck-Göppingen, stellte sich heute abend in einer Wahlversammlung in Dinkelackers Saal der Bürgerschaft vor und entwickelte in ^ständiger Rede sein Programm. Unter den etwa 800 Teilnehmern waren alle Kreise der Bevölkerung vertreten, auch Mitglie­der der bürgerlichen Kollegien wohnten der Versammlung an. Unter den Zuhörern sah man auch den früheren Ober­bürgermeister o. Gauß. Die Ausführungen des Kandidaten fanden den lebhaften Beifall der Versammlung. Den Vorsitz hatte Fabrikant Morgenstern übernommen.

Die sozialdemokratische Partei hat in einer gestern abend abgehaltenen Versammlung die Aufstellung des Land- tagsabg. und Bllrgerausschußmitgliedes Dr. Lindemann zum Kandidaten für die Stadtschultheißenwahl beschlossen.

Eine gestern abgehaltenene Mitgliederversammlung der nationalliberalen Partei Groß-Stuttgarts hat sich damit einverstanden erklärt, daß der Ortsausschuß seine Bemüh- ungen um eine gemeinsame Kandidatur aller bürgerlichen Parteien fortsetzt. Der Ausschuß wird ermächtigt, auch für den Fall, daß eine Einigung nicht zustande kommt, von sich aus einen Kandidaten auszustellen.