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Fernsprecher Nr. 29.

83. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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* Illustr. Sonntagsblatt und

Schwab. Landwirt.

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Politische Uebersicht.

In Elsaß-Lothringen ist ein grober Vertranens-

bruch vorgekommen. Der in wenig angenehmer Erinnerung stehende Abgeordnete Wetterls ist in den Besitz der Abschrift eines vertraulichen Erlasses des Statthalters gelangt, die zudem noch tendenziöse, geradezu perfide Entstellungen ent­hält. So werden z. B. die Landesausschußmitglieder als meist auf niederer Bildungs- und Gesellschaftsstufe stehend bezeichnet und die Sache so dargestellt, als ob der Statt­halter von den Vertretern des Landesausschusses eine ab­fällige, geringschätzige Meinung hätte. In der Sitzung des Landesausschusses gab Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach eine Erklärung des Statthalters bekannt, daß es sich nur um die Tat eines ganz pflichtvergessenen Beamten handeln könne. Die Erklärung gibt weiter den authentischen Wortlaut des Erlasses an die Bezirkspräsidenten bekannt unter gebührender Brandmarkung der verächtlichen Machen­schaften, die das Brandmal der Pflichtverletzung und niederer Gesinnung an der Stirn trügen.

Im Ausschuß der ungarischen Delegation für auswärtige Angelegenheiten trat der Minister des Aeußeren Gras Aehrenthal der Anschauung entgegen, daß die Aus­gestaltung der österreichisch-ungarischen Flotte gewissermaßen aus Wunsch Deutschlands erfolge. Diese aus der englischen Presse stammende Legende wird jetzt selbst in der engli­schen Presse nicht mehr geglaubt. Der Delegierte Szuelloe sprach dem Minister Grafen Aehrental Vertrauen aus für seine zielbewußte Politik und beglückwünschte ihn zu der Potsdamer Entrevue, die Rußland dem Dreibund näher gebracht habe. Der Geschicklichkeit des Grasen Aehrenthal sei es auch zuzuschreiben, daß Ungarn von seiten Deutsch­lands eine so glänzende Genugtuung bei der letzten Anleihe erhalten habe. Der Ausschuß nahm hierauf das Budget des Aeußeren im allgemeinen und im besonderen an und sprach dem Minister des Aeußeren für seine richtige Leitung der auswärtigen Politik der Monarchie Anerkennung und Vertrauen aus.

In England begannen die Adreßdebatten.

In ihrem bisherigen Verlauf ist soivohl im Unterhaus, als auch im Oberhaus von den konservativen Rednern Balfour und Lord Lansdowne die geringe Mehrheit der Regierung in den Vordergrund gerückt worden. Konservative und Lords tun so, als ob mit dieser Mehrheit eine schwerwie­gende Verfassungsresorin gar nicht gemacht werden dürfe. Premierminister Asquith und Lord Creme haben darauf rnit aller Deutlichkeit geantwortet, daß es sich nicht darum handele, ob die neue Mehrheit größer oder ebenso groß ist, als die frühere, sondern darum, daß das Volk, um seine Meinung gefragt, ganz deutlich den ihm vorgelegten Re- sormplan der Regierung gebilligt hat. Diese Aeußerung läßt darauf schließen, daß Asquith nicht daran denkt, sich jetzt auf neue Kompromißverhandlungen einzulassen, sondern mit seiner Detobill ohne Zögern und geraden Wegs auf das Ziel losgeht. Er will freilich, wie er auf Anfrage der Opposition mitteilte, ausreichend Zeit zur Beratung der Bill geben, aber doch unter der Voraussetzung, daß sie auch nn Oberhaus noch vor der Krönung erledigt wird. Reso­lutionen und Anträge aus dem 'Haus sollen zugunsten der Regierungsvorlagen bis Ostern nicht behandelt werden dürfen. Die auswärtige Politik wurde, da der Staatssekretär des Auswärtigen Sir Edward Greg abwesend war, in der De­utle nur gestreift. Lediglich über Persien machte Lord Creme Mitteilungen, die sich mit den Erklärungen in der Thronrede decken. Außerdem gab er folgende Erklärung ab:Ich möchte der Befriedigung Ausdruck geben, die wir über die erfolgreiche und, wie ich hoffe, genußreiche Rund- reise empfunden haben, die Seine Kaiserliche Hoheit, der deutsche Kronprinz in diesen Tagen durch Indien unter­nommen hat." (Beifall.)

Haiti wird berichtet, Haß der General

wlitllonard und fünf andere Führer der Aufständischen in Leo Trou aus dem Gefängnis geholt und erschossen wurden.

Nach Meldungen ans Marokko erklärt der Generalkapitän von Melitta die Nachricht, daß in der Um­gegend vier Europäer überfallen und ermordet worden seien, für unzutreffend.

Der Präsident von Honduras, Davila, hat mit

dem früheren Präsidenten, Bonilla, einen Waffensüllstand abgeschlossen. Vorher hatten die Aufständischen die von den Regierungstruppen geräumte Stadt Puerto Cortez be­setzt. Die Vereinigten Staaten haben die Vermittlung übernommen.

Die mexikanischen Aufständischen haben bei

Casas Grandes das zum Entsatz der Stadt Iuarez herbei- geeute 18. mexikanische Infanterie-Regiment aufgerieben. Iuarez ist vollständig umzingelt.

Irettag, dm 10. Ieöruar

Deutscher Reichstag.

Berlin, 8. Febr.

2. Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes. Die Abstimmung über den Antrag Dahlem (mündliche Verhand- handlung über die Geschäftsverteilung), bei der gestern Be- schlußunsähigkeit des Hauses festgestellt wurde, wird heute wiederholt und ergibt seine Annahme. Die Sozialdemo­kraten beantragen einen neuen Absatz im § 62, wonach die Geschäftsverteilung so geregelt werden soll, daß die Zu­ständigkeit der Strafkammer nach dem Anfangsbuchstaben des Namens der Angeklagten und bei mehreren Angeklagten nach dem Namen des Aeltesten bestimmt wird.

Heine (S.): Wir wollen verhindern, daß Strafsachen vor bestimmte Kammern nach der Willkür der Staats­anwaltschaft verwiesen werden.

Ein Regierungskommissar erklärt, daß es praktischer sei, die Geschäftsverteilung dem Präsidenten zu überlassen.

Geh Oberjustizrat Supper weist den Vorwurf zurück, als ob die Staatsanwaltschaft entgegen den bestehenden Grundsätzen bestimmte Kammern bevorzuge.

Heine (S.): Der Moabiter Fall liegt doch zu offen da, als daß man darüber noch streiten könnte. Die Staats­anwaltschaft hat offenbar einen Wink von oben befolgt.

Geheimrat Supper weist das auf das allerbestimmteste zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte von Anfang an die Absicht, die erste Sache zur Anklage zu bringen. Einem Zufall ist es zuzuschreiben, daß dies die Sache Hagen war.

Der Antrag wird abgelehnt.

Stadthagen (S.) beantragt im tz 69 festzusetzen, daß am Landgericht in Strafsachen nur ständig angestellte Rich­ter urteilen dürfen.

Müller (f. Vp.) empfiehlt einen weitergehenden Antrag, wonach an Strafkammern überhaupt nur ständig angestellte Richter tätig sein dürfen.

Staatssekretär Lisco spricht sich gegen beide Anträge aus.

Der Antrag Müller wird nach zustimmenden Bemer­kungen der Abg. Dove (f. Vp.), Gröber (Z.) und Basser­mann (n.) angenommen.

tz 73 betrifft die Zuständigkeit der Strafsachen. Ein sozialdemokratischer Antrag und in Uebereinstimmung damit ein Antrag Ablaß (f. Vp.) will, daß anstelle der Straf­kammern für die Verbrechen der Fälschung einer öffentlichen Urkunde, Verbrechen im Amte durch Fälschung einer Ur­kunde und die Verletzung der Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere die Schwurgerichte zuständig sein sollen.

Zietsch (S.): Wir wollen nicht rütteln lassen, an dem gegenwärtigen Bestände der Schwurgerichte und treten auch dafür ein, daß alle Preßdelikte den Schwurgerichten überwiesen werden.

Dove (Vp.) tritt gleichfalls für die Schwurgerichte ein.

Oberlandesgerichtsrat Dr. Schulz: Wir sind nicht Gegner, sondern Beschützer der Schwurgerichte. Wir wollen die Schwurgerichte in der heutigen Form durchaus beibehalten. Die Sachen, die beschränkt werden sollen, eignen sich aber nicht für Schwurgerichte.

Varenhorst (Rp.): Mit Recht werden jetzt gewisse Delikte den Schwurgerichten entzogen, denn die Laien sind über diese Fragen meist nicht orientiert.

Heine (S.): Wenn die Regierung nur könnte, so würde sie die Schwurgerichte gern beseitigen, denn den Bureaukraten ist diese Errungenschaft ein Dorn im Auge.

Wellstein (Z.): Die Kommission in der mehrere Richter saßen, ist durchaus nicht für die Abschaffung der Schwurgerichte eingetreten.

Bassermann (n.): Die Rechtssprechung der Schwur­gerichte ist im allgemeinen gut. Es liegt aber im Interesse der Schwurgerichte wenn ihnen gewisse Delikte.abgenommen werden, die die Geschworenen menschlich nicht mehr interessieren.

Gräfe (w.Bg.): Er sei kein Freund der Schwurgerichte.

Werner (Rfp.) erklärt sich gegen jede Einschränkung der Schwurgerichte und hoffe, daß alle nicht verknöcherten Juristen auf demselben Standpunkte ständen.

Dove (f.Vp.): Ans den Ausführungen des Regierungs­vertreters geht die reaktionäre Tendenz dieser Bestimmung der Vorlage hervor. Die Behauptung, daß die Geschworenen für die hier in Frage gekommenen Delikte nicht sachver­ständig sind, ist unrichtig.

Heine (S.): Der ganze Essener Prozeß vor 15 Jahren ist durch die Juristen in die Irre geführt worden. Die Juristen haben damals von ihrem Rechte einen verbreche­rischen Gebrauch gemacht.

Stadthagen (S.): Den Essener Iusüzmord kann man nicht zum Schaden der Schwurgerichte ausbeuten.

Gräfe (w. Vg.): Die Einrichtung der Schwurgerichte

ISll

ist so wenig deutsch wie Hr. Stadthagen selbst. (Heiterkeit rechts.)

Mülller-Isexlohn (f. Vp.): Ich bin ein warmer Anhänger der Schöffen- und Geschworenengerichte und gegen jede Einschränkung ihrer Zuständigkeit, aber diese scharfe Kritik an den deutschen Richtern war verfehlt.

Präsident Graf Schwerin-Löwitz erteilt Heine wegen seines Ausdruckes verbrecherisch in Bezug auf den Essener Prozeß einen Ordnungsruf.

Es bleibt bei den Kommissionsbeschlüssen.

Württembergischer Landtag.

p Stuttgart, 9. Februar. Die heutige Sitzung der Abgeordnetenkammer nahm nur etwa 2 Stunden in An­spruch. Zu Beginn der Sitzung wurde mitgeteilt, daß das Amtsgericht Ehingen das Gesuch um Einleitung eines Straf­verfahrens gegen den Abg. Dr. Rübling wegen Körperver­letzung zurückgezogen habe, da ein Vergleich zu Stande gekommen sei. Die Mitteilung wurde mit Heiterkeit ent­gegengenommen. Hierauf kam der Staatsvertrag zwi­schen Württemberg und Baden über die Herstellung weiterer Eisenbahnverbindungen zwischen den beiderseitigen Staatsgebieten zur Beratung. Es handelt sich dabei um die Fortsetzung der Murgtalbahn und um die Bahn Breiten Kürnbach mit späterer Fortsetzung nach Leonbronn im Anschluß an die Zabergäubahn. Für die Fortsetzung der Murgtalbahn ist eine Frist bis zu acht Jahren in Aussicht genommen, ein Punkt der von verschiedenen Abgeordneten insbesondere von Dr. Eisele nnd Gaiser (Vp.) be­mängelt wurde. Mit Entschiedenheit traten die Abgeord­neten der interessierten Bezirke für die Wünsche der von ihnen vertretenen Gegenden ein, so der Abg. Schaible (BK.), Betz (B.), Rösler und v. Balz (Natl.) und Hornung (Soz.). Eine kleine Polemik entspann sich zwischen dem Abg. Keßler (Z.) und dem Ministerpräsidenten Dr. v. Weizsäcker. Der Präsident der Generaldirektion der Staatseisenbahnen, v. Stieler teilte aus eine Anfrage des Abg. Gaiser mit, daß mit Baden zur Zeit Verhandlungen wegen Ausnutzung der Murgwasserkräfte schweben. Der Staatsvertrag wurde schließlich im Plenum mit allen Stim­men gegen die des Abg. Keßler angenommen.

Bei der dann folgenden zweiten Beratung des Gesetz­entwurfs betr. Maßnahmen aus Anlaß des Brand Un­glücks in Böhmenkirch bemühte sich der Bezirksabg. von Geislingen Herbster (Ztr.) an Stelle des von der Regierung für die Gemeinde Böhmenkirch vorgesehenen Dar­lehens von 140000 eine Erhöhung dieser Summe auf 180000 ^ zu erreichen. Der Minister des Innern, Dr. v. Pischek wies demgegenüber darauf hin, daß die Ge­meinde Böhmenkirch mit dem vorgeschlagenen Betrag im Verhältnis besser daran sei als andere durch Brand geschä­digte Orte wie z. B. Ilsfeld, Binsdorf und Darmsheim. Mit 38 gegen 33 Stimmen wurde schließlich der Antrag Herbster abgelehnt und dann die Regierungsvorlage ein­stimmig angenommen. Zentrum und Konservative hatten für den Antrag Herbster gestimmt, während Sozialdemo­kratie, Volkspartei und Nationalliberale, (mit Ausnahme von zwei Abgeordneten) dagegenstimmten. Nicht mit Un­recht wies der Minister o. Pischek darauf hin, daß man durch solche Anträge die Regierung in Verlegenheit bringe und sie gewissermaßen als den harten Mann hinstelle, ob­wohl von der Regierung alles nur irgend Mögliche ge- geschehe. Nächste Sitzung Freitag vormittag 9 Uhr. T.O.: Erste Lesung des Sportelgesetzes.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, den 10. Februar 1911.

* Born Rathaus. Gemeichderat allein. Mit dem 1. Okt. 1911 kommt das Gerichtsvollzieherwesen ganz unter die Staatsverwaltung und werden von da ab die Ge­richtsvollzieher Staatsbeamte. Dem von der Stadt ange- stellten Gerichtsvollzieher Hauser und seinem Stell­vertreter Polizcisoldat Rauser ist deshalb der Dienst zu kündigen. Das Geburtsfest Sr. Majestät des Königs, am 25. d. Mts., soll in herkömmlicher Weise gefeiert werden. Das städtische Diplom für 20jähr. vorwurfsfreie Dienstzeit in der freiwilligen Feuerwehr erhalten: Hermann Merkle, Wägermeister, Johann Bauer, Gipsermeister, Ioh. Christian Hörmann, Pflästerermeister, Friedrich Benz, Schlosfermeister, Christian Zimmermatin, Schlosser, Jonathan Killinger, Fabrikarbeiter, und Christian Sautter, Holzmacher, diese sowie Fr. Kemps, Gerbermeister, welcher auf eine 25jähr. Tätigkeit in der Feuerwehr zurückblickt, werden auf Kosten der Stadt beim Festessen im Posthotel bewirtet. Zum