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Fernsprecher Nr. 29.
84. Jahrgang,
Fernsprecher Nr. 39.
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Schwäb. Landwirt.
Mittwoch, dm 2. Movemßer
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Auf Grund erstandener Prüfung ist die Approbation als Arzt erteilt worden: Hans Vogel von Altensteig i die Approbation als Apotheker: Theoü. Müller von Herrenberg.
Infolge der am Seminar in KUnzeisau abgehaltenen Dienst- prllfung ist der Lehramtskandidat Otto Rentschler von Pfrondorf für befähigt zur Verschling unständiger Lehrstellen an Volksschulen erklärt worden.
Politische Uebersichl.
Das Programm des Reichskanzlers und
ReichssinanZsragen bilden Themen des letzten Wochenrückblickes der „Nordd. Allg. Ztg." Das offiziöse Blatt sagt n. a., der Reichskanzler erblickte in einer scharfen Bekämpfung der Sozialdemokratie eine der Hauptaufgaben der Regierung und der Parteien. Die ernsten Symptome von Moabit und anderwärts sprächen deutlich von den Fortschritten der revolutionären Massenverhetzung, deren Uebermut durch die Zwietracht der staatserhaltenden Kräfte nur erhöht werden könne. In Bezug auf die Finanzpolitik sagt das Blatt: Gelingt es, einen guten Etat aufzustellen, der streng sparsam, doch allen Anforderungen, namentlich der Wehrkraft, gerecht wird, so ist damit ein sehr wichtiges Programm durch die Tat verwirklicht. Der neue Etat wird zeigen, das; man dem Ziel der Gesundung der Reichssinanzen ein gutes Stück näher gekommen ist. Dies Resultat rechtfertige zugleich die Annahme der Reichsfinanzreform trotz ihrer Mängel durch die Regierung. Die Vorarbeiten zum Neichs- haushaltsetat für 1911 haben zu einem dem Finanzplan für 1909—1913 entsprechenden Ergebnis geführt. Die ungedeckten Matrikularbeiträge werden auf 80 ^ für den Kopf gehalten, trotzdem sind die zur Fortentwicklung des Heeres und der Marine sowie zur Abbürdung des Fehlbetrages van 1910 erforderlichen Mittel in den Ausgaben vorgesehen. Dieser Abschluß war nicht ohne Schmierigkeit zu erreichen. Die Gesamteinnahme von 1910 wird den sehr vorsichtig bemessenen Voranschlag knapp erfüllen. So kann der Etat für 1911 Zölle und Steuern nicht allzuviel höher schätzen als im gegenwärtigen Etat. Zur Herstellung des Gleichgewichts müssen auch die erhöhten Ueberschüsse der Reichsbetriebe und die zu erwartenden Einnahmen aus dem dem Reichstag vorliegenden Zuwachssteuer-Gesetz herangezogen werden. Diese Erträgnisse werden auch herangezogen werden müssen, um die Veteranen über das jetzige Maß hinaus zu versorgen. Trotzdem das Jahr 1911 für Ausführung des Flottenplanes, die Erweiterung des Kaiser Wilhelm- Kanals, zur Erweiterung des Fernsprechernetzes und für die Eisenbahnen namhafte Beträge erfordert, ist es gelungen, den Anleihebetrag erheblich niedriger zn halten als 1910, und darin zeigte sich die wohltätige Wirkung der neuesten Finanzgesetzgebung. Diese Ergebnisse seien nur durch weitestgehende Sparsamkeit errungen, nach wie vor sei die Gesundung der Reichsfinanzen eine der dringendsten politischen Aufgaben, wer sich um dies Ziel bemühe, der wirke nach einem Programm von überaus praktischer Bedeutung. — Die „Nordd. Allg. Ztg." verkennt noch immer, worauf es
Die Goldinsel.
74 von Clark Russell. (Fortsetzung.)
Als ich Fräulein Temple darauf mitteilte, daß wir jetzt schnurstraks nach dem südamerikanischen Hafen steuerten, erglänzte ihr Gesicht in Hoffnung und Freude, der Kapitän dagegen wurde von jetzt ab immer düsterer und schritt tiefgebeugten Hauptes, ohne auch nur einmal aufzusehen, unablässig hin und her. Sein Mittagessen ließ er sich auf Deck bringen, später aber erfuhren wir durch Wilkins, daß er es nicht berührt hatte. Zum Abendbrot setzte er sich zwar zu uns, genoß indessen wieder nichts und sprach nur wenig. Ich glaubte überhaupt zu bemerken, daß er nur gekommen war, mir etwas zu sagen, was ihn beschäftigte, denn es kam mir wiederholt so vor, als ob er dazu ansetzen wollte, doch mit einem ungeduldigen Blick auf das Mädchen schien ec sich es jedesmal zu verbeißen.
So beendeten wir unser Mahl ziemlich einsilbig, und als wir ausstanden, ging er in seine Kajüte, während wir uns wieder auf Deck begaben, um den schönen Abend zu genießen.
Der Zimmermann hatte die Wache. Er stand an der Bordwand der Luvseite und mir kam der Gedanke, ihn anzureden, um zu erfahren, was er über die Aenderung des Kurses dächte. Mit Fräulein Temple am Arme blieb ich bei ihm stehen und sagte:
Guten Abend, Herr Lush. Eine feine Brise, was? Steht uns gerade günstig für den neuen Kurs, den der Kapitän aus einmal genommen.
ankommt. Eine wirklich wohltätig wirkende Finanzgesetzgebung liegt nicht nur in einer einigermaßen befriedigenden Balanzierung des Etats, sondern vor allem auch in einer gerechten Verteilung der Lasten. Und daran fehlt es eben.
Der neue deutsche Botschafter in Paris, Freiherr von Schön, hat am Samstag dem Präsidenten Fallt-res in feierlicher Audienz sein Beglaubigungsschreiben überreicht. In seiner Ansprache sagte er u. a.: „Entsprechend den bestimmten Befehlen Seiner Majestät hat die mir anvertraute Mission die Aufgabe, die guten Beziehungen, die in so glücklicher Weise zwischen Frankreich und Deutschland bestehen, zu erhalten und zu befestigen und die schon so zahlreichen gemeinsamen Interessen beider Länder zu fördern. Ebenso wie meine Vorgänger, deren Mitarbeiter ich gewesen hin, werde ich nicht aufhören, alle meine Bestrebungen auf die Erreichung dieser wünschenswerten Resultate zu richten, und ich werde mich glücklich schätzen, wenn ich in der Erfüllung meiner Aufgabe dahin gelange, Ihr Vertrauen, Herr Präsident, und die Unterstützung der Regierung der Republik zu gewinnen. Der Kaiser hat mich beauftragt, bei Ihnen der Dolmetsch der Gefühle der Achtung und der Sympathie zu sein, die Seine Majestät in so hohem Grad für Ihre Person empfindet, und Ihnen die Wünsche zu übermitteln, die er für die Wohlfahrt Frankreichs hegt." — Präsident Fälliges antwortete: „Die Wünsche für die Aufrechterhaltung und Befestigung der guten Beziehungen, die zwischen unfern beiden Ländern bestehen, und für die Entwicklung ihrer gemeinsamen Interessen, denen Sie soeben Ausdruck gegeben haben, entsprechen den Intentionen der Regierung der Republik. .. Ebenso wie Ihr hervorragender Vorgänger werden Sie bei uns nur das beharrliche Bestreben finden, Ihnen die Aufgabe zu erleichtern, deren Erfüllung Sie Ihre Bemühungen widmen wollen. Als Seine Majestät Kaiser Wilhelm Sie zum treuen Dolmetscher seiner Gedanken erwählte, konnte er nicht daran zweifeln, daß hier ein sympathischer Empfang Ihrer harrte. Ich bin ganz besonders empfänglich für die Wünsche, die Seine Majestät mir durch Sie hat übermitteln lassen und ebenso für die Form, in der Sie diese Mission erfüllt haben. Ich würde Ihnen dankbar sein, Herr Botschafter, wenn Sie seiner Majestät dem Kaiser mit meinen besten Wünschen meinen aufrichtigen Dank ausdrllcken wollten." Nach Beendigung des offiziellen Empfangs entwickelte sich zwischen dem Präsidenten Falliüres und dem Freiherrn von Schön ein sehr herzliches Gespräch.
Die Sonntags-Sitzung in der französischen
Deputiertenkammer der allseitig mit großer Spannung ent- gegevgesehen wurde, hat mit einem eklatanten Sieg des Ministerpräsidenten Briand geendet. Sämtliche Minister wohnten der Sitzung bei. Briand erklärte, der Tumult habe ihn am Samstag verhindert, seine Gedanken vollständig zur Kenntnis zu bringen. Er habe gesagt: „Es gibt ernste Stunden, in welchen die Regierung zu Ausnahme- maßregelu Zuflucht nehmen muß, er habe indes hinzugefügt, er sei immer glücklich gewesen, sich auf dem Boden der
Auf einmal genommen, wiederholte er mit eineni frechen Blick. Sie werden ja wissen, warum er es tat.
Na. Sie doch erst recht!
So, meinen Sie? knurrte er.
Natürlich, denn Sie als zweiter Maat müssen es doch wohl erfahren, wenn sich der Kapitän einen neuen ersten Maat holt, der mit Sonne, Mond und Sternen zu rechnen versteht.
Freilich, freilich, lachte er mit unverschämtem Hohn, das ist schon ein Grund, einen Hafen wie Rio anzulaufen. Scheint Ihnen doch also alles bekannt zu sein.
Meine Begleiterin zog mich sanft am Arm, zum Zeichen, daß ich mich mit dem Manne nicht länger einlassen sollte, und so drehte ich ihm kurz den Rücken und schritt weiter.
Dieses Vieh! schalt ich, Aber es geschieht mir recht; warum spreche ich denn mit solch einem rohen, boshaften Pavian!
Ja, es war mir auch vou vornherein unverständlich, daß Sie das taten. Nach allem, was Sie mir gesagt haben, war doch ziemlich sicher anzunehmen, daß der Mensch durch Wilkins die Absichten des Kapitäns ebensogut kennen würde wie Sie. Weshalb mußten Sie da den Unwissenden spielen? Das kann doch nur Mißtrauen gegen Sie erregen.
Sie haben ganz recht. Ich habe eine große Torheit begangen, den Kerl ausholen zu wollen. Meine Neugier, zu erfahren, was Wilkins eigentlich erlauscht und unter die Leute gebracht hatte, verleitete mich dazu. Da ich nicht sprechen darf, wird meine Unüberlegtheit jetzt nur dazu dienen, den Verdacht zu erregen, daß ich falsches Spiel treibe, d. h. daß ich es mit beiden Parteien zu halten suche, um je nach dem Lauf der Dinge meinen Vorteil daraus zu ziehen.
1910
Gesetzlichkeit bewegen zu können. Nachdem Briand bemerkt hatte, Frankreich sei in den Augen der Welt groß aus den bedrohlichen Ereignissen heroorgegangen, die es hinter sich habe, schloß er: „Meine Herren von der Mehrheit, ich habe das Recht Klarheit und Offenheit zu verlangen. Die Regierung kann dieses Haus nicht verlassen mit einem zweideutigen Vertrauensvotum, das ihr nicht gestatten würde, gewissen Ereignissen die Stirn zu bieten. Sie sagen, die Regierung sei reaktionär: gut, Sie haben sie in der Hand, zerbrechen Sie sie! Aber ich bitte Sie, es am Hellen Tage und nicht im Finstern Zutun!" Hierauf wurde zuerst die von der Regierung bekämpfte einfache Tagesordnung mit 384 gegen 155 Stimmen abgelehnt. Am Schluß der Sitzung wurde sodann die gesamte Tagesordnung, die der Regierung das Vertrauen ausspricht, mit 388 gegen 94 Stimmen angenommen. Die nächste Sitzung findet Donnerstag statt. — Die Mehrheit, die für den dritten Teil der Tagesordnung, in dem der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, gestimmt hat, setzte sich zusammen aus 26 Mitgliedern der Action Liberale Catholique, 3 Mitgliedern der Rechten, 15 Unabhängigen, 71 Progressisten, 71 Mitgliedern der demokratischen Linken, 79 Radikalen, 53 Sozialistisch-Radikalen, 8 nicht geeinigten Sozialisten, 2 Deputierten, die keiner Gruppe angehören, Briand und Millerand.
Die portugiesische Regierung beabsichtigt, das
System der handelspolitischen Beziehungen mit dem Ausland zu ändern und über den Abschluß neuer Handelsverträge zu verhandeln. Auf Einfuhrartikel aus den Ländern, die den portugiesischen Waren nicht das Recht der Meistbegünstigung einräumen, sollen Zuschlagszölle erhoben werden. Das Gesetz über die Einführung s dieser Zuschlagszölle soll erst nach dem Zusammentritt der konstituierenden Versammlung zur Anwendung gebracht werden. In gleichem Zeitpunkt werden die bereits abgeschlossenen Handelsverträge zur Vorlage gelangen. Das „Amtsblatt" veröffentlicht ein Gesetz über die Gewährung der Preßfreiheit. Ein anderes Gesetz wird die Verweltlichung aller Akte der Beurkundung des Personenstandes oorschreiben, die Schaffung eines allen Religionsbekenntnissen gemeinsamen Kirchhofs und die Zulassung der fakultativen Feuerbestattung. — Wie weiter gemeldet wird, hat die Regierung Verordnungen zugestimmt zur Festsetzung des Rechts zum Ausstand und zur Einrichtung eines Schiedsgerichts zwischen Arbeitgebern und Arbeitern. Es soll eine Kommission zur Entgegennahme der Beschwerden ernannt werden.
Die neue Heeresvorlage.
Berlin, 31. Okt. Die „Kreuzztg." schreibt: Gegenüber der neuerdings von einer Korrespondenz verbreiteten Nachricht über die Vorarbeiten für die zu erwartende Heeresvorlage können wir nach Einholung zuverlässiger Information als feststehend bezeichnen, daß die geplanten Heeresverstärkungen bei den üblichen Verhandlungen zwischen dem Kriegsministerium und der Finanzverwaltung keinerlei Kürzung
Das eben ist auch meine Meinung, erwiderte sie besorgt. Wer weiß, was daraus entsteht.
Ach bah, entgegnete ich heiter, um ihre Befürchtungen zu zerstreuen, mögen die Kerle schließlich denken, was sie wollen, uns kann es gleich sein. So Gott will, schreiben wir in vierzehn Tage „Ende" unter diesen Abschnitt unserer Abenteuer.
Ach, wie himmlisch wäre das! rief sie freudig und unwillkürlich meinen Arm drückend. Wenn man daran denkt, lebt man wieder ganz auf. Und sogleich begann sie heiter zu plaudern, wie sie wieder ihre Ringe und ihren anderen Schmuck würde anlegen können — was sie sich in Rio alles kaufen würde, usw. usw.
So wurde es mittlerweile halb elf und ziemlich kühl. Wir gingen deshalb hinunter. Da wir aber beide nach den Aufregungen des Tages noch keine Neigung empfanden, schlafen zu gehen, rief ich Wilkins und befahl ihm, eine Flasche des aus dem Wrack mitgenommenen Weines zu bringen. Bei diesem blieben wir, tm Austausch mancher Erinnerungen, noch eine Stunde in froher Stimmung beisammen. und als wir uns endlich gegen zwölf Uhr trennten, tat ich das mit dem unsagbar wonnigen Gefühl, einst doch vielleicht mein Herz sprechen lassen zu dürfen.
_ (Forts, folgt.)
Den amerikanischen Cisenbahnen widmet Otto von Gottberg im Nooemberheft von Velhagen und Kla- sings Monatsheften eine eingehende Studie, deren Lektüre allen wärmstens empfohlen werden kann, die grundsätzliche Nörgler unseres Staatseisenbahnensystems sind. Er schreibt: Eine Eisenbahnreise wird dem Fremden in Amerika