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nachmittags empfangen. Die Kaiserin stattete gestern nachmittag mit den fünf kaiserlichen Prinzen auf einer Spazierfahrt dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich Leopold auf Schloß Glienicke einen längeren Besuch ab. Am Abend begleitete die Frau Prinzessin Friedrich Leopold die Kaiserin vom Schlosse Glienicke nach dem Neuen Palais und verblieb dort noch etwa eine Stunde zum Besuch. Morgen begeben sich der Kaiser und die Kaiserin nach Dresden. Damit erledigten sich alle noch so bestimmten Angaben über das Eintreffen des Kaisers von Rußland am morgigen Tage. Ein Besuch des Zaren am diesseitigen Hofe ist nunmehr vor der Rückkehr unseres Kaisers von Athen kaum zu erwarten, da über die Reisen des Kaisers bis zu dieser Zeit vollständig verfügt ist. Auch die Nachricht, welche den russischen Thronfolger vor seinem kaiserlichen Vater am hie­sigen Hofe eintreffen und an den Manövern in Hannover teilnehmen läßt, wird derMagdeb. Ztg." als unzutreffend bezeichnet wie weit mit Recht, wird sich ja in Kurzem zeigen.

Kolonialpolitisches. Einer Londoner Meldung zufolge wird der Reichskommiffar Haupimann Wißmann im Laufe dieser Woche den Marsch auf Mpwapwa (Station der Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft in Usagara, in der Luftlinie ca. 250 Kilom. von der Küste entfernt) antreten; Wißmann hoffe, mit seiner durch 300 Zulus verstärkten Truppe Buschiri zum Stehen zu bringen und ihm eine entscheidende Niederlage beizubringen. In Berliner kolonialpolitlschen Kreisen verlautet, Herrn Wißmann solle ein staatsrechtlicher und politischer Beirat zugeteilt werden. Es heißt, daß der im Berliner Auswärtigen Amte beschäftigte Assessor v. Burg für diese Stellung in Aussicht genommen ist.

Tcrges-WeirigkeiLen.

Herrenberg, 3. Sept. Letzten Sonntag fanden sich einige 13- jährige Bürschchen in Gültstein zusammen, um sich die Zeit mit dem Ab­schießen eines Pistols zu vertreiben, einem der Schützen ging infolge der un­geschickten Handhabung der Waffe ein Schuß ins Gesicht, und traf ein Auge so unglücklich, daß es nach ärztlicher Untersuchung verloren sein wird. Das Geld zu diesen Schießübungen hat der verletzte Knabe seinem Großvater ent­wendet, ist also im strengsten Sinne des Wortes damit gestraft worden, wo- mit er gesündigt hat.

Freudenstadt, 3. Sept. Der Ratsschreiber I. dahier wurde gestern verhaftet. Die Ursache ist unbekannt.

Der Stuttgarter Güterbesitzerverein machte am Sonntag einen Ausflug nach Heilbronn, um sich von den Resultaten der Bespritzung eines Teils der dortigen Weinberge zu überzeugen. Die Gesellschaft wurde am Bahnhof vom Ausschuß der Heilbronner Weingärtner- Gesellschaft empfangen und nach eingenommener Erfrischung und Besichtigung der Kelter in mehreren Partien durch die Weinberge geführt. Allgemeine Ueberraschung und Anerkennung gab sich, wie dieNeck. Ztg." berichtet, seitens der Stuttgarter Gäste kund angesichts der mit Vitriol-Lösung behan­delten Weinberge, die sich von der Ferne schon durch ihre schöne grüne Be­laubung und bei näherer Betrachtung durch den vorgeschrittenen Reifegrad der Trauben auszeichneten. Die Gäste sprachen sich ausnahmslos für Nach­ahmung der Bespritzunqsmethode fürs kommende Jahr aus.

Stuttgart, 5. Sept. In vergangener Nacht gegen 2 Uhr ist es zwei im Katharinenhospital in Gefangenenzellen untergebrachten angeblichen Kranken gelungen auszubrechen und das Freie zu gewinnen. Der eine der­selben war Wilhelm Grätzel, Kellner und Kollporteur von Zaisenhausen, welcher kürzlich zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, der andere Maurer Josef Schilling von Ansbach, welcher wegen schweren Diebstahls noch in Untersuchung stand. Die Flucht wurde alsbald entdeckt, und ist es der Polizei noch in der Nacht gelungen, den Grätzel, welcher seines leidenden Zustandes wegen, nicht gut fortkonnle, im Bopserwalde wieder zu ergreifen. Auch der zweite Ausbrecher ist wieder beigebracht.

In Cannstatt ist man, wie dieSchwäb. Chron." berichtet, bei den Arbeiten zu den Probelöchern der neuen Neckarbrücke an dem Fuß­weg nach Berg in einer Tiefe von 1,2 Meter auf eine sehr starke Mineral­quelle gekommen.

Cannstatt, 5. Sept. Die Arbeiten zu dem heurigen Volksfest beginnen allerorts und werden lebhaft betrieben. Die allgemeine Viehaus­stellung, die wegen der an verschieden Orten herrschenden Seuchen bisher in Frage gestellt war, wird nach den neuesten Nachrichten gehalten und die Bauten dazu sind an Zimmerwerkmeister Krauß hier vergeben worden, der bereits mit denselben begonnen hat. Das Volksfest verspricht, den Vorarbeiten nach, ein großartiges zu werden. Die Halle, für die Ausstellungsgegenstände muß nach den vielen Anmeldungen um das Doppelte vergrößert werden. Links und rechts der Hoftribüne sind bereits weitere Tribünen für die landw. Bezicksvereine des ganzen Landes errichtet und die Ehrenpforten in Holz erstellt.

Aus Bietigheim wird demSchwäb. Merkur" geschrieben:

So viel man jetzt schon von den in Posen ansässigen württ. Ansied - !

lern erfährt, sind sie zwar mit Grund und Boden zufrieden, obgleich der« > selbe teilweise sehr herabgewlrtschaftet ist und für die nächsten Jahre, bi« ^ der Ansiedler durch eigene Mühe und Arbeit einen besseren Kulturzustand geschaffen hat, keine besonders reichlichen Erträge verspricht. Andererseits aber nehmen die Ansiedler Veranlassung zu mancherlei Klagen.

Murrhardt, 4. Sept. Einem sechsjährigen Knaben in Großaspach passierte am letzten Montag das Unglück, daß ihm ein brennender Schwärmer durch das oben offene Hemd auf die Brust flog, so daß er an Brust, Hals und an der Seite bedenklich verbrannt wurde, und an seinem Aufkommen gezweifelt wird.

Iagstfeld, 2. Sept. Am Samstag nachmittag ereignete sich auf der Jagd ein höchst bedauerlicher Unfall. Zwei Einwohner gaben mehrere Schüsse auf Hühner ab, wodurch ein auf dem Feld arbeitender Bursche von 16 Jahren verwundet wurde; auch ein mit demselben arbeitendes Mädchen wurde durch Schrote verletzt.

Biberach, 3. Sept. Diesen Morgen von 6 bis 9 Uhr entlud sich zwischen Riß und Iller ein furchtbares Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen und elektrischen Entladungen, wie es im Hochsommer selten vorkommt und in diesem doch gewitterreichen Sommer nie vorkam. Der Blitz schlug in das Moritz'sche Bauernhaus in Reinstetten und zündete, so daß da« stattliche Gebäude mit seinen reichen Vorräten an Futter und Getreide als­bald ein Raub der Flammen war. Auch ein Söldnerhaus in Rottum wurde vom Blitz getroffen und brannte total nieder. In Ochsenhausen ging ein Blitzstrahl in der Nähe des Klosters nieder. Gegen Mittag heiterte sich der Himmel wieder auf.

Waldsee, 4. Sept. Heute fand ein ca. 14 Jahre alter Dienst­knabe eine Platzpatrone. Derselbe wollte sich das Vergnügen machen, sie mit einem Stein aufzuschlagen, wobei ihm drei Finger sehr stark zerrissen, sowie die Hand sonst noch verletzt wurde. Ein anderer Knabe sägte sich mit einer Holzsäge den Daumen vollständig durch. Da er sofort in wundärzliche Behandlung kam, konnte das noch warme, auf der einen Seite an der Haut hänqende Stück wieder anqeheilt werden. _

WevmifcHLes.

In dem so schön und romantisch gelegenen Dresden ist bekanntlich die Chocoladen- und Zuckerwaaren-Fabrikation ein großer Industriezweig, an nahezu 2000 Arbeitern sind in ca. 12 Fabriken für diesen Artikel dort beschäftigt. Wie uns nun von einem Geschäftsmann mitgeteilt wird, hat die Dampf-Chocoladen-und Zuckerwaaren-Fabrik von Rich­ard S e l b st m a n n in D r e s d e n auf der Internationalen Ausstellung für Nahrungsmittel und Hausbedarf in Köln a. Rh. 1889 dieSilberne Medaille" zuerkannt bekommen. Die Fabrik hat bisher auf allen von ihr beschickten Ausstellungen Preise davongetragen, ein Zeichen unserer Zeit, daß die deutsche Industrie immer weiter vorwärts schreitet und sich einer großen Achtung auch im Auslande erfreut.

Sonderbare Testamentsklausel. In Wien ist kürzlich ein Millionär gestorben, der in seinem Testamente die etwas ungewöhnliche Verfügung traf, seine Gruft und auch das Innere seines Sargs soll während eines Jahres elektrisch beleuchtet werden. .Der Erbe, welchem vom Gerichte die Erlaubnis zur Ausführung dieser Klausel versagt wurde, hat nun die vom Testator für Sargbeleuchtung bestimmte Summe (20,000 fl.) sechs Wohlthätigkeitsanstalten überwiesen. Jedenfalls eine schönere Verwendung.

den Strom entusiastischer Beredsamkeit seiner Tochter zu hemmen,in der Kunst giebt es zwei Arten von Ruhm, einen, der nur ehrenvoll ist, indem ihm die Revue für Kunst und Wissenschaft einen besonderen Artikel weiht, der eine Medaille oder günstige Erwähnung seines Werks enthält; der andere, einträglichere, ist der, der zu Vermögen, ja, Reichtum führt. Zweifellos ist Mr. Charlton hochbegabt, doch Du mußt zugestehen, daß sein Talent eben so eigenartig, als bizarr ist, und ich fürchte, daß er eben so wenig Käufer als Bewunderer finden wird."

Ein wirklicher Künstler, Papa, wird sich nicht beugen und krümmen, um der Allgemeinheit zu gefallen," warf Kamilla ein.

In diesem Falle wird er zweifellos das bleiben, was er bis jetzt ist, ein armer Mann. Die Welt im Allgemeinen, die das Publikum eines Künstlers bildet, will schöne Gemälde mit effektvollem Licht und Schatten, die Wiedergabe irgend einer Begebenheit, genial idealisiert, wie es auch im Konzert-Saal die melodienreiche Musik, die harmonisch zu seinem Ohre klingt, vorzieht. Genie vereinigt sich selten mit Popularität, doch diese letztere zahlt!"

Die schöne Kamilla furchte leicht die Stirn.

Ich glaube nicht, daß Mr. Charlton dem Gelds nachjagt, vielmehr nur dem, was er nötig hat für sein tägliches Leben. Sein einziger Traum ist eine neue Epoche in der Kunst zu schaffen."

Josiah Hickman's Augen klärten sich mehr und mehr auf, während er auf die Unterredung zwischen Vater und Tochter lauschte. Er bemerkte besonders den Ton der Gönnerschaft, zu dem sich hie und da freundschaftliches Lob gesellte, in dem Sir Prendergast-Doyne von dem jungen Maler sprach. Er mußte lächeln, als er seiner Eifersuchtsregungen gedachte. So ein Habenichts von Künstler! Konnte er einen unschädlicheren Nebenbuhler haben?

Nebenbuhler? In der That! Der Gedanke war gradezu albern! War er nicht, er, Julius Hickman, der alleinige Besitzer der reichsten Firma von Farbwaaren in England? Besaß er nicht eines der schönsten Häuser in Park Lane und dabei ein prächtiges Landhaus im Osten von Kent? Wo konnte man eine bessere Heirat für eine Dame finden und welche Dame würde sich nur träumen lassen, eine so glänzende Offerte auszuschlagen?

Mit diesen Gedanken, die Arthur Charlton ganz von der Möglichkeit einer Nebenbuhlerschaft ausschlossen, fing der Farbenhändler an, ganz freundschaftliche Gefühle für denWander-Maler," wie er ihn im Geheimen nannte, zu hegen. Er bemerkte ganz sanft:

Er scheint ein ganz achtungswerter und" angenehmer Mann zu sein."

Und das ist er auch," erwiederte der Baronet,eine geniale, ehrenwerte Natur, mit der es eine Freude ist in Berührung zu kommen. Das Leben hat ihn in dm acht bis zehn Jahrm recht umhergeworfen, seitdem er Winchester verlassen hat, wie er mir sagte, und doch kennt er nicht den blasierten Ekel des Lebens, der viele junge, vornehme Männer jedes Lebensgenusses beraubt. Er schämt sich nicht, sich noch zu freuen und diese Freude auszudrücken, die, das müssen Sie zugestehen, erfrischend auf Andere wirkt. Ja, ich liebe Charlton. Er ist ein Gentleman. Ich sagte zu ihm, als wir im Amphitheater in Rom beisammen standen, daß er aussehe, wie der breit­schulterige blauäuige Tetilias, der in modernem Gewandte zurückgekehrt ist, um die alten Plätze wiederzusehen."

O, ja, ja, gerade so," erwiederte der Fabrikant mit nervösem Lachen. Er hatte seine eigenen Gründe, so rasch wie möglich über den Vergleich mit klassischen Gestalten hinwegzugehen, für die der alte, englische Baron eine besondere Vorliebe zu habm schien. (Forts, folgt.)