Ars. 81
84. Jahrgang.
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ErsÄeiut Meurta», I»«E»t«g L Ka«s1a«.
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Donnerstag, äen 11. Juki 1889.
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GagsS-Weuigkeiten.
D e ck e n p f r o n n, 7. Juli. Für unsere Gemeinde war die abge- laufen« Woche eine Zeit großer Schrecken und großer Schaden entstand auf unserer weiten, bisher so üppig gestandenen Flur. Am Montag zogen sich schon in den Vormittagsstunden hier 2 große Gewitter zusammen. Grelle Blitze zuckten fast ohne Unterbrechung und fürchterliche Donnerschläge folgten. An 6 Stellen bat der Strahl auf unserer Markung die Erde erreicht. In unmittelbarer Nahe der Häuser zersplitterte er 2 Obstbäume und im Rot- walde schälte er eine Eiche im vollsten Sinns des Worts. Der große, nackte Baum macht einen sonderbaren Eindruck. In großer Menge und lange Zeit fiel Hagel. Die Flur färbte sich weiß Zum Glück waren die Schlossen klein. Doch sind zärtere Pflanzen, Hopfen. Bohnen, Setzware, Hanf, junges Futter, Ackerbohnen u. s. w. fast ganz vernichtet und das Uebrige hat stark notgelitten. Nun zog gestern wieder ein Gewitter über uns dahin mit solcher Heftigkeit, wie sichs unsere ältesten Mitbürger nicht erinnern können. Wieder fiel auf einzelnen Teilen der Markung heftiger Hagel und der Regen stürzte in Strömen nieder, daß Wege und Felder arg zerrissen und übel zugerichtet wurden. Der Schaden ist groß. Schw. M.
Nagold, 7. Juli. Es ist ein längst gefühlter Mangel, daß Nagold zwar eine Lateinschule aber keine Realschule hat. So kommt es, daß, wer seinen Kindern eine bessere Schulbildung geben lassen will, dieselben in die Lateinschule schicken muß, auch wenn der Grund zu der späteren Laufbahn durch eine Realschule unbedingt besser gelegt werden könnte. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, versammelte sich gestern abend eine stattliche Anzahl Männer aus den besseren Kreisen der hiesigen Einwohnerschaft und erörterte zunächst die Bedürfnisfrage. Nachdem diese von sämtlichen Rednern als eine sehr dringende bezeichnet worden war, wurde aus der Mitte der Versammlung ein Konnte gewählt und ihm die Einleitung geeigneter Schritte zur Errichtung einer RealsGule äufgetragen. So ist also zu hoffen, daß das gewerbsame Nagold in absehbarer Zeit eine Schulanstalt bekommt, die ihre Thätigkeit hauptsächlich in Dienst der industriellen Kreise des Volkes stellen will.
W. Ldztg.
Göppingen, 8. Juli. XXll. Liederfest des Schwäb. Sängerbunds. Am zweiten Tage begann um 7 Uhr die Gesangprobe für die auf 1t Uhr angesetzte Hauptaufführung. Bei dieser kamen unter Professor Dr. Faißt's Direktion eine Reihe der herrlichsten Männerchöce zunr Vortrag, die in ergreifenden Harmonien mächtig durch die Festhalle dahin
rauschten. Besonderen Erfolg hatte die Festkantate „Des Sängers Wiederkehr", nach Uhland von Immanuel Faißt komponiert, sowie der Vortrag de» Stuttgarter Liederkranzes „Gesang der Geister über dem Wasser" von Franz Schubert. Als das Württemberger Lied verklungen war, brachte Stadtschultheiß Allinger, anschließend an dieses herrliche Lied, ein begeistert aufgenommenes Hoch auf Seine Majestät den König aus. Nach dem Lied „Deutsches Land, du schönes Land" brachte Dr. Faißt ein Hoch auf Deutschland und nach der großartigen Festkantate gedachte Musikdirektor Schletterer-Augsburg der Leiter des Schwäbischen Sängerbundes und weihte dem Komponisten und Dirigenten Faißt ein Hoch. An die Hauptaufführung schloß sich um 12>/z Uhr ein gemeinschaftliches Festmahl in den Aposteln an. Dr. Otto Elben toastete hier auf Kaiser Wilhelm II., Oberpostmeister Steidle hob rühmend die herzliche Gastfreundschaft Göppingens hervor und brachte der Feststadt ein brausendes Hoch, Stadtschultheiß Allinger dankte mit einem Hoch auf den Schwäb. Sängerbund; weitere Trinksprüche folgten noch von Musikdirektor Dr. Schletterer, Musikdirektor Burkhardt-Nürtingen, Fabrikant Merkel.Eßlingen und Oberreallehrer Zizmann-Ludwigsburg. — Nachmittags 2>/z Uhr stellte sich der Festzug wieder zusammen und bewegte sich über den Schillerplatz durch die Hauptstraße mit Gegenzug auf dem Marktplatz zum Festplatz. Hier wurde Dr. Faißt und Dr. O. Elben, die beide nun 40 Jahre dem Schwäb. Sängerbund angehören, von Steidle ein kräftiges Hoch dargebracht. Nachdem dann der Chor: „Mein Deutschland", komp. von Nater, und Mendelssohns: „Nun zu guter Letzt" von der ganzen Sängerschaft mit Instrumentalbegleitung gesungen worden, folgte die Preisverteilung. Dieselbe hatte folgendes Ergebnis:
I. Ländlicher Volksgesang: Gaisburg, Männer-Ges>V. N. Preis und 1 Pokal vom Liederkcanz Gerstetten. Neuhausen a. F., Eintracht II. Pr. und 1 Pokal v. Arbeiterb.-V. Reutlingen, ll. Höherer Volksgesang: Geislingen, Liederkranz I. Pr. u. 1 silb. Pokal v. Musikverein Hall. Stuttgart, Concordia, I. Pr. u. 1 silb. Pokal v. Frohsinn Gmünd. Jsny L., I. Pr. u. 1 silb. Pokal v. Lyra Stuttgart. Stuttgart, Buchbindermännerchor, I. Pr. u. 1 Trinkhorn v. Harmonie Tübingen. Cannstatt, Aurora, II. Pr. u. 1 Trinkhorn v. M.Ges.V. Reutlingen. Ehingen a. D. L. II. Pr. u. 1 Pokal v. L. Nürtingen. Reutlingen, Männerges.V. II. Pr. u. 1 Pokal v. Concordia Stuttgart. Tübingen, Harmonia, ll. Pr. u. 1 Regulator v. L. Mez» ingen. HI. Kunstgesanq. Gmünd, L. I. Pr. u. 1 silb. Pokal v. Liederkranz Stuttgart. Eßlingen, L. I. Pr. u. 1 silb. Pokal v. L. Ravensburg. Hall, Musikverein, I. Pr. u. 1 silb. Pokal v. L. Göppingen.
. Jeuilleton.
Der: MajornLserbe.
Roman von L. Dohrmann.
(Fortsetzung.)
Die strenge Klausel, die den Majoratsherrn von jedem Staatsdienste ausschloß, hatte schon mehreren Nachkommen des Stifters eine große Selbstüberwindung auferlegt. Die Grafen Wendhausen besaßen durchschnittlich stark ausgeprägte Geistesgaben und ein bedeutendes, diplomatisches Talent. Mehrere jüngere- Söhne des Hauses, von der Klausel nicht betroffen, hatten schon die^ höchsten Staatsämter be^ kleidet und ihre Verdienste warentvom Landesherrn durch Verleihung hoher Orden anerkannt worden. Auch war schon der Fall eingetreten, daß der älteste Sohn plötzlich im kräftigsten Mannesalter gestorben und in Folge dessen der zweitgeborne Sohn an dessen Stelle getreten war, welcher, da er bisher keine Aussicht auf die Erbfolge gehabt, sich seinen Lieblingsstudien gewidmet hatte und nun als Majoratserbe mit schwerem Herzen seiner Neigung zur Diplomatie entsagen mußte. Dennoch waren die Verfügungen des Ahnen bislang ohne irgend welche Neuerung in Kraft geblieben; jeder hatte das Majorat seinem Sohne hinterlaffen, wie er es empfangen. Alle hatten den Willen des Stifters geehrt, der zu der Klausel durch seine bitteren Crfahmngen im Staatsdienste bewogen worven war. Derselbe war, der bis auf ihn bestehenden Sitte seines Hauses gemäß, an einem fremden Hofe Träger eines hohen, diplomatischen Amtes gewesen, war dann plötzlich durch die hinterlistigen Machinationen seiner Feinde gestürzt und' vom Landesherrn in Ungnade entlassen worden. Voll tiefster Erbitterung hatte er sich auf seine Güter zurückgezogen und bei der Stiftung des Majorats seinen Nachkommen zur Pflicht gemacht, dem Staatsdienste fern zu bleiben.
Bis auf den vorletzten Majoratsherrn, dem Grafen Kuno, war das Erbe stets in direkter Nachfolge vom Vater auf den Sohn übergegangen. Graf Kuno hatte jedoch keinen männlichen Namenserben hinterlassen und so war nach ihm die nächste Nebenlinie in Erbfolge des Besitzes getreten.
Graf Kuno's Gemahlin war in erster Ehe mit einem Baron von Bronnen vermählt gewesen und der einzige Sohn aus dieser Verbindung stand schon im zehnten Jahre, als die verwitwete Baronin dem Majoratsherr von Wendhausen ihre Hand reichte. Es war ein harter Schlag für den Grafen Kuno, daß der ersehnte Stammes - sproß ihm versagt blieb und seine Gemahlin ihn nur mit einem einzigen Töchterchen beschenkte. Die kleine Pauline hatte vom Vater schwer darunter zu leiden, daß sie kein Knabe war; nur selten gewährte der Graf der Kleinen eine väterliche Liebkosung. Die Gräfin, ohnehin von zarter Konstitution, härmte sich im Süllen, daß der Lieblingswunsch ihres Gemahls nach einem Stammeserben unerfüllt blieb; noch mehr aber grämte sie sich über die Unfreundlichkeit desselben gegen sein unschuldiges ^töchterchen, das in Folge dessen ein äußerst schüchternes und ängstliches Kind wurde.
Pauline würde eine sehr freudlose Jugend gehabt haben, wenn ihr Stiefbruder Karl sich ihrer nicht mit zärtlicher Fürsorglichkeit angenommen hätte; es verging kein Tag, an dem der Knabe dem lieblichen Schwesterchen nicht irgend eine kleine Freude bereitete. Die Kleine schloß sich ihm deshalb mit leidenschaftlicher Hingebung an. Sie liebte den Bruder well zärtlicher als ihre Eltern, und dies innige, geschwisterliche Band lockerte sich auch nicht, als Karl, der sich die militärische Laufbahn erwählte, das elterliche HauS verließ. Jede Woche brachte ihm einen langen Brief mit den steifen, ungelenken Schriftzügen des fernen Schwesterchens, die ihm darin alle kleinen Erlebnisse ihres jungen Lebens getreulich beichtete.
Als Pauline zwölf Jahre alt war, starb ihre Mutter und dies traurige Ereignis war eine neue Veranlassung, welche die Geschwister noch enger an einander schloß. Graf Kuno, der seine Gemahlin leidenschaftlich geliebt hatte, fühlte sich nicht geneigt, eine neue Verbindung einzugehen; «r gab sich rückhaftlos der Trauer um die Verstorbene hin und wurde gegen seine Tochter noch verbitterter als zuvor. Pauline, die durch den Tod der Mutter des letzten Anhaltspunktes der Liebe in der Heimat beraubt war, zog sich noch scheuer von dem Vater zurück. Sie blühte zu einer lieblichen Jungfrau heran, doch blieb sie schüchtern und zurückhaltend und ein Zauber holdseligster Kindlichkeit umschwebte ihre Erscheinung. Mosröschen' nannte Karl sie mit zärtlichem Schmeichelnamen, und auch von allen Andern, die mit ihr in Berührung kamen, wurde diese Bezeichnung für treffend passend anerkannt.