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In Geskllschlisttt

JernsprecSer Wr. 29. 83. Jahrgang. Jernsprecher Wr. 29.

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Ireitag, den 18 . Juli

Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhnl. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübchen, Jllustr. Sonntagsblatt und

Schiväb. Landwirt.

ISO-

Zum Kanzterwechsek.

Etwa, seltsam, «MS im Stile WikhelmS II. hat sich her äußere Hergang des Kanzlerwechsels abgespielt. Eine Sartenszeue war es vor Handerten von Zuschauern, die in dichte» Scharr«, von der Polizei kaum behelligt, von der Burgstraßr aas über die Spree hinweg in den kleinen, terrafienartigen 8arten blicke« konnten, der an dem ältesten, der Spree zngekchrtm Teil de» SchloffeS sich hiuzteht. Diesen kleinen Garten, in dem Lorbeerbäume und Bösche nur in eivzelnm Tellen den Einblick vom «ruderen Ufer »ehren, Benutzt der Kaiser fett Jahren im Sommer häufig ß« längere« Mffeuthalt, erteilt dort i« Freien Audienzen »nd empfängt gelegentlich anch Botschafter. Dort wellte er, nachdem rr um 8 Uhr in Berlin augekommeu war, von 1V Uhr ab. und empfing zunächst den Fürsten Bölov, der bei seiner Mfahrt zu« Schlöffe von drmPMiknm lebhaft begrüßt worden war. Als BSlow den Garten bettat, ging chm der Kaiser lebhaft entgegen, schüttelte ihm herzlich die Hand, und mm sich mau beide nebeneinander promenierend, zeitweilig Arm in Arm, fast eine halbe Stunde laug, und bei« Abschied konnte man sehe«, wie der Kaiser den scheiden­den Kanzler umarmte. Ja der Zwischenzeit machte die Kaiserin mit der Prinzessin »Moria Luise der Fürstin Lülow einen Besuch. Bald nach BülovS Weggang erschien die lange Gestalt sedre» Nachfolgers, des Herrn v. Beth- mann'Hollweg, in dem Garten, »nd wieder ging der Kaffer mit diesem in lebhaftem Gespräch lauge auf «nd ab. Und dann sah man mit energischen Haudbewegnngm den »men Kanzler allein reden, als ob er einen Bortrag hielte. Beim Absurd schüttelte der Kaiser ihm die Hand und winkte ihm freundlich nach. Daun folgte der bayrische Gesandte Herrd. Lerchenseld, der sächsische und der «ürt- 1e«bergffche Gesandte, mit denen der Kaiser über den voll­zogenen Wechsel fast über eine Stunde laug sprach, und daun traten gemeinsam die neuen Männer, Herr Sydow, Herr Delbrück, Herr Wermuth nud Herr Trott v. Solz an, und man sah den Kats« lebhaft ans sie Anreden.

Drei Stand« hat diese ganze Staatsaktion unter freiem Himmff, in dem romantischen klein« Schloßgart« gedauert «d dann hatte dar Deutsche Reich einen ueneu Kanzler, eine» neuen Staatssekretär des Innern, ein« neue» Schatz- sekretär und Preuße» einen neu« Ministerpräsident« und Minister des Auswärtig«, einen neuen Kultusminister nud ein« Mn« HandelSmintster.

die Blätter heute dem Fürst« Bülow Nach­ruf«, tst ganz überwiegend freundlich, voller Sserkeummg dessen, was er in 12 Jahren geleistet und war ja wirklich a»f d« verschiedensten Gebiet« der auswärtigen Politik, der Krllouialpolitik und der inner« Politik recht viel ist. Kühl und spitz behandelt ihn dieGermania", und kühl klingt auch, trotz aller Anerkennung, was dieKrenzzeitnug" von sein« Verdiensten erzählt. Dena das konservative Blatt ist, von allem ander« abgesehen, verstimmt, daß Billow »och im AngenbltS seines Rücktritts in einem Inter­

view scharf betont hat, daß er dm Konservativen i« Bunde

mit dem Zentrum and d« Pol« «sterlegeu ist, nnd daß in diesem Interview eine Art Polemik arg« die Politik der Konservativen angebracht ist, vielleicht der Juhaltdeffm, was er gesagt Hab« würde, wenn er in dm letzttu Tag« noch einmal i« Reichstag erschienen wäre.

Sympathisch wird als neuer Kanzler und Minister­präsident Herr v.Bethmauu-Hollweg begrüßt. Sein« mmschlich« Eigenschaft«, der Sradhrit nud Offenheit seines Charakters, seinem ganz ungewöhnlichen Fleiß und seinem lies« Wisse», der philosophisch« Betrachtungsweise, die aus seinen Red« spricht, wird von all« Seit« Anerkennung zu lei! und natürlich wird bald mit Smugtuuug, bald mit Bedenk« hervorgehob«, daß er, der neben BSlow in den letzt« Jahr« der Vertreter der Bülowschm Politik gewesen ist, in dm groß« Richtlinien diese eigmtlich fortsetz« müsse. Mau muß fich erinnern, daß er der Later der »ereiusgesetze, eines der wenigen Früchte der Blockpolitik ist. Tr ist ja kein Fremder, er ist der erste Kanzler, der ans der Beamten- karrte« stammt, der erste, der gewissermaßen Ml Kanzler­amt hiuanfavaueiert ist, fett lauge« schon ans der Land- ratSzett her dem Kaffer bekannt und bei ihm beliebt. Seine Rednergabe wird betont; »an traut seine« groß« Fleiß und feiner ungewöhnlich« Arbeitskraft zu, daß er, der sich in da» ReichSamt de» Innern etugearbeitet hat, auch die umfaffendm Ausgaben de» Reichskanzlers nud Minister­präsident« bewältig« wird, vielleicht mit weniger Hervor- kehrnng der eigenen Persönlichkeit, aber sachlicher als sein Vorgänger. Nur ein Bedenk« drängt sich ans: der ans «irttgeu Politik war er bisher fremd. Wer ihn näher kennt, muß armehm«, daß er stch persönlich auch in diese eivznarbeit« für seine Pflicht hält, und eine Geheinckuuft ist sie ja schließlich nicht. Aber ein Kanzler, der so viel selbst arbeitet, der, wie «an aus de« Ministerin« de» June« und au» dem ReichSamt des June« weiß, nicht wie mancher andere hohe Chef dir ander« für stch arbeite» läßt ob ein solcher stch in der um« Stellung nicht zu viel znmutet, da» bleibt abznwartea. Für alle Frag« der inner« Politik wäre ei» besserer als er wohl nicht zu find« gewesen. OS den Gedankenreich« nicht zu stark auch der Gedankens Bläffe auwandelt, und ob die viele geistige Produktion im LerhältuiS z« kräftiger EntschlußfreMgkeit

steht, das ist eine stch ausdrängeude Zweifelsfrage.

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Da< Haodschreibe» des Kaisers a« de» Fürsten Billow.

Berk», 14. Juli. Der Kaffer nud König hat au d« Reichskanzler Fürsten BSlow folgendes Handschreiben gerichtet:Mein lieber Fürst! Ans Ihrem erneut« Gesuch habe ich za meinem schmerzlichsten Bedauern ersehen, daß Sie entschloss« sind, von Ihr« verautwortnugSvollm Armtern als Reichskanzler, Präsident des StaatSmiuisterinmS und Minister der auswärtig« Angelegenheiten znrückzvttet«. So schwer eS mir fällt, ans Ihre bewährte Kraft bei der Leitung der Reichs- und Staatsgeschäste zu verzichten und das Baud vertrauensvolle» Zusammenwirkens, da» mich so viele Jahre mit Ihn« verbunden hat, zu lös«, habe ich

doch in Würdigung der gewichtig« Gründe Ihr« EuffchlH

gebilligt und glaube, Ihre» dringenden Wunsch mich nicht länger verschließ« zu dürfen. Ich habe daher Ihrem An­trag entsprechend Ihn« die erbetene Entlastung gewährt. ES ist mir aber ein Bedürfnis des Herzen», Ihn« bei dieser Gelegenheit für die Hingebung und Aufopferung, mit dm« Sie in dm verschiedensten Aemteru «ad Stellung« Ihrer ehrenvoll« und segmSreich« Dienstlaufbahn «ein« Vorfahr«, mir und de« Laterlaude so hervorragende Dimste geleistet Hab«, mein« wärmst« Dank auSznsprech«. Sott der Herr schenke Ihn« nach eine« so taten- und arbeits­reichen Leb« noch viele Jahre ungetrübten SlöckS. Indem ich Ihn« als äußeres Zeichen meiner Dankbarkeit, Aner­kennung und Zuneigung dm hoh« Orden vom Schwarz« Adler mit Brillanten und die Insignien desselben hier»«» zngehm laste, verbleibe ich Ihr stet» wohlgeneigter, deck­barer Kaffer und König Wilhelm I. R. Berlin, i« Schloß, dm 14. Juli 1909".

Berlin, 13. Juli. Sin namhafter konservativer Poli- liker hat seine Empfindung« über dm Sturz BülowS diese» in fvlgeude» Zeilen auSgedröckt:Seit dm Hohenstaufen wird in Deutschland jeder, der ein« national« Flug hat, durch die KirchturmSiutereffm der Partei« in d« Staub gezogen. Seit Cäsar bekämpft Rom Deutsche mit Deutschen." «» Politiker, der d« Liberal« uahrsteht, ohne eigentlich Partei««« zu sei«, hat de« Fürst» Lülow seine Anschauung« nach de« 24. Juni in folgend« Wort« knudgegeb«:Sie find gestürzt durch d« Haß de» Zentrums, die Trealosigkeit der Konservative» und die Kurzsichtigkeit der Liberalen".

Bar«», 15. Juli. Die Rordd. «llg. Ztg. widmet de« zurScktrrtmdeu Kanzler Fürsten Bülow ein« länger« warm« AbschtedSartikel, in de« eS «. a. heißt:

Eigenartig mag e, wohl de» Fürst« Mlo» berührt haben, daß er tu die Lage gekommen ist, am gleich« Kalenvrrtage, de« 26. Juni, und ebeufallS in Ktel de« Herrscher sein EutlaffnugSges«- zu unterbreit«, au dem er vor 12 Jahr«, damals noch Botschafter v. Bülow, mit der Leitung des Auswärtigen Amtes betraut wurde. BemerkevSvert ist die Taffache, daß die zwölfjährige AmtSdauer de» Fürst« BSlow länger gewesen tst al» die irgend eines ander« leitende» Staatsmannes Preußen» und des neu« Deutsch« Reiche», «U alleiniger Aus­nahme der Wirksamkeit BiSmarckS und Hardenberg». In welche« Geiste Herr v. Lülow die Geschäfte zu führ« entschloss« war, ergebe stch au» de« Umstande, daß er nach seiner verustmg au die Spitze de» Auswärtigen Amte» stch mit de« damalig« Reichskanzler Fürst« zu Hohenlohe von Ktel »ach FriedrichSruhe begab, um dem Fürst« Bismarck ein« Besuch abzustatte». (Mpst.)

München, 15. Juli. Wie die Korresp. Hoffmauu meldet, hat der Prinzregevt au dm Fürsten Bülow au» Anlaß seines Rücktritts ein Handschreiben gerichtet.

Berlin, 15. Juli. Die Stadt Berlin will de» scheidend« Kanzler eine Ehrung bereit«. In welche Form

Rordvollollchmn «ft dem AePPeliuIche» Luftschiff.

(Fortsetzung.)

Der bekannte Franzose Wilsrid de Foavielle hatte schon im Jahre 1891 angeregt, daß man Nordeuskiöld auf feiner Polarexpeditto» eines Ballon mttzebeu solle. Jedoch erst dar englische Schiff Discovery führte ein« Kugelballou «S «oldschlägerhaut in 225 »Sm. Größe «it. Die deutsche Expedition, die unter Leitung von Prof. Drygalski am 11. «ogaft 1902 mit der «auß von Kiel zur Erforschung des Südpol» abfnhr, hatte zwei kleine Fesselballons von 300 Kbm. Inhalt mitgenommen. Zur Füllung der Ballons be- fanden stch au Bord 450 Stahlzylinder «it Wafferstsffaas. dak auf 150 Atmosphäreu verdichtet war. A«29.RS»1903 wurde der Ballon bei einer Kälte von20° 6 gefüllt und vor- und nachmittag» verschiedene Aufstiege unternommen, bei den« al» höchste Höhe 500 m erreicht ward«. Die Temperatur betrug tu Kiffer Höhe13,»', während zu der« selben Zeit unten auf dem Eise12,.' herrschte. Dem­nach war um eine geringe Abnahme -er Temperatur zu konstatier«, eine Tatsache, die vielleicht anch für das jetzige Aojckt zu verwert« ist.

Der Amerikaner Wellmauu hatte mit Unterstützung einer Zeitung bereits im Jahre 1894 eine Polare xpedittou gemachr, bet der er bis zum 80. Grad nördlicher Brette vordraug. I« Jahre 1899 gelang eS ihm, sogar bi» zum 82. Grad vorzodringm. Da er aber erkannte, daß die

Schwierigkeit«, ans einer Land- »der Wasserexpeditio» »och

Wetter nach Nord« za gelang«, immer größer vurdeu, so nahm er den Gedanken wieder ans, den Ballon z« benutz«. Er ließ stch einige Jahre später ein« Leukballau konstrn- irr«, der einen Inhalt von 7800 Kb». besaß und «it Wasserstoffgas gefüllt wurde. ES ist wohl noch frisch in Erinnerung, daß stch kurz nach der Abfahrt der Amerika am Stmer Havarie« eivstklltm. die znr baldigen Strand­ung ans dem Eis» führte». Eine deutsche Expedition hals d« Ballon und das Material Sergen. Dies« unglücklich« AnSgaug.Ber Expedition hatten alle Fachleute vorauSgffehm. weil hi» Expedition mit einem Fahrzeug rechnete, da» noch nicht einmal ans de« Laude «ater bekannte« »erhältniff« Erprobt wm, geschweige denn sich bewährt hatte. Nament­lich der Franzose Chareot. ei« tüchtiger Polarforscher, hatte unter eingehender Begründung die AuSstchtSlostgkeit de» Wellmaunscheu Unternehmens dargrta«. Jedoch vergebens! Charcot hatte übrig«» dm Plan gefaßt, mit dem bekannt« französisch« Luftschiff« «ras« de la »aulx zusammen eine Polarexpeditto« zu organisier« und dabei ein« erprobten Leukballo» z« benutzen. Zur Ausführung dieser Idee ist er aber nicht gekommen. ES ist bekannt, daß Wellmaun tu Aesem Jahre noch einmal de« Versuch machen will, znm Pol zu gelang«. »iS jetzt wmde er allerdings vom Un- glück verfolgt: die Ballouhalle am Bkrgohafen ist durch ein« heftig« Sturm zerstört Word«.

3u einer Beziehung umß mau Wellmauu bei seiner Verteidigung recht gebe». Er behauptete immer, daß mau an die arktisch« Regionen nicht d« europäischen Maßstab

auleg« könne; die WitterungSverhältuiffe sei« ganz mrdere, und zwar gerade eine« Ballounuteruehmm außerordentlich güustig. Daß dies richtig ist, wird durch die folgend« AnSführuugen klar werk«. Prof. Hergesell hat znr Er­forschung der höher« Schicht« der Atmosphäre mit dem Fürst« von Monako Ms dessen Jacht Prinzess« Alice schon zwei Expedition« nach Spitzbergen unternommen und stch dort mit Hilfe von Ballon» und Drachen Ausschluß über Luftdruck, Temperatur, FeuchNAett und Wind verschaP. Die Berliner Gelehrt« Prof. Lerson und Dr. Elia» haben ebenfalls gelegentlich mit eine« fahrplanmäßig« Dampfer des Kapitäns Bade eine Fahrt nach Spitzbergen unternvm- m«, bei der sie serologische Nntersnchuugm, allerdings nur mit Drache«, «»gestellt Hab«. Seit de« Jahre 1907 hat man der Erforschung der Lnst über den Meeren ein erhöhte» Interesse zugewaudt nud systematisch z» derselben Zeit eine Reihe von Expedition« ausgerüstet. E» ist dies der Ini­tiative von Grheimrat Hergffell zu dank« gewesen, der «it der Jacht des Fürst« von Mouaka tm Rittelmeer und t« Atlantisch« Ozean in d« Jahr« vorher viele Ballon- und Dracheuaufstiege auSgfführt hatte. Während er sich i« Jahre 1987 bei Spitzbergen befand, war« wettere Schifft für die serologische Forschung auf d« Gewisser« der nörd­lich« Halbkugel nuferer Erde tätig. Ein deutsches Kriegs­schiff befand sich bei Norweg«, die Expedition Hewald- Htldedraudt bei Island und im nördliches Eismeer, ein französischer Kreuzer bei d« Azoren und andere Schiffe südlich der Azoren, i« Mtttelmeer, im Schwarz« Meer usv. Auch i« vergangen« Jahre ist eine Reihe solcher Sxpe-