Zlro. 71.
64. Jahrgang.
Ämts^unä InteüigenMalt für clen
Erscheint Dienstag,
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 Hp im Bezirk, sonst 12
Donnerstag L Samstag.
Zelle
Dienstag, äen 18. Juni 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 ^ 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 70 H.
Zur Lsier des fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubüäums
lS
findet am
Aonntug, äen 23. Juni 1889,
Vormittags 9 Uhr vom Rathhaus in Calw aus ein gemeinsamer Kirchgang, und Abends V28 Uhr im badischen Hof ein Festbankett statt.
Die Unterzeichneten erlauben sich, die Einwohner der Stadt und des Bezirks Calw zu zahlreicher Betheiligung einzuladen mit dem Ersuchen, den Gebäuden durch Beflaggen einen festlichen Schmuck zu verleihen.
Calw, den 17. Juni 1889.
Oberamtmann Stadtschultheiß
8upper. Karner.
Amtliche Ae^annkmac^ung
betreffend den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Bezirk Leonberg.
Nach einer Mitteilung des K. Obsramts Leonberg vom 14. d. M. ist die Abhaltung des am 24. -s. Mts. in Leouberg verfallenen Viehmarktes verboten worden.
Dies wird den Bezirksangehöcigen hiedurch zur Kenntnis gebracht.
Calw, 17. Juni 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Deutsches Reich.
Berlin. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Der Kaiser trifft am 26. ds. in Sigmaringen ein und tritt am 30. eine dreiwöchentliche Reise nach Norwegen an.
— Das vreußische Staatsministerium, sowie der Reichskanzler Fürst Bis
marck sprachen schriftlich der Kollektivausstellung Augsburger Industrieller ihre Anerkennung aus; besonders wurde anerkannt, daß die Industriebetriebe über dem Ringen nach Erwerb auch die besondere Fürsorge für das Wohl ihrer Arbeiter nicht vergäßen, vielmehr durch erhebliche Opfer bewährte Einrichtungen zur gedeihlichen Gesammtentwicklung der Industrie sich dienstbar gemacht hätten.
Berlin. Der Schah von Persien besuchte am Mittwoch das Aquarium, das Panorama, das Admiralsbad, den Zoologischen Garten und verschiedene andere Sehenswürdigkeiten und begab sich dann zum Essen zu seinem hiesigen Gesandten Mirza Riza Khan. Heute Donnerstag verließ er Berlin, um sich zur Ausstellung nach Cassel zu begeben und von dort reist der Schah zum Besuch der Krupp'schen Etablissements.
Kassel, 13. Juni. Der Schahist mittelst Extrazuges angekommen. Ec besuchte heute mittag 12>/z Uhr die Ausstellung, besonders die historische und Fischerei-Abteilung. Gestern abend fand ein Zavftnstreich von Musik« korps und ein Feuerwerk vor d:u; Puwis statt. 'Nachmittags fuhr der Schah nach Wilhelmshöhe, um die Wasserkunst zu besichtigen.
Aeuilleton.
Der: WcrjorrcrLsevbe.
Roman von L. Dohrmann.
(Fortsetzung.)
„Sonderbar, — die Aehnlichkeit ist unverkennbar, und doch, — je länger ich Sie jetzt betrachte, je unmerklicher wird sie. Nun ich weiß, daß kein verwandtschaftliches Band Sie an ihn knüpft, muß ich selber über das Spiel meiner Einbildung lächeln, die beim ersten Anblick Ihrer Gestalt durchaus das Ebenbild Pahlau's zu sehen glaubte. Er war mir stets ein sehr lieber Freund, und wenn das Schicksal unsere Lebenswege auch well auseinander führte, die Erinnerung an unsere gemeinsam verlebte, fröhliche Jugendzeit steht noch heute frisch in meinem Herzen. Ich würde unendlich erfreut gewesen sein, ihn nach so langer Trennung wiederzusehen, oder doch von ihm zu hören. Freilich, — dreißig Jahre sind eine lange Spanne Zeit und vielleicht ruht der Freund schon längst unter dem kühlen Rasen; wenigstens ist mir sein jetziger Aufenthalt, wie auch seine Familienverhältnisse gänzlich unbekannt, und alle meine Erkundigungen nach ihm waren bisher vergeblich."
Sie waren während des Gesprächs langsam weiter geschritten, und der Offizier blickte mit regem Interesse auf seinen Begleiter. Der Amerikaner gefiel ihm, und der sonderbare Umstand, der ihre Bekanntschaft vermittelt hatte, machte ihm denselben um so interessanter. Als Weidegg schwieg, streckte der Graf ihm mit einer warmen Empfindung die Hand entgegen und sagte herzlich:
„Herr Baron, ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, obschon Sie mir eine Aehnlichkeit mit Jemanden oktroyieren, dessen Namen und Dasein ich auS Ihrem Munde zum ersten Mal erfahren habe. Ich hoffe, der Aufenthalt ihres Freundes wird nicht schwer zu ermitteln sein. Wenn ich Ihnen irgend wie behilflich sein kann, stehe ich Ihnen gern zu Diensten."
Der Amerikaner ergriff erfreut die dargebotene Hand und verneigte sich dankend.
„O, Sie sind sehr gütig, Herr Graf. Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank, wenngleich ich von ihrer Freundlichkeit keinen Gebrauch mehr machen kann, da ich schon auf morgen meine Abreise bestimmt habe. Doch wenn Sie mir heute noch für ein Stündchen ihre Gesellschaft schenken wollten, so würde ich eine liebe Erinnerung mit über den Ozean nehmen."
Der Graf erklärte sich mit Vergnügen bereit. Unter lebhaftem Gespräch lenkten sie ihre Schritte nach einer bekannten Weinstube unter den Linden, wo sie bald in heiterer Unterhaltung neben einander saßen. Sie hatten in einem Separatzimmer Platz genommen, wo sie ungestört plaudern konnten, und Graf Wendhauscn erwies sich als ein so liebenswürdiger Gesellschafter, daß Weidegg ganz entzückt von ihm wurde und lebhaft bedauerte, durch seine nahe bevorstehende Abreise in der Bekanntschaft des Offiziers auf so kurze Dauer beschränkt zu sein.
Im Laufe des Gesvrächs erfuhr der Graf, daß die eine der jungen Damen, in deren Begleitung er den Baron auf der Promenade gesehen hatte, die Tochter desselben sei, die während ihres Aufenthaltes in der Hauptstadt als Gast im Palais des amerikanischen Gesandten weilte, mit dessen Tochter sie innig befreundet war. Weidegg hatte mit der jungen Dame, die seine einzige Tochter war, eine Reise durch Deutschland nach der Schweiz und Italien gemacht, von welcher sie vor einigen Tagen nach Berlin zurückgekehrt waren und nun im Begriff standen, die Heimreise wieder anzutreten. Er sprach eS offen auS, daß der Abschied von Deutschland ihm sehr schwer falle, um so schwerer, weil es nach seiner Vermählung das erste Mal war, daß er den deutschen Boden wieder betreten. Die große Furcht seiner Gemahlin vor einer Seereise hatte auch ihn im Laufe der Jahre stets an einem Besuch seines Vaterlandes verhindert. Nun aber war Mi s. Wendhausen vor einem Jahre gestorben, und somit hatte ihren Gatten Nichts mehr zurückgehalten, seine tiefe Sehnsucht nach der deutschen Heimat zu befriedigen, zumal seine Tochter den Gedanken dieser Reise überS Weltmeer mit jubelnder Freude ausgenommen hatte.
Als Graf Wendhausen sich von Weidegg verabschiedete, sprach der Letztere die Hoffnung auf, daß diese Begegnung nicht die letzte zwischen ihnen sein möge.