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stimmig durch Zuruf gewählt. Die weiteren Wahlen ergaben zum Hauptmann der I. Komp. Carl Staudenmeyer und an Stelle des ebenfalls zurücktretenden Seiler Rapp, Hauptmanns der V. Komp., Bierbrauer Reichert. Auf die Anfrage, wer geneigt sei, der Einladung nach Decken- pfronn und Neubulach Folge zu leisten, meldete sich vorerst Niemand. Bekanntlich treffen gerade auf diesen Tag 400 Mann Einquartierung hier ein.
Wildbad, 2. Juni. Allgemeines Aufsehen erregt hier folgender Vorfall: Ein schon seit vielen Jahren Wildbad besuchenter vornehmer Engländer vertrieb sich gestern mittag die Zeit mit Angelfischen und kam hierbei auch an den zur Papierfabrik gehörigen Fabrikkanal. Obwohl der Fischer nach seiner Fischkarte sich berechtigt ansehen mußte, auch hier zu fischen, erschien der Direktor der Fabrik und untersagte ihm dies. Der Engländer be- harrte auf seinem Rechte und bat den Direktor, mit ihm zur Schlichtung des Streits auf die Polizei zu gehen. Statt dessen rief aber der Direktor 10—14 in der Nähe stehende Fabrikarbeiter herbei und gab diesen den Befehl, den Fremden mit Gewalt zu entfernen, was sie auch so gründlich besorgten, daß derselbe, ein alter Herr mit grauen Haaren, mehreremale Bekanntschaft mit dem Boden machte und Körperverletzungen davontrug. Große Aufregung über diesen unverantwortlichen Gewaltakt herrscht deshalb in der Badestadt, welche von jeher den Ruf genoß, gegen die Fremden die größte Zuvorkommenheit zu bethätigen. Gerichtliche Untersuchung ist bereit angestrengt. W. Lztg.
Fellbach, 3. Juni. Gestern mittag wurde von einem 14jährigen Bürschchen aus W., das sich hier bettelnd Herumtrieb, in einem Laden, der beim Eintreten in denselben niemand zeigte, die Geldkasse geöffnet und entleert. Der junge Dieb konnte noch rechtzeitig erwischt und ans Amtsgericht eingeliefert werden.
Eßlingen, 3. Juni. Heute abend K'/z Uhr fielen die beiden 3- und 4jährigen Knaben des Handschuhfabrikanten Seiz, innere Neckarbrücke, hinter ihrem elterlichen Hause in den Mühl- (sog. Rost-Neckar-) Kanal. Die starke Strömung riß sie mit fort unter dem dort angebauten Hause des Kaufmanns Schenk hindurch. Der ältere von den Knaben wurde von Hrn. Schenk jun. aufgefischt und gerettet, der kleine 3jährige jedoch sank unter und wurde erst nach etwa V» Stunde am Rechen der Haas'schen Oelmühle entdeckt und tot her ausgezogen. Alle Wiederbelebungsversuche waren erfolglos.
Tuttlingen, 2. Juni. Heute abend ging ein schweres, zwei Stunden dauerndes Gewitter mit wolkenbruchartigen Niederschlägen über unsere Markung. Der Blitz zündete im mittleren Thalhofe und im Nu stand ein Wohnhaus mit Scheuer und Stallung in Flammen. Das Gebäude brannte in kurzer Zeit bis auf die Umfassungsmauern nieder und kaum konnte das Vieh gerettet werden. Der Besitzer, Landwirt Geiger, welcher leider nicht versichert ist, wird allgemein bedauert, um so mehr, als in den letzten drei Jahren seine Ernte vollständig vom Hagelschlag vernichtet wurde.
Ulm, 29. Mai. Zur Vervollständigung der neuen Schlachthaus- Anlagen sind von der hiesigen Metzger-Innung in jüngster Zeit eine Kühlst a l l e und eine Fletschhackerei erstellt worden, welche einen Kostenaufwand von rund 100,000 erforderten. Die Kühlhalle umfaßt einen Flächeninhalt von 360 lilMeter, die maschinelle Einrichtung derselben, von der Gesellschaft Lenge in Wiesbaden geliefert, kostete 36,000 Sie wurde heute einer Probe unterworfen und bewährte sich gut. Die Kühlhalle ist in 75 Zellen eingeteilt, letztere in 5 verschiedenen Größenklassen nach der Größe der Geschäftsbetriebe. Die Flerschhackerei hat 3 Rotationsmaschinen nach dem Patent Malsch, ferner sind 2 Fieischschneidemaschinen aus der Fabrik von W. Scheffel in Remscheid vorhanden. Die Kosten der Gesamtanlage belaufen sich auf rund 100,000 Die Fleischhackerei wird in nächster Woche dem Betriebe übergeben, die übrigen Anlagen können erst etwa nach Pfingsten in Betrieb gesetzt werden, da die Zellen noch nicht fertig gestellt sind. — Da die Versetzungsarbeiten an der Pyramide des Hauptturmes des Münsters bis zu einer Höhe von 21 Metern gediehen sind, das Gerüst aber nur bis zu dieser Höhe erstellt war, muß in nächster Woche an die Höhersührung des
Baugerüstes gegangen werden. Letzteres wird in ca. 3 Wochen um 18 Meter erhöht sein. Das Gebälk hiezu lagert, bereits abgebunden, auf dem Kasernenplatz.
Ulm, 2. Juni. Heute nachmittag ist Schuhmacher Rüb von hier mit seinem selbstverfertigten Luftballon vom Hof des Gymnasiums aus aufgefahren. Es sollte ihn ein Jnstcumentenmachergehilfe, welcher bei der Lustschiffer-Abteilung in Berlin gedient hat, begleiten; die Tragfähigkeit des Ballons, der die Form einer Zigarre hat und bei einer Länge von 21,4 m einen Durchmesser von 8 m und einen Umfang von 24,7 m besitzt, erwies sich aber für zwei Mann zu gering, und so unternahm Rüb die Auffahrt allein. Anfang» blieb der Tragkorb an einem Kastanienbaum hängen, dann aber ging die Auffahrt flott von statten, von vielen Zuschauern mit Spannung verfolgt. Der Ballon nahm seine Richtung gegen Westen und ist, einem Telegramm Rübs, aus Schelklingm zufolge, dort glücklich gelandet.
— In Cassel wird vom Juni bis September 1889 eine Ausstellung für Jagd, Fischerei und Sport unter Protektion des Prinzen Heinrich von Preußen stattfinden, welche am 6. Juni eröffnet wird.
Brüssel, 4. Juni. In der verflossenen Nacht fanden neuerlich regierungsfeindliche Kundgebungen statt; 5000 Personen durchzogen die Straßen mit den Rufen: Nieder mit den PsaffenI Nieder mit dem Lockspitzel-Ministerium I Starke Abteilungen von Polizei besetzten die Zugänge zu den Ministerien.
Berlin, 28. Mai. Ein Kampf mit einem Gefangenen spielte sich, nach der „Post", am Montag im Berliner Kriminalgericht ab. Ein Verbrecher, der von der dritten Strafkammer am Landgericht I zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, gerieth ur seiner Untersuchungszelle in Wut und zertrümmerte die Glasscheiben, die in die Thür dieses Raumes eingefügt sind. Dann warf der Rasende unter lautem Gebrüll alle», was nicht niet- und nagelfest war, durch die Oeffnung, so daß die Gegenstände bis in die Bureaus des Untersuchungsrichters flogen. Die Gerichtsdiener waren schwer bedrängt. Einer derselbe erhielt durch einen eisernen Spuck- nopf eine blutende Kopfwunde, und auch Wände und Thüren der nächstgelegenen Zimmer wurden beschädigt. Endlich konnte der Unhold durch da» energische Eingreifen handfester Gerichtsdiener bewältigt werden.
Newyork, 4. Juni. Die Feuersbrunst in Johnstown hält noch immer an. Die Behörden nehmen an, Laß unter den Trümmern etwa 2000 Tote begraben sind. Die Aerzte rieten, den Brand nicht zu löschen, um so die Leichen zu verbrennen und einer Epidemie vorzubeugen. Da aber die Verwandten der Vermißten widersprachen, so wird gearbeitet, um den Brand zu ersticken. Achtzehnhundert Leichen sind in Johnstown bereits aufgefunden und viele davon beerdigt; 2 Personen wurden noch lebend gefunden. Diebe plünderten die schwimmenden Leichen und raubten die den Notleidenden geschickten Lebensmittel. In etwa 20 Fällen wurden Diebe von den Einwohnern sumarisch getötet. Augenblicklich ist die Lage in Johnstown etwas ruhiger. - Die Bewohner Pittsburgs befürchten eine Epidemie, denn sie müssen das Wasser verwenden, worin die Leichen und Trümmer treiben. — JnKernville wurden heute mehr als tausend Leichen aufgesunden.
Au» äem Verfcköaerungsoerein.
Auf dem kleineren Alpenpflanzenhügel in der Mitte des Stadtgarten» steht seit mehreren Jahren eine Alpenrose, von einem Freunde de» Stadtgartens s. Z. direkt von den Alpen hierher geschickt. Die Pflanze scheint sich bei uns und in unserem Boden nicht recht heimisch zu fühlen, denn sie blüht nicht alle Jahre. Das letztem»! hat sie vor 3 Jahren geblüht, wurde aber an einem der beiden Pfingsttage aller ihrer Blüten beraubt und unsere Freude daran war leider eine kurze. In diesem Jahre hat sie nun
dieser ihm alles flüchtig mitgeteilt, denn er hatte es für seine erste und heiligste Pflicht gehalten, Adrienne unverweilt zu ihrem Gatten zurückzubringen.
Als er ging, entfernten sich auch Healp und Dr. Seaport.
„Adrienne!" sagte Sir Ralph leise.
Sie antwortete nicht und ihren Namen wiederholend, zog er sie sanft an sich.
„Adrienne," sagte er voll inniger Zärtlichkeit, „ich habe Dir in meinen Gedanken Unrecht gethan, aber mein Herz ist in seiner Liebe zu Dir niemals wankend geworden, selbst als Alles mich zwang, Dich für falsch zu halten. Wollen wir die Vergangenheit begraben und vergessen sein lassen und ein neues Leben mit einander beginnen?"
Sie schaute zu ihm auf und er sah, daß in ihren Augen Helle Thränen standen.
„Du glaubtest, daß ich so schlecht sein konnte, so undankbar, — ich, die ich Dir Alles verdanke?" rief sie mü erstickter Stimme aus.
Er seufzte tief und schwer auf.
„Ich glaube wohl, daß ich Dein edles, reines Wesen hätte besser kennen sollen, aber es war schwer, angesichts dieser erdrückenden, gegm Dich vorgebrachten Beweise den Glauben zu bewahren. Ich fühlte, daß ich Dein Herz eigentlich nicht besaß, und ich konnte nicht wissen, ob das Band der Ehe stark genug sein würde, Dich zu hatten."
„Aber es besteht noch ein anderes Band, um mich zu hatten," sagte sie leise, während sanfte Röte ihre Wangen überzog und sie ihre schlanken Finger in der ihr eigenen Weise in einander verschlang. „Ich habe Dir bisher Nichts davon gesagt, aber wenn Du es hören wirst, wird es Dir klar sein, wie unlöslich ich mich mit Dir verbunden fühlen muß!"
Und dann teilte sie ihm mit leiser, flüsternder Stimme mit, was ihr Innere» erfüllte. Sir Ralph, den alle vorhergegangenen Aufregungen schon sehr angegriffen hatten, konnte die freudige Aufregung, sein Kind als Erben von Lynwood zu sehen, nicht ertragen und er sank leblo» in seinen Stuhl zurück, — von einem zweiten Schlaganfall getroffen.
Viele Veränderungen hatten in Lynwood-Hall Platz gegriffen, seit jenem Abend, als der Besitzer von dem zweiten Schlaganfall betroffen worden war, von dessen Folgen er sich nie mehr ganz erholt hatte. Er war gelähmt geblieben und mußte in einem Rollwagen umhergefühlt werden, aber sein Geist war dabei vollkommen klar und die unermüdliche Sorgfalt und Hingebung seiner Gattin ließen ihn fast ganz seine gelähmten Glieder vergessen.
Ihre Zärtlichkett und liebevolle Fürsorge kannte keine Grenzen und mü vollständiger Selbstverleugnung widmete sie sich ganz und gar der Aufgabe, ihm das Leben so viel als möglich zu verschönern.
Eines Tages ertönten die Freudenglocken in Lynwood-Hall zu Ehren der Geburt eines Erben von Lynwood und man brachte Sir Ralph seinen neugeborne» Sohn zum Ansehen. Als er das Kind in seine Arme nahm und es küßte, murmelte er:
„Jetzt kann ich ruhig sterben!"
Aber seine Stunde hatte noch nicht geschlagen und sein Knabe zähtte schon acht Monate, es war wieder Herbst geworden, als er sanft in den Armm seiner Gattin hinüberschlummerte und ihr Name war das letzte Wort, das über seine erstarrenden Lippen kam.
Und so war nun Adrienne Herrin von Lynwoodhall, bis ihr Sohn die Großjährigkeit erlangt haben würde und die Herrschaft über sein Erbe selbst antreten konnte. —
Auch mit den anderen Personen unserer Geschichte sind Veränderungen vor- gegangen, um dieselben zu erklären, müssen wir zu dem Zeitpunkt zurückkehren, als Natalie Egerton aus ihrer ungerechten Haft befreit wmde.
Es bot nach dm gemachten Entdeckungen keinerlei Schwierigkeiten mehr, ihre vollständige Unschuld an Farquhar'S Tod nachzuweisen, und sie wmde daher freigelassen, während Joyce Weston wegen Meuchelmordes vor die Geschwornen gestellt und zum Tode verurteilt wurde. In Anbetracht der Behandlung, welche ihr von Setten des Ermordeten zu Teil geworden war, empfahl sie der Gerichtshof der aller- h öchsten Gnade.
(Schluß folgt.)