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westfälischen Kohlenrevier hat sich der Mangel eines zwischen den streitenden Teilen vermittelnden und über dem Jntereffenkampf stehenden Organs besonders fühlbar gemacht. Man wird erwarten dürfen, daß die jüngsten Erfahrungen den Anstoß geben, auch eine weitere Ausbildung jener Institution zu fördern.
— Aus Berlin wird gemeldet, daß bereits mit den Arbeiten für die Ausschmückungen der Plätze und anderen Stellen der Feststraße, welche König Humbert bei seinem Eintreffen in Berlin passieren wird, begonnen worden ist.
München, 17. Mai. Die Ueberführung der Leiche der Königin. Mutter findet am Sonntag, die Beisetzung am Dienstag oder Mittwoch statt. Heute nachmittag reist eine Staatskommission bestehend aus den Ministern v. Lutz, v. Crailsheim und v. Feilitzsch nach Hohenschwangau ab. Die Theater und öffentlichen Vergnügungslokale sind bis nach den Exeguien geschloffen.
München, 17. Mai. Wie man vernimmt, wurde schon vorgestern versucht, Se. Maj. König Otto von dem bevorstehenden Ableben Ihrer Majestät der Königin Mutter zu unterrichten. Se. Majestät verblieben hie- bei völlig teilnahmslos und zeigten, wie allerdings leider vorauszusehen war, kein Verständnis für die traurige Mitteilung.
München, 18. Moi. Ueber die fitzten Stunden der Königin berichten die „N. N.": Vor der Messe sagte Ihre Majestät: „O, ich sterbe noch nicht, habt keine Angst," während sie im Verlaufe derselben mit großer Anstrengung sagte: „Vergebt mir, wie ich Euch vergebe," dabei reichte sie Gras Pappenheim die Hand. Nach kurzer Pause sagte Ihre Majestät mit leiser Stimme: „Gott segne Bayern, Gott segne Preußen!" Dann strömte Blut au» Mund und Nase hervor. Die Umgebung kniete nieder und betete, bis Dr. Brand sagte: „Ihre Majestät ist verschieden!"
— Der Seklionsbefund, dessen Veröffentlichung sich das Ministerium vorbehält, soll die vollständige Zerstörung der inneren Teile ergeben haben, so daß bei Uebernahme der Behandlung durch Dr. Brand Ihre Majestät schon im hoffnungslosen Zustande sich befand. Heute abend halb 7 Uhr wird die Leiche in dem königlichen Leichenwagen nach Füssen überführt und von dort mittels Bahn nach München, wo sie Morgens 1 Uhr eintrifft.
Köln. 17. Mai. Immer neue Zechen nehmen den Kohlenbetrieb im Dortmunder Revier auf. Der Streik ist heute schon als beendet anzusehen, im Gelsenkirchener Revier fuhr die Mehrheit der Belegschaften auf den Zechen Königsgrube, Rheinelbe, Alma, Holland, an.
Tcrges-WerrigksiLerr.
Calw, 20. Mai. Der gestrige Sonntag brachte wieder viele Fremde in unsere Stadt; namentlich eines zahlreichen und oft wiederkehrenden Besuches erfreut sich unsere Gegend von Gesellschaften und Vereinen vom be- nachbarten Pforzheim; so traf gestern eine größere Anzahl Mitglieder der Pforzheimer Feuerwehr hier ein, welche die Strecke bis Unterreichenbach zu Fuß und von dort pr. Bahn hieher zurückgelegt hatten. Nach beendigtem Mittagstisch im „Waldhorn", marschierten dieselben, mit ihrem 20 Mann starken Musikkorps an der Spitze, zum Marktplatz, wo dasselbe einige Stücke zum Besten gab und von hier nach der I. Drei ß'schen Brauerei. Der Zug 8,57 brachte die Gäste wieder zu Hause. — Im „Bad.-Hof" konzertierte die hies. Stadtmusik; bedauerlicherweise mußten die Vorträge der zweifelhaften Witterung wegen im Saal zu Gehör gebracht werden, wodurch der Besuch für die Konzertgeber ein weniger lohnender sein konnte.
Tein ach, 17. Mai. Unser Thal prangt nun in all' dem Reize, welchen die erwachende Natur über den Schwarzwald verschwenderisch auszugießen pflegt. Das Helle Grün jungen Laubes und Grases hebt sich prächtig ab vom ernsten Dunkelgrün des Nadelholzes und vom reinen Himmelsblau, während bas rauschende Flüßchen einen lebendigen Silberstreifen durch bunt- beblümte Matten, um altersgraue Felsen und Ruinen schlingt. Auch der
Mensch hat dem Frühlingseintritte Rechnung getragen, indem unsere gastlichen Räume sowohl für Vergnügungreisende, als für Luftkurgäste, sowohl für Besucher des Mineralbade«, als für solche der Wasserheilanstalt wieder in Stand gesetzt und eröffnet sind. Der neue Besitzer des Badhotels, Hr. A. Bronn, hat diese» und das altehrwürdige „Palais" fast durchaus neu und bequem möbliert, und er wird thatsächlich zeigen, daß die neuerdings verbreiteten Gerüchte über Teuerung dahier auf böswilligen Erfindungen beruhen. Zu den schon anwesenden Kurgästen gesellen sich bei der Gunst des Wetters tagtäglich neue Ankömmlinge, welche sich die Kurmittel unseres Platzes zu Nutzen machen wollen. Schw. M.
Stuttgart. Bei dem diesjährigen Volksfeste wird wieder von dem Württ. Rennverein eine Lotterie veranstaltet. Zur Ausgabe gelangen 70,000 Lose ä 1 Der Hauptgewinn besteht in einem Wagen mit vier Pferden, der zweite in einem Erntewagen mit vier Ochsen.
Fellbach, 15. Mai. Ihre Kgl. Majestät hat in huldvollster Weise ein in Nizza in Diensten gestandenes Mädchen, namens Babette Müller, das wegen Krankheit im dortigen evangel. Asyl untergebracht war und bei einem durch unsere geliebte Landesmutter diesem Spital abgestatteten Besuche den Wunsch nach ihrer württembergischen Heimat kund that, mit dem die Kgl. Herrschaften führenden Kgl. Reisezüge nach Stuttgart verbringen.lassen. Das Mädchen, welches daselbst von ihren hier wohnenden Angehörigen empfangen und hierher verbracht wurde, ist über diese königliche Huld und landesmütterliche Fürsorge voll von ehrfurchtsvollstem Danke.
Werrnischtes.
— Die Unsitte, den Stock wagrecht zu tragen, hat in Berlin ein vierzehnjähriges Mädchen um ein Auge gebracht. Mit ihrer Mutter hat es zum Stadtbahnhof eilen wollen, als es in der Hast gegen einen Spazierstock anlief und sich dessen eisenbeschlagene spitze Zwinge tief in da» Auge einbohrte. Gleich einer Rasenden stürzte sich die Mutter auf den betreffenden Herrn. Sie hätte ihn erwürgt, und die über den Vorfall aufs Aeußerste empörte Menge hätte noch Beifall geklatscht, wenn nicht von einzelnen Besonnenen der Bedrohte so lange in Schutz genommen worden wäre, bi» herbeigeeilte Polizisten ihn in Haft genommen hatten. Da» unglückliche Mädchen, welches vor Schmerz und Schrecken ohnmächtig geworden, von mitleidigen Paffanten in den Flur eines benachbarten Hauses getragen worden war, wurde nach der Universitäts-Augenklinik gebracht.
Der Gedankenleser Bishop. Mr. Washington Irving Bishop, der bekannte Gedankenleser, r^Mde am vorigen Sonntag in Laub'S Klub in Newyork, inmitten eines Versuches, ein Wort zu erraten, welche» sich ein anwesender Herr gedacht hati^-plötzlich von hysterischer Starrsucht befallen. Er wurde unverzüglich zu Bett gebracht, erholte sich aber bald und nahm sein Experiment wieder auf. Um -1 Uhr Morgens erlitt er einen neuen Anfall von Starrsucht; trotz der Anwendung elektrischer Batterien verschlimmerte sich sein Befinden und gegen Mittag gab er seinen Geist auf. Bishop wurde bald nach seinem Tode seciert. Große Aufregung hat jetzt in Newyork die Nachricht hervorgerufen, daß die Frau Bishop's behauptet, ihr Mann sei in scheintotem Zustande seciert worden. Er sei schon früher einmal 48 Stunden scheintot gewesen und die Aerzte hätten ihn thatsächlich getötet, begierig sein Gehirn zu erhalten. Die Autopsie wurde so eilig vorgenommen, daß die Verwandten und Bekannten Bishop's nicht rechtzeitig dessen Tod erfuhren, um die Aerzte warnen zu können. Irving Bishop hatte verfügt, seinen Körper nicht zu secieren und ihn nicht eher zu begraben, bis er in Verwesung überginge, indem er immer von der Furcht gepeinigt wurde, er möchte lebendig begraben oder während eines Anfalls von Starrsucht getötet werden. Die Aerzte rechtfertigen die schnelle Sektion dadurch, daß sie sagen, es sei kein Zweifel über den Tod vorhanden und ein solch' außerordentlich seltsames Gehirn besitze für die Wissenschaft großes Interesse. — Neueren Meldungen zufolge sind die drei Aerzte in Haft genommen worden.
„Und das Kleid, von welchem Sie das abgerissene Stück Stoff fanden, wie hat sie das verborgen?" fragte Hugh Cleveland.
»Wahrscheinlich hat sie es unter einem andern angezogen. Das ist just so «in kecker Streich, dessen Frauen ihres Schlages fähig sind. Da sie aber dennoch sehr wohl die Notwendigkeit einsehen mußte, sich dessen zu entledigen, was gegen sie zeugen konnte, ist es meine Ueberzeugung, daß sie gestern abend, nachdem, mich ausgenommen, Alle zu Bette gegangen waren, einen neuen Aermel in ihr Kleid eingenäht und den zerissenen samt der Pistole dann beseitigt und irgend wo versteckt hat. Es giebt jetzt nur eine Frage, von deren Beantwortung Alles abhängt, die Ueberführung der Schuldigen, die Rettung der schuldlos Verdächtigten, — die eine schwerwiegende Frage: Wo hat sie die Judicien gelassen, die vernichtend gegen sie zeugen? Wie kann sie sich dieser Gegenstände entledigt haben?"
Cleveland zuckte die Achseln; er fühlte sich ganz und gar unfähig, irgend eine Vermutung auezusprechen.
„Wenn wir diese beiden Gegenstände nun finden und ihr Besitzrecht daran Nachweisen könnten, so bin ich überzeugt, daß mit diesen Beweisen jedwede Jury in England sie als die Mörderin erkennen müßte," fuhr Healp fort, „und ich muß gestehen, daß die Kaltblütigkeit und Ueberlegtheit, mit der sie zu Werke gegangen ist, und die Mittel, die sie angewendet hat, um den Verdacht gegen eine Unschuldige zu bestärken, jedwedes Mitleid mit ihr unmöglich machen, obwohl ich persönlich für ihre Klugheit eine gewisse Bewunderung empfinde. Sie hat alle meine bisher mit ihrem Geschlecht gemachten Erfahrungen weit übertroffen, in so fern, als sie nicht einen Augenblick den Kopf verloren hat und alle Möglichkeiten im Vorhinein berechnet zu haben scheint. Ich muß ganz besonders in Betracht ziehen bei dem Bemühen, daS Versteck des Aermels und der Pistole zu ergründen, und in meinen Berechnungen von ihrem Standpunkt ausgehend, bin ich der Ueberzeugung, daß sie irgend einen recht schwer zu ermittelnden Platz, vielleicht einen Teich oder einen tiefen Brunnen als das beste Versteck für diese Gegenstände erachtet haben wird und in der ver
gangenen Nacht, während ich in ihrem Zimmer war, in solcher Weise beseitigt hat. Sie kann nach der Zeit, die sie fortblieb, nicht weit vom Hause weggegangen sein. Vielleicht können Sie mir sagen, ob solch ein Platz, wie der von mir erwähnte, sich in der Nähe hier befindet?"
„Ja!" rief Hugh in aufgeregtem Tone aus. „Hinter den Stallungen befindet sich ein tiefer, alter Ziehbrunnen, dessen Wasser nicht mehr benützt wird, well es unrein ist. Kommen Sie; ich will Sie dorthin führen!"
Und in großer Auflegung schritt der junge Mann dem Detektiv voran nach der Rückseite des Hauses und von dort durch den großen Hof, an welchem sich die Stallungen befanden. Vor einem Ziehbrunnen, der von einem verfallenen Wetterhäuschen umgeben war, blieb er stehen.
„Jedenfalls müssen wir den Brunnen durchsuchen lassen und sehen, ob wir Nichts finden können," sagte der Detektiv, und Hugh begab sich unverzüglich ins Haus, um Leute für diese Arbeit herbeizuholen, nachden er sich überzeugt hatte, daß Warren in ihrem Zimmer sei und daher keine Ahnung von Dem haben könne, was draußen vorging.
Das Brunnenhäuschen war bald abgedeckt und ein Mann wurde mit Haken und Stangen in einem Korb Hinabgelasien, während Hugh und der Detektiv zur Seite standen und mit ängstlicher Spannung dem Ergebnis des Suchens zusahen.
Die ganze Scene hatte etwas Eigentümliches. Es war dunkel geworden und man hatte Laternen gebracht und rings um den Brunnenrand aufgestellt.
Eine kurze Weile herrschte atemlose Stille; dann rief der Mann aus der Tiefe hinauf, daß er etwas gefunden habe, und der Korb, in welchem er stand, wurde in die Höhe gezogen. Oben angelangt, händigte er Healp ein kleines, etwa vier Zoll langes Päckchen ein, welches der Detektiv ins Haus trug. Hugh folgte ihm dahin und beobachtete ihn voll ängstlicher Spannung, als er die Schnur, die ein schwarzes Stück Stoff umwunden hielt, löste.
(Fortsetzung folgt.)