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Mit dem Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
U 274 Samstag dm 21. Hlovemöer 1908
AmEcheS.
Bekanntmschu«g
Es wird h'emit zur allqeme'veu K nntnis gebracht, daß die ordentliche Bezirksversa«»!»«- der Norddeutsche» Hagklvrrficherrnrzs-tSesellschaft a« Dirn-tag, de« 1. Dezember d. Js. vor»i«1azs 11 Uhr in Nottenbnrg a. N. im Hotel Bären tzattfiadet.
Die Interessenten, insbesondere die VerstcherungSagenten find biezu etr g laden.
Nagold, den 20. Novbr. 1908.
K. OSeramt. Ritter.
Totenfest-Gedanken.
Man Hst den Gedenktag, der unseren liebe« Dahin- geschiedenen geweiht ist, kaum stimmungsvoller wählen können, als geschehen ist. Selbst des Herbstes letzte Blume ist nun verblaßt und die Zeit ist da, welche nachdenkliche Leute „das große Sterben der Natur- genannt haben. Fast müde hat auch das Kirchenjahr den Lauf beendet; der Lebende hatte Recht mit dem Hoch- und Tiefstand seiner Seele, mit seinen Hoffnungen und Zweifeln, seinem Glauben und Zagen, seinem Vollbringen und Ringen; nun, da die Glocken zum letzten Souutagspulse ausholen. soll auch der Tote sein Recht behalten und die große Völkerwanderung zu den Gräbern derer, die iu Frieden ruhen, nimmt ihren Laus. Welch tiefer Ernst breitet sich über- diesem Feiertage aus, welch tränenfeuchte Wehmut weckt er in Tausenden und Abertausende«! Und doch, wem allzuheißer Schmerz den Blick nicht ganz umflorte, der spürt auch au diesem späten Novembertage, draußen auf dem därmsemden Friedhof stehend, schon neues Leben und neues Licht. Stad das nicht junge Kaospen bereits, die heimlich an Bau« und Strauch, noch sorglich eingehüllt, sich SeMerr? Vorboten eines kommende», Duft und Blüten tragenden Lenzes? Und wie er besinnlich ob dem Geschauten dev Blick zum Ftrmamrnte hebt, blickt da nicht aus erblassendem Epätrot eia Helles Gestirn, schier wie der Stern von Betlehem, und liest er aus seinem milden Schimmer nicht schon den Groß: „Advent, Advent! Nun hebt avch bald ein Neues an!- Freilich, wie daun sein Auge abermals über stille Grabrshügel schweift, da mag auch er das Wort eines Großen noch einmal au sich erleben, der, als er sein Magdalevcheu begraben, schrieb: „Fleisch und Bmt fieischert und blutet, tut, wir seine Art istl- Aber jener Große konnte auch bald danach schon schreiben: Nun aber bin ich fröhlich, daß ste bei ihrem Vater lebt im süßeste» Schlaf bis auf den Tag, der kommen wird.- In diesen wenigen Worten: welch eine Fülle von Trost, von Lebensmut und Hoffnung, weit über des Daseins Kämpfe und Bitternisse hinaus! Woher die Kraft bei jenem Mann i« Angesicht des LodeS. der ihm das Li bste nahm? Nun, er hätte sein Lebeulaug sich an die Hard von Einem nehme« lassen, der noch stärker war als der Tod, von dem Einzigen auf Erden, der eS wagen durste zu sagen: Ich bin die Auferstehung uud das Leben! Wer au mich glaubet, der wird lebe« ob er gleich stürbe! Uud zu diesem Allergrößten deu je die Menschheit g-schaut, darf jeder alle Stauden, so erst recht in deu TrübuiSstnudea des Totenfestes, die Hand erheben, von ihm ste ergreifen lassen uud aus seinem Munde die große Lrbenspredigt hören, die rin Paulus in die Worte faßte: „Der Tod ist verschlungen in deu Sieg. Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg? Daß viele, recht viele auch am heutigen Totenfest, von diesem LebeuShauch berührt, sprechen lernen möchten: „Nun aber bin ich fröhlich!-
Deutscher Reichstag.
Berll«, 19. Nov.
Die NeichSfinavzreform.
Am BuudeSratStisch Reichskanzler Fürst Bülow, die Staatssekretäre v. Bethmann-Hollweg, Sydow, Minister v. Rheiubabeu, Staatssekretär Deruburg.
Fürst Bülow: Wir stehen vor einem schwierigen P o- blem. Wird es gelinge«, daS Reich ans eine dauervdr finanzielle Grnudlage zu stellen oder wird eS eia lästiger Kostgänger der Einzrlstaateu bleiben muff« zur Sorge der Patrioten und zur Schadenfreude des AuSlaudes? Die Gründung der Reiches war nicht der Bau eines fertigen Hauses. Die staatlichen Orgauisattouuen find dar Werk von Jahrhuuderten. Die Gründung des Reiches war die Gruudsteiuleguug. Au dem HauS bauen wir heute noch.
Deshalb wareu die militärischen uud auswärtigen Auge- legenhetteu zunächst das Wichtigste. Im I irrem gilt eS, den von Bismarck begonnenen Bau auszsführeu. DaS Trcgrgerüst für die Wirtschaftspolitik war anfzuführev. Die Soziaipolitik mußte begonnen werden. Rascher und gründlicher als alle anderen Staaten schufen wir ste. Ebenso wußte ein einheitliches deutsches Reich geschaffen werbe». Daun zwang nuS unser Aufschwung, mit der rein kontinentalen Politik zu brechen und Welt Politik zu treiben. Deshalb bedurfte daS neue Reich einer Flotte. So folgten sich die größten Aufgabe» iu schnellster Reihe. Niemand kann «nS den Borwurf machen, daß wir die Sprache der Zeit nicht verstanden haben. Das HauS des Reiches ist bewohnbar geblieben für ein u« d-rs Doppelte zahlreicheres Volk. So kam es, daß die Ftnauzfrageu als Fragen zweiter Ordnung behandelt wurden. Erst die Kriegsentschädigung, dann der ungeheure Aufschwung begründeten diese Sorglosigkeit. Man konnte die Bedürfnisse der Zukunft nicht überblicken und so war ein Dauerndes zu schaffen nicht möglich. Ans andere Schultern wälzte man die Ftnauzfreze ab. Diese Schulter» find unsere Schultern. Emporkömmlinge find nie beliebt. Auch daS Deutsche Reich war es nicht. Dennoch sehe ich keine naheliegende Gefahr. Wir brauchen Kaltblütigkeit, Stetigkeit und Ruhe nach außen und nach innen. (Sehr richtig.) Eine wirklich große Gefahr liegt nur tu unserer Finanzlage. Es handelt sich diesmal nicht wie früher um ein paar neue Steuern. Wir müssen ganze Arbeit machen. Wir hatten 1878 139 Millionen, 1887 884 Millionen, 1908 4 Milli- ardm Schuld m. Urber 2 Milliarden stehen für daS nächste Jahrfünft iu Aussicht. In England uud Frankreich haben die Staatsschulden inzwischen abgeuommeu. So kommt es, daß selbst die italienische uud die spanische Staatsanleihe besser notiert find, als unsere. Zufolge dieses Sinkens der Kurse hat das deutsche Kapital sehr beklagenswerte Verluste erlitten. Die Darlegungen i« einzelnen werde ich dem Herrn Staatssekretär überlassen. Nur soviel will ich im allgemeine« sagen, daß das Deutsche Reich stark genug ist, die Lasten zu tragen; daran zweifelt im Ausland kein Mensch. An Zigarren, Bier, Branntwein zahlen wir ganz unvergleichlich weniger als unsere Nachbarn. Die jährliche Zunahme des Nationalvermögens beträgt in Deutschland vier Milliarden Mark, die Gesamtsumme der Einlagen in den Sparkassen beträgt jährlich mehr als 14 Milliarden. Ein solches Land ist nicht arm. Aber einen moralischen Bankerott erleiden wir, wenn wir nicht mit unserer Fiuanzmisere ein Ende machen. Wir haben im Wettbewerb des Fortschritts über unsere Verhältnisse gelebt. Die Summen der aufgeuommeueu Anleihen bedeuten eine Gefahr für den Geldmarkt. Nicht nur neue Steuern, auch Sparsamkeit, Sparsamkeit auch für die Bundesstaaten und die Kommunen ist notwendig. Wir wüfsm im allgemeinen zurück vom LvxnS. Ich nehme niemand auS; daS ist der Fehler der Urbergangszeii. ES kann viel mehr gespart werden. Reichtum ist ei» Mittel zur Macht. Ec ist bedeutungsvoll auch für die Gruppierung der Völker. Frankreich verdankt seinen Reichtum seiner bewunderungswürdigen Sparkraft, Frankreich ist der Bankier der Welt geworden durch ste. Meine Mahnung richtet sich vor all m an die mittleren und höheren Stäube. Wohlleben und Luxus find grsellschastl cher Zwang geworden. Solche Sozialmoral oder vielmehr Uumoral ist des deutschen Volkes unwürdig. Nicht nur Sparsamkeit, Einschränkung im Budget uud Schuldentilgung ist notwendig: Ein neuer Geist muß auch in unsere Ftnauztechnik eiuzieheu. Wir gefährden unsere Sicherheit, ja unseren Frieden, wenn wir uns über die neuen Steuern nicht einigen. Die finanzielle Bereitschaft ist ebenso wichtig wie die militärische. DaS Reich ist ein Hausbau geworden. Jetzt heißt eS Schulden tilgen und Hypotheken abtraaeu. Die Regierung ist überzeugt, daß die Vertreter deS Volkes diese Aufgaben lösen werden, wie eS des deutschen Volkes würdig ist. (Lebhafter, anhaltender Beifall rechts. Zischen links.)
Staatssekretär Sydow: Die Fiuanzrefor« hat drei Zieler Schuldentilgung und Einschränkung der Anleihe», wirtschaftlicher Ausgleich zwischen Einnahmen and Ausgaben deS Reiches und Heistrllurg einer gesunden Verhältnisses zwischen Reich uud Etnzelstaatm. Die zweite Aufgabe der Fiaavzreform fordert Sparsamkett, aber dabei ist auch die Rtth-lfe des Reichstages erforderlich. Der Schatzsekretär zählt die tu der Hauptsache bekannte« einzelnen Ziffern tu Einnahmen and Ausgaben auf, aus bene» sich der Fehlbetrag deS nächsten Jahrfünft znsammeufttzl. Nach deu neuesten Berechnungen stellt er sich auf 282 Millionen im Jahre 1909 bis 457 Millionen i« Jahre 1913. Nach der Meinung der verbündeten Regierungen verlangt eS die auSgleicheude Gerechtigkeit, daß zum Ausgleich der neuen
Steuern auf den Verbrauch auch der Besitz diesmal getroffm werden müsse. Auf eine weitere Bstrneruug des Massenverbrauchs kann jedoch nicht verzichtet werden. Aas die einzelnen Steuer-Vorlagen eingehend, wendet sich der Schatz- sekretär zunächst zur Branntweinsteuer. DaS Zwischenhandels- Monopol sei deu Regierungen als daS zweckmäßigste erschienen. Für ein Tabak-Monopol sei die Z it vorüber, die Abstaduugeu würdenzuumfanzreich werden. Dahersei dieBerbrauchSabgaöe in Form der Bauderoleusteuer gewählt worden. Beim Bier ist die Staffelung gewählt, um eine Abwälzung der Steuer auf die Konsumenten zu verhindern. Eine Brausteuer, die einen Mehrertrag von 100 Millionen bringe, solle nicht die Abwälzung ermöglichen. Die Beschränkung der Weiufteuer auf deu Flaschenwein bedeute eine Schonung der kleinen Händler. — Elektrizität-- und SsSsteuer werde am «eisten angegriffen. Die Elektrizitäts-Industrie entwickele sich außerordentlich stark. Reich vud Eiozelstaaten haben für diese Eatw'ck luug auch so viel getan, daß ste zu einer Gewinnbeteiligung berechtigt find. Wir waren bemüht, die Steuer so gering zn bemcsseu, daß die Anwendung der Elektrizität nicht gehemmt werden kann. Für ein Monopol ist diese Industrie «och zu jung. Die Besorgnisse auS Süddeutschland find unberechtigt, denn die MS Kohle gewonnene Elektrizität wird viel stärker getroffen, als die ans Wasser. WaS für die Elektrizität gilt, gttt avch für daS Gas. — DaS Bedenken, daß Inserate sich verstecken könnte» i» redaktionellen Teile kann nicht durchschlagen. Dagegen würde die Verwaltung wohl Maßnahmen treffen können. — Eine Vermögenssteuer, wie man ste gefordert hat, würde iu deu ver- sch ebene« Etnzelstaaten zu verschieden wirken. ES bleibt also, am deu Besitz heranznzieheu, nur die Besteuerung der Nachlässe Md ferner die Reform des Erbrechtes. Der Entwurf ist der hierauf bezüglichen Bewegung gefolgt, aber bemüht geblieben, stch in mäßigen Grenzen zu halten. Den besonderen Einwänden der Landwirtschaft trägt der Entwurf durch besondere Erleichterungen Rechnung. Znm Schluß erörtert der Redner noch die vorgeschlageve Art der Klärung der Fiuaozbeziehungeu zwischen Reich und Einzel- staaten. NameuS der Einjelstaateu habe er zu erklären, daß für ste die Zahlung erhöhter Beiträge iu engstem Zusammenhänge stehe mit der fünfjährigen Festlegung. R. H.l Nichts ist dem Menschen so zuwider, wie neue Steuern. (Sehr richtig!) Aber bei aller Kritik an diesem Entwurf müssen Sie doch sagen: Woher soll das nötige Geld kommen, wenn Ste diese Steuern ablehnen.
Hierauf erfolgt Vertagung. Morgen 1 Uhr Fortsetzung. Interpellation betr. das Grubenunglück.
Bülow i« Url««b?
Berlin, 20. Nov. Wie eine hiesige Korrespondenz wissen will, leidet Fürst Bülow infolge drr Aufregungen der letzten Wochen an einer nervösen Depression, die stch iu Schlaflosigkeit uud Appetitlosigkeit äußert. In der Umgebung des Fürsten neige mau zu der Anschauung, daß Fürst Bülow i» Dezember vom Kaiser einen kurzen Urlaub erbitten werde. (Mpß.)
Gages-Neuigkeiten.
Aus Stadt uud Land.
«a-old di« 21. November 1S0S.
Bortras i« Bereiushaus. Wie die Anzeige i» heutige« Blatt mttteitt, wird Direktor Hermann Faulhaber, unser schwäbischer Landsmann, am Dienstag abend im VereiuShauS einen Bortrag über „die Kolonie Neuwürttemberg iu Brasilien- halten. Der Bortrag geht vom Evaugel. Arbeiter-Verein auS; ist aber für jedermann hier bestimmt. Dm U-berschuß von dem gewiß kleinen Eintrittspreis von 30 -z, der nach Deckung der Unkosten übrig bleibt, will der Herr Redner zu einem Teil dem Arbeiter-Beretu Md zum andern Teil der zu errichtenden Kleiukinderschule iu Emmingen zokommen lassen. Herr Pfarrer Sigwart hat die Güte, setneu Ltchtbilderavparat zur Verfügung zu stellen Md die von dem Herrn Redner mitgebrachten Ltchtbi.der aus de« Leben der Kolonie, ihrer Schule, ihrer Kirche, MS dem Urwald usw. vorzuführeu. Drr Vortrag, der lauter eigene Erlebviffe auS der wichtigen Kulturarbeit unsrer Deutschen uud darunter einer ziemlichen Anzahl württembergischer Landsleute bringt, darf stch wohl eines regen Besuchs erfreuen. Der Redner hat einen ähnlichen Bortrag kürzlich in Stuttgart im „Verein für daS Deutschtum im Ausland- (früher „Deutschen Echulvereiu-) unter allgemeiner Beteiligung, auch von fetten unseres Königs und der Regierung gehalten. Jedermann ist freundlich etugeladeu.