64. Jahrgang.
Yro. 48.
Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Kezir^.
Erscheint Nienslag, Nannerstag L Samstag.
Die EtnrückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Hamstag, äen 20. April 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Arnltichs Bekanntmachungen.
An die Ortsvorsteher.
Nachdem die Maul- und Klauenseuche in den Nachbarbezirken Nagold, Leonberg und Pforzheim ausgebrochen ist, steht sich das Oberamt veranlaßt, die Ortsvorsteher auf die Vorschriften der Ministerialversügung und des Ministerialerlasses je vom 26. Januar d. Js. betreffend Maßregeln zur Bekämpfung der Maul, und Klauenseuche (Minist.-AmtSbl. S. 33 und 37) zur genauen Beachtung wiederholt hinzuweisen.
Insbesondere sind die Polizeioffizianten anzuweisen, auf die Führer von Viehtransporten ein wachsames Auge zu haben und jeden Viehtransport, dessen Führer nicht in der Lage ist, das vorgeschriebene Gesundheitszeugniß, beziehungsweise die ortspolizeiliche Bescheinigung vorzuweisen, bei eigener Verantwortung anzuhalten. Der Weitertransport ist bis zur Beibringung eines tierärztlichen Zeugnisses zu verbieten, und hat die Eröffnung dieses Verbots protokollarisch unter Strafandrohung zu erfolgen.
Calw, den 18. April 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Deutsches Reich.
— Wie aus Berlin berichtet wird, beabsichtigt die Aomiralität mittels freiwilliger Gaben die Mittel behufs Errichtung eines Denkmals zu Apia zum Andenken der dort verunglückten Offiziere und Mannschaften vom „Eber" und „Adler" aufzubringen. In einem Schreiben der Aomiralität wird eine Sammlung in Marineoffizierskreisen angeregt.
— Die Entscheidung der Reichskommisston in Sachen der Volkszeitung (Berlin) spricht u. A. auch von der Verbindung, welche der Redakteur Franz Mehring (der Hauptleitartikelschreiber des Blattes) zu den Führern der Sozialdemokratie, Bebel, Liebknecht, Singer rc., unterhielt. „Hr. Mehring", so bemerkt aus diesem Anlaß die N. Zürch. Z., „würde wohl daran thun, nähere Aufklärung über diesen Punkt zu geben." Denn wenn man sich in's Gedächtnis zurückruft, wie Mehring früher gegen Liebknecht („den Mann mit den verächtlichsten und giftigsten Waffen") und gegen Bebel („dessen Ge- schichte der Bauernkriege ebenso albern wie anmaßend ist") donnerte, dann wäre seine jetzt von der Reichskommission behauptete Kameradschaft mit Beiden doch einigermaßen ergözlich. Auch der Schlußsatz in Mehrings früher erschienenem Werke über die Sozialdemokratie dürfte überwunden sein, wenn die lockende Stimme des Versuchers, wo immer sie auf deutschem Boden sich er-
hebt, erstickt wird von dem brausenden, jubelnden Rufe: hie Deutschland alle Wege!" stimmt nicht recht zu der heute gegen ihn erhobenen Anklage, ein Bannerträger der Sozialdemokratie zu sein. Es sei denn, der heutige Leitartikelschreiber der Volksztg. hätte ganz merkwürdige innere Wandelungen erlebt, was allerdings von manchen Leuten schon seit längerer Zeit behauptet wird. So lange die Volksztg. unterdrückt war. schickte es sich nicht, darüber zu reden; heute darf diese nicht minder interessante Seite der ganzen Angelegenheit gestreift werden."
— Der zu Zwecken der Wißmannschen Expedition angekaufte Dampfer „Vesu v" trat am 17. die Reise von Hamburg nach Sansibar an. Derselbe läuft den Hafen von Plymouth an, um dort Kohlen einzunehmen, trifft dann in Aden mit den übrigen Dampfern der Expedition zusammen und setzt mit diesen die Reise fort.
Ausland.
Zürich, 16. April. Die von den Zürcher'schen Behörden gepflogene Untersuchung in der russischen Bombengeschichte ist seit einigen Tagen beendet. Die Untersuchung hat festgestellt (und das hat zu Verhaftungen über dis Zahl der.Sprengbombenleute hinaus Veranlassung gegeben), daß in großartigster Weise die Anfertigung und der Verschleiß sozialrevolutionärer Druckschriften nach Rußland betrieben wurde. Die Kisten mit den Drucksachen nahmen den Weg nach Alexanvrien und Egypten und gingen von dort aus zu Schiffe durchs Schwarze Meer nach Odessa und so ins Innere Rußlands. Es befinden sich gegenwärtig noch über ein Duzend Russen im Verhaft. Die Angelegenheit wird kaum mit einer strafrechtlichen Anklage, sondern lediglich mit einer Ausweisung der Betreffenden aus der Schweiz ihren Abschluß finden. Bei dem Schriftenverschleiß handelte es sich hauptsächlich um Bücher und Brochüren in russischer Sprache, die man in den Buchhandlungen Genfs, Berns und Zürichs ausgestellt findet und deren Zweck den Agenten kaum entgehen konnte, von denen man sagt, daß sie überall und so auch in der Schweiz existieren, um die russische Jugend und ihr Treiben zu überwachen. Entweder existieren solche Agenten jetzt nicht mehr oder, was wohl wahrscheinlicher sein dürfte, sie existieren und haben das Geld aus Petersburg eingestrichen, haben aber dafür nichts gethan. Sonst hätte die Sache kaum so lange ungestört betrieben werden können. Der verstorbene Brinstein hatte die Leitung des Schriftenvertriebes.
Zürich, 16. April. Auf der Gotthardbahn sind oberhalb Gurtnellen im Pfaffensprungtunnel bei den beiden Zügen, welche die Bataillone Nr. 67 und 69 ins Tessin zu bringen hatten, Unregelmäßigkeiten vorgekommen, welch; das schweizerische Eisenbahndepartement zu genauer Unter
AeuMetsn. -«»«im.
Verschlungene Jaden.
Roman aus dem Englischen von Hermine Franken st ein.
(Fortsetzung.)
Wen aber konnte sie bitten, diese Aufgabe zu übernehmen, jetzt, da ihr Bruder auf so rätselhafte Art verschwunden war?"
Nur ein Name drängte sich ihr als Antwort auf diese Frage, der Name Hugh Cleveland.
Natalie schlug sich beide Hände vor das Gesicht, übermannt von dem Gedanken, daß er erfahren sollte, wessen man sie verdächtigte.
Sollte sie zu ihm schicken und ihn bitten, ihr beizustehen? Sie, die ihm eine Kränkung zugefügt hatte, für die es kein Verzeihen gab? Sie, die ihm ihr Wort gebrochen und fast sein Leben vernichtet hatte?
Sie zögerte, denn sie erinnerte sich jeder einzelnen Andeutung, welche Jsabella gegen sie gemacht hatte. Wenn es wahr war, daß er seine Neigung auf Jene übertragen hatte, so war es ausgeschlossen, daß er Derjenigen zu Hilfe eilen würde, die angeklagt war, den Bruder seiner künftigen Gattin ermordet zu haben.
Nein, sie konnte ihn nicht bitten, ihr beizustehen, was immer auch geschehen mochte. Eine schrankenlose Verzweiflung erfaßte sie aufs Neue.
Aber trotz alledem konnte sie den Gedanken an den Mann, den sie so heiß liebte, nicht von sich drängen und schluchzend sank sie auf die Knie.
„O, Hugh, Hugh," stöhnte sie, verzweifelt die Hände ringend, „warum bist Du nicht da, um mir beizustehen!"
37. Kapitel.
Hugh Cleveland fühlte die Abwesenheit Jsabella Farquhar's von London gar sehr, denn da er mehr an ihre Gesellschaft gewöhnt war, als er es sich selbst gestehen wollte, war durch ihre Abreise eine bedeutende Lücke in seinem Leben ent
standen. Nicht, daß er Natalie vergessen hätte, oder sie weniger als früher liebte aber es war Jsabella gelungen, eine gewisse Herrschaft über ihn zu erlangen, wenn' auch alle ihre Bemühungen, sein Herz zu erobern, vergeblich geblieben waren.
So war sein Leben jetzt, da er seine Abende nicht inehr in Vere Gardens zubrachte, viel einsamer und versank in denselben Zustand von Apathie und Trübsinn, in welchem er sich vor dem Beginn seiner Bekanntschaft mit Jsabella befunden hatte.
An dem Abend, an welchem Farquhar so plötzlich seinen Tod fand, weilten Hugh's Gedanken selbstverständlich bei Natalie und ihrer bevorstehenden Hochzeit, die, wie er wußte am nächsten Tage stattsinden sollte; als er nach langem Ringen dann endlich einschlief, träumte er nur von ihr, die er trotz ihrer vermeinten Treulosigkeit noch immer heiß liebte.
Gegen Morgen hatte er einen Traum, der so lebhaft war, wie er nie zuvor einen gehabt zu haben sich erinnern konnte. Er glaubte, Natalie zu sehen, wie sie in weißem, bräutlichem Gewände, das jedoch mit wie Blut aussehenden Flecken betupft war, vor dem Altar stand. Ihr Gesicht war leichenblaß, ihre Augen lagen tief in den Höhlungen und als sie ihn erblickte, streckte sie flehendlich die Hände gegen ihn aus und er glaubte zu hören, wie sie ihn laut um Hilfe anrief. In demselben Augenblick erwachte er und so lebhaft war der Traum gewesen, daß es einige Minuten währte, ehe er recht zur Besinnung kam, daß es nur ein Phantasiegebilde gewesen war.
Aber trotz all seiner Bemühungen, die Wirkung des seltsamen Traumes zu verscheuchen, wollte ihm dies doch nicht gelingen. Es hatte sich ihm die unwillkürliche Ueberzeugung aufgedrängt, daß Natalie irgend wie in Gefahr sei und seiner Hilf bedürfe, und er vermochte diesen Eindruck nicht abzuschütteln. So kam es, daß sich seiner plötzlich eine fast wahnsinnige Idee bemächtigte.
„Ich muß hin zu ihr!" rief er laut. Ich werde nach Kings-Dene fahren und Zeuge ihrer Trauung sein!"
Zitternd vor Aufregung über seinen eigenen Gedanken, nahm er einen Fahrplan zur Hand und überzeugte sich, oaß er noch rechtzeitig in Kings-Dene eintreffsn konnte.