Yro. 41.
64. Jahrgang
uml Intekkigenzbkatt für äen ^iezirü.
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Donnerstag, äen 4. Kprik 1889.
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Deutsches Reich.
Berlin, 1. April. Als einer der ersten Gratulanten beim Fürsten Bismarck erschien heute Vormittag der Kaiser zusammen mit dem Grafen Waldersee. Der Kaiser brachte dem Reichskanzler als Geburtstagsgeschenk einen großen schwarzen Hund als Ersatz für den toten Tiras mit.
—.Die namentliche Verlustliste der bei Samoa verunglückten Schiffe „Adler" und „Eber" ist in Berlin ausgegeben. Nach Privatdepeschen befinden sich keine Süddeutsche darunter.
— Das Offizierkorps der englischen Canalgeschwaders hat an das Offierkorps der deutschen Marine ein Telegramm gerichtet, in welchem dasselbe seine lebhafte Teilnahme an dem Unglück vor Samoa ausspricht. Die deutsche Admiralität hat auf telegraphischem Wege gedankt.
— Ueber „das Unglück vor Samoa und die deutsche Kolonialpolitik" betitelt sich ein Aufsatz im Frankfurter Journal: „Die Trauerbotschaft aus Samoa bestätigt sich leider beinahe in ihrem ganzen Umfange; es bleibt nur noch die Hoffnung, daß die „Olga" gerettet wird. Leider ist das Unglück, welches unsere Marine betroffen hat, nicht vor einer politischen Ausbeutung bewahrt geblieben; ein Teil der deutsch-freisinnigen Presse schlägt aus demselben für ihre Zwecke Kapital. Trauernd stehen auch wir an dem Wellengrab so zahlreicher deutscher Brüder, die im Kampfe gegen die wütenden Elemente, pflichtgetreu bis zum Tode, unterlegen sind. Allein aus diesem Unglück als Konsequenz die Forderung ziehen, wie es geschieht, die ganze Kolonialpolilik aufzugeben, und diejenigen, welche dieserhalb inaugurierten, verurteilen und für das^ Unglück verantwortlich machen, das heißt denn doch das Kind mit dem Bade ausschütlen. Unsere Kolonialpolitik ist unter Zustimmung aller maßgebenden Faktoren beschlossen worden und steht jetzt fest als politisches Axiom. Ihre Durchführung ist aber ein wesentlicher Teil der Aufgabe unserer Flotte, und wenn letztere dabei ohne ihr Verschulden schmerzliche Verluste erlitten hat, so liegt doch entfernt kein Grund vor, diese Kolonialpolitik aufzugeben; kein vernünftiger Mensch hat erwartet, daß eins so schwierige Aufgabe ohne Opfer gelöst werden kann, das beweist schon die kolonialpolitische Geschichte anderer Länder, und es würde der Machtstellung und dem Ansehen Deutschlands nicht entsprechen, wenn man sich jetzt plötzlich zurückziehen wollte. Die Reichsregierung kann an einen solchen Schritt überhaupt gar nicht denken, wir vertrauen vielmehr auf ihre Klugheit und Mäßigung und werden uns nicht abhalten lassen, unserer Kolonialpolitik nach wie vor unsere vollste Sympathie entgegenzubringen. In diesem Sinne erfüllt uns auch die Nachricht, daß ohne
Verzug Ersatz für die verlorenen deutschen Kriegsschiffe nach Samoa gehen wird, mit Genugthuung."
Ausland.
Paris, 1. April. Unter den neu ernannten Generalen sind mehrere, deren Lebenslauf die Erwähnung trägt: „hat sich 1870 der Wachsamkeit der Feinde entzogen," „hat die Ueberwachung der Preußen getäuscht," „ist aus Metz entkommen" u. dergl. Sehr rühmlich in den Augen der Franzosen, weniger ehrenvoll, wenn man bedenkt, daß damit meist ein Ehrenwort verloren war. — Die Anklageakte im Prozeß gegen Döroulöde, Laguerre u. Gen. ist bereits veröffentlicht worden, trotzdem dies ungesetzlich ist. Ueberall, in allen Bureaux, herrscht Verrat, es kann n chts mehr geheim gehalten werden. Jedermann fühlt, daß es so nicht weiter gehen kann. Man glaubt, daß sich etwas Entscheidendes vorbereitet. Floqaet, der seine leidende Gattin an die Riviera begleiten wollte, erklärte, er halte es für unmöglich, in diesem Augenblick Paris zu verlassen. „Figaro" warnt die Republikaner, sie mögen zu keinen gewaltthätigen Maßregeln greifen, keine Gerichtshöfe sä boo, keine Extrakommissionen bilden, denn es sei schon vorgekommen, daß einer an dem Galgen gehenkt worden sei, den er für seinen Gegner aufgerichtet habe. Und wenn man auch Boulanger beseitige, den Boulangismus schaffe man nicht aus der Welt, er nähre sich täglich an der schrecklichen Unzufriedenheit über die wachsenden Steuern, die stets abnehmenden Einnahmen aus Handel und Industrie, über die häufig auf einander folgenden skandalösen Finanzkrache.
— Admiral Kimberley, der Befehlshaber des amerikanischen Ge« sHjvaders, hat folgende Depesche an die Admiralität der Ver. Staaten gesandt: „Alle Schiffe im Hafen sind gestrandet, mit Ausnahme des engl. Kriegsschiffs Kalliope, das in See ging. Trenton und Vandalia sind vollständig verloren; Nipsic ist ausgelaufen und hat das Steuer verloren, es ist die Möglichkeit, jedoch wenig Wahrscheinlichkeit vorhanden, das Schiff zu retten. Wenn möglich, sende ich es nach Auckland. Vandalia verlor 4 Offiziere und 39 Mann, Nipsic 7 Mann. Die Besatzung des Trenton und der Vandalia sind am Ufer untergebracht, die des Nipsic an Bord. Die Schiffsvorräte wurden nach Möglichkeit geborgen.
Gcrges-WeuigKeiten.
mtliches.^j Am 29. März wurde von der evangelischen Oberschulbehörde die Schulstelle in Neubulach, Bez. Calw, dem Schullehrer Hermann in Egenhausen, Bez. Nagold übertragen.
Stuttgart, 31. März. Die Denkmäler der beiden Paladine Kaiser Wilhelms I., welche der Verein zur Förderung der Kunst der Stadt
JeuiUston. °°rb°t.n.
verschlungene Iäden.
Roman aus dem Englischen von Hermine Franken st ein.
(Fortsetzung.)
„Ich bin mit Adrienne herübergekommen," sagte er, nachdem sie sich Alle in den Salon begeben hatten, „sie ging mit Lionel in die Ruinen, die sie zu besichtigen wünschte."
„Und wo ist sie jetzt?" fragte Natalie hastig.
„Ich weiß es nicht. Ich habe sie gesucht, aber vergebens."
„Ein sonderbares Verschwinden!" rief Jsabella aus, von einer seltsamen Unruhe erfaßt." Vielleicht kommen die drei Vermißten zusammen heim."
Natalie trat^ÄV das Fenster, welches noch immer offen stand, obwohl der Salon bereits erleuMß.gyar. Wollte sie ehrlich sein, so mußte sie sich gestehen, daß sie west mehr von W'MMsenheit Adrienne's und ihres Bruders, als von der ihres Bräutigams beunru^Mprax.
„Wie unvorsichtig von Lionel!" sagte sie sich. „Ich bin überrascht, daß er, der gewöhnlich so vorsichtig ist, gedankenlos genug sein kann, mit Lady Lynwood so spät des Abends allein draußen zu bleiben."
Sie schaute hinaus in das nächtliche Dunkel, aber Niemand war zu erblicken, west und breit war kein Laut zu vernehmen.
Und mü bleierner Schwere auch schlichen die Minuten für die in dem kleinen Salon anwesenden vier Personen langsam vorbei. Auf Allen schien der Alpdruck eines bangen Vorgefühls zu lasten, und doch ahnte noch Keiner von ihnen, welch ein Lebensdrama sich in dieser dunklen Stunde in ihrer nächsten Nähe abrollte . . .
32. Kapitel.
Nachdem seine Gattin und sein Neffe dm Weg nach Kings-Dene angctreten I hatten, blieb Sir Ralph Lynwood in seinem Studierzimmer allein zurück und ver- I
sank in trübes Sinnen, welches durch den Eintritt von Dr. Seaport unterbrochen wurde.
„Willkommen!" begrüßte der Baronet seinen Besuch. „Ich war eben von einer recht trübseligen Stimmung heimgesucht; vielleicht wird es Ihnen gelingen, dieselbe zu verscheuchen."
„Ich habe gedacht, daß Derartiges bei Ihnen nie vorkommt," bemerkte der Doktor, den ihm von Sir Ralph angebotenen Platz einnehmend und ein Päckchen neben sich auf den Sitz legend.
„Vor sechs Monaten hätten Sie auch Recht gehabt," antwortete der Baronet mit trauriger Stimme. „Ich war stets der heiterste Mensch, aber jetzt —"
„Jetzt sind Sie es nicht mehr?"
„Ich werde ohne Ursache leicht verstimmt und wie sehr ich mich auch bemühen mag, gelingt es mir nicht, meine Melancholie zu besiegen."
„Ich bin nicht überrascht, das zu hören, denn solche Verstimmungen sind mü ein Symptom von der Krankheit, an der Sie gegenwärtig leiden."
„Und was für eine Krankheit ist dies?" fragte Sir Ralph.
„Ich glaube, ich sagte es Ihnen schon diesen Morgen: — Bleivergiftung. Natürlich konnte ich sogleich nicht mit unverbrüchlicher Gewißheit sagen, was es sei, jetzt aber habe ich über diesen Punkt nicht den geringsten Zweifel mehr."
Der Baronet saß einige Minuten wortlos.
„Haben Sie die Limonade untersucht, die ich Ihnen heute Morgen gab?" fragte er dann-
„Ja, sowohl die Limonade, wie auch das Wasser, welches ich zur Prüfung mstnahm. Ich war nicht weniger gespannt, das Geheimnis zu ergründen, als Sie selbst."
„Und Sie fanden?" rief Sir Ralph aus.
„Ich fand," erwiederte der Arzt langsam und ohne die Augen zu erheben, „daß das Wasser vollkommen rein ist; die Limonade jedoch enthält Bleilösungen."
Der Baronet atmete tief und schwer.
„Meinen Sie, daß das Gift absichtlich hineingegeben wurde?" fragte er.