P«rl«»elltarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 6. Dez.
Forderung deS Handwerks und des kaufmännischen Mittelstandes.
Trimboru (Z.) begründet den Antrag, der in erster Linie zu Gunsten des Handwerkerstandes Gesetzentwürfe vorgelegt wissen will, durch welche 1. Bestimmungen zur Umgrenzung von Handwerk und Fabrik insbesondere insoweit die Zugehörigkeit zur Handwerks- und Handelskammer in Betracht kommt, festzusetzen und Instanzen zur Entscheidung etwa entstehender Grenzstrektigkeiten zn schaffen seien; ferner Bestimmungen, wonach zweitens die Fabrikbetriebe mit handwerksmäßig auSgebildetenI Arbeitern zu den Kosten des Fachschulwesens der Handwerkerorganisationen heravzuziehen seien, 3. soll die Grenze für die Zulassung zur freiwilligen Invalidenversicherung für selbständige Handwerker und andere Kleingewerbetreibende erweitert werden. Außerdem empfiehlt Redner dem Anträge entsprechend tunlichste Bevorzugung der Handwerkergenossenschaften Md der zur Führung des.MeistertitelS berechtigten Handwerker bei Vergebung öffentlicher Arbeiten und Lieferungen für das Reich sowie Herausgabe eines Haudwerks- blatteS nach dem Borbilde des ReichsarbeitSblattes. Sodann wendet sich Redner den Forderungen deS Antrages zu Gunsten deS kaufmännischen Mittelstandes zu Md empfiehlt da zunächst Erweirerung resp. Vervollständigung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb behufs Regelung des Ausverkaufswesens sowie Revision des Gesetzes über das Abzahlungswesen behufs Beseitigung einiger Härten. Weiter wünscht er dem Anträge gemäß Einrichtung von Handelsinspektionen. Endlich befürwortete Redner «och Erhebungen über die Lage deS kaufmännischen MittelstandeS auf de« Lande.
Pauly (k.): Als Handwerksmann sei er mit den einzelnen Forderungen des Antrages einverstanden. Nur gegen das Verlangen von Handels-Inspektionen äußert er Bedenken.
Findel (n.): Seine Fremde stehen dem Anträge wohlwollend gegenüber, da sie mit allen Bestrebungen die ms Besserung der Lage des Handwerksstandes wie überhaupt des Mittelstandes gerichtet seien, sympathisierten. Sie seien gewillt, dem Mittelstände zu helfen und die vorliegenden Anträge zu unterstützen.
Schmidt (S.) bemängelt, daß der Antragsteller Trim- born keine Statistik über die Bestrettung der Kosten für Lehrlings-Ausbildung seitens der Handwerker-Innungen beigebracht habe. Das Verlangen nach Handelsinspektoren sei berechtigt. Diese müßten aber genommen werden zum Teil aus den Kreisen der Angestellten. Der Vorwurf seine Partei wünsche den Untergang des Handwerks und des Mittelstandes, sei unbegründet. Das einzige Mittel, dem Kleingewerbe zu helfen, sei, die modernen Betriebskräste, Wasserkräfte, Elektrizität rc. auf staatlichem oder kommunalem Wege nicht bloß dem Groß-Kapttalisten sondern der Allgemeinheit also auch den Kleinbetrieben dienstbar zu machen.
Gamp (Rp.) polemisiert gegen die Ausführungen des Vorredners und betont, daß auch mit kleinen Mitteln dem Handwerk etwas genützt werden könne. Eine Begrenzung zwischen Fabrik und Handwerk zur Regelung der Beitragspflicht müsse gefunden werden. Weiter erklärt Redner sich namens seiner Freunde entschieden gegen Handels-Inspektoren.
Tages-Weuigkeiten.
Aus Stadt und Land.
Nagold, 9- Dezembrr.
* k. Zur Gemeinderatswahl. Am 28. d. Mts. finden hier die Neuwahlen zum Gemeinderat statt. Die Amtszeit der Gemeinderäte HH. Stephan Schaible, Fabrikant, Julius Hettler, Kaufmann und Karl Lehre, Rosenwirt geht mit dem laufenden Jahr zu Ende; die Austretenden können und sagen wir in diesem Fall sollen wiedergewählt werden. Für die Vorgenannten und für das verstorbene Mitglied Herrn Gemeinderat Klein ist auf 6 Jahre, für das weggezogene Mitglied Herrn Karl Bernhardt, Rehlhändler auf 2 Jahre Ersatz zu wählen. Es find also 4 Mitglieder Ms 6 Jahre und 1 Mitglied auf 2 Jahre zu wählen.
Die Wählerliste ist eine Woche laug vom Freitag den 6. Dez. 1907 bis Freitag den 13. Dez. 1907 auf dem Rathaus zur Einsicht aufgelegt.
Innerhalb dieser Woche ist nach dem Gesetz jeder Wahlberechtigte befugt, gegen die aufgelegte Liste wegen Uebergehung von Personen, (bezw. seiner eigenen Person), welche in dieselbe aufzunehmen gewesen wären, oder wegen Aufnahme unberechtigter Personen mündlich oder schriftlich Einsprache zu erheben. Die hiesigen 14 Neubürger können sich also überzeugen, ob sie in die Wählerliste aufgenom- men sind.
Die Wahl wird in einer ununterbrochenen Handlung durch unmittelbare geheime Stimmabgabe der Wahlberechtigten vollzogen.
Nur derjenige wird zur Wahl zugelasseu, welcher in die Wählerliste ausgenommen ist.
Die Stimmzettel müssen von weißem Papier Md dürfen mit keinem äußeren Kennzeichen versehen sein.
Auf jedem Stimmzettel dürfen so viele Namen verzeichnet sein, als Mitglieder in den Gemeinderat zu wählen sind. Enthält ein Stimmzettel mehr Namen, als Mit
glieder des Gemeiuderats zu wählm find (iu Nagold 5) so werden die an letzter Stelle eingetragenen Namen bet der Zählung nicht berücksichtigt. Wenn, oder soweit die Ordnung nicht zu erkennen ist, ist der Stimmzettel ungültig.
Wir haben in obigem die wichtigsten Bestimmungen für die Wahlhandlung bezw. für den Wähler gegeben. Jeder Wähler kann und sollte sich übrigens näher mit den gesetzlichen Bestimmungen vertraut machen; es ist Hiezu am besten geeignet die Textausgabe der Gemeinde- und Be- zirkSordnung mit Anmerkungen etc. von Oberamtmann Dr. Michel Preis 7 ^ 60 ^z, ferner eine Textausgabe der Gemeindeordnung mit Vollzugsvrrfügung von Schultheiß Schneider zum Preis von 1 50 H, beide find in
unserer Buchhandlung zu haben.
Möge nun die Neuwahl sich unter solchen Gesichtspunkten vollziehen, welche nicht Strebereien dem wahren Interesse der Bürgerschaft vorauSsetzen; es ist nicht die Hauptsache, daß der Kandidat eine mehr oder weniger große Beredsamkeit zeige, sondern daß er das Herz auf dem rechten Fleck habe, daß er einfach und klar zu denken und zu handeln wisse. Mit wenigen Worten ist mehr gesagt, wenn sie vom gesunden Menschenverstand eingegeben find, als mit leerem Wortschwall. Auch ist es eine Hauptsache, wenn wir Männer auf dem Rathause haben, welche auf der für richtig erkannten Anschauung unbeirrt bestehen bleiben und solche bei Vorkommen zu vertreten bereit find, sei es durch mündliche Darlegung, sei es durch bloße Abstimmung offen oder geheim. Wenn ein Mann dazu noch rechts- oder verwaltnngSkundig ist, so hat er ein um so größeres Prestige zum Kandidaten.
Möge es nuu der Stadt Nagold und ihrer Einwohnerschaft vergönnt sein durch die Ende des Monats sich vollziehende Gemeinderatswahl diejenige Vertretung auf dem Rathaus zu bekommen, in deren Personen dem kulturellen und wirtschaftlichen Fortschreiten und Fortkommen des Gemeinwesens die besten Garantien geboten find.
Vierziger Fest. Am Samstag abend vereinigten sich die im Jahr 1867 Geborenen im Hotel Post znr gemeinsamen Feier des Eintritts ins vielgepriesene Schwabenalter. Der Feier des Tages entsprechend fand ein Festessen statt, bei dem Reden, Deklamationen, gemeinsame Gesänge, Solo- und Klaviervorträge zur Erhöhung der Festfreude beitrugen. Mit dem Gelöbnis in 10 Jahren wieder zusammenzukommen, trennten sich die zahlreich erschienenen Altersgenossen in später Stunde. Die Bewirtung Ms Küche und Keller deS Herrn Paul Luz war von bekannter Güte.
* Vom Wetter. Der sehnlich erwünschte Regen ist wieder andauernder geworden und hat am gestrigen 2. Adventstag durchgemacht. Auch nachts regnete es verbunden mit starkem Wind, der gegen 1 Uhr zum Orkan ausartete. DaS schlechte Wetter beeinflußte gestern den Geschäftsgang und man hofft jetzt umsomehr auf einen guten Markt.
r. Oefchelbron«, 7. Dez. (Zähmung -er Widerspenstigen.) Aufsehen erregt die heute früh erfolgte Abführung der etwa fünfundfünfzig Jahre alten, ledigen Wirtstochter Marie Schäberle von hier, an das Amtsgericht Herrenberg durch den Landjäger. Die Schäberle, die in sehr günstigen Vermögensverhältnissen lebt, steht mit Behörden dadurch auf gespanntem Fuße, daß sie den Vorladungen schlechterdings keine Folge leistet. Wie man hört, war sie in einer Steuerangelegenheit des öfter« vor das K. Kameralamt geladen, aber immer vergeblich, so daß sich letzteres schließlich an das Amtsgericht wenden mußte. Doch auch die Macht dieser Behörde schien hier zu brechen, denn ihre Vorladung wurde nicht befolgt. Ein hierauf dem Landjäger gegebener Befehl, die Schäberle vorzuführen, scheiterte daran, daß diese dem Landjäger Widerstand leistete, ausriß und sich einschloß, schließlich mußte der Landjäger vorläufig von seinem Vorhaben ab- sehen, um einen Skandal zu vermeiden, war aber genötigt, wegen Widerstands Anzeige zu mache». Auch die Vorladung des Amtsgerichts wegen dieses Vergehens ließ die Schäberle kalt. Doch diesmal hatte sie sich verrechnet, denn es wurde ihr Erscheinen vor Gericht dadurch erzwungen, daß sie der Landjäger auf einem Fuhrwerk zwangsweise dorthin beförderte. _
Prof. Dr. Czerny über die Bekä«pfn«g krebsartiger Erkranknngen.
Stuttgart, 7. Dez. Im württ. Landesverein deS Roten Kreuzes hielt heute Geheimrat Prof.Dr. Czerny- Heidelberg einen Vortrag über krebsartige Erkrankungen und deren Bekämpfung. Er schilderte die verschiedenen Arten von Krebskrankheiten in ihrer? Entstehung, Entwickelung und Häufigkeit, und untersuchte die Fragen der Zu- nähme, Vererblichkett und Uebertragbarkeit. Eine Zunahme der Krebskrankheiten wird von allen Statistiken behauptet. Eine konstitutionelle Schwäche der ergriffenen Personen und Reizungen der betroffenen Teile scheinen die Krankheit zu begünstigen. Noch vielfachen Beobachtungen blieben von Kranken, die im ersten Stadium operiert wurden, 70 Proz. nach 3 bis 5 Jahren ohne Recidiv, von Kranken, bet denen Lymphdrüsen ergriffen waren, 20 Proz, wenn die Krankheit über die Lymphdrüsen hinausgriff, war sie unheilbar. Die Hälfte bis drei Viertel der Kranken haben von Operationen keinen Vorteil, weil sie zuspätzurOperationgehen. JnDeutsch- land sterben etwa 40000 Menschenjährlich an Krebs. In neuerer Zeit werden durch Behandlung mit Röntgenstrahlen, Blitzbüscheln und Radium vielfach eine Verkleinerung der Geschwülste und hie und da auch Heilung erzielt. Sicherheit kann erst durch weitere Forschungen erzielt werden. Vielleicht gewinnen wir unerwartet durch die Chemie ein wirksames Bekämpfungsmittel. Prof. Czerny empfahl die
Gründung vo« Sanatorien für Krebskranke in ähnlicher Weise, wie iu Norwegen Leprose behandelt werden. Als VorbeugungSmittel empfahl der Borttagende eine sorgfältige Reinhaltung der Haut, Vermeidung von Reizungen, scharfen Speisen und Getränken und einfache Lebensweise. Die Krebsforschung, durch private Hilfe unterstützt, arbeitet in verschiedenen Ländern eifrig an der Bekämpfung der Krankheit. In Deutschland bestehen in Berlin, Frankfurt u. Heidelberg Institute für Krebsforschung. Czerny schlägt zur Sicherstellung, ob eine Zunahme von Krebskrankheiten stattfindet, vor, die Aerzte im Zusammenhang mit der amtlichen Volkszählung zu amtlichen Statistiken über die HäustgkeitdeSKrebseS zu veranlaßen, etwa alle öJahre, ferner die Errichtung von Pflegestätten für schwere und unheilbare Kranke iu allen größeren Städten unter Leitung von Vereinen des Roten Kreuzes. An den mit großem Beifall ausgenommen Vortrag schloß sich eine Vorführung von KrankheitSformen durch Lichtbilder.
Stuttgart, 3. Dez. Als Nachfolger des Professors v. Wieland zeichnet seit Montag Hr. Hermann Hang als Herausgeber und Redakteur des Staatsanzeigers. Hr. Hang ist bereits über 20 Jahre Redakteur am StaatSan- zeiger. — Ein neuer „Ober". Anläßlich des 100jährigen Jubiläums deS Landjägerkorps ist auch ein neuer Titel geschaffen worden. Der bisherige Stationskommandant Renz in Stuttgart erhielt den imposanten Titel eines Stationsoberkommandanten.
r. Stuttgart, 8. Dez. Wie verlautet, hat sich der Former Deines, der vor einigen Tagen auf seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, Spezereiwarenhändlerin Deines ttl der Hasenbergstraße, 2 Revolverschüsse abgefeuert hatte, wodurch die Frau schwer verletzt wurde und daun flüchtig gegangen war, erschossen.
r. Hohenheim, 7. Dez. An der K. landwirtschaftlichen Hochschule studieren 131 Personen (vorigen Winter 109) darunter 39 Württemberger und 48 Retchsangehörige.
Eßlingen, 7. Dezbr. Sestern abend 10 Uhr versetzte nach voraufgegangenem Wortwechsel im Gasthaus zum „Neuen Ritter" der verheiratete 44jähr. Zimmermaler Artur Pfau dem verheirateten, 45jährigen Säger Karl Schäffler einen Messerstich in den Hals, der die Schlagader traf. Schäffler, der Vater mehrerer kleiner Kinder ist, brach sofort tot zusammen. Der Täter ist noch am gleichen Abend sestgenommen worden.
Serichtsssil.
r. Stuttgart, 6. Dezbr. (Schöffengericht.) DaS schwindelhafte Treiben gewisser Finanzierungsinstitute und ihrer Vertreter wurde durch eine Verhandlung vor dem Schöffengericht wieder aufs neue beleuchtet. Angeklagt deS Betrugs war der verheiratete Kaufmann Eberhard Lang von hier. Er versprach als Generalvertreter des Finan- zierungsinstttutS „Britania" in Amsterdam einer Reihe hiesiger Personen, die durch Inserate Darlehen suchten, ihnen bestimmt ein Darlehen zu verschaffen, wenn sie einen Kostenvorschuß zur Einholung von Auskünften leisten. Iu den meisten Fällen wurde ihm von den Darlehenssuchern ein Vorschuß in Höhe von 20—45 ^ gewährt. Dem Fiuanzierungsinstitut war es nur um den Kostenvorschuß zn tun, wovon auch der Angeklagte einen Teil erhielt. Einem Arbeiter von Feuerbach der ein Darlehen von 200 ^ suchte, nahm der Angeklagte 7.50 ^ Provision ab. Ein Darlehen hat er, wie auch die übrigen Darlehenssucher nicht erhalten. Die angebliche Bank gab den meisten Darlehenssucher überhaupt keine Antwort, oder sie teilte mit, sie könne das Darlehen nicht geben. Das Schöffengericht verurteilte Lang wegen Betrugs in 8 Fällen zu 14 Tagen Gefängnis.
Deutsches Reich.
r. Pforzheim, 5. Dez. Einiges Aufsehen erregte gestern die Verhaftung des Inhabers eines bekannten hygienischen Bazars. Sie ist wahrscheinlich im Zusammenhang mit unlauteren Manipulationen des Geschäftsmannes mit Frauenspersonen im Sinne des 8 218 erfolgt.
Selbstmord eines Falschmünzers bei der Verhaftung. Aus München wird gemeldet: In seiner Wohnung iu der im vornehmen Kaiser-Ludwig-Viertel gelegenen Haydnstraße in München hat sich, als er verhaftet werden sollte, heute früh der in den dreißiger Jahren stehende, als Sonderling geltende Kunstmaler Seraph Roschmaun mit 5 Gramm bereit gehaltenem Morphium vergiftet. Er starb trotz der großen Dosts erst auf dem Transport zum Krankenhause. Den Kriminalbeamten, die nach vergebliche« Läuten unter Mithilfe des mitgedrachten Schlossers in die Wohnung eingedrungen waren, war Roschmann mit einem langen Messer entgegengetreten, flüchtete aber vor den ihm entgegengehaltenen Revolvern der Polizisten in sein Schlafzimmer und trank dort, ehe er davon abgehalten werden konnte, das bereitstehende Gift. In semer Wohnung fanden sich falsche Goldstücke s°wi-Spmendieauf Banknotenfälschung schließen lasse». Es hatte allmählich Verdacht er- regt daß er auch für die kleinsten Betrage Goldstücke zum Wechseln in Zahlung zu geben pflegte. Der Nachbarschaft, die in sein Atelier blicken konnte, war auch seine Untätigkeit als Maler ausgefallen, da Leinwand, Pinsel und Palette monatelang unverrückt an ihrem Platze blieben. Die Falschmünzereinrichtung wurde beschlagnahmt und die Wohnung, die Roschmann seit einem Jahre innehatte, polizeilich geschloffen.
Ausland.
Explosion vo« Feuerwerkskörperu.
Vom, 6. Dezember. In San Felice a Canc ello bet Caserta hatte ein Feuerwerker unbefugterweise Feuer-