81. Jahrgang.
Erscheint täglich mit Ausnahme der Lonn- und Festtage.
PretS vierteljährlich k»ier 1 mit Träger, lohn 1.20 im Bezirks« and 10 Kw-Berkehr I. 2 S »6, im übrigen Württemberg 1LS MonatSabonnementS nach Verhältnis.
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Iievrrfprechev Wv. 29.
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Aernsprecher Wr. 29.
Auflage 2600.
Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile a«S gewöhn!. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Mit dem Plauderstübchu, und
Schwab. Laabwtrl
LW
WotitifcHe Hleberficht.
Die zweite Haager Friedenskonferenz hielt am Sonnabend ihre sechste öffentliche Plenarsitzung ab. Präsident Nelidow gab zunächst einen zwischen Italien und Argentinien abgeschlossenen Schiedsgerichtsvertrag bekannt, in welchem lediglich Fragen betreffend die Verfassung der Kontrahenten sowie betreffend die Nationalität der Staatsangehörigen von der Schiedssprechung ausgenommen sind. Nelidow mißt dem Vertrag einen außerordentlichen diplomatischen Wert zu und sprach die Hoffnung aus, daß der Vertrag die Völker ermutigen werde, dem Beispiel zu folgen. Alsdann wurde der neue Entwurf betreffend die Behandlung neutraler Personen im Gebiet der Kriegführenden einstimmig angenommen, ebenso der Entwurf betreffend die Errichtung eines internationalen Prisengerichts mit 37 Stimmen (darunter einige mit Vorbehalt betreffend die Zusammensetzung des Gerichtshofs) gegen eine Stimme (Brasilien) und sechs Stimmenthaltungen. Einstimmig wurde darauf der Wunsch gutgeheißen, daß etwa 1915 eine dritte Konferenz stattfinden solle, und daß die Regierungen ungefähr 2 Jahre vor Beginn der Konferenz ein Vorbereitungskomitee zur Aufstellung des Programms ernennen sollen. Den Schluß der Sitzung füllten Huldigungsansprachen für den Zaren, den Urheber des großen Humanitären Werkes, und Dankesworte für die Königin Wilhelmina. — Nach einer weiteren Meldung hat Präsident Nelidow in Beantwortung eines an ihn gerichteten Schreibens des ersten türkischen Delegierten, Turkhan Pascha, an letzteren einen Brief gerichtet, worin er ihm versichert, daß die Stellung des Osmanischen Reiches als Großmacht von keinerlei Seite aus der Konferenz berührt oder je in Zweifel gezogen worden sei. Der Zwischenfall, über welchen man sich vielleicht etwas unnütz in Konstanti-- uopel aufgeregt hatte, scheint hiermit erledig.
I» Marokko wird weitergekämpft, nachdem die Friedensverhandlungen in Casablanca in Bestätigung der zuletzt verzeichneten pessimistischeren Pariser Auffassung der Situation tatsächlich zu dem erhofften Ergebnis nicht geführt haben. General Drude telegraphierte am Samstag, daß er alle Maßnahmen getroffen habe, um gegen das neue Lager der Marokkaner vorzugehen, und ein Telegramm vom Sonntag meldete bereits den Vormarsch Drudes auf Sidi- Brahim. Die dortige Mahalla wurde zerstreut, das Lager verbrannt. Auf französischer Seite hatte man nur einen Toten (einen Goumier) und fünf Verwundete, darunter einen Leutnant. Eine nähere Mitteilung über den Vorstoß lautet: In Sidi-Brahim wurden nur einzelne Zelte vor- gefundeu, die vor der Ankunft der Truppen bereits verlassen worden waren. Die Goumiers steckten sie in Brand. Das Gefecht war nicht heftig, da der Feind sich weit entfernt
Anfang nächster Woche beginnen wir an dieser Stelle mit dem Abdruck der Humoreske
Abenöteuer
des Kntfpekter Wvaeftg von
Fritz Reuter,
einem Familienfreund, der mit seinem goldenen Humor alle alle Herzen erquickt. Die Posse wurde von dem bekannten Hofschauspieler August Junkermann schon oft mit größtem Erfolg vorgetragen.
Die Wettfahrt des Fürste« Seipioue Borghese durch Aste« «ud Europa. Von seinem Begleiter Luigi Barzini. Mit M 120 Abbildungen nach Origtnal- Uotographien und einer Karte. Elegant gebunden 10 Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
Fürst Borghese und der ausgezeichnete Journalist Bar- Mi waren die Sieger der über 1b 000 Kilometer meffenden Automobil-Wettfahrt Peking-Paris, die in der Geschichte des Sports einzig dasteht. Der mit zahlreichen Abbildungen ausgestattete, spannend geschriebene Bericht wird weit über A freunde des Automobils hinaus interessieren. Barzinis letzte Telegramme seren aus dem Buche hier wiedergegeben t
Meaux, Sonnabend, 10. Aug. 1907, mo:gens.
Es war gerade kein sehr ruhiger Schlaf, dessen wir uns vergangene Nacht zu erfreuen hatten!
Früh begaben wir uns zur Garage, als wären wir im Begriff, eine endlose Reise nach einem unerreichbaren, fabelhaften Ziele anzutreten.
Wir haben uns an das beständige Reisen gewöhnt,
Kagold, Mttwoch dm 25. Septemöer
hielt und nur geringen Widerstand leistete. Die Augriffs- kolonne kehrte um 5 Uhr nachmittags in das Lager zurück. Die Verluste des Feindes sind unbekannt. — Der französische Gesandte Regnault ist am Samstag in Tanger eingetroffen, nachdem er in Casablanca noch ein festliches Bankett für die französischen und spanischen Offiziere gegeben hatte. Nach wäteren Meldungen aus Tanger ist ein Sekretär Raisulis mit Briefen für den englischen Gesandten eingetroffen, in denen Raisuli für die Freilassung Macleans den englischen Schutz und 50000 Pfund Sterling verlangt. Die Forderungen Raisulis wurden abgewiesen. — In höflichen Md freundlichen Briefen, die den europäischen Vertretern in Tanger überreicht worden sind, verspricht Muley Hafid, eine starke Regierung einzusetzen und das gegenseitige Vertrauen zwischen seinen Untertanen und den Europäern wiederherzustellen. Muley Hafid bittet die Mächte, neutral zu bleiben, bis es sich ergeben habe, wem Gott den Sieg und den Thron verleihen werde. — Die europäischen Kaufleute iu Casablanca fordern insgesamt acht Millionen Frank Entschädigung. _
Wirkungen der Persoueutarifreform i» Süddeutsch!««-.
Karlsruhe, 23. Sept. Die Zeitung des „Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen" schreibt über die Wirkungen der'Personentarifreform in Süddeutschland:
„In Süddeutschland haben sich seit Einführung der Tarifreform Mindereinuahmenin wesentlich höherem Umfang als in Norddeutschland herausgestellt. In den drei Monaten Mai bis Juli 1907 wurden in Bayern 19 512 836 ^ gegen 21091478 ^ im Vorjahr, d. i. auf 1 Kilometer 3003 gegen 3290 ^ oder 8,72 Proz. weniger vereinnahmt. Württemberg vereinnahmte 1907: 6 940000 (7 356 000) auf 1 Kilometer 3536 (3748) ^ oder 5,66 Proz. weniger; Baden: 7 242000 (9850 920) auf 1 Klilometer 4196 (5783) oder 27,44 Proz. weniger. Der badische Ausfall soll hier außer Betracht bleiben, da er bekanntlich durch den starken Ankauf von Kilometerheften im Vorjahre vor Einführung der Fahrkartensteuer und ebenso im April ds. Js. vor Aufhebung der Hefte veranlaßt worden ist. Im übrigen beruht der größere Einnahmeausfall der süddeutschen Bahnen neben der Herabsetzung des Schnellzugszuschlags und der Gepäckfrachten vornehmlich darauf, daß der in Norddeutschland für die 4. Klaffe geltende Satz von 2 -rZ auf 1 Kilometer in Bayern für die 3. Klaffe in den Personenzügen und daß in Württemberg die 4. Wagenklasse mit dem Satz neu eingeführt worden ist.
Die südd. Verwaltungen werden infolge der Annahme des Satzes der 4. Klaffe im wesentlichen mit der gleichen niedrigen Durchschnittseinnahme für den Personenkilometer zu rechnen haben, die bisher in Preußen erzielt wurde (im Jahre 1905 auf 2,47 gegen 3,12 ^ in Bayern.) Von
zur Stunde des Aufbruchs springen wir instinktiv Ms dem Bette. Fahren ist unser Lebenszweck geworden, immer und immer wandern; moderne ewige Juden, die verdammt find zu unaufhörlicher Reise.
Viel besser, viel tiefer und viel ruhiger als in dieser letzten Nacht unserer Pilgerfahrt durch zwei Kontinente hatten wir in den chinesischen Khangs geschlafen trotz ihrer üblen Gerüche, im grünen Grase der Ebenen, oder in Ziegenfelle gehüllt mit der Kamera als Kopfkiffen auf den Bänken der kleinen sibirischen Jsbas. Viel besser als in den Daunenbetten des Gasthauses zu Meaux, 50 Kilometer vor Paris!
Paris ist uns so nahe, daß es uns im Schlafe stört. Wir fühlen, wir hören das mächtig pulsierende Leben der Stadt. Oft stand ich auf, ging ans Fenster und schaute umher. Dort liegt Paris, sagte ich mir, als ob ich mich überreden wollte.
Tag für Tag war uns unsere Reise selbstverständlich, manchmal sogar leicht erschienen. Kiachta zu erreichen, indem man von Urga kam, Werchneudinsk, indem man von Kiachta kam, erschien ganz einfach. In unmerkbaren Uebergängeu gelangten wir von Land zu Land, von Volk zu Volk.
Jetzt, da unser Geist nicht mehr bedrückt ist durch die Sorge um den Weg, da denken wir der zurückgelegten Strecke, die unS die Erinnerung mit Blitzesschnelle in gewaltsamer Verkürzung zeigt.
Wir befanden uns an den mit Pagoden gekrönten Toren von Peking. Die Arme von Chinesen schleppten diese Maschine hier unter den Felsen von Kimini durch, wo wir von Maultieren getragene, mit blauer Seide überzogene Palankins fanden.
Mandarine, den goldgestickten Drachen auf der Brust, kamen in Kalgan herbei, um diesen Wagen anzusehen,
1907
größtem Interesse aber ist es, daß jene erheblichen Minder
einnahmen in Bayern Md Württemberg eingetreten find, obwohl zu gleicher Zeit eine ganz erhebliche Zunahme der beförderten Personen stattgefunden hat. Es wurden nämlich in Bayern in dem fraglichen Vierteljahr 2863 Personen gegen 174Y Personen im Vorjahr auf 1 Km. befördert, das ist um 64,54'/° mehr. In Württemberg stellte sich die Beförderung auf 7423 Personen gegen 6451 Personen, d. i. auf 1 Km. 15,07°/» mehr. Hiernach muß infolge der Tarifermäßigungen die Abwanderung in die niederen Klaffe«, verbunden auch vielleicht mit einer Verkürzung der Reisen, in ganz außerordentlichem Maße stattgefunden haben, da andernfalls die ungewöhnliche Zunahme des Verkehrs wenigstens eine höhere Bruttoeinnahme ergeben haben muß. Tatsächlich aber haben die gedachten Verwaltungen nicht nur erhebliche Einnahmeausfälle erlitten, sondern sie werden auch infolge der großen Zunahme der beförderten Personen mit höheren Betriebskosten rechnen müssen.
Die Erkrankung des Grotzherzogs vo« Bade«.
Maina«, 24. Sept. '/'9 Uhr vormittags. Im subjektiven Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß- herzogS ist seit Ausgabe deS letzten Bulletins eine wesentliche Veränderung nicht eingetreten. Die Nacht ist ohne bemerkenswerten Zwischenfall verlaufen. Der hohe Patient ist unruhig, hat sehr erregten Puls und ist nur für kurze Zeit bei Bewußtsein. Der Kräftezustand S. K. H. hat seit gestern eine Besserung nicht erfahren. Die schwache Herztätigkeit gibt zu den ernstesten Bedenken Anlaß. Die Aerzte versuchen das Menschenmögliche, doch ist eine Hoffnung auf Erhaltung des teueren Lebens wohl nicht mehr vorhanden.
Die Fürstlichkeiten verlassen die Mainau nicht. — Die Pflege des hohen Patienten ruht nach wie vor in erster Linie in Händen Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin, die von der langjährigen persönlichen Bedienung des Großherzogs unterstützt wird. Eine besondere Kranken- bedienung ist nicht zugezogen. Die hohe Frau, die daS Schloß nur zu den allabendlich um Uhr stattfindenden Gottesdiensten verläßt, ist durch den Ernst der Lage tief gebeugt. In dem gütigen Antlitz haben schwere Sorgen und lang durchwachte Nächte deutliche Spuren htnterlafseu. Trotzdem hält sich die Großherzogin mit bewundernswerter Energie aufrecht Md verläßt das Krankenlager nur auf wenige Stunden. Die Stimmung im Schloß ist sehr gedrückt.
Mainau, 24. Sept. Das Bulletin von heute vormittag 9 Uhr lautet:
Bei Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog ist die heutige Nacht ruhig verlaufen und nach starkem Schweiß ist die Temperatur wie gestern abend auf 38,1 gestiegen
während die Glocke läutete, die warnend einen nahenden Sturm ankündigte.
Dieser Wagen vor uns ist von ungestümen mongolischen Karawanen verfolgt worden, und er verfolgte seinerseits an den Grenzen der Wüste Rudel gelber Gazellen, die vor Angst wie verrückt waren. Dieser Wagen hatte den breiten Iro, den letzten großen Strom des chinesischen Reiches, durchfurtet; er fiel von einer Brücke der Transbaikalbahu; im Schmutze von Tomsk ist er versunken, die Taiga hat er durchquert, den größten Wald der Welt, nnd nun steht er hier, wohlbehalten, eine halbe Tagereise vor der Porte de Vincennes!
Wir hatten gewagt, auf Erfolg zu hoffen. Wir hatten aber nicht gewagt, an die Aufregung dieses Augenblicks zu denken, als wir den Dochman in Peking verließen.
Wir sprachen nicht einmal von Paris, wir hatten nicht den Mut dazu.
Während der ermüdenden, entmutigenden Tage, iu denen wir nur langsam Md schwierig vorwärts kamen, war, alles was wir wünschten, das nächste Dorf zu erreichen; das übrige begruben wir in unserm Innern.
Unsere maßlose, großartige Reise war in Wirklichkett eine endlose Reihe kurzer Fahrten zu den nächsten Dörfern und Städten. Außerdem war sie eine riesenhafte Geduldprobe. Die wirkliche tägliche Kilometerzahl blieb unS unbekannt, und wir beruhigten uns dabei. Wir werden nicht zurückkehren um sie auszumefsen!
Die Nachbarschaft von Paris überrascht uns, betäubt uns, findet uns ergriffen von der phantastischen Geschwindigkeit, mit der wir fie erreicht haben.
Die letzten russischen Provinzen, Deutschland, Belgien, Frankreich zogen au uns wie Traumbilder vorbei.
Zwölf Tage brauchte es, um das erste Tausend Kilo-
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