7S. Jahrgang.
Erschein! täglich mit Ausnahme der Bonn- und Festtage.
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Mit dem Plauderstübchen und
Gchwäb. Landwirt.
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AmMcheö.
Die Schultheißeuämter
werden angcwkse«, die Führer des Aendernugspxoto- kolls znm Primärkataster zur sofortige» Vorlage der seil 1. April dezw. 1. Januar ds. Js. beigrbrachten Metznrknuden a» de» Herrn Bezirksgeometer zu veranlassen und strenge darauf zu sehe«, daß die Bestimmungen der Muisterial-Vsrfügullg nom 1. Scpt. 1899, Steuerkollegial-Amtsbl. S. 163, betr. die Erhaltung und Fortführung der Flugkarten und Pnmälkatastcr über die Vormerkung der Veränderungen nud die Sammlung der Metznrknudeu K S—IS künftig gena« eingehalten uud die Meßurkunde» resp. Fehlanzeige» all vierteljährlich dem Herrn BezirkSgeometer vorgelsgt werden.
Nagold, den 28. Juni 1905.
K. Oderamt. Ritter.
Au die Ortsbehörde« und die gemeinschaftliche« Aemter betr. die Veranstaltung von Wanderkochknrfeu.
Die Ortsbehörde« derjenigen Gemeinde«, in welchen Wanderkochkurfe im Lause des Winters veranstaltet werden sollen, wollen unter Bezugnahme auf das Ausschrekben vom 5. d. Mts., Ges. Nr. 129 unfehlbar binnen 14 Tage« anher Bericht erstatten.
Nagold, den 28. Juni 1905.
K. Oberamt. Ritter.
Bekanntmachung.
Diejenigen, welche um die Erteilung eines Berech- tignngSfcheinS znm Einjährig Freiwillige« Militärdienst nachsucyeu Wüllen, werden auf die in der Beilage zum Staatsauzeiger Nr. 147 erschienene Bekauut- machung der K. W. Prüfnugskommisstou für Einjährig- Freiwillige vom 10. d. M. hiemit hingewtesen.
Nagold, den 28. Juni 1905.
K. Oberamt. Ritter.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Verfafsungsrevifion vor der Abgeordnetenkammer.
Auch am Mittwoch ging in der Abgeordnetenkammer die Generaldebatte über die Verfaffungsreviston weiter, ohne daß ste iu der Mein o'.s vielstündtgen Sitzung zum Abschluß gebracht werden kountc. Eine weitere Klärung und einen Fortschrittt haben die Verhandlungen alderdings insofern gebracht, als außer .-eu Vertretern verschiedener Parteien, die bisher noch nicht zum Wort kamen, namentlich auch das Zentrum durch den Abg. Gröber seine Stellung und seine Haltung gegenüber der Verfaffm-gsresorm kennzeichnen ließ. Da die Darlegungen Gröbers erst gegen den Schluß der Sitzung erfolgten und eine Antwort auf dieselben, insbesondere auch vom Regierungstisch aus nicht mehr möglich war, so mußte die Debatte auf Freitag — die Donnerstag Sitzung fiel wegen des Feiertag? aus — vertagt werden.
Eingeleitet wurde» die gestttqen Beratungen durch eine Erwiderung, welche Ministerpräsident v. Breitling den vorgestrigen Ausführungen des rittcrschaftlicheu Abg. Frhr. von Ow cwgedeihcn tt;ß. Der Ministerpräsident stellte zunächst aufs entschiedenste die Behauptung des Herrn v. Ow in Abrede, daß die Regierung in der Frage eines konservativen Ersatzes für die auSscheidenden Privilegierten gegenüber ihrer früheren Haltung sich habe nach links abdrängen lassen; der jetzige Entwurf beruhe auf derselben liberalen Grundlage wie derjenige von 1897. Ein anderer Entwurf hätte vielleicht wohl Gegenliebe bet den Privilegierten gefunden, niemals aber auf die Annahme der gewählten Abgeordneten rechnen dürfen.
Der Abg. Kraut (kous.) wandte sich gegen die Ausführungen Keils, als ob die Protestbewegung, wenn man ihr freien Lauf gelaffen hätte, die Erste Kammer hinwegzu- fegrn imstande gewesen wäre. Von einer tiefgehenden Erregung, von einer „kochenden Volksseele" wir in Bayern, habe man bei uns nicht reden können. Die Befürchtung, daß lediglich die Sozialdemokratie von dem neuen Wahlgesetz Vorteil haben werde, könne er nicht teilen; wenn das Bürgertum sich auf sich selbst besinne, wenn es die konfefio- nellen Gegensätze und die sonstigen trennenden Punkte tu den Hintergrund, das, was ste der Sozialdemokratie gegenüber einige, jedoch in den Vordergrund stelle, dann sei auch die Gefahr einer Ucberwuchernng des Bürgertums durch die Sozialdemokratie ausgeschlossen.
Prälat v. Wittkch, früher, wie er selbst sagte, ein überzeugter Gegn-r der Versaffungsreform und namentlich auch des Ausscheidens der Privilegierten auS der Zweite«
Nagold, Freitag den 3Ü. Äuni
Kammer, legte sodann die Gründe dar, die rhn besttmmlen, gegenüber der vorliegenden Reform eine positive Stellung etuzunehmen. Er knüpfte aber seine Zustimmung zu dem Entwurf an die Bedingung, daß das Zweikammersystem erhalte« und der kirchliche Einfluß gewahrt bleibe und daß am Entwurf nicht noch weitere „demokratifiereude" Verbesserungen vorgmommerr werden.
In einer nahezu etnstündige« Rede legte der Abg. Hieber hierauf die Stellung der deutschen Partei zur Ber- faffungsreform dar, wobei er sich mit den Ausführungen mehrerer Vorredner auseinandersetzte. Gegenüber dem Abg. Kraut wies er zunächst daraus hin, daß die Verfaffungsfrage, wenn sie einmal wieder zu einer brennenden würde, sicherlich geeignet wäre, das württ. Volk bis in seine tiefsten Tiefen aufzurütteln; die ganze Berfasinagsgeschichte Württembergs, dir stets ein Ruhmesblatt in der Geschichte des Landes und Volkes bilden werde, beweise dies hinlänglich. Zum Entwurf selbst befürwortete der Redner die Beseitigung des überlebten Vorrechtes der sogen, „guten Städte", die Gewährung von 2, im Wege des Proporzes zu wählende« Abgeordneten für die größeren Städte bezw. Bezirke und die Erhöhung der Zahl der Abgeordneten aus etwa 80 im Wege eines Lasdesproporzes. In der modernen Ausgestaltung der Ersten Kammer sollte man über den Entwurf noch hinaus gehen, ebenso in der geplanten Vertretung der Brrussstäude. Die ungeschmälerte Aufrechter Haltung des Budgetrechts der Zweiten Kammer erachte die deutsche Partei als eine eoaäitio sink guu non für die Annahme des vorliegenden Entwurfes.
Der Abg. H aiu g erklärte sodann, daß der Bund der Landwirte am Zustandekommen der Reform unter gewissen Voraussetzungen Mitarbeiten wolle. Die ausscheidenden Privilegierten sollten einen Ersatz finden in berussstäudischm Vertretern; wenn aber iu der Ersten Kammer die Zahl der berussstäudischm Vertreter erhöht werde, so müsse in gleichem Maße auch die.Laadwirischsst berücksichtigt werden, h, Der Abg. Gröber, der nunmehr zum Wort kam, übte nicht nur am Entwurf, sondern auch am Verhalten der Regierung in der Frage der Verfasiungsrevisio» scharfe Kritik. Ec warf der Regierung vor, daß sie in der Reforrn- angelegenheit eine widerspruchsvolle, unbeständige uud schwankende Haltung eingenommen habe, früher schon snd auch jetzt wiever. Sie habe seinerzeit das Einbringen des Entwurfs abhängig gemacht von der Erledigung der Steuerreform uud der Reform der Gemeindeverwaltung und doch sei, obwohl die letztere kaum über das Stadium der Beratung in der Abgeordnetenkammer hiuausgekommeu und von einer Erledigung noch sehr weit entfernt sek, die Ver- fasiuugsrevifiou jetzt schon eingebracht worden. Mau könne doch nicht behaupten, daß die gegenwärtigen Zeiten politischer, sozialer und konfessioneller Gärung für die Einbringung einer solchen Vorlage besonders günstig seien. Der Redner führte sodann, vielfach durch Zurufe unterbrochen, aus, daß er mit dem Abg. Kraut vollständig darin übereinstimme, daß unser Vaterland unter nichts mehr leide, als unter den scharf zu- gespitztea konfessionellen Gegensätzen, die hauptsächlich daher kommen, daß jeder nur die Fehler am andern sehe, die eigenen aber nicht. Sein Urteil über den Entwurf selbst faßte Gröber dahin zusammen, daß derselbe aus eine Schwächung der Bedeutung und Leistungsfähigkeit der 2. Kammer htnauslaufe. Namens der Zeutrumssraktion verlas der Redner sodann noch eine Erklärung des Inhalts, daß die vorgeschlagene Reform einen Ausgleich der politischen Gegensätze und die gleichmäßige Förderung aller Berufsstände erschwere, das gemeinsame Interesse der christlichen Mehrheit unseres Volkes ohne Unterschied der Konfession dem Ansturm des Radikalismus in erhöhtem Maße preis- gebe, das Zusammenarbeiten der gesetzgebenden Faktoren schwieriger gestalte und die Kämpfe in einer für die Entwicklung unseres StaatSlebeus gefährlichen Weise verschärfe.
Nachdem Universttätskanzler Pros. Dr. v. Schönberg noch darlegt, daß er im wesentlichen auf dem Boden des Entwurfes stehe, uud nachdem Haußmann-Balingen dem Abg. Gröber sowie auch dem ritterschaftlichen Abg. v. Ow in mehreren Punkten entgegengetreten war, wurde die Beratung abgebrochen.
Der Krieg zwischen Rußland Md Japan.
Petersburg, 29. Juni. Ein kaiserlicher Erlaß ordnet die Einberufung ber Reservisten in den aktiven Dienst in 109 Kreisen der Militärbezirke Petersburg, Moskau, Kiew und Warschau an. Die Mobilmachung erstreckt sich auch aus die beiden Residenzen.
Die FriebeuSbebingnuge« JnpanS.
Tokio, 29. Juni. Der Ausschuß der konstitutionellen Partei faßte heute folgende Resolution: Obwohl es unnötig
1905
ist, Frtedensbedtuguugen im einzelnen auszustellen, halten wir eS doch für nötig und angebracht, zu erklären, daß ebenso wie zur Erreichung des Zwecks und Ziels des Kriegs wie auch zur Sicherheit und Bürgschaft der Interesse» unseres Reichs in der Zukunft wie auch zur Herstellung deS Friedens auf dauernder Grundlage die Abtretung von Gebiet und die Ersetzung der KriegSkoste« gefordert und daß die koreanische und «andschnrifche Frage endgültig und klar geregelt werden muß. Die Resolution wurde dem Ministerpräsidenten unterbreitet. Die Fortschrittspartei erließ ein Manifest, in dem im wesentliche« die gleiche« Bedingungen aufgestellt werden.
Gages-Weuigkeiten.
Aus Stadt Md Laad.
r. Tirnmozhei», 29. Juni. Am kommenden Sonntag seien der Westgausängerbund hier sein 17. Gausäugerfest mit der Fahnenweihe des hies. Gesangvereins und mit Pretsgesavg. Als Preisrichter fungieren Mufiklehrer Haasts- Maulbronn, Schnltehrer Wengert-Stuttgart und Oberlehrer Schäffer-Nagold.
r. Neuenbürg, 29. Juni. Nach einem Streit mit seinen Töchtern griff der Waldschütze Bauer in Arnbach nach einem Strick, ging in den Wald hinaus und erhängte sich. _
Stuttgart, 28. Juni. Gegen die Urteile in de« beiden letzten Prozessen gegen den „Simpltzissimus" wird von den Verteidiger» Revision beim Reichsgericht eingelegt.
r. Ulm, 29. Juni. Die Laudjägermaunschast ist telegraphisch in Kenntnis gesetzt worden, daß sich der Raubmörder Mogler wieder in Württemberg aufhalten soll. Angeblich soll er iu Waiblingen gesehen worde« sein.
r. Vlanbenre», 29. Juni. Gestern Mittag ging über unsere Gegend ein schweres Gewitter nieder. Zwei Frauen, welche während desselben vom Felde nach ihrem Wohnort Machtolsheim zurückkehrten, wurden vomBlitz erschlagen. Die beiden getöteten Frauen gingen etwa 80 Meter von einander entfernt uud wurden offenbar vo» dem gleichen Blitzstrahl getroffen.
Marokko.
Berlin, 29. Juni. Dem L.-A. zufolge überbrachte der sranzös. Botschafter, Bihonrd, dem Reichskanzler Fürsten Bülow eine Mitteilung, die man als weiteren bedeutsame« Schritt zur Beilegung der in der Marokko-Frage noch herrschenden Meinungsverschiedenheiten betrachten darf.
Die Meuterei in der russischen Flotte.
Die SchreckenStage von Odessa.
Berlin, 29. Juni. Die Meuterei auf de« Knjäs Potemkin wird von den hies. Abendblättern als Symptom
deS nahe« ZnfammenbrnchS der Disziplin in Rußlands Heer und Marine aufgefaßt.
Berlin, 29. Juni. Die Morgenpost meldet aus Lodz: Der Kosakengeueral Marmussw wurde gestern aus der Straße von Arbeitern angehalten, vom Wage» gestürzt und dnrch Dolchstiche ermordet. Die Mörder entkamen.
Odessa, 29. Juni. Ueber die Meuteret auf de« Panzer- schiff „Fürst Potemkin" wird gemeldet: Vorgestern abend traf der Panzer mit 2 Torpedobooten aus Sewastopol hier ein. Alsbald verbreitete sich in der Stadt das Gerücht, daß die Besatzung ihre Vorgesetzte» «iedergemetzelt habe, um einen Matrosen zu rachen, der, weil er Klage über schlechte Nahrung im Namen der ganze« Besatzung geführt habe, getötet worden sei. Ferner wurde gesagt, der Leichnam sei auf der neuen Mole ausgestellt und die Matrosen ließen die Behörden nicht heraukommeu und bedrohten, ihnen Widerstand zu leisten. Tausende von Menschen strömten alsbald zu dem Teil des HafeuS, wo der Leichnam deS Matrosen Omeltschuk lag. Auf der Brust deS Verstorbenen war ein Zettel angebracht mit ber Erklärung, daß Omeltschuk für die Wahrheit gestorben sei, indem er einem Offizier sagte, daß mau den Leuten schlechte Nahrung gegeben habe. Das Publikum warf fortwährend Geldspenden tu die am Kopfende deS Toten aufgestellte Büchse, um das nötige Geld zu seiner Beerdigung zu sammeln. Unter vielen Lesarten über das Vorgefallene herrscht die Ansicht vor, daß ein Offizier, welchem Omeltschuk meldete, daß die Mannschaft schlechte Suppe erhalten habe, ihn durch einen Revolderschuß getötet habe. Die gesamte Mannschaft über-