«3. Jahrgang.

Ara. 101.

Amts- unä IntefligenMatt für äen Äezirsi.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt S H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Dienstag, äea 28. August 1888

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Abonnementseinladung.

Zum Abonnement auf das Calwer Wochenblatt für den Monat September ladet freundlichst ein

Die Redaktion.

ArnILiche Bekanntmachung.

An -ie gemeinschaftlichen Aemler.

Nach einer Mitteilung des K. gemeinschaftl. Oberamts Welzheim vom 23. d. M. sind die vom Hagelschlag betroffenen Markungen des Oberamts Welzheim vollständig verwüstet, der Ertrag der Felder und Obstbäume ver­nichtet, und ist das Unglück um so größer, als die meist beschädigten Ge­meinden Kaisersbach und Kirchenkirnberg zu den ärmsten des Bezirks gehören und ihre Einwohner ganz auf den Ertrag ihrer wenigen Grundstücke ange­wiesen sind. Ohne Lebensmittel, ohne Geld, ohne ausgiebigen Verdienst, vielfach von Schulden gedrückt, sehen die Unglücklichen mit banger Sorge dem Winter entgegen, schon jetzt mgcht sich bei Manchem der Mangel fühlbar.

Angesichts dieses Notstands stellen wir an die gemeinschaftl. Aemter das Ersuchen, der Sammlung von Gaben für die Hagelbeschädigten Be­zirks Welzheim sich zu unterziehen und die gesammelten Gelder, beziehungs­weise den Erlös aus Naturalgaben uns in Bälde zukommen zu lassen.

Calw, den 24. August 1888.

Oberamtmann Dekan

Supper. Braun.

^-Mische Wachrichtsn.

Deutsches Reich.

Berlin, 25. Aug. Ueber die R e i s ep l ä n e des K a i s e r s ver­lautet, daß derselbe wahrscheinlich am 30. September abreist und zwar zu­nächst nach Stuttgart. Dann soll der Kaiser München besuchen wollen und schließlich in Wien eintreffen. Von dort geht die Fahrt nach Rom mit einem Ausflug nach Neapel. Jedenfalls wird der Kaiser bis zum 22. Oktober, dem Geburtstag der Kaiserin, wieder nach Potsdam zurückkehren.

Beim Ordensfeste hielt der Kaiser, nachdem ihm die Ordens« insignien überreicht waren, folgende Ansprache:Ich erfülle einen Meiner

Herzenswünsche, indem Ich die äußeren Zeichen des Ordens anlege. Ich kenne die Aufgaben des Ordens und die hohen Ziele, die derselbe verfolgt, und wünsche als Protektor des Ordens nicht nur über ihm zu stehen, sondern als Ritter desselben an seinem heilsamen Wirken thätig teilzunehmen." Die Rede des Kaisers in der Kirche lautete:Wie vor fünf Jahren an dieser Stätte Mein hochseliger Vater im Aufträge des hochseligen Königs Wilhelm der Einführung des durchlauchtigsten Herrenmeisters beiwohnte und dem Orden Schutz und Schirm versprach, so gelobe auch Ich an dieser Stätte am Altar als König von Preußen und als Protektor dem Orden und allen seinen An­gehörigen in Meinen Landen Meinen Königlichen Schutz, so wahr Mir Gott helfe." Den Toast des Prinzen Albrecht beim Diner beantwortend, sagte der Kaiser:Es war Mir schon immer ein Herzensbedürfnis, auch durch ein äußeres Zeichen dem Hohen Orden anzugehören, welches leider erst durch Meine Thronbesteigung für Mich zur Thatsache werden sollte. Ich bin der festen Ansicht, daß der König von Preußen auch durch ein äußeres Zeichen dem Orden angehören muß. Die großen Aufgaben, welche Mir auf dem Gebiete der inneren Entwickelung des Volkes obliegen, vermag Ich nicht allein durch die staatlichen Organe zu lösen. Zur Hebung der moralischen sowie religiösen Kräftigung und Entwickelung des Volkes brauche Ich die Unterstützung der Edelsten desselben, Meines Adels, und die sehe Ich im Orden St. Johannis in stattlicher Zahl vereint. Ich hoffe von Herzen, daß es Mir gelingen möge, im Verein mit der liebesthätigen Unter­stützung des Johanniterordens die Ausführung und Fortbildung der Hebung des Sinnes für Religion und christliche Zucht und Sitte im Volke zu bewirken und so die hohen Ziele zu erreichen, welche Ich Mir als Ideale gestellt. Wir aber, die wir miteinander das schlichte Weiße Kreuz heut erhielten, sowie die, welche es schon besitzen, wir wollen unsere Gläser erheben und auf dessen Wohl trinken, der in alter Hohenzollern'scher Pflichttreue, gepaart mit hin­gebender Aufopferung in christlichem Sinne den Orden zu der Höhe gebracht, auf welcher er nunmehr sich befindet. Seine Königliche Hoheit der Durch­lauchtigste Herrenmeister des Ordens von St. Johann vom Spitals zu Jeru­salem Prinz Albrecht von Preußen und Regent von Braunschweig Hurrah!"

Der König von Dänemark besuchte heute Samstag nachmittag das Mausoleum zu Charlottenburg und verweilte daselbst längere Zeit in stiller Andacht. Der König begab sich darauf nach Potsdam, um der Kaiserin Augusts auf Schloß Babelsberg und der Kaiserin Friedrich auf Schloß Friedrichskron Besuche abzustatten. Der König hat seine Reise­disposition geändert und wird heute abend 8 Uhr Berlin wieder verlassen,

Jeuilleton. 1 «-^-

Lieben und Leiden.

Roman aus der Pariser Gesellschaft von ZI. du Moisgovey.

(Autorisierte deutsche Uebersetzung.)

(Fortsetzung.)

Er," flüsterte die Gräfin, deren Züge geisterhaft bleich geworden waren, er also ist der Vater dieses Mädchens, welches mich sucht! Welche wunderbare Füg­ung! Gott selber sendet sie mir zu. Noch vor einer Stande fragte ich mich, wozu ich den Mut haben sollte, zu leben; nun werde ich ihn haben, ich werde ihn haben für sie, für dieses Kind Vitale Vitellio's, welches meiner bedarf! Aber wo sie finden?"

Sie wandte das Blatt um und las weiter:

Das ist Alles, was ich mitzuteilen habe, gnädigste Gräfin. An Ihnen ist es jetzt, zu beurteilen, ob Sie sich des jungen Mädchens annehmen können, annehme n wollen. Ich leugne nicht, daß mir dasselbe Sympathie und Achtung einflößt. An­drea Vitellio kennt weder den Namen, welchen Sie jetzt tragen, noch Ihre Adresse, kann sich Ihnen also nicht vorstellen. Sollte es Ihnen aber zusagen, sie kennen zu lernen, so bin ich in der Lage, Ihnen mitzuteilen, daß das Mädchen Rue de Baux Nr. 22 in einem Hotel wohnt, welches sie nur selten verläßt. Sie würden folglich gewiß sein, sie zu finden, wenn Sie sich entschließen könnten, die junge Fremde auf­zusuchen."

Ich habe keinen andem Lebenszweck mehr," sprach die Gräfin leise für sich selbst.

Sie sehen, verehrte Gräfin," so schrieb d'Artige weiter,daß ich mich ge­wissenhaft in die freundschaftliche Rolle hineinsinde, welche Sie mir zugewiesen haben. Ich füge noch hinzu, das ich mein Wort gehalten habe, indem ich einer Begegnung mit dem Grafen aus dem Wege gegangen bin. Nach dem Gespräch, welches ich Ihnen soeben mitgeteilt, sah ich Herrn von Listrac zufällig in dem Club, welchem

wir, wie Sie wissen. Beide angehören. Ich habe nicht das Wort an ihn gerichtet und auch er that, als kenne er mich nicht. Freilich war er gerade lebhaft am Spiel­tisch engagiert und hat meine Anwesenheit vielleicht wirklich kaum beachtet. Wie Dem auch sein möge, Sie können sich darauf verlassen, daß ich auch in Zukunft einer Begegnung aus dem Wege zu gehen wissen werde, es sei denn, daß der Graf mich provociere, was ich von ihm nicht gerade erwarte."

Er spielte also," sagte sich schmerzlich bewegt die Gräfin,und zwar war dies am Abend nach dem Tage, an welchem er mit mir jene anscheinend so rührende Versöhnungsscene gefeiert hat. Vielleicht hat er gar gewonnen und wußte dann nichts Eiligeres zu thun, als seinen Gewinn der Baronin von Benserrade zu Füßen zu legen, denn bereits am folgenden Tage scheint er eben so mittellos gewesen zu sein, wie früher, da er keinen Anstand nahm, meine Unterschrift zu fälschen. Elender Feigling, erbärmlicher Heuchler .... Ich verlasse dieses Haus, um nie mehr in dasselbe zurückzukehren; der Tochter Vitale Vitellio's gehören meine Zukunft und alle Gefühle der Liebe, deren dieses gebrochene Herz noch fähig ist!"

Die Uhr, welche mit lautem Schlage die dritte Nachmittagsstunde verkündete, erinnerte sie an den Flug der Zeit. Der Graf konnte zurückkehren und sie hatte sich geschworen, ihn nimmer Wiedersehen zu wollen. So steckte sie denn alle ihre Wert­papiere in eine herbeigeholte Handtasche und legte, ohne ihre Zofe herbeizurufen, Hut und Mantel an. Sie beschloß sogar, sich nicht einmal einen Wagen herbeiholen zu lassen, damit keiner der Diener sich zufällig der Nummer desselben entsinnen konnte. Es lag durchaus nicht in ihrer Absicht, spurlos zu verschwinden; sie wollte sich nicht verbergen, als ob sie eine Schuldige sei, sondern sich vielmehr aller Welt zeigen und der allgemeinen Meinung es überlassen, zu beurteilen, wer bei dieser Scheidung der schuldige Teil sei. Vor Allem aber mußte sie verschiedene wichtige Dispositionen treffen und sich einen Lebensplan machen und zu diesem Zweck ihren Notar zu Rate ziehen, damit derselbe ihre Stellung dem Grafen von Listrac gegenüber gesetzmäßig regeln konnte. Sie wollte folglich einige Tage ruhig und im Verborgenen leben. Damit aber eben diese Verborgenheck nicht Anlaß zu so leicht ersindbaren Verleumdungen gebe, konnte sie nichts Besseres thun, als dieselbe mit Andrea Vitellio teilen. Sie