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thal eingefunden haben, ist unter andern Seminaristen ausgenommen worden: Erhardt, Karl, Sohn des Schlossermeisters in Calw.
Stuttgart, 23. August. Am letzten Dienstag nachmittags zwischen 4 — 5 Uhr hat Fahnder Schaffer bei einem Uhrmacher in der Thorstraße einen Mann betreten, welcher eine neue wertvolle goldene Remontoiruhr unter verdächtigen Umständen zu veräußern suchte. Derselbe wurde von Schäffer aufgefordert, ihm zum Stadtpolizeiamt zu folgen. In der Querstraße schlug der Festgenommene mit seinem Schirm auf den Fahnder ein und ergriff die Flucht, wurde aber durch denselben eingeholt und festgehalten, wobei der Verhaftete wiederholt auf den Fahnder einschlug und denselben an der Kehle packte. Mit Hilfe des Dienstmanns Maier gelang es, den Verhafteten zum Stadtpolizeiamt zu bringen. Die Uhr hat derselbe in einem Uhrenladen in der Marienstraße gestohlen.
Ulm, 21. Aug. Der Vorarbeiter in einer hiesigen Schlosserei sowie der 17jährige Sohn des Meisters und ein lojähriger Schlosserlehrling, welche im neuen katholischen Gesellenhaus beschäftigt waren, ließen.sich beigehen, der Wohnung des Hausmeisters mittelst .Nachschlüssels in den letzten 6 Wochen mehrmals Besuche abzustatten und dessen Kasse nach und nach um 170 zu erleichtern. Vor einigen Tage wurde einer derselben, nachdem besonders auf den Dieb gepaßt worden, aus der That erwischt und sämtliche 3 zur Haft gebracht.
Ulm, 22. August. Heute abend wurde die vom hiesigen Gärtnerverein arrangierte Gartenbauausstellung, welche am letzen Samstag in der durch einen Gang über die Glasgasse verbundenen beiden Markthallen im Beisein von Staats- und städtischen Behörden eröffnet worden war, geschlossen. Die Ausstellung war recht hübsch arrangiert und hat ge- zeigt, daß die Ulmer Gärtnerei weit vorangeschritten ist. Der Besuch war e>n reger und auch die mit der Ausstellung verbundene Ausspielung von Pflanzen hatte sich lebhaften Zuspruchs zu erfreuen. Heute abend veranstalten die Gärtner mit ihren Angehörigen in den Markthallen einen Tanzabend.
Gmünd, 21. Aug. Auf dem Rückweg von Spraitbach verunglückte gestern abend der Verwaltungskandidat Hohlbein von hier. Die Pferde scheuten und der junge Mann sprang so unglücklich aus dem Gefährt, daß er kurze Zeit darauf verschied.
Geislingen, 20. Aug. In den letzten Tagen machten sich im Christenthal bei Donzdorf die Manöoerübungen durch heftiges Gewehrknattern bemerklich. — Bei dem Ritt, den das Ulanen-Regiment „König Wilhelm" in Ludwigsburg am 15. d. Mts. von Voll her unternahm, um zunächst die Nachtquartiere in Merklingen und Umgebung zu beziehen, von wo aus es zu achttägigen Manöverübungen bei Erbach weitermarschierte, ereignete es sich auf der Staige in Unterdrackenstein, daß die vor dem Stabswagen gespannten Pferde diesen an einer hohen Steinböschung rückwärts gehen ließen und eines der Pferde samt dem Reiter die Böschung hinunterstürzte, ohne jedoch Schaden zu nehmen. Der Stabswagen, welcher mit seinen Jnsaßen auf der Straße erhalten blieb, konnte ohne weiteres Hindernis weiterfahren. Der Stab und zwei Schwadronen waren in Merklingen einquartiert, woselbst die Regimentsmusik IVe Stunden lang konzertierte.
— Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich am Samstag abend in Königsberg. Fünf junge Leute, 4 Setzer und der Aettour en paxes der Königsb. Allg. Z., haben an dem Abend eine Bootfahrt auf dem Schloßteich unternommen und wollten nach halbstündiger Fahrt wieder heimkehren, als plötzlich dadurch, daß einer der Mitfühlenden aufstand, das Boot aus dem Gleichgewicht kam, im Augenblick voll Wasser lief und bald darauf kenterte. Obwohl Hilfe in nächster Nähe war, konnte in der dunklen Nacht keinem der Gefährdeten Rettung gebracht werden. Einer hielt sich eine Zeit lang durch Schwimmen über Wasser und konnte dann durch ein herbeigeeiltes Boot ausgenommen werden, während die anderen 4 ertranken. Erst am
Mittag des andern Tages gelang es, die Leichen aufzufinden. Von den Verunglückten war nur der Metteur verheiratet. Derselbe hinterläßt eine noch junge Frau und ein Kind. _
WevmiscHtes.
Hamburg, 21. Aug. In der Elbe befinden sich 13 anderthalb Meter lange Krokodile, welche aus einem Schiffe entschlüpften. Die Badenden wurden polizeilich gewarnt.
Aus Bayern. Ein Beispiel von Intoleranz geben die Vorgänge in dem Markte Allersberg bei Roth in Mittelfranken, dessen Einwohner in stark überwiegender Zahl Katholiken sind. Sieben Jahre lang mußten die dort wohnenden Protestanten kämpfen, bis ihnen endlich durch Entscheidung der höchsten Instanz, nämlich des k. Verwaltungsgerichtshofes, das Recht der Mitbenutzung des Ortsfriedhofes zugesprochen wurde. Infolgedessen fand nun vor kurzer Zeit die Beerdigung eines protestantischen Kindes auf dem Kirchhofe zu Allersberg statt, darüber waren die Katholiken so erbost, daß die an der Leichenfeier Beteiligten insultiert und beschimpft wurden und daß das auf dem Grab befindliche Kreuz während der Nacht herausgerissen und auf die Viehweide geworfen wurde. Ein hiesiges Blatt berichtet über die Gereiztheit der katholischen Bevölkerung noch weiter: Während Herr Kaufmann St. den Protestanten mit Aushungern drohte, erbot Herr Gastwirt
Sch. sich, die „lutherischen H-" mit seinem großen Hunde hinauszujagen
u. s. w., um so die so viel gepriesene Nächstenliebe zu beweisen. Auf erstattete Anzeige beim königl. Bezirksamts wurde dem Herrn Bürgermeister, welcher zugleich Chordirigent und Musikmeister ist und in Folge dessen als getreuer Diener seines Herrn dem Herrn Pfarrer zur Seite steht, bedeutet, daß, wenn nicht Ruhe werde, Militär requiriert werden würde. Nun ist Ruhe, eine unheimliche Ruhe, welche nur des geringsten Anlasses bedarf, um in das Gegenteil umzuschlagen. Nachdem nun auf dem Wege der öffentlichen Skandale nichts zu machen ist, der Herr Pfarrer und seine ihm in blinder Ergebung folgenden Schäflein aber ihre Genugthuung haben wollen, wurde der „löbliche" Beschluß gefaßt, mit sämtlichen protestantischen Geschäftsleuten in keiner Weise mehr Geschäfte zu machen und die übrigen Katholiken aufzufordern, ebenfalls auf die Dauer eines Jahres keinen ketzerischen Käs zu essen und sich des ketzerischen Bieres, welches, nebenbei gesagt, das beste ist, zu enthalten. Der Herr Pfarrer selbst zieht es vor, sein Kaffeebrod, welches er schon 30 Jahre lang von einer Witwe bezogen, jetzt „katholisch backen zu lassen." Herr Fabrikant Sichert, rühmlichst bekannt von der früheren Doktor-Affaire her rc., erließ an seine Arbeiter 'das Verbot, in der „protestantischen Wirtschaft", allwo sie bisher ihr Bier geholt, ferner zu verkehren."
Umsonst. „Es ist zum Verzweifeln! Vorig's Jahr Hab' ich meinen Gaul weggegeben, weil er vor jedem Wirtshaus stehen geblieben ist, und nun, da ich mir ein Veloziped angeschafft, kennt das verflixte Fuhrwerk die Wirtshäuser auch schon!" _
Standesamt Kaliv.
Geboren:
19. Aug. Anna Maria, Tochter des Gottlieb Strecker, Hilfswärters.
21. „ Karl Gottlieb, Sohn des Wilhelm Heilemann, Fabrikarbeiters.
Getraute:
19. Aug. Heinrich Ludwig Baier, Fabrikarbeiter hier, und Marie Rcgine Seitz, Fabrikarbeiterin hier.
Gestorben:
19. Aug. Friedrich Lank, Schullehrer, 2 5 Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 26. August 1888.
Vom Turme: Nro. 429. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Braun. Christen- lehre mit den Töchtern. Nachmittagspredigt Hr. Helfer Eytel. _
Gotteräienste ia ä«r Metkiockistenkiapelle am Sonntag, den 26. August 1888 morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
er auch noch falsche Wechsel gemacht, wahrscheinlich einzig um jene Elende zu bereichern, die ihn in ihren Banden hielt.
„Der Erbärmliche!" flüsterte Bianka. „Er hat die Galeere riskiert, um irgend eine Laune der Baronin Benserrade zu erfüllen, denn sie und keine Andere ist es, der er sein Geld zu Füßen legt. Ich entäußere mich meines Palais, um seine Schulden zu bezahlen, und er — 0 , er hat mich betrogen um Alles, um Liebe, -Glück und Glaube!"
Sie brach in sich zusammen, kraft- und thränenlos. Der tiefste Schmerz hat keine Thränen, und welch tieferes Weh hätte sie treffen können, als dieses, welches sie ins Herz traf? Sie mußte fort von hier und zwar nicht in acht Tagen, sondern in dieser Stunde noch; ihres Bleibens war hier nicht länger. Sie konnte den Mann nicht Wiedersehen, der so an ihr gehandelt hatte.
Aber wohin, wohin? Sie vermochte über den Gedanken nicht hinwegzukommen. Sie fühlte sich wie zerschmettert.
Ihre Kammerfrau trat ein und überbrachte ihr auf silberner Platte einen Brief; Bianka griff mechanisch nach demselben und es hätte nicht viel gefehlt, so würde sie ihn achtlos zur Seite geworfen haben, denn die Handschrift der Adresse war ihr fremd. Nach kurzem Bedenken aber löste sie das Siegel und ihr erster Blick galt der Unterschrift; klar und deutlich las sie den Namen Albert d'Artige.
Völlig automatenhaft schweiften ihre Blicke über den Briefbogen, der mit eng beschriebenen Zeilen bedeckt war, welche lauteteten:
„Gnädige Frau Gräfin!
Nachdem ich Sie nach einem Gespräch, dessen Erinnerung stets in meinem Gedächtnis leben wird, verlassen, redete ich das junge Mädchen an, welches Sie beobachtet hatten, und dem Wunsche Folge leistend, welchen Sie geäußert, befragte ich sie um ihre Lage und näheren Verhältnisse. Sie ist, wie Sie ganz richtig erraten haben, eine Italienerin und will auf der Pariser Bühne als Sängerin debütieren. Ihr Lehrer hat sie versichert, daß sie des Erfolges gewiß sein könne, doch kennt sie Niemanden in Paris und baut alle ihre Hoffnungen auf ein Empfehlungsschreiben, welches ihr Lehrer ihr gegeben und das an eine berühmte Sängerin adressiert ist."
„Armes Mädchen!" flüsterte die Gräfin von Listrac, den Brief sinken
lassend. „Wenn sie wüßte, wohin die Theater-Erfolge führen! Ich möchte sie wohl aufllären und wenn ich — "
Sie griff von neuem nach dem Briefe und fuhr fort, zu lesen:
„Ich würde Ihnen die ziemlich banale Geschichte des jungen Mädchens nicht erzählen, wenn mir dasselbe nicht die große Künstlerin genannt hätte, auf deren Protektion dasselbe rechnet. Diese Dame sind Sie! Ich habe selbst den Brief gesehen, welchen sie für die Primadonna Bianka Monti bei sich trägt, und dem Manne, welcher dieses Schreiben Ihnen sendet, ward einst die Ehre zu Teil, Sie unter seine Schülerinnen zählen zu'dürfen; er nennt sich Cesvre Quaglia und ist Gesangslehrer in Florenz. Es ist ein eigenartiger Zufall zu nennen, welcher diese junge Fremde bereits in Ihren Weg führte, ehe sie noch wußte, daß Sie Diejenige seien, an welche sie zu empfehlen ihr alter Professor für das Beste hielt, was er für sie thun konnte. Daß Sie inzwischen Gräfin von Listrac geworden sind, scheint weder Ihr ehemaliger Lehrer, noch die junge Schutzbefohlene, die er Ihrer Fürsorge unterstellen möchte, zu wissen. Ich aber hielt es für meine Pflicht, Ihnen Ihre junge Landsmännin nicht zu schicken, ehe ich nicht sicher war, ob es Ihnen auch zusagen würde, sie zu empfangen. Ich schlug ihr vor, Ihnen - den Brief zu übermitteln, welchen Cesare Quaglia geschrieben hat; sie weigerte sich jedoch, mir denselben anzuvertrauen, und will unter allen Umständen Sie selbst sehen und sprechen. Ihre Geschichte ist eine sehr romantische. Sie ist etwa sechzehn Jahre alt und gleich Ihnen in Florenz geboren. Sie spricht das Französische eben so fließend wie das Italienische. Ihre Mutter hat sie nicht gekannt; ihr Vater war, wie sie sagt, Maler und Dichter. Seine Bilder sollen in irgend einer der Hauptkirchen von Florenz neben den Werken aller Meister ihren Platz gefunden haben. Eine Gestalt auf einem dieser Bilder trägt Ihre Züge."
„O, mein Gott!" unterbrach die Gräfin ihre Lektüre, aber die Worte des Briefes bannten ihren Blick und so las sie weiter:
„Ich muß noch hinzufügen, daß dieser in Florenz als berühmt geltende, hier unbekannte Künstler, so viel seine Tochter darüber aussagte, Ihr Freund gewesen sein soll. Er starb, als sie noch ein Kind war, durch einen unglücklichen Zufall. Sein Name war Vitale Vitellio!" (Forts, folgt.)