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«3. Jahrgang
Amts- und Intelkigenzbkatt für den Aezirst
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsaebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äea 2t. August 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 -H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 »K 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 70
Amtliche Bekanntmachung.
Die KrLsvorsteher
werden aufgefordert, dem Obstbaumsatz an den Straßen ihre besondere Auf» merksamkeit zuzuwenden, und namentlich auf die Ergänzung der Lücken im Baumsatz, die Entfernung der schlechten und verdorbenen Bäume, sowie deren Ersetzung durch gesunde und für die Lage geeignete hinzuwirken.
Ueber den Erfolg ihrer Bemühungen werden die Ortsvorsteher bis 1. Dezember d. I. hieher berichten.
Calw, den 20. August 1888. K. Oberamt.
Supper.
politische Wachlüchten.
Deutsches Reich.
Berlin, 17. Aug. (Zu Ehren des Geburtstages des Kaisers von Oesterreich) wird morgen im Stadtschlosse zu Potsdam ein Diner stattfinden, zu dem der österreichische Botschafter mit dem Personakrtzxr Geschäft und Würdenträger des Hofes Einladungen erhalten
— Korrespondenz" wird der österreichisch-ungarische
Minister des-WkWrtigen. Graf Kalnoky, im Laufe der nächsten Wochen, wahrscheinlich in Friedrichsruh eine Begegnung mit. dem Reichs» kanzler haben.
— Der Präses der Landesverteidigungskommission, Generalfeldmarschall GrafMoltke, ist aus Kreisau in Berlin eingetroffen, um dem Kaiser für die Genehmigung seines Rücktrittsgesuches als Chef des Generalstabs und für die ihm durch die Ernennung zum Präses der Landesverteidigungskommission zu teil gewordene Auszeichnung zu danken. Der Kaiser kam aber dem Grafen zuvor und beehrte ihn persönlich mit einem Besuche.
Berlin, 17. Aug. (Die Plaudereien des Herrn Mackdnzieüber Kaiser Friedrich) — einen anderen Charakter kann, die Schrift nach den vorliegenden Inhaltsangaben nicht in Anspruch nehmen — sollen in Kürze das Licht der Welt erblicken. Wir begnügen uns, in Erinnerung zu bringen, daß die Kaiserin Friedrich den Inhalt der Veröffentlichung weder gesehen, noch beeinflußt hat, noch auch irgendwie die Veröffentlichung zu genehmigen oder zu verwehren in die Lage gebracht sein wollte. Frkf. I.
Italien.
Rom, 18. Aug. Im Quirinal sind zahlreiche Arbeiter mit der Herstellung der Gemächer für Kaiser Wilhelm beschäftigt, welcher nicht im Pavillon Lapalazzina, sondern im Quirinal selbst wohnen wird. Der Oberbürgermeister schlug einen Fackelzug vor, an welchem viele Vereine und gegen 10,000 Soldaten teilnehmen sollen. Am selben Abend sollen alle Denkmäler und das korum romsnum bengalisch beleuchtet und am Schluß auf dem palatinischen Hügel ein die italienisch-deutsche Allianz versinnbildlichendes Feuerwerk abgebrannt werden. Ferner ist eine Galavorstellung im Teatro Argentina und ein großes Mustkfest auf der Piazza d'Espagna in Aussicht genommen. Die Municipalität ist mit Vorkehrungen für Unterbringung der Truppen beschäftigt, welche für die Heerschau von auswärtigen Garnisonen herangezogen und für 3 Tage in der Stadt einquartiert werden.
Gages-Werrigkeiten.
§ Calw, 20. Aug. Am gestrigen Sonntag machte der Leonberger Gewerbeverein etwa 50 Personen stark unter Führung seines Vorstandes, Hr. Maschinenfabrikant Stohrer, unserer Stadt einen Besuch. Um 11 Uhr 17 Min. hier ankommend, wurde derselbe von dem Ausschuß, sowie einigen Mitgliedern des hies. Handels- und Gewerbevereins am Bahnhof begrüßt und dann sofort ein Rundgang zu den Sehenswürdigkeiten unseres Platzes angetreten. Das Mittagessen wurde im badischen Hof eingenommen^ das nach dem Urteil der Gäste bei sehr billigem Preis gut und reichlich ausgefallen sei, so daß alle Beteiligten im höchsten Grade befriedigt waren. Nachmittags fand ein Ausflug nach Hirsau statt, woselbst zunächst das Kloster besichtigt und dann in dem schönen Garten von Märkte ein gute» und frisches Glas Bier getrunken wurde. Gegen 6 Uhr fand man sich in der Bierbrauerei von Jul. Dreiß mit einem Teil des hiesigen Handelsund Gewerbevereins zu geselliger Unterhaltung zusammen, woselbst die hiesige Stadtmusik konzertierte. Bei ausgezeichnetem Exportbier kam die Unterhaltung bald in Fluß, ja es reichte sogar noch einige Tänzchen. Leider nahte nur zu bald die Stunde des Scheidens. Der Vorstand des Leonberger Vereins bezeichnte den Ausflug nach Calw als einen vollkommen gelungenen und versicherte, daß alle befriedigt auf diesen Tag zurückblicken werden; er schloß seine Ansprache mit einem dreifachen Hoch auf den hiesigen Verein, worauf der Vorstand des Calwer Handels- und Gewerbevereins, Hr. Handelsschuldirektor Spöhrer, sofort erwiderte, indem er für den Besuch dankte und auf den Nachbarverein ein kräftiges Hoch ausbrachte. Hierauf Ausbruch zur Bahn,
Feuilleton. <»-
Lieben und Leiden.
Roman aus der Pariser Gesellschaft von Is. du AoisgoSey.
(Autorisierte deutsche Uebersetzung.)
(Fortsetzung.)
Die Gräfin konnte sie schon von Weitem kommen sehen und hatte Zeit, ihre ganze Erscheinung einer genauen Prüfung zu unterziehen. Sie hatte sie oftmals schon im Theater und im Bois de Boulogne, doch immer nur flüchtig und aus der Ferne gesehen. Wie sie nun dahergeschritten kam, hatte ihre ganze Erscheinung etwas Triumphierendes an sich, sie schien die Schloßherrin zu fein, welche zum ersten Male ihre Domäne betritt.
Sie war nicht geschmacklos, aber auffällig gekleidet, sie übertrieb nicht nur die Mode, sondern sie kam derselben zuvor. Bianka von Listrac trug ein bis hoch an den Hals reichendes, weißes Kaschmirkleid, ihre schwarzen Haare waren in einem einfachen Knoten am Hinterkopf befestigt. In ihrer Einfachheit war sie entzückend schön.
Ihre Rivalin hingegen konnte nur hübsch genannt werden, dafür aber verstand sie es, mit tausend koketten Künsten die Männer anzuziehen, während Bianka nur den einen Mann zu lieben im Stande war, dem ihr Leben gehörte.
„Der Garten ist nicht sehr groß, aber er ist nicht gut erhalten," hörte die Gräfin Madame de Benserrade in schnarrendem Tone bemerken. „Der Wintergarten sieht hübsch aus, es handelt sich nur darum, zu wissen, ob er auch geschmackvoll eingerichtet ist. Uebrigens dürfte es sehr wahrscheinlich sein, daß ich viele Aenderungen im Palais treffen werde, denn die ganze Einrichtung wird kaum meinem Geschmack Rechnung tragen."
Diese Bemerkungen, welche alle auf die Thatsache des Besitzes hinwiesen, trieben der Gräfin das Blut zu Kopfe ; ihr war es, als ob Frau von Benserrade
eine Beleidigung gegen sie damit ausspreche, wenn sie thue, als ob das Haus ihr gehöre. Unwillkürlich, einem unbezwinglichen Zuge folgend, that sie einige Schritte nach vorwärts und trat dadurch in den Gesichtskreis der Baronin.
Der Kammerdiener, gegebener Weisung Folge leistend, zog sich zurück und von Angesicht zu Angesicht standen die beiden Rivalinnen einander gegenüber.
Juliette de Benserrade verlor ihre Fassung nicht; sie mochte offenbar solche Begegnung vorausgesehen, wenn nicht gar gesucht haben.
Auch Bianka verriet durch Nichts außergewöhnliche Erregung; sie war der Baronin gegenüber schon dadurch im Vorteil, daß sie sich in ihrem eigenem Hause befand und folglich die Fremde nach ihrem Begehr fragen konnte.
„Ich bin unfähig, den Zweck Ihres Besuchs zu erraten, Madame," sprach die Gräfin in kaltem Tone.
„Entschuldigen Sie gütigst," entgegnete Madame de Benserrade, ohne sich durch diesen eisigen Empfang einschüchtern zu lassen, „ich hätte Ihnen allerdings schreiben sollen, um Ihnen Mitteilung zu machen, daß ich heute kommen würde; aber es ge brach mir an Zeit. Ich habe erst gestern abend erfahren, daß der Kauf abgeschlossen sei, und ich gestehe ehrlich, daß es mich drängte, so rasch als möglich das Palais in Augenschein zu nehmen, welches ich gekauft habe, ohne es zu kennen, blos auf die Schilderung hin, welche mir Jemand davon machte, der hier im Hause genau orientiert ist. Ich habe vielleicht die Zeit schlecht gewählt, doch sollte ich Sie stören, so bitte ich Sie, Tag und Stunde zu nennen, wann ich wiederkommen kann, um, ohne Ihnen lästig zu fallen, meinen zukünftigen Besitz in Augenschein zu nehmen."
All Dies wurde in einem ganz natürlichen Tone gesprochen, als ob es sich um die gewöhnlichsten Dinge handelte.
Die Gräfin stand vernichtet.
„Sie — Sie haben dieses Palais gekauft?" fragte sie tonlos.
„Ja! Derjenige, welcher das Recht dazu besaß, anstatt meiner zu unterzeichnen, hat dies gestern bei dem Notar Jouin, welch er Ihre Vollmacht besaß, ge- gethan; wußten Sie das nicht?"